Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

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Progressiver
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Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Progressiver »

Heute lief auf arte.tv eine Dokumentation über Nietzsche, die ich euch nicht vorenthalten will:

https://www.arte.tv/de/videos/062255-00 ... nietzsche/

Aus der Beschreibung des Senders:
Aufklärer, Visionär, Vordenker totalitärer Systeme – ist Nietzsche wirklich der, für den wir ihn halten? Das "Gehirn" des 20. Jahrhunderts? Was waren seine Ideen, und was wird dafür gehalten? Und wer ist seine Schwester? Welchen Einfluss hatte sie auf ihren Bruder? Die Doku bringt einen Fälschungsskandal ans Licht, der in der deutschen Geistesgeschichte beispiellos ist.
Aufklärer, Visionär, Vordenker totalitärer Systeme – ist Nietzsche wirklich der, für den wir ihn halten? Was waren seine Ideen, und was wird dafür gehalten? Und welchen Einfluss hatte seine Schwester auf ihren Bruder? „Wahnsinn! Nietzsche!“ bringt einen Fälschungsskandal ans Licht, der in der deutschen Geistesgeschichte beispiellos ist. Nach einem Zusammenbruch verbringt der bis dahin nahezu unbekannte Philosoph sein Dasein in vollkommener geistiger Umnachtung. Seltsam ist: Nietzsche wird nach seinem Zusammenbruch plötzlich über Nacht berühmt. Seine Bücher finden reißenden Absatz, Millionen erklären Gott endgültig für tot und Nietzsche zum Propheten ihrer schöpferischen Befreiung. Nicht nur das linke, auch das rechte Spektrum beruft sich auf Nietzsche. Der aufstrebende Adolf Hitler beruft sich auf den Philosophen als seinen ideologischen Vordenker. Das prägt das Bild Nietzsches: Bis heute gilt er als der große Blut- und Bodenphilosoph, als Autor des Werks „Der Wille zur Macht“. Doch gerade hier gibt es Zweifel: Wann soll Nietzsche das Buch verfasst haben, das unmittelbar nach seinem Tod auf den Markt kam? Nach seinem Zusammenbruch? Vorher? Oder ist das einflussreiche Werk eine Fälschung? Und ist Nietzsches eigene Schwester Elisabeth Förster-Nietzsche dafür verantwortlich? „Wahnsinn! Nietzsche!“ ermittelt die Hintergründe und Folgen einer kriminellen Werkfälschung im Stil eines modernen Untersuchungsverfahrens. Die Geschichte führt aber auch in die Abgründe einer ungewöhnlich engen Geschwisterbeziehung und macht den Philosophen Friedrich Nietzsche als Menschen spürbar.
Leider ist die Sendung nur bis 4.10.2017 in der Arte-Mediathek abrufbar.

Oder, um die Hauptthesen der Dokumentation in meinen eigenen Worten in Kürze wiederzugeben:

Friedrich Nietzsche war bekanntlich mal ein Anhänger Richard Wagners. Während er sich aber mit diesem verwarf, hielt seine Schwester dem Komponisten die Treue. Friedrich Nietzsche schaffte es dann, in seinen letzten Jahren vor seinem Zusammenbruch, trotz rasender Kopfschmerzen und anderer Gebrechen seine größten Werke niederzuschreiben. Seine Schwester heiratete derweil einen Antisemiten und versuchte erfolglos in Südamerika eine Kolonie von Deutschen aufzubauen. Als sie wieder nach Deutschland kam, fand sie den gebrochenen Bruder und benutzte ihn, um selbst als Verwalterin seiner Schriften groß herauszukommen. Dazu war ihr jeder Mittel recht: Sie verfälschte mit geradezu krimineller Energie sein Werk und schob ihm das Buch "Der Wille zur Macht" unter, das dieser nie so hätte schreiben können oder wollen. Elisabeth schaffte es so, verkürzt gesagt, Friedrich Nietzsche als angeblichen Vorkämpfer einer Herrenrasse zu installieren, auf den sich die Deutschen insbesondere unter Hitler berufen konnten. Mit ihrem eigenen Willen zur Macht schaffte sie es dann, für die Mächtigen Deutschlands zu einer wichtigen Person zu werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg war dann natürlich der Philosoph selbst als "Blut- und Bodenphilosoph" verfemt, der den Nazis angeblich den Boden bereitete. Tatsächlich waren er und sein Werk nur Opfer der Machenschaften seiner Schwester.

Erst heute entdeckt die Nietzsche-Forschung, welche Philosophie er erfand. Er verabscheute jegliche Deutschtümelei sowie Antisemitismus. Und der Übermensch aus Zarathustra war eher der Eremit, der als radikaler Individualist über allen menschlichen Dingen stand. Anstatt eine Herrenrasse zu propagieren, lautete einer seiner Wahlsprüche: "Werde, der du bist".

In diesem Thread will ich die Philosophie Friedrich Nietzsches diskutieren. Ebenso aber den Punkt, wieso es über hundert Jahre gebraucht hat, bis man allmählich den wahren Nietzsche entdecken konnte. Inwieweit ist der wahre Nietzsche heute von Bedeutung? Wo ist er noch unverstanden? Was kann er uns noch sagen? Und warum wurde dieser Fälschungsskandal nicht schon früher aufgedeckt?
Zuletzt geändert von Progressiver am Do 28. Sep 2017, 19:56, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Friedrick Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Provokateur »

Nietzsche hat die angenehme Eigenschaft, dass man aus ihm alles heraus- oder hineinlesen kann, was man möchte. Er war so wenig konkret und vergeistigt, dass man ihn zwingend interpretieren muss...und was dabei herauskommt, bleibt einem selbst überlassen.
Harry riss sich die Augen aus dem Kopf und warf sie tief in den Wald. Voldemort schaute überrascht zu Harry, der nun nichts mehr sehen konnte.
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Re: Friedrick Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Alpha Centauri »

Provokateur hat geschrieben:(28 Sep 2017, 06:08)

Nietzsche hat die angenehme Eigenschaft, dass man aus ihm alles heraus- oder hineinlesen kann, was man möchte. Er war so wenig konkret und vergeistigt, dass man ihn zwingend interpretieren muss...und was dabei herauskommt, bleibt einem selbst überlassen.
Interpretation ist alles. :cool:
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Re: Friedrick Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Provokateur »

Alpha Centauri hat geschrieben:(28 Sep 2017, 10:47)

Interpretation ist alles. :cool:
Klassiker bei Nietzsche:
Wenn du zum Weibe gehst, vergiss die Peitsche nicht!
Die eine Auslegung: Das Weib sei zu peitschen.
Die andere Auslegung: Der Mann soll sich selber züchtigen, um seine Triebe zu bändigen.
Harry riss sich die Augen aus dem Kopf und warf sie tief in den Wald. Voldemort schaute überrascht zu Harry, der nun nichts mehr sehen konnte.
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Re: Friedrick Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Progressiver »

Provokateur hat geschrieben:(28 Sep 2017, 06:08)

Nietzsche hat die angenehme Eigenschaft, dass man aus ihm alles heraus- oder hineinlesen kann, was man möchte. Er war so wenig konkret und vergeistigt, dass man ihn zwingend interpretieren muss...und was dabei herauskommt, bleibt einem selbst überlassen.
Das kommt darauf an. Wenn man das durch seine Schwester verfälschte Bild nimmt, die ihm das Werk "Der Wille zur Macht" unterschob, dann hätte er ein festes Theoriegebäude gebaut, dass zutiefst antidemokratisch erschiene. Tatsächlich war er aber aufgrund seines labilen Gesundheitszustandes dazu immer weniger in der Lage. Und im Gegensatz zu Elisabeth Förster-Nietzsche, die er als "Lama" verspottete und als solche nicht mochte, war er in späteren Jahren ein Gegner des Antisemiten Richard Wagners. Und gegen das, was seine Schwester und spätere Generationen -von der Zeit des Ersten Weltkriegs bis hin zu Hitler- mit ihm machten, konnte er sich ja nicht wehren. Erst allmählich entdeckte man dann aber, wie er wirklich dachte.

Meine Einschätzung: Natürlich war seine Schreiberei immer auch ein Kampf gegen seine Erkrankung. Deswegen konnte er nur in Aphorismen schreiben. Wie die Dokumentation aber zeigt, ist das revolutionäre an seiner Philosophie die radikale individualistische Sicht in einer Zeit, in der die Industrialisierung in Deutschland immer weiter fortschritt. Und er schaffte etwas, das andere nicht können: Er stellte alles in Frage, was den Deutschen wichtig war. Und gerade sein berühmtestes Zitat "Gott ist tot. Gott bleibt tot. Und wir haben ihn getötet." zeigt auch auf, was er für ein Genie war. Ein anderes, in diesem Zusammenhang, passendes, lautet bekanntlich "Ich bin kein Mensch. Ich bin Dynamit."

Was mich betrifft, so war Nietzsche gegen Ende der Schulzeit wohl der erste Philosoph, der mich näher interessierte. Gerade auch wegen seines Zitats "Gott ist tot" übte er auf mich eine Faszination aus, da ich auch in der Pubertätszeit zum Atheisten geworden war. Und in solchen Aussagen ist er wohl eindeutig zu interpretieren, da er klar gegen die Religion Stellung bezieht. Ob ich später seinen "Zarathustra" verstanden hatte, kann ich nicht so ohne weiteres bejahen. Aber das ist wohl auch das Problem vieler anderer Philosophen, die jeder auf seine Art völlig unlesbare Bücher geschrieben haben, um mit ihnen komplexe Theoriegebäude aufzubauen. Da lese ich dann doch lieber Sekundärliteratur über sie.

Nietzsches Verdienst ist es jedenfalls meiner Ansicht nach, dass er alle Werte seiner Zeit infrage stellen konnte. Und auch, was das Aufkommen des Nihilismus betraf, so hatte er wohl Recht, wie das 20. Jahrhundert bis 1945 es zeigte. Er selbst war aber anscheinend kein Nihilist, sondern versuchte nur, durch die Alpen wandernd wie sein Zarathustra, so über den Dingen und allem Menschlichen zu stehen, dass er, wenn möglich, weder Schmerz noch Leid, weder Freund noch Feind mehr kannte. Und in diesem Versuch, in sich selbst diesen sogenannten "Übermenschen" zu finden, ähnelt er manchen Autoren zufolge wohl auch Teilen der indischen Philosophie. Zumindest die "Ewige Wiederkehr des Gleichen", von der Nietzsche schreibt, scheint sich mit dem zu ähneln, was man auch dort finden kann.

Insofern ist die Nietzsche-Forschung sicher noch lange nicht zu Ende. Und eine Anleitung zum Selber-Denken und zur Infragestellung sämtlicher althergebrachter Vorstellungen ist seine Philosophie allemal.
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Re: Friedrick Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Adam Smith »

Geht es hier um das Werk "Also sprach Zarathustra"?
Das ist Kapitalismus:

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Re: Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Progressiver »

EDIT: Ich habe soeben den Titel geändert, da mir offensichtlich ein Schreibfehler unterlaufen ist. Aus "Friedrick Nietzsche" wird jetzt ganz richtig "Friedrich Nietzsche".
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Re: Friedrick Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Progressiver »

Adam Smith hat geschrieben:(28 Sep 2017, 19:59)

Geht es hier um das Werk "Also sprach Zarathustra"?
Ja, auch. Eigentlich um sein ganzes Gesamtwerk. Bzw. das, wie seine Schwester und spätere Leute ihn verfälschten. Siehe das Buch "Der Wille zur Macht", das sie ihm untergeschoben hatten.

Aber "Also sprach Zarathustra" gilt meines Wissens heutzutage als sein Hauptwerk, also quasi die Krönung seines Schaffens. Und: Der "Zarathustra" ist authentisch von ihm selbst geschrieben.
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Perdedor
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Re: Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Perdedor »

Progressiver hat geschrieben: In diesem Thread will ich die Philosophie Friedrich Nietzsches diskutieren. Ebenso aber den Punkt, wieso es über hundert Jahre gebraucht hat, bis man allmählich den wahren Nietzsche entdecken konnte.
Ist das denn so?
Ich bin kein Kenner, aber als ich das erste mal von Nietzsche hörte (vor ~20 Jahren), erschien er mir als dezidiert antinationalistisch, antirassistisch und insbesondere antideutsch (allerdings nicht im modernen Sinne).

Ist nicht unter anderem dieses Zitat von ihm?
"Beim Nationalismus handelt es sich um die schlechte Ausdünstung von Leuten, die nichts anderes als ihre Herden-Eigenschaften haben, um darauf stolz zu sein."

Die Nazis konnten sich eigentlich nur auf ihn berufen, wenn sie große Teile seines Werks ausblendeten.
Nietzsche ging es nach meinem Verständnis in erster Linie um Selbstverwirklichung und -optimierung. JEDER kann zum Übermenschen werden (unabhängig von Hautfarbe, Herkunft und Abstammung).
Haben ihn wirklich Leute mal anders interpretiert (außer offenbar seiner Schwester)?
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Re: Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Ein Terraner »

Perdedor hat geschrieben:(06 Oct 2017, 20:22)

Ist das denn so?

Die Nazis konnten sich eigentlich nur auf ihn berufen, wenn sie große Teile seines Werks ausblendeten.
Das ist durchaus einigen Aufgefallen, Propaganda war wohl wichtiger.

https://de.wikipedia.org/wiki/Nietzsche ... ozialismus
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Zinnamon
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Re: Friedrick Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Zinnamon »

Provokateur hat geschrieben:(28 Sep 2017, 10:51)

Klassiker bei Nietzsche:

Die eine Auslegung: Das Weib sei zu peitschen.
Die andere Auslegung: Der Mann soll sich selber züchtigen, um seine Triebe zu bändigen.
Die ganz andere Auslegung: wenn du ein zuvorkommender Peitschenfreund bist, nimmst du dem Weib ne Peitsche mit, denn vllt hat sie keine oder deine ist besser.

--> https://s-media-cache-ak0.pinimg.com/56 ... 351fa6.jpg

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Re: Friedrick Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Provokateur »

Zinnamon hat geschrieben:(06 Oct 2017, 20:52)

Die ganz andere Auslegung: wenn du ein zuvorkommender Peitschenfreund bist, nimmst du dem Weib ne Peitsche mit, denn vllt hat sie keine oder deine ist besser.

--> https://s-media-cache-ak0.pinimg.com/56 ... 351fa6.jpg

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Re: Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Boraiel »

Bezüglich Nietzsche ist wohl das Beste, dass er in Vergessenheit gerät.
Libertas veritasque.
Lesen und verstehen: http://www.feynmanlectures.caltech.edu/I_01.html
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Re: Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Ein Terraner »

Boraiel hat geschrieben:(06 Oct 2017, 23:46)

Bezüglich Nietzsche ist wohl das Beste, dass er in Vergessenheit gerät.
Das macht Gott auch nicht mehr lebendig.
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Re: Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Boraiel »

Ein Terraner hat geschrieben:(07 Oct 2017, 00:14)

Das macht Gott auch nicht mehr lebendig.
Stimmt, er war ja auch nie weg. :)
Libertas veritasque.
Lesen und verstehen: http://www.feynmanlectures.caltech.edu/I_01.html
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Re: Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Ein Terraner »

Boraiel hat geschrieben:(07 Oct 2017, 00:42)

Stimmt, er war ja auch nie weg. :)
Muss er auch nicht um Tod zu sein, wird wohl das Beste sein wenn er in Vergessenheit gerät.
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Re: Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Progressiver »

Boraiel hat geschrieben:(06 Oct 2017, 23:46)

Bezüglich Nietzsche ist wohl das Beste, dass er in Vergessenheit gerät.
Bellen hier getroffene Hunde? Nietzsche gilt trotz seiner diversen Erkrankungen und seines teils aphoristischen Stils als einer der bedeutendsten deutschen Philosophen der Neuzeit! Wie viele andere Philosophen haben teils nur schwer lesbare komplizierte Werke verfasst, die dann doch substanzlos waren? Ich denke da an Heidegger oder auch Hegel. Aber die sollen hier nicht das Thema sein! So wie ich ihn bisher verstanden habe, kann seine Philosophie nicht nur selbstbefreiend wirken, sondern in seiner ganzen Sprachgewalt ist er durchaus zitierfähig und -würdig. Es scheint wohl auch Länder zu geben, in denen er als der bedeutendste deutsche Philosoph gilt. So entstand ja auch noch zu seinen Lebzeiten ein Nietzsche-Kult. Leider wurde seine Berühmtheit von seiner Schwester dazu missbraucht, ihn in ihrem Sinne zurechtzubiegen. Seit der Eiserne Vorhang gefallen ist, können jetzt aber unabhängige Forscher in seinem Archiv sich an die Arbeit machen, um ein möglichst unverfälschtes Bild von ihm in die Welt zu setzen.

Oder kannst du deine Kritik auch sachlich begründen? Liegt es in deinem Falle etwa darin, dass er eine zutiefst antichristliche Haltung hatte? Anders kann ich es mir nicht erklären. Mit seiner dezidiert antichristlichen Haltung war er aber nicht alleine. Schon Ludwig Feuerbach hat bekanntlich sinngemäß gesagt, dass die ganzen Götter quasi nur überhöhte Idealbilder des Menschen darstellen würden. Oder anders formuliert, war er der Meinung, dass der Mensch sich seine Götter nach dem eigenen Angesichte schuf. Und Nietzsche selbst war ja dann später kein Nihilist, sondern er sah ein Zeitalter des Nihilismus kommen. Und hatte er etwa Unrecht, wenn man beispielsweise an die beiden Weltkriege und den Holocaust denkt?
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Perdedor
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Re: Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Perdedor »

Progressiver hat geschrieben: Und Nietzsche selbst war ja dann später kein Nihilist, sondern er sah ein Zeitalter des Nihilismus kommen. Und hatte er etwa Unrecht, wenn man beispielsweise an die beiden Weltkriege und den Holocaust denkt?
Ich denke nicht, dass die Weltkriege und der Holocaust Ausdruck von Nihilismus im Nietzscheschen Sinne waren.
Sie waren ja ganz im Gegenteil auf eine sehr starke Wertebasis gegründet (Rassenreinhaltung etc.). Nach Nietzsche ist der Nihilismus gerade die Wertlosigkeit.
Nietzsche hätte vielleicht gesagt, dass Gott kurzzeitig als Untoter aus seinem Grab gestiegen ist, um den Holocaust zu verüben. Will heißen, die Urheber handelten aus absoluter Überzeugung nach ihren Werten, also quasi religiös (z.T. auch ohne quasi).
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Re: Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von BlueMonday »

Ein Staatsgläubiger war er jedenfalls nicht. Die heutigen politischen Zustände wären ihm wohl hochgradig zuwider, da völlig verkommen.

Aus seinem Zarathustra:
Staat heisst das kälteste aller kalten Ungeheuer. Kalt lügt es auch; und diese Lüge kriecht aus seinem Munde: »Ich, der Staat, bin das Volk.«

Lüge ist's! Schaffende waren es, die schufen die Völker und hängten einen Glauben und eine Liebe über sie hin: also dienten sie dem Leben.

[...] der Staat lügt in allen Zungen des Guten und Bösen; und was er auch redet, er lügt – und was er auch hat, gestohlen hat er's.
Falsch ist Alles an ihm; mit gestohlenen Zähnen beisst er, der Bissige. Falsch sind selbst seine Eingeweide.

Viel zu Viele werden geboren: für die Überflüssigen ward der Staat erfunden!
Seht mir doch, wie er sie an sich lockt, die Viel-zu-Vielen! Wie er sie schlingt und kaut und wiederkäut!

»Auf der Erde ist nichts Grösseres als ich: der ordnende Finger bin ich Gottes« – also brüllt das Unthier. Und nicht nur Langgeohrte und Kurzgeäugte sinken auf die Kniee!
Ach, auch in euch, ihr grossen Seelen, raunt er seine düsteren Lügen! Ach, er erräth die reichen Herzen, die gerne sich verschwenden!

[...]

Dort, wo der Staat aufhört, da beginnt erst der Mensch, der nicht überflüssig ist: da beginnt das Lied des Nothwendigen, die einmalige und unersetzliche Weise.
ensure that citizens are informed that the vaccination is not mandatory and that no one is under political, social or other pressure to be vaccinated if they do not wish to do so;
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Re: Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Progressiver »

Nietzsche war sicher kein lupenreiner Demokrat. Wahrscheinlich verachtete er die Massen. Am glücklichsten war er sicherlich, wenn er alleine die Berge der Alpen durchstreifen konnte. Seine Philosophie versucht ja auch gar nicht, für alle gültige Gesetze und Normen zu formen, sondern wurde aus der rein individuellen Perspektive aufgeschrieben. Mit dem anderen großen Atheisten seiner Zeit, Karl Marx, konnte er ja auch nichts anfangen. Aber wahrscheinlich wurde er ja vor allem dadurch populär, weil er in einer sich industrialisierten Gesellschaft die Ebene des Individuums stark betonte. Natürlich wird sich keiner seiner Anhänger freiwillig zeitlebens in eine Berghütte verkriechen wollen, jenseits aller Zivilisation und ohne Strom und Warmwasseranschluß. Aber wenn er doch keine Ideologie begründete beispielsweise mit seiner antichristlichen Haltung, so lieferte er doch eine Ideologiekritik in einer Zeit, in der die "alten Werte" bigott und heuchlerisch erschienen. Und gerade deswegen traf er ja auch den Nerv vieler Zeitgenossen, die sich nicht mehr von der Obrigkeit sämtliche Werte und Moralvorstellungen vorschreiben lassen wollten. Dass "Gott tot sei und wir ihn getötet hätten" war doch in Philosophenkreisen schon damals nichts neues mehr. So ist der Atheismus ja seit der Antike eine europäische Konstante. Nur das Christentum hat zeitweilig diese philosophische Erkenntnis vergessen lassen. Die Philosophie Nietzsches verstehe ich daher als eine Wiedergeburt der Philosophie an sich, nachdem sie 1.400 Jahre durch Aurelius Augustinus zur Magd der Religion degradiert wurde. Nietzsche bietet also kein Weg in ein neues, besseres Zeitalter, sondern zerdeppert nur alte Gewissheiten, die schon lange nicht mehr tragen. Die Lösung muss sich das Individuum als selbst denkender Mensch selbst erschaffen. Insofern ist seine Philosophie sicher eine der Befreiung. Wenn er dann von vielen seiner Zeitgenossen nicht verstanden wurde und daher ins "Exil" in die Alpen gehen musste, so müsste es heutzutage von vielen Menschen besser verstanden werden, da er ja nur das offensichtliche aussprach. Da aber die Religionen immer noch an ihre toten Götter glauben, die Deutschtümelei -Stichwort AfD- wieder zunimmt und auch der tote Marktgott des Kapitalismus immer noch angebetet wird, ist Nietzsche aktueller denn je. Jedenfalls, wenn ich ihn richtig verstehe. In diesem Sinne habe ich auch nichts gegen einen Nihilismus im Sinne Nietzsches, wenn die alten Gewissheiten und Moralvorstellungen zerdeppert werden und die Denkfreiheit wartet. Nietzsche selbst ist letztendlich persönlich gescheitert, weil er den Kampf gegen seine Krankheiten verlor. Das hat er mit Ikarus aus der griechischen Sage gemeinsam, der der Sonne als fliegender Adler zu nahe kam und dann abstürzte. Aber unbestreitbar ist, dass Selber-Denken und eigene Wege zu finden nicht nur gefährlich sein können, sondern auch ein spannendes Abenteuer. So verstehe ich ihn jedenfalls. Man muss nicht alle seine Gedankengänge teilen. Aber faszinierend ist er auf jeden Fall.
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Re: Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Boraiel »

Progressiver hat geschrieben:Bellen hier getroffene Hunde?
Wohl eher kreist hier der Adler. ;)
Meine Beschäftigung mit Nietzsche ist längst abgeschlossen, deswegen kann ich da nicht besonders auf Details eingehen. Ich verneine grundlegende Einstellungen von ihm wie der Tod Gottes oder die Forderung nach der Umwertung aller Werte oder solchen Schwachsinn. Ich bin eher ein Freund Descartes, ein Freund Weischedels, Platons, Camus', Marx, wahrscheinlich von Hegel, auch wenn ihn nie ein Werk vom ihm gelesen habe, Jeffersons, ein Freund von Feynman, Habermas und Ratzinger.
Progressiver hat geschrieben: Nietzsche gilt trotz seiner diversen Erkrankungen und seines teils aphoristischen Stils als einer der bedeutendsten deutschen Philosophen der Neuzeit!
Im Gegenteil es bleiben die Erkrankungen im Gedächtnis, die Ausdruck seiner ungesunden Philosophie und eines Menschen, der auf der Suche nach der Wahrheit grandios und wie kaum ein anderer gescheitert ist. Als Gutes bleiben auch einige Aphorismen hängen, aber die sind kaum der Rede wert. Ansonsten ist es gerade sein Scheitern, was ihn unvergessen bleiben lässt, und, was einige mit herausragenden Leistungen oder klugen Gedanken verwechseln.
Progressiver hat geschrieben: Es scheint wohl auch Länder zu geben, in denen er als der bedeutendste deutsche Philosoph gilt.
Ich kann mir vorstellen, dass einige da Hegel nennen würden, gerade die im Norden, aber bei fasst allen sollte das Marx sein. Das ist auch meine Wahl. Die weltpolitischen Folgen seines Werkens sind einfach absolut überragend.
Progressiver hat geschrieben: Seit der Eiserne Vorhang gefallen ist, können jetzt aber unabhängige Forscher in seinem Archiv sich an die Arbeit machen, um ein möglichst unverfälschtes Bild von ihm in die Welt zu setzen.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass dabei etwas fruchtbringendes bei herauskommt. Aber gut, wer seine Zeit verschwenden will, soll das halt tun.
Progressiver hat geschrieben:Oder kannst du deine Kritik auch sachlich begründen?
Ein bisschen Tat ich das ja, aber das dezidiert zu tun, ist mir viel zu aufwendig. Die Antwort liegt in den Werken der genannten Herren. Die haben Wahres ordentlich zu Papier gebracht.
Progressiver hat geschrieben:Liegt es in deinem Falle etwa darin, dass er eine zutiefst antichristliche Haltung hatte?
Ich bin nun von der Existenz Gottes als Schöpfergott überzeugt; das Gott als Jesus Christus Mensch geworden sein soll, ist nur ein Glaube und dabei bleibt es. Die christliche Religion ist der erfolgreichste Kult menschliches Lebens, den wir kennen. Es schadet mir also nicht auch an Jesus zu glauben. So sehe ich das, Herr Nietzsche hat sich dazu wohl nicht durchringen können. Das tut mir leid für ihn. Aber falsche Entscheidungen addieren sich halt.
Progressiver hat geschrieben: Schon Ludwig Feuerbach hat bekanntlich sinngemäß gesagt, dass die ganzen Götter quasi nur überhöhte Idealbilder des Menschen darstellen würden. Oder anders formuliert, war er der Meinung, dass der Mensch sich seine Götter nach dem eigenen Angesichte schuf.
Und auch schon Feuerbach lag falsch. Ich empfehle dazu das Werk Weischedels "Der Gott der Philosophen". Sein Gottesbild, was auch in etwa meines ist, lässt sich auch wunderbar mit dem Skeptizismus vereinen.
Progressiver hat geschrieben:Und Nietzsche selbst war ja dann später kein Nihilist, sondern er sah ein Zeitalter des Nihilismus kommen.
Und ich sah es wieder gehen. :eek:
Progressiver hat geschrieben:Und hatte er etwa Unrecht, wenn man beispielsweise an die beiden Weltkriege und den Holocaust denkt?
Ich denke, dazu hat Perdedor schon richtiges geschrieben. Auch wenn ich den letzten Satz nicht unterschreibe.
Progressiver hat geschrieben:an muss nicht alle seine Gedankengänge teilen. Aber faszinierend ist er auf jeden Fall.
Da kann ich dir recht geben. Faszinierend ist sein umfassendes und in der Art und Weise beispielloses Scheitern auf der Suche nach der Wahrheit. Ausgegangen ist er dabei von falschen Prämissen z.B. seinem Atheismus. Er bleibt da ein mahnendes Beispiel, sein Geschichte nicht zu wiederholen.
Libertas veritasque.
Lesen und verstehen: http://www.feynmanlectures.caltech.edu/I_01.html
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Re: Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Progressiver »

Boraiel hat geschrieben:(13 Oct 2017, 00:40)

Wohl eher kreist hier der Adler. ;)
Meine Beschäftigung mit Nietzsche ist längst abgeschlossen, deswegen kann ich da nicht besonders auf Details eingehen. Ich verneine grundlegende Einstellungen von ihm wie der Tod Gottes oder die Forderung nach der Umwertung aller Werte oder solchen Schwachsinn. Ich bin eher ein Freund Descartes, ein Freund Weischedels, Platons, Camus', Marx, wahrscheinlich von Hegel, auch wenn ihn nie ein Werk vom ihm gelesen habe, Jeffersons, ein Freund von Feynman, Habermas und Ratzinger.
Vielleicht solltest du dich mal mit Aurelius Augustinus beschäftigen, der einen wesentlichen Einfluss auf das Christentum hatte. Streng genommen, meint dieser: Dieses Leben hier ist der Tod bzw. des Teufels, weil es jenseits des christlichen Gottes steht. Das jenseitige Leben dagegen sei das wahre Leben -wenn man Glück hat. Wenn man Pech hat, landet man trotz guter Führung in der christlichen Hölle. Desweiteren sei die Apokalypse nahe. Das Endgericht stehe vor der Tür. Und wenn alles vorbei sei, freuen sich die wenigen Auserwählten mit ihrem Gott, dass alle anderen in der Hölle brennen. Die Theodizeefrage wird gelöst, indem die Rachefantasien der supergläubigen Christen an dieser Welt aus höherer Sicht als göttliche Gerechtigkeit erscheinen sollen.

Gerade gegen dieses christliche Weltbild stellt sich meines Wissens Nietzsche. Während für Augustinus und Konsorten dieses Leben der Tod ist und der Tod das wahre Leben, ist für den Philosophen unser Leben das wahre Leben und der Tod das Ende. Wie das mit der "ewigen Wiederkunft" zusammenhängt, verstehe ich noch nicht.

Aber auch die Bergpredigt von Jesus kann man in diesem Sinne ablehnen, weil sein Reich jenseits von dieser Welt liegt. Vielmehr sollten wir das Leben im Diesseits -das einzige, was wir haben- genießen. Der Traum vom Jenseits hält einen dagegen ab, dieses Leben sinnesfroh zu genießen.
Im Gegenteil es bleiben die Erkrankungen im Gedächtnis, die Ausdruck seiner ungesunden Philosophie und eines Menschen, der auf der Suche nach der Wahrheit grandios und wie kaum ein anderer gescheitert ist. Als Gutes bleiben auch einige Aphorismen hängen, aber die sind kaum der Rede wert. Ansonsten ist es gerade sein Scheitern, was ihn unvergessen bleiben lässt, und, was einige mit herausragenden Leistungen oder klugen Gedanken verwechseln.
Was hältst du von der Vorstellung, dass Genie und Wahnsinn manchmal eng beieinander liegen können? Auf Nietzsche könnte es passen. Ein talentierter Mensch hat sich derart geistig verausgabt, dass er noch vor seinem Tod geistig verbrannt ist. Ob man das als Scheitern bezeichnen kann? Zur Erinnerung: Nietzsche wird ja deswegen so gerne gelesen, weil er eine radikal individualistische Lebensphilosophie vertritt. Die große Wahrheit, die für alle gleichermaßen Gültigkeit besitzt, hat er ja nicht nur nicht gesucht, sondern auch abgelehnt. Er war folglich der Alfred Nobel der Philosophie, also der Erfinder des Dynamits, um ihn mal sinngemäß zu zitieren. ("Ich bin kein Mensch, ich bin Dynamit!") Natürlich ist auch Nietzsche schwer zu verstehen, aber ist jemand wie beispielsweise Heidegger oder Hegel besser, weil diese ganze Theoriegebäude entwickelten, welche sich -zumindest im Falle des ersteren- als substanzloser "Lärm um Nichts" darstellen?

Wenn du darüber hinaus trotzdem an den "christlichen Kult" glauben willst, ist das nicht mein Problem. Es verschließt sich aber meinem Verständnis.
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Re: Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Adam Smith »

Progressiver hat geschrieben:(14 Oct 2017, 23:35)
Er war folglich der Alfred Nobel der Philosophie, also der Erfinder des Dynamits, um ihn mal sinngemäß zu zitieren. ("Ich bin kein Mensch, ich bin Dynamit!") Natürlich ist auch Nietzsche schwer zu verstehen, aber ist jemand wie beispielsweise Heidegger oder Hegel besser, weil diese ganze Theoriegebäude entwickelten, welche sich -zumindest im Falle des ersteren- als substanzloser "Lärm um Nichts" darstellen?
Hegel soll ja den Kommunismus verursacht haben. Wobei die Philosophie tot ist. Nietzsche war der letzte große Philosoph.
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Re: Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Progressiver »

Adam Smith hat geschrieben:(14 Oct 2017, 23:40)

Hegel soll ja den Kommunismus verursacht haben. Wobei die Philosophie tot ist. Nietzsche war der letzte große Philosoph.
Marx hat sich auf Hegel berufen, als er den "Fortschritt der Geschichte" erklärte mit "These plus Antithese gleich Synthese".

Die Philosophie halte ich nicht für tot. Sie war einstmals die Königin der Wissenschaften und als solche singulär. Unter dem Christentum -ich sage da wieder: "Aurelius Augustinus"- wurde sie zur Magd der Theologie. Meines Erachtens wurde sie durch Leute wie Nietzsche wieder eigenständig und frei. Laut einem Buch des Autors Manfred Geier wären Wittgenstein und Heidegger die letzten Philosophen. Aber damit stimme ich nicht überein. Es wird immer wieder Themen geben, die von Philosophen beantwortet werden müssen. Und was ist mit Richard David Precht oder Michael Schmidt-Salomon und anderen zeitgenössischen Philosophen? Ich finde auch, dass sie sich zu sehr im Hintergrund halten. Aber geben tut es schon genug zeitgenössische Philosophen.
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Re: Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Adam Smith »

Progressiver hat geschrieben:(15 Oct 2017, 00:00)

Marx hat sich auf Hegel berufen, als er den "Fortschritt der Geschichte" erklärte mit "These plus Antithese gleich Synthese".

Die Philosophie halte ich nicht für tot. Sie war einstmals die Königin der Wissenschaften und als solche singulär. Unter dem Christentum -ich sage da wieder: "Aurelius Augustinus"- wurde sie zur Magd der Theologie. Meines Erachtens wurde sie durch Leute wie Nietzsche wieder eigenständig und frei. Laut einem Buch des Autors Manfred Geier wären Wittgenstein und Heidegger die letzten Philosophen. Aber damit stimme ich nicht überein. Es wird immer wieder Themen geben, die von Philosophen beantwortet werden müssen. Und was ist mit Richard David Precht oder Michael Schmidt-Salomon und anderen zeitgenössischen Philosophen? Ich finde auch, dass sie sich zu sehr im Hintergrund halten. Aber geben tut es schon genug zeitgenössische Philosophen.
Und ich dachte schon Popper wird erwähnt werden. Aber die Philosophie tot. Die Wissenschaft hat sie restlos ersetzt.

https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Popper
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Re: Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Progressiver »

Adam Smith hat geschrieben:(15 Oct 2017, 00:14)

Und ich dachte schon Popper wird erwähnt werden. Aber die Philosophie tot. Die Wissenschaft hat sie restlos ersetzt.

https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Popper
Popper war der Begründer des Kritischen Rationalismus. Aus diesem entsprang die Wissenschaftslehre. Aber in gewisser Hinsicht ist das alles auch nur eine Spielart der Philosophie.

Man sollte zudem folgendes bedenken: Die Philosophie ist keine Einzelwissenschaft, sondern eine Universalwissenschaft. Während die verschiedenen Einzelwissenschaften nur bestimmte Teilbereiche erforschen, fragt die Philosophie nach den Bedingungen des Ganzen. Während die Einzelwissenschaften thematisch reduziert und methodisch abstrakt sind, betrachtet die Philosophie die Erfahrungswirklichkeit ganzheitlich. Oder um ein sehr gutes Buch dazu zu zitieren:
Der Inbegriff des Empirischen, die ganze Erfahrungswelt, wird von der Philosophie auf die letzten Gründe, Bedingungen und Voraussetzungen hin befragt.
So gelesen in: Arno Anzenbacher: Einführung in die Philosophie, S. 36

In diesem Buch geht es auch um das Verhältnis zwischen der Philosophie zu der anderen Universalwissenschaft, der Theologie. Dazu gibt es verschiedene Positionen:

1. Religion und Theologie haben nichts miteinander zu tun. Hier gehören dann auch die Aussagen des Neopositivismus hinzu: Die Aussagen der Religion sind nicht falsch, aber wissenschaftlich sinnlos.

2. Zwischen Religion und Philosophie besteht Widerspruch. Von Seiten der Religion her wird dann zum Beispiel von Martin Luther behauptet, die Vernunft sei eine Dirne des Teufels. Umgekehrt wird von den religionskritischen Philosophen versucht, die Religion als vernunftwidrig zu entlarven. Und da sind wir ja hier voll im Thema. :thumbup:

3. Religion und Philosophie bilden eine Einheit. Das ist zum einen der Versuch der Gläubigen wie Augustinus, mithilfe der Philosophie die "Wahrheit Gottes" zu beweisen. Erst der Glaube ermögliche daher Philosophie. Umgekehrt ist für die Philosophen, die die Einheit dieser beiden Universalwissenschaften beschwören, jede Religion nur eine Unterart, wie Philosophie gedacht werden kann.

4.Religion und Philosophie bilden verschiedene, aber aufeinander bezogene Sinnebene.

Quelle: ebenda, S. 31f

Wie ich aber unschwer zu erkennen gegeben habe, stehe ich wie Nietzsche auf der Position, dass Religion und Philosophie völlig unterschiedlich sind.
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Re: Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Ein Terraner »

Progressiver hat geschrieben:(17 Oct 2017, 23:10)

Wie ich aber unschwer zu erkennen gegeben habe, stehe ich wie Nietzsche auf der Position, dass Religion und Philosophie völlig unterschiedlich sind.
Jede Philosophie die Gott mit einbezieht scheitert, da irgendwann immer der Punkt erreicht ist wo schlicht Gott eingesetzt wird um zu einer Lösung zu kommen.
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Re: Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Boraiel »

Ein Terraner hat geschrieben:(18 Oct 2017, 00:07)

Jede Philosophie die Gott mit einbezieht scheitert, da irgendwann immer der Punkt erreicht ist wo schlicht Gott eingesetzt wird um zu einer Lösung zu kommen.
Wieso sollte ein solche Philosophie scheitern?
Wenn ich eine Gleichung lösen soll der Form 1+x=3 und ich kenne die Bedeutung der 2, dann kann ich diese dort für x einsetzen und komme zum richtigen Ergebnis. Ähnlich verhält es sich auch mit Gott. :)
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Re: Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Ein Terraner »

Boraiel hat geschrieben:(18 Oct 2017, 00:29)

Wieso sollte ein solche Philosophie scheitern?
Wenn ich eine Gleichung lösen soll der Form 1+x=3 und ich kenne die Bedeutung der 2, dann kann ich diese dort für x einsetzen und komme zum richtigen Ergebnis. Ähnlich verhält es sich auch mit Gott. :)
Nein, da man mit Gott einfach nur das X durch ein Y ersetzt. Damit tauscht man eine Unbekannte gegen eine andere und ist genau so weit wie vorher.
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Re: Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Boraiel »

Ein Terraner hat geschrieben:(18 Oct 2017, 09:52)

Nein, da man mit Gott einfach nur das X durch ein Y ersetzt. Damit tauscht man eine Unbekannte gegen eine andere und ist genau so weit wie vorher.
Hier sehen wir also das eigentliche Problem, du weißt nicht, was du unter dem Begriff "Gott" verstehen sollst.
Und dieser ist in der Tat einer der am schwierigsten zufassenden Begriffe. Im Islam gibt es die 99 Namen Gottes und wahrlich kann man Gott mit vielen verschiedenen Namen umschreiben. Ich empfehle zu Beginn von Gott als "Woher der Fraglichkeit" zu denken, danach als Schöpfer des Himmels und der Erde, worauf aufbauend sich dem offenen Geist auch die meisten der vielen weiteren Betitelungen Gottes erschließen werden.
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Re: Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Ein Terraner »

Boraiel hat geschrieben:(18 Oct 2017, 18:48)

Hier sehen wir also das eigentliche Problem, du weißt nicht, was du unter dem Begriff "Gott" verstehen sollst.
Niemand weiß das, findet euch endlich damit ab.
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Re: Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Boraiel »

Ein Terraner hat geschrieben:(18 Oct 2017, 19:06)

Niemand weiß das, findet euch endlich damit ab.
Man soll von sich nicht auf andere schließen.
Nebenbei darfst du mich gerne auch im Singular anreden.
Libertas veritasque.
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Re: Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Ein Terraner »

Boraiel hat geschrieben:(18 Oct 2017, 20:16)

Man soll von sich nicht auf andere schließen.
Dir ist klar das man eine religiöse Psychose dadurch definiert das jemand genau weiß und nicht glaubt?
Aber ich glaub dir schon das du ganz ganz fest weißt was Gott ist, bist nicht der erste.

Aber du kannst ihn gerne mal definieren, das hat noch jeden Gott erledigt. :)
Nebenbei darfst du mich gerne auch im Singular anreden.
Nein, da das ein Gruppensymptom aller Religiösen ist.
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Re: Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Boraiel »

Ein Terraner hat geschrieben:(18 Oct 2017, 20:31)

Dir ist klar das man eine religiöse Psychose dadurch definiert das jemand genau weiß und nicht glaubt?
Aber ich glaub dir schon das du ganz ganz fest weißt was Gott ist, bist nicht der erste.

Aber du kannst ihn gerne mal definieren, das hat noch jeden Gott erledigt. :)


Nein, da das ein Gruppensymptom aller Religiösen ist.
Ich habe dir schon angeboten, Gott mal Woher der Fraglichkeit zu sehen, zu definieren, wenn du möchtest. Der Begriff ist letztlich größerer als das, aber damit kann man in meinen Augen alles verstehen.
Ich empfehle dazu auch nochmals das Werk von Herrn W. Weischedel "Der Gott der Philosophen".
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Re: Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Ein Terraner »

Boraiel hat geschrieben:(18 Oct 2017, 21:40)

Ich habe dir schon angeboten, Gott mal Woher der Fraglichkeit zu sehen, zu definieren, wenn du möchtest. Der Begriff ist letztlich größerer als das, aber damit kann man in meinen Augen alles verstehen.
Ich empfehle dazu auch nochmals das Werk von Herrn W. Weischedel "Der Gott der Philosophen".
Das fällt in die Kategorie, er ist ewig, er ist Liebe, nicht greifbar, nicht fassbar usw.. er ist irgendwas wovon wir nicht wissen was oder wie es ist. Aber eine wunderbare Definition, mit Worten die anscheinend nur Weischedel zu interpretieren und zu definieren weiß oder auch erfunden hat. Ein "Vonwoher" kennt die Deutsche Sprache nicht und ist auch nur in seinen Werken zu finden. Und was er in dem Zusammenhang mit Fraglichkeit meint ist auch sehr schleierhaft, da bleibt es bei tausche Unbekannt gegen anderes Unbekannt.

Aber wenn du es dir zutraust schlüssig zu erklären was ein "Vonwoher der Fraglichkeit" sein soll, bitte tue dir keinen Zwang an.
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Re: Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Boraiel »

Progressiver hat geschrieben:So gelesen in: Arno Anzenbacher: Einführung in die Philosophie, S. 36

In diesem Buch geht es auch um das Verhältnis zwischen der Philosophie zu der anderen Universalwissenschaft, der Theologie. Dazu gibt es verschiedene Positionen:

1. Religion und Theologie haben nichts miteinander zu tun. Hier gehören dann auch die Aussagen des Neopositivismus hinzu: Die Aussagen der Religion sind nicht falsch, aber wissenschaftlich sinnlos.

2. Zwischen Religion und Philosophie besteht Widerspruch. Von Seiten der Religion her wird dann zum Beispiel von Martin Luther behauptet, die Vernunft sei eine Dirne des Teufels. Umgekehrt wird von den religionskritischen Philosophen versucht, die Religion als vernunftwidrig zu entlarven. Und da sind wir ja hier voll im Thema.

3. Religion und Philosophie bilden eine Einheit. Das ist zum einen der Versuch der Gläubigen wie Augustinus, mithilfe der Philosophie die "Wahrheit Gottes" zu beweisen. Erst der Glaube ermögliche daher Philosophie. Umgekehrt ist für die Philosophen, die die Einheit dieser beiden Universalwissenschaften beschwören, jede Religion nur eine Unterart, wie Philosophie gedacht werden kann.

4.Religion und Philosophie bilden verschiedene, aber aufeinander bezogene Sinnebene.
Hast du dir hier Religion und Theologie jeweils richtig eingesetzt?
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Re: Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Boraiel »

Ein Terraner hat geschrieben:(18 Oct 2017, 22:09)

Das fällt in die Kategorie, er ist ewig, er ist Liebe, nicht greifbar, nicht fassbar usw.. er ist irgendwas wovon wir nicht wissen was oder wie es ist. Aber eine wunderbare Definition, mit Worten die anscheinend nur Weischedel zu interpretieren und zu definieren weiß oder auch erfunden hat. Ein "Vonwoher" kennt die Deutsche Sprache nicht und ist auch nur in seinen Werken zu finden. Und was er in dem Zusammenhang mit Fraglichkeit meint ist auch sehr schleierhaft, da bleibt es bei tausche Unbekannt gegen anderes Unbekannt.

Aber wenn du es dir zutraust schlüssig zu erklären was ein "Vonwoher der Fraglichkeit" sein soll, bitte tue dir keinen Zwang an.
Der Interessierte kann besagtes Werk in den Bibliotheken unseres schönes Landes ausleihen oder sich auch kaufen. :thumbup:
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Re: Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Ein Terraner »

Boraiel hat geschrieben:(18 Oct 2017, 22:19)

Der Interessierte kann besagtes Werk in den Bibliotheken unseres schönes Landes ausleihen oder sich auch kaufen. :thumbup:
Wieso sollte ich das machen wenn sich jetzt schon ein tausendfacher Unsinn im neuen Gewand abzeichnet und du es auch nicht fertig bringst das zu erklären?
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Re: Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Boraiel »

Ein Terraner hat geschrieben:(18 Oct 2017, 22:29)

Wieso sollte ich das machen wenn sich jetzt schon ein tausendfacher Unsinn im neuen Gewand abzeichnet und du es auch nicht fertig bringst das zu erklären?
Interesse!? :)
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Re: Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Ein Terraner »

Boraiel hat geschrieben:(18 Oct 2017, 22:42)

Interesse!? :)
An Unsinn?
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Re: Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Boraiel »

Ein Terraner hat geschrieben:(18 Oct 2017, 22:47)

An Unsinn?
Wodrin erkennst du denn einen Sinn?
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Re: Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Ein Terraner »

Boraiel hat geschrieben:(18 Oct 2017, 23:00)

Wodrin erkennst du denn einen Sinn?
Im Leben. :p


Wieso denkst du es hätte Sinn sich immer und immer wieder mit der gleichen Esoterik zu beschäftigen nur weil sie umbenannt wurde?

Frag dich doch mal lieber ob Kant auch versucht hätte Gott über die Existenz von Gut und Böse herzuleiten wenn er vorher Nietzsches Jenseits von Gut und Böse gelesen hätte.
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Re: Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Boraiel »

Ein Terraner hat geschrieben:(18 Oct 2017, 23:18)

Im Leben. :p


Wieso denkst du es hätte Sinn sich immer und immer wieder mit der gleichen Esoterik zu beschäftigen nur weil sie umbenannt wurde?

Frag dich doch mal lieber ob Kant auch versucht hätte Gott über die Existenz von Gut und Böse herzuleiten wenn er vorher Nietzsches Jenseits von Gut und Böse gelesen hätte.
Ich kenne beides nicht, aber die Antwort ist wahrscheinlich Ja.
Es ist schön, wenn du im Leben einen Sinn siehst. Für meine Begriffe ist aber ein Teil von dir recht unglücklich, es ist die Grundhaltung, die hinter Wörter wie Esoterik hier deutlich wird. Es ist eine negative und das muss nicht sein. Wenn du offenen Herzens Gott in dein Leben lässt, dann wird diese Negativität verschwinden und in vielen Bereichen wird dir Positives geschehen. ;)











P.S.: Ich hätte Pastor werden sollen. :D
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Re: Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Ein Terraner »

Boraiel hat geschrieben:(18 Oct 2017, 23:47)

Wenn du offenen Herzens Gott in dein Leben lässt, dann wird diese Negativität verschwinden und in vielen Bereichen wird dir Positives geschehen. ;)
Wies sollte jemand das machen wenn es doch nur Nachteile mit sich bringt?


Und welchen Gott überhaupt, irgend einen Esoterischen, irgend was Hinduistisches oder Buddhistisches, was Ägyptisches, einen der Asen oder doch nur das Arschloch aus der Bibel ? Da gibt es eine große Auswahl.
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Re: Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Progressiver »

Boraiel hat geschrieben:(18 Oct 2017, 22:14)

Hast du dir hier Religion und Theologie jeweils richtig eingesetzt?
Sorry, das war ein Schreibfehler meinerseits. Diese These lautet richtig:
Religion und Philosophie haben nichts miteinander zu tun. Hier gehören dann auch die Aussagen des Neopositivismus hinzu: Die Aussagen der Religion sind nicht falsch, aber wissenschaftlich sinnlos.
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Re: Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Boraiel »

Progressiver hat geschrieben:(17 Oct 2017, 23:10)

Popper war der Begründer des Kritischen Rationalismus. Aus diesem entsprang die Wissenschaftslehre. Aber in gewisser Hinsicht ist das alles auch nur eine Spielart der Philosophie.

Man sollte zudem folgendes bedenken: Die Philosophie ist keine Einzelwissenschaft, sondern eine Universalwissenschaft. Während die verschiedenen Einzelwissenschaften nur bestimmte Teilbereiche erforschen, fragt die Philosophie nach den Bedingungen des Ganzen. Während die Einzelwissenschaften thematisch reduziert und methodisch abstrakt sind, betrachtet die Philosophie die Erfahrungswirklichkeit ganzheitlich. Oder um ein sehr gutes Buch dazu zu zitieren:



So gelesen in: Arno Anzenbacher: Einführung in die Philosophie, S. 36

In diesem Buch geht es auch um das Verhältnis zwischen der Philosophie zu der anderen Universalwissenschaft, der Theologie. Dazu gibt es verschiedene Positionen:

1. Religion und Philosophie* haben nichts miteinander zu tun. Hier gehören dann auch die Aussagen des Neopositivismus hinzu: Die Aussagen der Religion sind nicht falsch, aber wissenschaftlich sinnlos.

2. Zwischen Religion und Philosophie besteht Widerspruch. Von Seiten der Religion her wird dann zum Beispiel von Martin Luther behauptet, die Vernunft sei eine Dirne des Teufels. Umgekehrt wird von den religionskritischen Philosophen versucht, die Religion als vernunftwidrig zu entlarven. Und da sind wir ja hier voll im Thema. :thumbup:

3. Religion und Philosophie bilden eine Einheit. Das ist zum einen der Versuch der Gläubigen wie Augustinus, mithilfe der Philosophie die "Wahrheit Gottes" zu beweisen. Erst der Glaube ermögliche daher Philosophie. Umgekehrt ist für die Philosophen, die die Einheit dieser beiden Universalwissenschaften beschwören, jede Religion nur eine Unterart, wie Philosophie gedacht werden kann.

4.Religion und Philosophie bilden verschiedene, aber aufeinander bezogene Sinnebene.

Quelle: ebenda, S. 31f

Wie ich aber unschwer zu erkennen gegeben habe, stehe ich wie Nietzsche auf der Position, dass Religion und Philosophie völlig unterschiedlich sind.
Generell störe ich mich an der Verwendung des Begriffs Religion hier. Religionen sind für mich vor allem Kulte menschlichen Lebens, die Erkenntnisse aus der Philosophie, philosophischen Theologie, aber auch alltägliche Erfordernisse aufgenommen haben und bei den erfolgreichen Religionen ein nicht zuwiderlegendes, geschlossenes Glaubenssystem enthalten. Religionen prägen ja ganze Lebensweisen, diese mit der Theologie gleich zusetzen, würde in die irreführen.
Philosophie und Theologie stehen sich nahe, philosophische Theologie könnte man auch als Teilbereich der Philosophie sehen. Philosophie und christliche Theologie oder andere sind offensichtlich weiter entfernt, aber sofern der Philosoph einige Glaubenssätze akzeptiert, kann man das ganze zumindest auf seine Stichhaltigkeit überprüfen.
Libertas veritasque.
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Re: Friedrich Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Alpha Centauri »

Progressiver hat geschrieben:(20 Oct 2017, 21:51)

Sorry, das war ein Schreibfehler meinerseits. Diese These lautet richtig:
Oh, haben wir hier etwa einen Fan des Gottlosen Franzosen und Freidenkers Denis Diderot?

Ich bin selbst ein großer Fan des Philosophen und brillanten Literaten Diderot, eine meine ersten und vergnüglichsten literarischen Erfahrung der Kindheit war die Lektüre von Jacques der Fatalist und sein Herr, in diesen genialen philosophischen Anti Roman bin ich regelrecht versunken,

Auch Rameaus Neffe ( Übersetzunng Goethes) finde ich aller feinste Sahne.

Gruß
Alpha Centauri
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Re: Friedrick Nietzsche: der verfälschte Philosoph

Beitrag von Alpha Centauri »

Progressiver hat geschrieben:(28 Sep 2017, 19:53)

Das kommt darauf an. Wenn man das durch seine Schwester verfälschte Bild nimmt, die ihm das Werk "Der Wille zur Macht" unterschob, dann hätte er ein festes Theoriegebäude gebaut, dass zutiefst antidemokratisch erschiene. Tatsächlich war er aber aufgrund seines labilen Gesundheitszustandes dazu immer weniger in der Lage. Und im Gegensatz zu Elisabeth Förster-Nietzsche, die er als "Lama" verspottete und als solche nicht mochte, war er in späteren Jahren ein Gegner des Antisemiten Richard Wagners. Und gegen das, was seine Schwester und spätere Generationen -von der Zeit des Ersten Weltkriegs bis hin zu Hitler- mit ihm machten, konnte er sich ja nicht wehren. Erst allmählich entdeckte man dann aber, wie er wirklich dachte.

Meine Einschätzung: Natürlich war seine Schreiberei immer auch ein Kampf gegen seine Erkrankung. Deswegen konnte er nur in Aphorismen schreiben. Wie die Dokumentation aber zeigt, ist das revolutionäre an seiner Philosophie die radikale individualistische Sicht in einer Zeit, in der die Industrialisierung in Deutschland immer weiter fortschritt. Und er schaffte etwas, das andere nicht können: Er stellte alles in Frage, was den Deutschen wichtig war. Und gerade sein berühmtestes Zitat "Gott ist tot. Gott bleibt tot. Und wir haben ihn getötet." zeigt auch auf, was er für ein Genie war. Ein anderes, in diesem Zusammenhang, passendes, lautet bekanntlich "Ich bin kein Mensch. Ich bin Dynamit."


Friedrich Nietzsche hat ganz im Gegensatz kein überbordende systematische Gedankenarchitektur a la Kant, Schelling oder Hegel in bester deutscher Denktradition ( auch wieder anders als die französische oder britische) sondern viel mehr Gedankenskulpture.



Was mich betrifft, so war Nietzsche gegen Ende der Schulzeit wohl der erste Philosoph, der mich näher interessierte. Gerade auch wegen seines Zitats "Gott ist tot" übte er auf mich eine Faszination aus, da ich auch in der Pubertätszeit zum Atheisten geworden war. Und in solchen Aussagen ist er wohl eindeutig zu interpretieren, da er klar gegen die Religion Stellung bezieht. Ob ich später seinen "Zarathustra" verstanden hatte, kann ich nicht so ohne weiteres bejahen. Aber das ist wohl auch das Problem vieler anderer Philosophen, die jeder auf seine Art völlig unlesbare Bücher geschrieben haben, um mit ihnen komplexe Theoriegebäude aufzubauen. Da lese ich dann doch lieber Sekundärliteratur über sie.

Nietzsches Verdienst ist es jedenfalls meiner Ansicht nach, dass er alle Werte seiner Zeit infrage stellen konnte. Und auch, was das Aufkommen des Nihilismus betraf, so hatte er wohl Recht, wie das 20. Jahrhundert bis 1945 es zeigte. Er selbst war aber anscheinend kein Nihilist, sondern versuchte nur, durch die Alpen wandernd wie sein Zarathustra, so über den Dingen und allem Menschlichen zu stehen, dass er, wenn möglich, weder Schmerz noch Leid, weder Freund noch Feind mehr kannte. Und in diesem Versuch, in sich selbst diesen sogenannten "Übermenschen" zu finden, ähnelt er manchen Autoren zufolge wohl auch Teilen der indischen Philosophie. Zumindest die "Ewige Wiederkehr des Gleichen", von der Nietzsche schreibt, scheint sich mit dem zu ähneln, was man auch dort finden kann.

Insofern ist die Nietzsche-Forschung sicher noch lange nicht zu Ende. Und eine Anleitung zum Selber-Denken und zur Infragestellung sämtlicher althergebrachter Vorstellungen ist seine Philosophie allemal.
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