Mia2706 hat geschrieben:(30 Dec 2017, 23:15)
Obwohl ich noch sehr jung bin, muss ich zugeben, dass ich große angst vor dem Tod und vor dem Sterben habe.
Ich wollte, ich könnte an Gott glauben. Da ginge es mir vielleicht besser. Aber ich kann es nicht.
Nicht vor dem Tod sollte man Angst haben, sondern davor, nie wirklich gelebt zu haben!
Ich bin jetzt zweiundvierzig Jahre alt. In meinen frühen zwanziger Jahren, wenn nicht noch früher, bin ich psychisch erkrankt. Entdeckt wurde das aber erst spät. Ich habe lange Jahre gebraucht, um wieder richtig fit zu werden. Obwohl ich sagen muss, dass ich schneller wieder "auf die Beine" kam als die meisten anderen in meiner Situation. Selbstverständlich nehmen sich auch manche das Leben. Aber mit denen vergleiche ich mich nicht! Sehr viele wirft die Erkrankung nicht einfach nur um, sondern sie bleiben gebrochen am Boden liegen. Was für eine Horrorvorstellung! Für die ist das Leben gelaufen.
Die Angst, die ich immer hatte, war, dass ich nie anfangen könnte, richtig zu leben, weil ich zu sehr in das Angstkorsett meiner Erkrankung gefangen sein könnte. Da würde mir dann einiges entgehen. Weltreisen will ich gar nicht mehr machen. Ich muss nicht um die Welt reisen, um mich zu Hause zu fühlen. Millionär werde ich wohl auch nicht. Auch darauf kann ich gerne verzichten, da ich sowieso kein Geld in den Tod und darüber hinaus retten kann.
Aber ich habe zum Beispiel krankheitsbedingt noch gar keine Beziehung mit einer Frau gehabt. Ich denke, dass ich da einiges verpassen würde, wenn ich jetzt nicht aus mir heraus gehe. Freunde muss ich mir jetzt auch neue suchen können. Ich denke, dass ohne so etwas das Leben doch sehr eintönig bleibt!
Was die Lebensphilosophie betrifft, so kann ich mich gut mit Epikur identifizieren, indem ich versuche, dass Leben gut zu genießen. Aber oft klappt das auch nicht. Da beobachte ich mich, wie ich mich nur ablenke, indem ich beispielsweise noch ein schlaues Buch kaufe und lesen will, obwohl ich schon so viele besitze. Das nur mal so als Beispiel.
Mit einem Menschen, der noch nie dem Tod ins Auge geblickt hat, weil bei ihm alles rund lief, möchte ich dennoch nicht tauschen. Bei solchen läuft das Leben meiner Beobachtung nach so ab: Im Privatleben beginnt schon in frühen Jahren das Liebesleben. Irgendwann kriegt man dann Kinder. Und noch später wird man Großvater. Im Berufsleben klappt bei den meisten auch alles irgendwie. Oder kurz gesagt: Viele funktionieren einfach nur. Aufgrund fehlender Schicksalsschläge führen sie ein 08/15-Leben, ohne alles in Frage zu stellen. Und hoffen dann, dass das Leben "mit 66" anfängt, wie Udo Jürgens es mal besungen hat. Da ist es aber für viele schon zu spät. Und die Kunst, bewußt zu leben, beherrschen auch nicht alle.
Was ich damit sagen will, ist: Eine Krankheit oder ein Schicksalsschlag können einen dermaßen umhauen, dass man zu gelähmt ist, um richtig zu leben. Das Gleiche gilt aber auch für den ganz normalen Alltag, wenn einem das Berufsleben und ein normales Beziehungsleben mit Kindern einem keinen Raum mehr für sich selbst lassen. Oft wird das Ganze dann kompensiert, indem man sich teure Autos oder Reisen leistet. Oder man stürzt sich in irgendwelche Hobbys, um sich selbst und die innere Leere nicht spüren zu müssen. Manche stürzen sich auch in die Religion. Dies ist aber nur eine Scheinbefriedigung.
Das wirklich wichtige bleibt aber auf der Strecke, weil man oftmals nicht weiß, was man wirklich gerne wollte, da man im Alltag nur die innere Leere betäuben will.
Deswegen auch meine Angst, dass ich das wahre Leben bzw. die wirklich wichtigen Dinge und Erfahrungen verpassen könnte. Ebenso auch, dass ich nicht die richtigen Leute finden könnte, die sich bewusst mit dem Leben auseinandersetzen, sondern einfach nur funktionieren oder eben nicht.
Das, was ich hier schildere, nennt sich meines Erachtens aber Lebenshunger. Ich habe Angst, das Wesentliche im Leben zu verpassen. Hätte ich dagegen Angst vor dem Tode, dann wären das vor allem Verlustängste. Und diese lähmen einen wiederum.