Ethik: Warum Toleranz eine bequeme Lüge ist

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Provokateur
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Re: Ethik: Warum Toleranz eine bequeme Lüge ist

Beitrag von Provokateur »

Brainiac hat geschrieben:(25 Apr 2016, 14:02)

Vielleicht nochmal zur Klärung, worüber und warum wir gerade diskutieren.

- Du sagst, Toleranz und Akzeptanz unterscheiden sich nicht in den resultierenden Handlungspfaden.
- Ich sage: Doch, Toleranz und Akzeptanz unterscheiden sich – nicht im Sinne des Vermeidens / Bekämpfens / Verändern von etwas (das findet in beiden Fällen nicht statt), sondern im Sinne des Aufsuchens / Verteidigens / Erhaltens (das findet bei Akzeptanz eher statt als bei Toleranz).
- Daraufhin sagst du, das ist dasselbe, denn wenn ich etwas aufsuche / verteidige / erhalte, dann vermeide / bekämpfe / verändere ich damit etwas anderes.

Soweit richtig wiedergegeben?
Kann man, grob vereinfacht, so zusammenfassen. Nur lehne ich Toleranz als Begriff nebenbei noch komplett ab, weil das "Erduldende" so etwas selbstaufopferndes hat. Fakt ist: Man entscheidet sich für oder gegen eine Sache.
Brainiac hat geschrieben:(25 Apr 2016, 14:02)
Mein Beispiel mit der Liebe war vielleicht etwas unglücklich, weil das so was Exklusives hat.
Nehmen wir den Fall, A trifft sich mit B, weil er ihn (als Freund) akzeptiert. B schlägt vor, C mitzubringen, der der Bruder von B ist.
Zwar hat A selbst keine Initiative ergriffen, C zu treffen, aber er hat kein Problem damit, dass C dabei ist, da er nicht C „nichtakzeptiert“, sondern toleriert. Die Entscheidung von A für B (ihn zu treffen) ist keine Entscheidung für oder gegen C.
Mit der Aussage "Da habe ich kein Problem mit" ist doch die Akzeptanz offenkundig. Andernfalls würde er sagen "Ne, lass mal, ganz ehrlich - ich mag den nicht."
Brainiac hat geschrieben:(25 Apr 2016, 14:02)
Um auf dein Bild mit den Handlungspfaden zurückzukommen: Es gibt grundsätzlich drei (und nicht zwei) Möglichkeiten. Ich kann etwas akzeptieren und somit aufsuchen/verteidigen/erhalten, ich kann etwas nichtakzeptieren und somit vermeiden/bekämpfen/verändern, und ich kann etwas neutral gegenüberstehen. Das bedeutet, in der Auswahl meiner Handlungspfade berücksichtige ich das weder positiv noch negativ, sondern überlasse es dem Zufall. Das ist ein wesentlicher Unterschied, da wir ja nur einen Teil von dem, was uns passiert, aktiv beeinflussen können, so dass wir unsere Energie und Ressourcen konzentrieren müssen.
Habe ich eingangs schon angeschnitten. Hintergrundrauschen erfordert grundsätzlich keine Handlung, es geschieht. Dinge, die keine Entscheidung erfordern, werden aber weder akzeptiert noch nicht akzeptiert, sie sind.
Brainiac hat geschrieben:(25 Apr 2016, 14:02)
Ich akzeptiere C: Ich treffe mich mit ihm.
Ich nichtakzeptiere C: ich treffe mich nicht mit ihm.
Ich toleriere C: Nichts von beidem, aber wenn B vorschlägt, dass C dazukommt, habe ich nichts dagegen. Wenn B es nicht vorschlägt, ist es genauso ok.
S.o.

Brainiac hat geschrieben:(25 Apr 2016, 14:02)
„Stasis“? :?:
Stillstand. Nichtveränderung.
Brainiac hat geschrieben:(25 Apr 2016, 14:02)
Jedenfalls, wenn ich meine Wohnung aufräume, sorge ich damit nicht für Unordnung in einer anderen Wohnung – weil ich sie toleriere. Ich „nichtakzeptiere“ sie nicht (die andere Wohnung), also verändere ich sie auch nicht. Dass ich sie nicht kontrolliere, ist doch nicht dasselbe, wie, sie aktiv zu verändern.
Kontrolle ist ja gerade die Veränderung. Was du kontrollierst, gestaltest du nach deinem Wunsch.
Brainiac hat geschrieben:(25 Apr 2016, 14:02)
Zum dritten Beispiel:

Dem kann ich so folgen. Du schriebst aber „wer etwas verteidigt, vernichtet das Angreifende“. Ich bleibe dabei, wenn ich etwas verteidige, weil ich es akzeptiere (mein Haus, in diesem Fall), bekämpfe ich dadurch noch nicht aktiv jemand anders. Ich versuche, ein denkbares Ereignis zu verhindern (den Einbruch). Ansonsten toleriere ich den Einbrecher als Menschen, der möglicherweise ein prima Typ ist.
Der Angriff an sich wird vernichtet. Der Einbrecher nicht. Das Angreifende ist ja in dem Fall die Einbruchshandlung, die an deinen Maßnahmen zerschellt.
Harry riss sich die Augen aus dem Kopf und warf sie tief in den Wald. Voldemort schaute überrascht zu Harry, der nun nichts mehr sehen konnte.
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Brainiac
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Re: Ethik: Warum Toleranz eine bequeme Lüge ist

Beitrag von Brainiac »

Provokateur hat geschrieben:(25 Apr 2016, 14:25)

Kann man, grob vereinfacht, so zusammenfassen. Nur lehne ich Toleranz als Begriff nebenbei noch komplett ab, weil das "Erduldende" so etwas selbstaufopferndes hat. Fakt ist: Man entscheidet sich für oder gegen eine Sache.
Nein, man kann sich auch neutral entscheiden und verhalten. Beispiele habe ich ja gebracht.
Mit der Aussage "Da habe ich kein Problem mit" ist doch die Akzeptanz offenkundig. Andernfalls würde er sagen "Ne, lass mal, ganz ehrlich - ich mag den nicht."
Nein, bei Akzeptanz wäre dem allgemeinen Sprachgebrauch nach eher der Wunsch da, ihn zu treffen, und somit auch eher entsprechende Aktivitäten. Es ist aber egal, also "nur" Toleranz.
Habe ich eingangs schon angeschnitten. Hintergrundrauschen erfordert grundsätzlich keine Handlung, es geschieht. Dinge, die keine Entscheidung erfordern, werden aber weder akzeptiert noch nicht akzeptiert, sie sind.
Doch, die Entscheidung besteht darin, nichts DAGEGEN zu unternehmen. Ich könnte ja C NICHT treffen wollen. Dann würde ich nicht akzeptieren, dass B ihn mitbringt.
Kontrolle ist ja gerade die Veränderung. Was du kontrollierst, gestaltest du nach deinem Wunsch.
Verstehe ich nicht in diesem Kontext. Kontrolle kann auch bedeuten, die Veränderung zu verhindern.
Der Angriff an sich wird vernichtet. Der Einbrecher nicht. Das Angreifende ist ja in dem Fall die Einbruchshandlung, die an deinen Maßnahmen zerschellt.
Nun, wenn du das so definierst. Damit wird aber nur ein Ereignis verhindert. Ansonsten unternehme ich nichts weiter gegen die Person dahinter, da ich sie toleriere. ich könnte die Person dahinter auch nichtakzeptieren (blödes Wort :rolleyes:). Das würde bedeuten, ich würde den Einbrecher versuchen ins Gefängnis zu bringen. Das ist ein Unterschied.


Ich fürchte, wir drehen uns im Kreise. Ich kann aber deine Titelthese nach wie vor so nicht ganz nachvollziehen, und weiß gerade nicht, wie ich meine Einwände noch klarer formulieren soll. Akzeptanz geht mehr in Richtung Unterstützung als Toleranz, das ist mein Punkt.

Wo ich mitgehen würde, ist: Die Begriffe liegen eng beieinander und sind nicht klar abgrenzbar, und insbesondere im negativen Sinne (nichts gegen etwas zu unternehmen), bedeuten sie keinen Unterschied.

D.h. zwischen den folgenden beiden Aussagen

- Ich unterstütze es nicht, aber ich akzeptiere es
- Ich unterstütze es nicht, aber ich toleriere es

gibt es keinen Unterschied im Sinne der resultierenden Handlungen.
History doesn't repeat itself, but it often rhymes (Twain). Unfortunately, we can't predict the rhyme.
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Re: Ethik: Warum Toleranz eine bequeme Lüge ist

Beitrag von Mari »

bakunicus hat geschrieben:(20 Apr 2016, 16:53)

....

wenn also z.b. die AfD nun fordert, dass der islam generell als verfassungsfeindlich zu betrachten ist, dann kann das morgen auch das christentum sein, oder auch der nationalkonservatismus, und deshalb ist das prinzipiell abzulehnen, zumindest in dieser radikalität.

...
Wo fordert die AfD, dass der Islam generell als verfassungsfeindlich zu betrachten ist?
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Re: Ethik: Warum Toleranz eine bequeme Lüge ist

Beitrag von schokoschendrezki »

Brainiac hat geschrieben: Wo ich mitgehen würde, ist: Die Begriffe liegen eng beieinander und sind nicht klar abgrenzbar, und insbesondere im negativen Sinne (nichts gegen etwas zu unternehmen), bedeuten sie keinen Unterschied.

D.h. zwischen den folgenden beiden Aussagen

- Ich unterstütze es nicht, aber ich akzeptiere es
- Ich unterstütze es nicht, aber ich toleriere es

gibt es keinen Unterschied im Sinne der resultierenden Handlungen.
Das hat sich vielleicht im Sprachgebrauch so eingeschliffen und die Unterschiede verwischt. Aber an sich bedeutet Toleranz (nur) "hinnehmen" und Akzeptanz (auch) "gutheißen".
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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