Bestimmt gibt es da abweichende Meinungen.Agesilaos Megas » Mi 28. Okt 2015, 06:41 hat geschrieben:Prof. Bude (Kassel) hat bereits schon einen interessanten Aspekt eingeworfen, der auch die Angst berührt:
http://www.faz.net/aktuell/politik/denk ... 45-p3.html
Ich teile Budes Ansicht, dass die tiefen Ursachen u.a. auch für die Verwerfungen in der Asylantenfrage in den Bereich der sozialen Angst zurückgehen. Studien haben ja schon mehrfach bewiesen, dass jene Mittelschicht, die dem rechtspopulistischen Spektrum angehört, von der Angst vor Abrutsch in das "Dienstleistungsproletariat" angetrieben wird.
Und die Wahrnehmung der Angst bezeichnet er interessanterweise als Angst der Politiker vor der Angst der Bürger. Will heißen: Dass die Politik es nicht verstehe, sich mit den Ängsten der Menschen auseinanderzusetzen. Ob er da richtig liegt? Oder gibt es abweichende Meinungen?
Die Angst vor sozialem Abstieg ist bei vielen nicht unbegründet. Er läßt sich auch ohne weiteres im eigenen Umfeld erleben, wenn man die Augen offen hält. Natürlich nicht bei allen. Manche Umfelder sind nach wie vor stabil. Aber wie schnell ist so ne Firma mal Pleite? Oder ein Weltkonzern mit deutschen Namen haut man eben zwischen 200 und 2000 Leute raus. Sozialverträglich, natürlich. Das kann dich bei VW vielleicht nicht ganz so leicht treffen wie bei Schlecker, aber keiner weiß, ob nicht längst ein belgisches Investmentkonglomerat mit Hauptsitz in Nashville und einer Tochterfirma in Hong Kong mit dem Aufsichtsrat deiner ArbeitgeberGmbH verhandelt? Und Hartz ist nicht lustig, vor allem, wenn du Sparverträge, Hausbesitz und eine private Krankenversicherung hast. Dann darf die Hohe Kante erst mal abschmelzen bis das Auto verkauft ist.
Bei einfältigen Menschen fällt die rechtsradikale Propaganda von den illegalen Flüchtlingshorden, die vom Sozialstaat alles kriegen ohne überhaupt Mensch sein zu müssen, auf fruchtbaren Boden. Sie kriegen ein Feindbild, das ganz genau gar nichts mit der Ursache ihrer eigentlichen Angst zu tun hat. Und darauf springen sie an. Zum einen wird es frei Haus geliefert, "Argumente" können bei PI nachgeladen werden. Zum anderen braucht man sich dann nicht mehr mit der doch recht komplexen Frage der eigenen Angst auseinander zu setzen, weder psychologisch noch politisch. Das ist bei homo sapiens der normale Weg: ohne Anleitung kommen viele gar nicht erst auf die Idee, sich mit der eigenen Angt zu konfrontieren und sie zu erforschen. Angst hat man doch eh nicht. Und wenn, dann haben die alle ohne Fehlfunktion.
Hier könnte die Angstkultur der Rechtspopulisten eine systemimmanente Funktion erfüllen, die durch ständigen Flüchtlingszulauf und Überflutungsszenarien gewährleistet wird. Aber das lassen wir besser.
Was nun die Politiker betrifft: Angst ernst nehmen ist da eher nicht die Aufgabenstellung. Auch nicht, wenn Bürger von ihrer Furcht in die Arme von Extremisten geführt werden. Man stelle sich vor, die Angst vor dem Jüngsten Gericht triebe die Angst- und Sorgenbürger in die Arme fundamentalistischer Erlösungsverheißer. Man stelle sich vor, günstige Hochrechnungen ergäben eine Wählermarge von 20%. Keine Systemgefährdung. Sollen sich die Politiker nun in theosophische Dispute einlassen, oder lieber ihren Job erledigen und dazu beitragen, daß die Ängste nachlassen, die sich anhand von Fakten oder einer gewissen Unzufriedenheit ob politischer Defizite zu einer entsprechenden Negativentwicklung beitragen?
Wovor ein Volltrottel sich fürchetet, der beim Anblick von Kameras reflexhaft Lügenpresse gröhlt, oder ein Idiot, der Exemplaren wie Herrn P, redend zu Dresden, Beifall spendet, braucht einen Politiker wirklich nicht zu interessieren, es sei denn, sie nehmen Kontakt auf, in der Sprechstunde, per Mail, oder sie besuchen eine der Diskussionsveranstaltungsversuche, die es ja gerade in Sachsen überreichlich gab... und verzichten darauf, Drohungen, Beleidigungen und Pöbeleien abzulassen...
Ernsthaft. Wenn solche Ängste und deren wahlberechtigtes Fleisch in D-Land politikbestimmend werden, darf man gespannt sein wann der nächste Flughafen gebaut wird, der auch eröffnet werden kann.