Was die wichtigsten Primärtugenden sind, war schon immer etwas umstritten. Bei Marcus Tullius Cicero wurden in diesem Zusammenhang Gerechtigkeit (iustitia), Mäßigung (temperantia),
Tapferkeit bzw. Hochsinn (fortitudo, magnitudo animi bzw. virtus) und Weisheit bzw. Klugheit (sapientia bzw. prudentia) genannt. Ein anderer Begriff dafür sind im Übrigen die Kardinaltugenden.
Der deutsche Philosoph Johann Friedrich Herbart, der 1776-1841 lebte, nannte beispielsweise als als Kardinaltugenden die Tapferkeit, die Freiheit, die Güte und die Gerechtigkeit. Andere Weltregionen hatten und haben eine von uns verschiedene Gewichtung. Bei uns in Europa hat sich aber die Siebenzahl der Kardinaltugenden durchgesetzt. Als weltliche Tugenden gelten hierbei die Weisheit oder Klugheit, weiterhin Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung -wie schon bei Cicero. Das Christentum setzt dem noch den Glauben, die Liebe und die Hoffnung hinzu. Dies will ich aber nur der Vollständigkeit erwähnen, da diese für mich als Atheist keine größere Bedeutung haben. Ich will mich im Folgenden auf die vier antiken Primärtugenden konzentrieren.
Quelle:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kardinaltugend
Zum Begriff der Sekundärtugenden sagt die Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Sekund%C3%A4rtugendSekundärtugend ist ein Begriff aus dem deutschen Positivismusstreit der 1970er/1980er Jahre. Als Sekundärtugenden oder auch bürgerliche Tugenden wurden Charaktereigenschaften eingestuft, die zur praktischen Bewältigung des Alltags und zum „störungsfreien“ Betrieb einer Gesellschaft beitrügen, ohne aber für sich allein eine ethische Bedeutung zu haben, sofern sie als Selbstzweck hochgehalten würden und nicht zur Umsetzung der Primärtugenden dienten.
Zu den bürgerlichen oder Sekundärtugenden wurden insbesondere Fleiß, Treue, Gehorsam, Disziplin, Pflichtbewusstsein, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Ordnungsliebe, Höflichkeit, Sauberkeit u. a. m. gezählt, meist aus dem Katalog der preußischen Tugenden bzw. des „bürgerlichen“ Tugendkatalogs. Otto Friedrich Bollnow ließ 1963 der Ordnung und Reinlichkeit, dem Fleiß und der Wahrhaftigkeit noch einmal eine Bestätigung zukommen, registrierte aber bereits „das absinkende Verständnis“ in der Gesellschaft.
Ohne die alte "Achtundsechziger-Diskussion" in der Erziehungsfrage -autoritär versus antiautoritär- weiterzuführen, möchte ich in diesem Thread doch diskutieren, welche der beiden Tugendgruppen die wichtigeren sind. Oskar Lafontaine warf 1982 bekanntlich dem damaligen Bundeskanzler vor:
Und weiter schreibt die Wikipedia dazu:"Helmut Schmidt spricht weiter von Pflichtgefühl, Berechenbarkeit, Machbarkeit, Standhaftigkeit. [...] Das sind Sekundärtugenden. Ganz präzis gesagt: Damit kann man auch ein KZ betreiben."
Quelle: ebendaOskar Lafontaine hatte damit den Begriff in die Ethikdebatte eingeführt und zugleich eine klar untergeordnete Stellung der bürgerlichen Tugenden postuliert.
Es gibt aber auch Leute, die der Ansicht sind, dass die Sekundärtugenden die wichtigeren sind. Aber ist das überhaupt möglich? Kann man eine Gesellschaft überhaupt am Laufen halten, ohne sie ins Unheil abgleiten zu lassen, wenn sie nur aus den "bürgerlichen" Sekundärtugenden besteht? Oder reicht es auf der Gegenseite überhaupt, wenn die Gesellschaftsmitglieder als ethische Richtwerte sich auf die Primärtugenden Weisheit/Klugheit, Tapferkeit, Mäßigung und Gerechtigkeit beschränken? Und kann man die zwei verschiedenen Tugendgruppen überhaupt gegeneinander aufstellen?
Dies will ich in diesem Thread diskutieren.