Gedanken über den Souverän.

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eluveitie

Gedanken über den Souverän.

Beitrag von eluveitie »

Was ist eigentlich ein Souverän?

Eine auf den ersten Blick triviale Frage. Aber auf den zweiten Blick wird sie spannend, wenn es um die Frage von kollektiv bindenen Entscheidungen geht, von Entscheidungen, welche in demokratischen Regimes für den Souverän - das Volk - gelten sollen.

Was also zeichnet einen Souverän aus? Wann man von Souveränität sprechen und in welchem Zusammenhang kann Souveränität in Bezug auf Personen und Staaten gedacht werden? Wie sehen Eure Vorstellungen dazu aus und habt Ihr bestimmte Denker und Philosophen, die Euch zu einer bestimmten Idee von Souveränität verholfen haben?
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daimos
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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von daimos »

Schreib du doch erst mal deine Ansicht über einen Souverän, dann können wir ja weiter sehen. Besondere Philosophen kann ich jetzt nicht nennen. Aber ich ein Freund der repräsentativen Demokratie, wie du schon mitbekommen haben solltest.
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aloa5
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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von aloa5 »

eluveitie hat geschrieben:Was ist eigentlich ein Souverän?
Wikipedia:
Unter einem Souverän (v. lat.: superamus = über allen stehend) versteht man den Inhaber der Staatsgewalt, in Republiken ist dies das Staatsvolk, in Monarchien der Monarch, häufig also ein König oder Fürst.
Eine auf den ersten Blick triviale Frage. Aber auf den zweiten Blick wird sie spannend, wenn es um die Frage von kollektiv bindenen Entscheidungen geht, von Entscheidungen, welche in demokratischen Regimes für den Souverän - das Volk - gelten sollen.
Das ist ein durcheinanderwerfen von Dingen. Sie müssen sich schon entscheiden worüber Sie reden wollen!
Was also zeichnet einen Souverän aus?
Steht oben - die Fähigkeit Staatsgewalt auszuüben.
Wann man von Souveränität sprechen und in welchem Zusammenhang kann Souveränität in Bezug auf Personen und Staaten gedacht werden? Wie sehen Eure Vorstellungen dazu aus und habt Ihr bestimmte Denker und Philosophen, die Euch zu einer bestimmten Idee von Souveränität verholfen haben?
Wenn ich Gewalt über mich selbst habe bin ich "mein" Souverän. Das ist z.B. in Gefängnissen oder psychiatrischen Anstalten (z.T. auch Pflegeheimen und bei der Bundeswehr) nicht mehr vollkommen gegeben. Bei der Bundeswehr ist z.B. Selbstverstümmelung (wozu imho Glatze und Piercing zählen) bei Strafe verboten.

Kinder sind nicht "Souverän" - da haben Eltern und Staat die "Staatsgewalt". Sprich: die Möglichkeit Rechte und Pflichten zu definieren.

Jede Gruppierungen hat "Souveräne" wenn man sie als Staaten definiert. Familie, Gewerkschaft, Bundeswehr, Verein, Partei usw..


Und nun ist meine Frage an Sie - wollen Sie über den Souverän an sich oder nur über die Souveränität des Volkes in einer vermutlich parlamentarischen Demokratie sprechen? Reden Sie hier und in "Recht und Moral" über die liberalen Ideen und den "Leviathan Staat"?

Grüße
ALOA

Edit: Man verliert im übrigen Souveränität, wenn man es zulässt, das andere (meist der Staat) einen z.B. präventiv auf Schritt und Tritt kontrollieren. Dann kann man nämlich nicht mehr tun und lassen was man will und man würde ggfs. hinterher dafür bestraft. Eine Gedankenpolizei würde dies z.B. schon im Keim verhindern - auch das man sich im letzten Augenblick noch dagegen entscheidet. Das wird einem genommen - ein Verlust der Souveränität über sich selbst.
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eluveitie

Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von eluveitie »

aloa5 hat geschrieben: Das ist ein durcheinanderwerfen von Dingen. Sie müssen sich schon entscheiden worüber Sie reden wollen!
Souveränität hat also nichts mit der Ausübung von Souveränität zu tun, zum Beispiel in Form verbindlicher Entscheidungen? aloa5, bei aller Liebe... solche Kommentare kannst Du Dir wirklich schenken.
aloa5 hat geschrieben: Steht oben - die Fähigkeit Staatsgewalt auszuüben.
Dass Wikipedia nicht als zitationsfähig gilt, hat seinen guten Grund, insbesondere wenn es um philosophische und ideengeschichtliche Fragen geht und nicht bloß um Trivialwissen.
aloa5 hat geschrieben: Reden Sie hier und in "Recht und Moral" über die liberalen Ideen und den "Leviathan Staat"?
Mich interessieren verschiedene Vorstellungen von Souveränität. Wahrscheinlich wäre es zickig auf das Eingangsposting hinzuweisen, hm?
petronius
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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von petronius »

eluveitie hat geschrieben:
Souveränität hat also nichts mit der Ausübung von Souveränität zu tun, zum Beispiel in Form verbindlicher Entscheidungen? aloa5, bei aller Liebe... solche Kommentare kannst Du Dir wirklich schenken.



Dass Wikipedia nicht als zitationsfähig gilt, hat seinen guten Grund, insbesondere wenn es um philosophische und ideengeschichtliche Fragen geht und nicht bloß um Trivialwissen.



Mich interessieren verschiedene Vorstellungen von Souveränität. Wahrscheinlich wäre es zickig auf das Eingangsposting hinzuweisen, hm?
wie zickig ist es, daimos' bitte zu wiederholen, mal deine ansichten zum thema auszubreiten?

es macht keinen spaß, deinen fragen nach bestem wissen und gewissen zu antworten, nur um das dann von dir zerpflückt und vor die füße geworfen zu kriegen, weil du angeblich was ganz anderes gemeint hast
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eluveitie

Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von eluveitie »

daimos hat geschrieben: Aber ich ein Freund der repräsentativen Demokratie, wie du schon mitbekommen haben solltest.
Ja, das ist angekommen. ;)

Aber es sagt noch nichts über Deine Vorstellung eines Souveräns aus. Es wäre ja möglich, dass Du ob Deiner Vorliebe für die repräsentative Demokratie bereit bist, dem Souverän bestimmte Beschränkungen aufzuerlegen oder Konzessionen einzugehen - wie auch immer.

Als Startschuss vielleicht die Anregung von Carl Schmitt: Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet.

"Politisch ist jedenfalls immer die Gruppierung, die sich an dem Ernstfall orientiert. Sie ist deshalb immer die maßgebene menschliche Gruppierung, die politische Einheit infolgedessen immer, wenn sie überhaupt vorhanden ist, die maßgebene Einheit und 'souverän' in dem Sinne, daß die Entscheidung über den maßgebenen Fall, auch wenn das der Ausnahmefall ist, begriffsnotwendig immer bei ihr stehen muß."

- Carl Schmitt (1932): Ber Begriff des Politischen.
eluveitie

Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von eluveitie »

petronius hat geschrieben: wie zickig ist es, daimos' bitte zu wiederholen, mal deine ansichten zum thema auszubreiten?
Auch in Zeiten von Web 2.0 kann ich nur ein Beitrag nach dem anderen schreiben. Aber zugegeben: Die Antwort auf aloa5 war ein wenig pissig. Es ärgert mich nur, wenn jemand mit irgendwelchen Wikipedia-Links kommt, ohne darüber zu reflektieren, was dort eigentlich steht.

Egal. @aloa5: Sorry. :friend:
petronius
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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von petronius »

eluveitie hat geschrieben:
Ja, das ist angekommen. ;)

Aber es sagt noch nichts über Deine Vorstellung eines Souveräns aus. Es wäre ja möglich, dass Du ob Deiner Vorliebe für die repräsentative Demokratie bereit bist, dem Souverän bestimmte Beschränkungen aufzuerlegen oder Konzessionen einzugehen - wie auch immer.

Als Startschuss vielleicht die Anregung von Carl Schmitt: Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet.

"Politisch ist jedenfalls immer die Gruppierung, die sich an dem Ernstfall orientiert. Sie ist deshalb immer die maßgebene menschliche Gruppierung, die politische Einheit infolgedessen immer, wenn sie überhaupt vorhanden ist, die maßgebene Einheit und 'souverän' in dem Sinne, daß die Entscheidung über den maßgebenen Fall, auch wenn das der Ausnahmefall ist, begriffsnotwendig immer bei ihr stehen muß."

- Carl Schmitt (1932): Ber Begriff des Politischen.
deine berufung auf den „Kronjurist des Dritten Reiches“ bzw. „geistigen Quartiermacherdes Nationalsozialismus“, wie er auch tituliert wurde, carl schmitt paßt zwar zu deinen ausführungen über die legitimität des ermächtigungsgesetzes an anderer stelle, trotzdem ist mir die wikipedia-definition des souveräns lieber als eine, die letztlich den als souverän anerkennt, der einfach die macht an sich reißt. denn darauf läuft es hinaus, wenn man sich dergestalt "an dem Ernstfall orientiert", den ausnahmefall (wo die üblichen demokratischen strukturen außer kraft gesetzt werden) als maßgebend zu definieren
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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von eluveitie »

petronius hat geschrieben: deine berufung auf den „Kronjurist des Dritten Reiches“ bzw. „geistigen Quartiermacherdes Nationalsozialismus“, wie er auch tituliert wurde, carl schmitt paßt zwar zu deinen ausführungen über die legitimität des ermächtigungsgesetzes an anderer stelle, trotzdem ist mir die wikipedia-definition des souveräns lieber als eine, die letztlich den als souverän anerkennt, der einfach die macht an sich reißt.
Die Wikipedia-Definition ist natürlich gemütlich. Zugegeben. Ich finde es allerdings etwas befremdlich, die Inhalte eines Denkers abzuqualifizieren, bloß weil seine Schriften den Nationalsozialisten zupass kamen. Natürlich sind Aufsätze wie "Der Führer schützt das Recht" ziemlich übel.

Andererseits finde ich spannend, dass Du Dich auf die repräsentative Demokratie berufst, gleichsam aber ausblendest, dass wesentliche Inhalte unseres Grundgesetzes - und auch der Wikipedia-Definition! - von Carl Schmitt geprägt sind.

Es reicht nicht immer, den Botschafter zu verteufeln, wenn einem die Botschaft seltsam anmutet.
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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von aloa5 »

eluveitie hat geschrieben:Souveränität hat also nichts mit der Ausübung von Souveränität zu tun, zum Beispiel in Form verbindlicher Entscheidungen?
Richtig.

Souverän zu sein bedeutet Macht - haben
und nicht Macht - ausüben

Ein weiser Souverän ist derjenige welcher seine Macht möglichst selten nutzt. Er verliert durch fehlende Macht-Demonstration seine Eigenschaft als Souverän nicht. Eher mag das Gegenteil der Fall sein. Es gibt Menschen di können mit wenigen Fingerzeigen Massen bewegen - andere müssen Massen zwingen. Erstere sind wesentlich "souveräner". Sie herrschen mit der Anwesenheit von Souveränität - was nicht mit der Abwesenheit von Macht gleichzusetzen ist.
Mich interessieren verschiedene Vorstellungen von Souveränität. Wahrscheinlich wäre es zickig auf das Eingangsposting hinzuweisen, hm?
Möglich - ich kann damit leben ;).

Vielleicht ist es aber auch zickig wenn ich Sie darauf hinweise, das Ihre Überschrift "der Souverän" lautet - und das ein klein wenig anderes ist als Souveränität lieber eluveitie ;). Ich habe auf den Souverän geantwortet - und Ihre erste Antwort beginnt mit "Souveränität".

Ich formuliere ihn einmal um:
"Ein Souverän zu sein hat also nichts damit zu tun die Macht eines Souveräns auch zu nutzen z.B. in Form von verbindlichen Entscheidungen".

Und ich habe hierauf "Richtig" geantwortet.

Grüße
ALOA
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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von eluveitie »

aloa5 hat geschrieben: Richtig.
Das ist offensichtlich Quatsch...
aloa5 hat geschrieben: Ein weiser Souverän ist derjenige welcher seine Macht möglichst selten nutzt. Er verliert durch fehlende Macht-Demonstration seine Eigenschaft als Souverän nicht. Eher mag das Gegenteil der Fall sein.
... denn es gibt natürlich sowohl das von Dir beschriebene Phänomen von "Machtinflation" als auch das von "Machtdeflation". Eine Kapazität zu kollektiv bindendem Entscheiden (Luhmann), die nie genutzt wird, ist offensichtlich als Auslöser für Machthandeln irrelevant.
aloa5 hat geschrieben: Vielleicht ist es aber auch zickig wenn ich Sie darauf hinweise, das Ihre Überschrift "der Souverän" lautet - und das ein klein wenig anderes ist als Souveränität lieber eluveitie ;). Ich habe auf den Souverän geantwortet - und Ihre erste Antwort beginnt mit "Souveränität".
Ich bin gespannt auf Deine Konstruktion eines Souveräns, der keine Souveränität gebietet oder nicht souverän ist, schließlich hängen die Begriffe ja nicht zusammen... ;)
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aloa5
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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von aloa5 »

eluveitie hat geschrieben:Ich bin gespannt auf Deine Konstruktion eines Souveräns, der keine Souveränität gebietet oder nicht souverän ist, schließlich hängen die Begriffe ja nicht zusammen... ;)
Nana *Finger wackelt* - Mal nicht verdrehen ;).

Ich habe gesagt es ist etwas anderes und nicht, das die Dinge nicht miteinander zusammen hängen.

Natürlich kann ein Polizist Souveränität ausstrahlen - oder ein Redner am Rednerpult. Deswegen ist der Redner noch lange kein Souverän. Oder ist er es lt. eluveitie doch? Wenn ja - Souverän welcher Menge? Der Zuhörerschaft - weil er "Macht" über die Menge hat - oder über sich selbst weil er Selbstbeherrschung und Wissen ausstrahlt?

Aber Du wolltest ja einen Souverän der nicht souverän ist. Nun - Souveränität hat wohl unbestritten mit Macht zu tun. Da m.E. nahezu keine absolute Macht existiert reden wir bei der Souveränität also von einer konkurrierenden Machtverteilung. Nicht beim Souverän! Der Souverän im Staate Deutschland ist das Volk (nämlich auf dem Papier geht alle Macht vom Volke aus - auch in der DDR). Besitzt nun der Souverän - das Deutsche Volk - nur aber auch die Souveränität? Spielen hier nicht de facto Mächte wie Wirtschaft, Presse, Parteien eine Rolle welche aber ganz und gar nicht "der Souverän" sind? Können nicht diese Mächtigen den Souverän ganz "un-souverän" aussehen lassen (indem sie nämlich Macht/Druck/Beeinflussend ausübend neben ihm stehen)?

Das ist offensichtlich Quatsch...
Zumindest so versteckt, das ich es nicht erkenne. ;)

Lass mich wissen ob das Deutsche Volk souverän aussieht und ob es "der Souverän" ist.

Grüße
ALOA
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eluveitie

Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von eluveitie »

aloa5 hat geschrieben: Natürlich kann ein Polizist Souveränität ausstrahlen - oder ein Redner am Rednerpult. Deswegen ist der Redner noch lange kein Souverän. Oder ist er es lt. eluveitie doch?
eluveitie gibt klein bei. ;)
Ich habe diese Wendung nicht gepeilt, weil ich mich wirklich auf die (polit-)philosophische Konstruktion von Souverän und Souveränität konzentriere.
aloa5 hat geschrieben: Nun - Souveränität hat wohl unbestritten mit Macht zu tun.
Das ist vollkommen klar. Ohne Macht wird es nicht mit der Letztentscheidung.
aloa5 hat geschrieben: Besitzt nun der Souverän - das Deutsche Volk - nur aber auch die Souveränität? Spielen hier nicht de facto Mächte wie Wirtschaft, Presse, Parteien eine Rolle welche aber ganz und gar nicht "der Souverän" sind? Können nicht diese Mächtigen den Souverän ganz "un-souverän" aussehen lassen (indem sie nämlich Macht/Druck/Beeinflussend ausübend neben ihm stehen)?
Eine spannende Fragestellung. Sehr geil. Wenn ich nochmal auf die Macht zu sprechen kommen darf. Ich denke auch, dass starke Unternehmen, Lobbygruppen, Gewerkschaften oder reiche Mäzene eine eigene Machtquelle darstellen und über informelle Wege auf den Souverän einwirken können. Luhmann - seine Machttheorie halte ich für ziemlich valide - spricht hierbei von Machtketten. Es wäre also sicherlich eine Untersuchung wert, ob die verschiedenen Machtquellen für sich genommen autark sind oder lediglich Einfluss auf den eigentlichen Machthaber ausüben. Dann würde es bedeuten, dass der eigentliche "Obermachthaber" auf "Untermachthaber" zugreift, indem er ihnen Vergünstigungen einräumt - zum Beispiel.
aloa5 hat geschrieben: Lass mich wissen ob das Deutsche Volk souverän aussieht und ob es "der Souverän" ist.
Die Formulierung von "auf dem Papier" hast Du ja selbst bereits gebraucht. Und auch wenn es daimos etwas sauer aufstößt: Die Idee, Souveränität an den Ausnahmezustand zu koppeln, finde ich nicht verwerfenswert. Deshalb würde ich sagen, das deutsche Volk ist nicht souverän.
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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von aloa5 »

eluveitie hat geschrieben:Es wäre also sicherlich eine Untersuchung wert, ob die verschiedenen Machtquellen für sich genommen autark sind oder lediglich Einfluss auf den eigentlichen Machthaber ausüben. Dann würde es bedeuten, dass der eigentliche "Obermachthaber" auf "Untermachthaber" zugreift, indem er ihnen Vergünstigungen einräumt - zum Beispiel.
"Ober-" und "Unter" sind hier meine ich fehl am Platze. Die Macht in einem Staate ist immer verteilt. Und zusätzlich auch noch verwoben. Denn "die Wirtschaft" und "die Presse" besteht wohl oft aus Teilen des Souveräns. Nur dann nicht, wenn ausländische Kräfte am Werke sind.

Insofern ist "der Souverän" - nämlich das Volk - schon in sich heterogen und mit unterschiedlichen Graden des Anteils an der "Souveränität" ausgestattet. So hat ein großer Verleger schon als einzelne Person und Teil des Souveräns eine ganz andere Macht gegenüber den anderen Teilen des Souveräns.

Insofern ist die Formulierung "DER Souverän" vielleicht schon irreführend.

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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von eluveitie »

aloa5 hat geschrieben: "Ober-" und "Unter" sind hier meine ich fehl am Platze.
Das denke ich nicht...
aloa5 hat geschrieben: Die Macht in einem Staate ist immer verteilt. Und zusätzlich auch noch verwoben. Denn "die Wirtschaft" und "die Presse" besteht wohl oft aus Teilen des Souveräns.
... denn obwohl Presse, Wirtschaft oder andere Interessengruppen erhebliche Machtmittel haben, können auch sie sich nicht den Entscheidungen der Legislative bedienen. Natürlich können sie sie behindern, indem Parteispenden ausbleiben, über Zeitungen Meinungen gemacht wird, und vieles mehr.

Doch systematisch Entziehen können sie sich der politischen Macht nicht, wenngleich sie Einfluss auf sie ausüben.
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Talyessin
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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von Talyessin »

eluveitie hat geschrieben: Die Formulierung von "auf dem Papier" hast Du ja selbst bereits gebraucht. Und auch wenn es daimos etwas sauer aufstößt: Die Idee, Souveränität an den Ausnahmezustand zu koppeln, finde ich nicht verwerfenswert. Deshalb würde ich sagen, das deutsche Volk ist nicht souverän.
A bisserle möcht ich mich dazu auch mal äussern. Der Gedanke, das ein Volk ansich Souverän sein sollte, finde ich etwas fehlerhaft. Das "Volk" ist ja keine agierende Masse, sondern die Zwangsgemeinschaft aller Individuen, die sich entweder sich dazugehörig fühlen, oder aber sich dazugehörig fühlen müssen. Aus diesem Grunde, einfach gedacht, wäre die Bezeichnung, das ein Volk, hier das deutsche, soverän sei als falsch. Eher übergibt man seine Souveränität als Individuum einer übergeordneten Stelle.

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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von eluveitie »

Talyessin hat geschrieben: Das "Volk" ist ja keine agierende Masse, sondern die Zwangsgemeinschaft aller Individuen, die sich entweder sich dazugehörig fühlen, oder aber sich dazugehörig fühlen müssen. Aus diesem Grunde, einfach gedacht, wäre die Bezeichnung, das ein Volk, hier das deutsche, soverän sei als falsch. Eher übergibt man seine Souveränität als Individuum einer übergeordneten Stelle.
Diese Feinheit sehe ich auch so. Wenn überhaupt, muss von einer Abgabe der Souveränität gesprochen werden. Aber dann ist klar, dass der Mensch und nicht das Volk souverän sind, also die Souveränität aus der Masse der Souveränen entsteht und an die Institutionen abgetreten wird. So ist es ja auch theoretisch legitimiert - und alle vier Jahre bekommt der Souverän seine Entscheidungsgewalt zurück beziehungsweise legitimiert ihn von neuem.
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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von aloa5 »

eluveitie hat geschrieben: Aber dann ist klar, dass der Mensch und nicht das Volk souverän sind, also die Souveränität aus der Masse der Souveränen entsteht und an die Institutionen abgetreten wird. So ist es ja auch theoretisch legitimiert - und alle vier Jahre bekommt der Souverän seine Entscheidungsgewalt zurück beziehungsweise legitimiert ihn von neuem.
Das ist schon fast eine (hihi :D ) philosophische Frage.

Wenn ein König (also sicher der Souverän) jemandem den Auftrag erteilt "treibe das nächste halbe Jahr (oder den nächsten Tag) Steuern ein". Hat er dann (eindeutig)
A) seine Souveränität abgegeben?
B) als Souverän eine Weisung erteilt? (wie z.B. - führen Sie die Regierungsgeschäfte für 4 Jahre in meinem Sinne)

Ich denke der Übergang hierbei ist fließend und nicht eindeutig.

Grüße
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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von petronius »

eluveitie hat geschrieben:
Die Wikipedia-Definition ist natürlich gemütlich. Zugegeben. Ich finde es allerdings etwas befremdlich, die Inhalte eines Denkers abzuqualifizieren, bloß weil seine Schriften den Nationalsozialisten zupass kamen. Natürlich sind Aufsätze wie "Der Führer schützt das Recht" ziemlich übel.

Andererseits finde ich spannend, dass Du Dich auf die repräsentative Demokratie berufst, gleichsam aber ausblendest, dass wesentliche Inhalte unseres Grundgesetzes - und auch der Wikipedia-Definition! - von Carl Schmitt geprägt sind
imho allerdings gerade das von dir zitierte nicht

und die "verteufelungen" sind nicht von mir, sondern selber zitat, wie die anführungszeichen andeuten sollten
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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von aloa5 »

eluveitie hat geschrieben:Natürlich sind Aufsätze wie "Der Führer schützt das Recht" ziemlich übel.
Mag für den Aufsatz gelten (kenne ich nicht). Den Inhalt des Satzes finde ich jedoch (völlig) richtig.

Schlimm wäre: der Führer setzt das Recht.

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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von eluveitie »

petronius hat geschrieben: imho allerdings gerade das von dir zitierte nicht
Wortwörtlich sicherlich nicht. Das stimmt. Schmitt lässt sich jedoch an vielen Stellen des Grundgesetzes wiederfinden.
petronius hat geschrieben: und die "verteufelungen" sind nicht von mir, sondern selber zitat, wie die anführungszeichen andeuten sollten
Okay. Ich hatte die Vermutung, dass Du diese Bewertungen teilst, anderenfalls wäre es sinnlos gewesen sie zu zitieren.
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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von eluveitie »

aloa5 hat geschrieben: Das ist schon fast eine (hihi :D ) philosophische Frage.
:friend:
aloa5 hat geschrieben: Wenn ein König (also sicher der Souverän) jemandem den Auftrag erteilt "treibe das nächste halbe Jahr (oder den nächsten Tag) Steuern ein". Hat er dann (eindeutig)
A) seine Souveränität abgegeben?
B) als Souverän eine Weisung erteilt? (wie z.B. - führen Sie die Regierungsgeschäfte für 4 Jahre in meinem Sinne)
B. Die Souveränität hat der König nach wie vor inne. Er kann jederzeit seine Order widerufen und/oder jemand anderen mit der Aufgabe betrauen. Zu der geklammerten Anmerkung "Führen Sie die Regierungsgeschäfte für 4 Jahre in meinem Sinne": Eine solche Weisung kann durch Wahl nicht erteilt werden.
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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von petronius »

eluveitie hat geschrieben: Okay. Ich hatte die Vermutung, dass Du diese Bewertungen teilst, anderenfalls wäre es sinnlos gewesen sie zu zitieren.
nach allem, was ich über carl schmitt gelesen habe, würde ich diesen einschätzungen nicht widersprechen (und was du zitiert hast, paßt ja imho auch hinein). nachdem ich aber nichts von ihm gelesen habe, maße ich mir kein eigenes urteil an
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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von Talyessin »

aloa5 hat geschrieben:
Das ist schon fast eine (hihi :D ) philosophische Frage.

Wenn ein König (also sicher der Souverän) jemandem den Auftrag erteilt "treibe das nächste halbe Jahr (oder den nächsten Tag) Steuern ein". Hat er dann (eindeutig)
A) seine Souveränität abgegeben?
B) als Souverän eine Weisung erteilt? (wie z.B. - führen Sie die Regierungsgeschäfte für 4 Jahre in meinem Sinne)

Ich denke der Übergang hierbei ist fließend und nicht eindeutig.

Grüße
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Mh - was ist denn das Souverän des Königs ?

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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von aloa5 »

eluveitie hat geschrieben:Zu der geklammerten Anmerkung "Führen Sie die Regierungsgeschäfte für 4 Jahre in meinem Sinne": Eine solche Weisung kann durch Wahl nicht erteilt werden.
Auf welche Weise könnte man eine solche Weisung erteilen?
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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von eluveitie »

aloa5 hat geschrieben: Auf welche Weise könnte man eine solche Weisung erteilen?
Durch Vertrag.
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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von Talyessin »

eluveitie hat geschrieben:
Durch Vertrag.
Wäre ein Vertrag nicht auch das gleiche - ein Übereinkunft von einigen zum Ziele des Wohles für viele ?

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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von eluveitie »

Talyessin hat geschrieben: Wäre ein Vertrag nicht auch das gleiche - ein Übereinkunft von einigen zum Ziele des Wohles für viele ?
Wie soll das gehen? Vertraglich binden können sich nur diejenigen, die einen Vertrag ausarbeiten, ihn unterzeichnen und sich daran halten. Abgeordnete, die geheim gewählt werden und laut Grundgesetz nur ihrem Gewissen unterworfen sind, erfüllen diese Bedingungen nicht.

Noch dazu kann ein Abgeordneter, selbst wenn er vertraglich gebunden wäre, nur für diejenigen tätig sein, zwischen welchen kein Interessenkonflikt besteht und die ihn ausdrücklich als ihren Repräsentanten bestimmt haben. Er kann also gar nicht "zum Wohle vieler" tätig werden, da er nicht weiss, was er zu ihrem Wohl tun dürfte.
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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von petronius »

eluveitie hat geschrieben:
Wie soll das gehen? Vertraglich binden können sich nur diejenigen, die einen Vertrag ausarbeiten, ihn unterzeichnen und sich daran halten. Abgeordnete, die geheim gewählt werden und laut Grundgesetz nur ihrem Gewissen unterworfen sind, erfüllen diese Bedingungen nicht.

Noch dazu kann ein Abgeordneter, selbst wenn er vertraglich gebunden wäre, nur für diejenigen tätig sein, zwischen welchen kein Interessenkonflikt besteht und die ihn ausdrücklich als ihren Repräsentanten bestimmt haben. Er kann also gar nicht "zum Wohle vieler" tätig werden, da er nicht weiss, was er zu ihrem Wohl tun dürfte.
ein vertrag bedarf nicht zwingend der schriftform

und ein abgeordneter ist selbstverständlich gehalten, zum wohle vieler tätig zu werden, nämlich derer, die ihn wegen seiner ziele bzw. denen seiner partei gewählt haben
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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von aloa5 »

Talyessin hat geschrieben:
Mh - was ist denn das Souverän des Königs ?

Talyessin
Der Inhalt der Frage erschließt sich mir nicht ganz :dunno:

Grüße
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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von aloa5 »

eluveitie hat geschrieben:Noch dazu kann ein Abgeordneter, selbst wenn er vertraglich gebunden wäre, nur für diejenigen tätig sein, zwischen welchen kein Interessenkonflikt besteht und die ihn ausdrücklich als ihren Repräsentanten bestimmt haben. Er kann also gar nicht "zum Wohle vieler" tätig werden, da er nicht weiss, was er zu ihrem Wohl tun dürfte.
Ein demokratisch gewählter Abgeordneter wurde immer von vielen gewählt. Und weder der Auftraggeber (das Volk) noch er selbst kann wissen, was er in der Zukunft konkret zu tun hat. Außer natürlich einer allgemeinen Formel: "die Staatsgeschäfte führen und für das Wohl des Volkes sorgen".


Vielleicht kann man es so sehen wie ein Besitzer einer Kapitalgesellschaft im Verhältnis zu dessen Geschäftsführer. Es gibt sehr wohl einen Rahmenvertrag (Arbeitsvertrag) zwischen diesen Beiden. Dort steht nicht "kaufe in einem Jahr eine Maschine".

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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von Talyessin »

aloa5 hat geschrieben: Der Inhalt der Frage erschließt sich mir nicht ganz :dunno:

Grüße
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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von aloa5 »

Talyessin hat geschrieben:
Wer hat denn den König den Souverän erteilt?
In der Regel Geburtsrecht (manchmal oder ursprünglich auch Gewalt). Er ist ja i.d.R. kein Demokrat ;).

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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von eluveitie »

petronius hat geschrieben: ein vertrag bedarf nicht zwingend der schriftform
Das ist zwar wahr. Aber selbst dann müssten sich Repräsentant und Auftraggeber persönlich gegenüberstehen. Ein Repräsentant ist an die Weisungen des Auftraggebers gebunden - eine Qualifikation, die der Repräsentant jedoch nicht einhalten kann, weil sie dem Grundgesetz entgegensteht.
petronius hat geschrieben: und ein abgeordneter ist selbstverständlich gehalten, zum wohle vieler tätig zu werden, nämlich derer, die ihn wegen seiner ziele bzw. denen seiner partei gewählt haben
Auch das ist wahr. Es tangiert aber den Einwand nicht, dass er unmöglich diejenigen repräsentieren kann, die ihn nicht oder überhaupt nicht gewählt haben.
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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von eluveitie »

aloa5 hat geschrieben: Ein demokratisch gewählter Abgeordneter wurde immer von vielen gewählt. Und weder der Auftraggeber (das Volk) noch er selbst kann wissen, was er in der Zukunft konkret zu tun hat.
Wenn er nur "von vielen" gewählt wurde, dann kann er schon sprachlogisch nicht vom Volk, denn das wären alle, gewählt worden sein.
aloa5 hat geschrieben: Vielleicht kann man es so sehen wie ein Besitzer einer Kapitalgesellschaft im Verhältnis zu dessen Geschäftsführer. Es gibt sehr wohl einen Rahmenvertrag (Arbeitsvertrag) zwischen diesen Beiden. Dort steht nicht "kaufe in einem Jahr eine Maschine".
Der Vergleich hinkt, finde ich. In einer Kapitalgesellschaft kann der Eigner die Geschäftsführer jederzeit auswechseln, sie sind sich persönlich bekannt und der Geschäftsführer ist rechenschaftspflichtig. Ein Abgeordneter hingegen ist nur seinem Gewissen unterworfen und es besteht keine genuine Rechenschaftspflicht gegenüber dem Wähler - insbesondere nicht für Abgeordnete, die über Landeslisten gewählt werden und sich im Regelfall gegenüber ihren Parteien, nicht den eigentlichen (vermeintlichen) Auftraggebern gegenüber, loyal verhalten.
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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von petronius »

eluveitie hat geschrieben:
Das ist zwar wahr. Aber selbst dann müssten sich Repräsentant und Auftraggeber persönlich gegenüberstehen. Ein Repräsentant ist an die Weisungen des Auftraggebers gebunden - eine Qualifikation, die der Repräsentant jedoch nicht einhalten kann, weil sie dem Grundgesetz entgegensteht
ein repräsentant hat eben nicht vor jeder entscheidung seinen auftraggeber zu fragen, wozu er die hand heben soll. seine aufgabe ist es, den auftraggeber zu repräsentieren, also zu vertreten - heißt: in seinem namen entscheidungen zu fällen

es gibt keinen gegensatz zum grundgesetz
eluveitie hat geschrieben: Auch das ist wahr. Es tangiert aber den Einwand nicht, dass er unmöglich diejenigen repräsentieren kann, die ihn nicht oder überhaupt nicht gewählt haben
warum sollte er auch?

als teil des parlaments, das ja stellvertretend für das volk die pflichten des souveräns wahrnimmt, repräsentiert er natürlich das ganze volk
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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von aloa5 »

eluveitie hat geschrieben:
Wenn er nur "von vielen" gewählt wurde, dann kann er schon sprachlogisch nicht vom Volk, denn das wären alle, gewählt worden sein.
Demokratisch gewählt vom Volk - das geht. Denn die Mehrheit eines Volkes hat bestimmt, das die Mehrheit für und über das Volk zu bestimmen hat und so die Gesetzesgrundlage (die "Definition") der Formel "vom Volk gewählt" festgelegt.

Abgesehen davon spielt das hier keine Rolle. Das ist nur für liberale Anarchisten relevant (weil diese die Demokratie als das was sie ist - die Diktatur der Mehrheit - ablehnen).
Der Vergleich hinkt, finde ich. In einer Kapitalgesellschaft kann der Eigner die Geschäftsführer jederzeit auswechseln, sie sind sich persönlich bekannt und der Geschäftsführer ist rechenschaftspflichtig. Ein Abgeordneter hingegen ist nur seinem Gewissen unterworfen und es besteht keine genuine Rechenschaftspflicht gegenüber dem Wähler - insbesondere nicht für Abgeordnete, die über Landeslisten gewählt werden und sich im Regelfall gegenüber ihren Parteien, nicht den eigentlichen (vermeintlichen) Auftraggebern gegenüber, loyal verhalten.
Das mit dem auswechseln innerhalb einer Arbeitsvertrags-Pflicht geht nicht. Entlassungen sind mit hohen Abfindungen oder bei eklatanten Verstößen gegen den Arbeitsvertrag möglich.

Wir kennen die Abgeordneten und die potentiellen Minister und sind somit "persönlich bekannt". Abgesehen davon (um Deinen nächsten Einwand gleich einzuschließen) werden unter dem Strich in einer Parteien-Demokratie keine Abgeordneten gewählt sondern Parteien. Diese sind am Ende die Vertragspartner.

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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von eluveitie »

aloa5 hat geschrieben: Demokratisch gewählt vom Volk - das geht. Denn die Mehrheit eines Volkes hat bestimmt, das die Mehrheit für und über das Volk zu bestimmen hat und so die Gesetzesgrundlage (die "Definition") der Formel "vom Volk gewählt" festgelegt.
Das ist ein zirkelschlüssiges Argument, welches den Einwand schlicht ignoriert, dass die Minderheit als Teil des Volkes automatisch mit angesprochen wird, wenn die von der Mehrheit gewählten Repräsentanten behaupten, im Namen des Volkes zu sprechen.
aloa5 hat geschrieben: Das mit dem auswechseln innerhalb einer Arbeitsvertrags-Pflicht geht nicht. Entlassungen sind mit hohen Abfindungen oder bei eklatanten Verstößen gegen den Arbeitsvertrag möglich.
Das Argument funktioniert nicht, weil Du nun die Vergleichsparameter veränderst und Gesetze einführst, die sich von Gesellschaft zu Gesellschaft ändern, hingegen das Argument einer Repräsentation durch die Wahl der Wähler Allgemeingültigkeit beansprucht.
aloa5 hat geschrieben: Wir kennen die Abgeordneten und die potentiellen Minister und sind somit "persönlich bekannt".
Wir kennen sie - sie aber uns nicht. Außerdem habe ich bei der derzeitigen Bundesregierung das Problem, dass ich nicht einmal die Chance hatte, einen Repräsentanten zu bestimmen, da die Minister von den Koalitionsfraktionen vorgeschlagen worden sind. Auch bleibt das Problem bestehen, dass es Menschen gibt, die gar nicht repräsentiert werden, weil sie keine der an der Regierung beteiligten Parteien gewählt haben. Wobei auch das bereits unsinnig ist, da Repräsentanten Personen sind, jedoch Parteien gewählt werden, die ihr Personal ins Parlament entsenden.
aloa5 hat geschrieben: Abgesehen davon (um Deinen nächsten Einwand gleich einzuschließen) werden unter dem Strich in einer Parteien-Demokratie keine Abgeordneten gewählt sondern Parteien. Diese sind am Ende die Vertragspartner.
Sehr lustig. :)
Deinen prognostizierten Einwand habe ich tatsächlich geschrieben, bevor ich Deine Einwandvorwegnahme gelesen habe...

Aber auch wenn Parteien Vertragspartner wären, so wären damit immer noch nicht die Menschen abgedeckt, die gar nicht wählen gegangen sind oder eine Partei gewählt haben, die nicht an der Regierung beteiligt oder sogar nicht erst ins Parlament eingezogen ist. Auch hat der Auftraggeber keine Möglichkeit, auf die Einhaltung dieses so genannten Vertrages zu bestehen, da die Parteien und ihre Kandidaten mit den Wählern keine wirksamen Vertragsinhalte beschließen können.

Zu diesem Komplex füge ich gleich ein weiteres Argument ein. Niemand kann sagen, aus welchen Motiven jemand eine Partei gewählt hat. Es könnte sein, dass dieser tatsächlich eine Vertretung durch diese Partei wünscht. Es könnte aber genauso gut sein, dass lediglich aufgrund eines Kostenkalküls gewählt wird, da der Wähler systematisch keine andere Chance hat, als ignoriert zu werden oder sich für eine Partei zu entscheiden. Mit anderen Worten: Das "Scheinvertragsverhältnis" kann nicht wirksam abgelehnt werden.

Es ist also völlig unangemessen, von einem Vertragsverhältnis zwischen Wählern und Abgeordneten zu sprechen.
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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von eluveitie »

petronius hat geschrieben: ein repräsentant hat eben nicht vor jeder entscheidung seinen auftraggeber zu fragen, wozu er die hand heben soll. seine aufgabe ist es, den auftraggeber zu repräsentieren, also zu vertreten - heißt: in seinem namen entscheidungen zu fällen
Ein Repräsentant, der jedoch eine klare Weisung hat, zum Beispiel ein Aktienpaket nicht zu verkaufen, würde von mir sofort gekündigt werden und das Geschäft wäre wirkungslos, wenn ich nachweisen kann, dass der Repräsentant gegen meinen ausdrücklichen Willen doch verkauft hat.

Auch hat ein Repräsentant die Aufgabe, nicht nur in meinem Namen, sondern auch in meinem Interesse Entscheidungen zu fällen. Und es ist offensichtlich, dass es nicht in meinem Interesse gelegen hat, dass die Mehrwertsteuer erhöht wurde.
petronius hat geschrieben: es gibt keinen gegensatz zum grundgesetz
Den gibt es. Im Grundgesetz steht ausdrücklich, dass Abgeordnete nur ihrem Gewissen unterworfen sind und weder an Aufträge, noch an Weisungen gebunden sind. Es ist also ausgeschlossen, dass ein Abgeordneter wirksam als Repräsentant von irgendwem auftreten könnte, da er ohne negative Sanktion die Absprachen und Aufträge seiner Auftraggeber ignorieren kann.
petronius hat geschrieben: warum sollte er auch?
Wenn sich jemand anmaßt, als Repräsentant von jemand anderem aufzutreten, muss er zwingendermaßen von demjenigen beauftragt worden sein, der repräsentiert werden soll. Du würdest doch auch Zahlungen ablehnen, die ich in Deinem Namen auslöse, oder nicht?
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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von petronius »

eluveitie hat geschrieben:
Ein Repräsentant, der jedoch eine klare Weisung hat, zum Beispiel ein Aktienpaket nicht zu verkaufen, würde von mir sofort gekündigt werden und das Geschäft wäre wirkungslos, wenn ich nachweisen kann, dass der Repräsentant gegen meinen ausdrücklichen Willen doch verkauft hat
lol - das zeig mir mal vor...

entweder er hat diese vollmacht, oder nicht. tertium non datur
eluveitie hat geschrieben: Auch hat ein Repräsentant die Aufgabe, nicht nur in meinem Namen, sondern auch in meinem Interesse Entscheidungen zu fällen. Und es ist offensichtlich, dass es nicht in meinem Interesse gelegen hat, dass die Mehrwertsteuer erhöht wurde.
nö. das ist keineswegs offensichtlich. der staat hätte sich sonst die kohle auf anderem weg holen müssen, was dich u.u. noch viel härter hätte treffen können

du "argumentierst" gern mit hohlfloskeln wie "es ist offensichtlich", nicht wahr?

in einem forum für wissenschaft, unterabteilung philosophie, würde ich schon ein etwas reflektierteres argumentationsniveau erwarten als einfach die persönliche befindlichkeit als "offensichtlich" und faktisch zu dekretieren
eluveitie hat geschrieben: Den gibt es. Im Grundgesetz steht ausdrücklich, dass Abgeordnete nur ihrem Gewissen unterworfen sind und weder an Aufträge, noch an Weisungen gebunden sind. Es ist also ausgeschlossen, dass ein Abgeordneter wirksam als Repräsentant von irgendwem auftreten könnte, da er ohne negative Sanktion die Absprachen und Aufträge seiner Auftraggeber ignorieren kann
:?:

wieso soll ein abgeordneter nicht als "Repräsentant von irgendwem" auftreten können, wenn er nicht weisungsgebunden ist?

der wähler erteilt ihm für die dauer der legislaturperiode die vollmacht, in seinem (des wählers) namen zu agieren. so wie der geschäftsführer für die dauer seines vertrags vollmacht hat, im namen und interesse des kapitaleigners zu entscheiden. dazu muß ihm der kapitaleigner nicht täglich sagen, welche entscheidungen er wie zu fällen hat. dann brauchte es ihn ja auch gar nicht

und die "negative sanktion", nicht mehr wiedergewählt zu werden, steht für den abgeordneten genauso im raum wie für den geschäftsführer, daß sein vertrag nicht verlängert wird
eluveitie hat geschrieben: warum sollte er auch?
eluveitie hat geschrieben: Wenn sich jemand anmaßt, als Repräsentant von jemand anderem aufzutreten, muss er zwingendermaßen von demjenigen beauftragt worden sein, der repräsentiert werden soll
was genau verstehst du nicht?

ich fragte, warum ein abgeordneter sich denn auch als direkter repräsentant derjenigen verstehen sollte, welche ihn nicht gewählt haben

und ich sagte, daß er als teil des parlaments (welches die gesamtheit aller wähler repräsentiert) natürlich auch das volk mit repräsentiert
eluveitie hat geschrieben: Du würdest doch auch Zahlungen ablehnen, die ich in Deinem Namen auslöse, oder nicht?
nicht, wenn ich dir die entsprechende vollmacht erteilt hätte

im übertragenen sinn hat das volk dem parlament die zahlungsvollmacht erteilt. und dieses entscheidet halt nach mehrheitsbeschluß

jetzt begriffen?
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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von aloa5 »

eluveitie hat geschrieben:
Das ist ein zirkelschlüssiges Argument, welches den Einwand schlicht ignoriert, dass die Minderheit als Teil des Volkes automatisch mit angesprochen wird, wenn die von der Mehrheit gewählten Repräsentanten behaupten, im Namen des Volkes zu sprechen.
Nein. Die Repräsentanten geben nur das wieder was die Mehrheit des Volkes vorgegeben hat.

Theoretisch kannst Du natürlich ab dem vorhanden sein eines einzigen Anarchisten davon sprechen das niemand dazu berechtigt ist für das ganze Volk zu sprechen.

Nur: wer legt denn fest was "Volkeswille" ist? Das kann ja nur das Volk machen. Somit schließt sich eigentlich ein Anarchist selbst aus "dem Volk" aus (und wird somit für die theoretische Diskussion irrelevant :mrgreen: ). Wenn er sich aber den Gesetzes Normen (genauer: dem Grundgesetz; FDGO) beugt hat er anerkannt das die Demokratische Mehrheit für alle spricht. Das bedeutet nicht, das alle dieser Meinung sein müssen

Das Argument funktioniert nicht, weil Du nun die Vergleichsparameter veränderst und Gesetze einführst, die sich von Gesellschaft zu Gesellschaft ändern, hingegen das Argument einer Repräsentation durch die Wahl der Wähler Allgemeingültigkeit beansprucht.
Ich habe nur widerlegt das Unternehmer Angestellte jederzeit entlassen können (mehr nicht).
Wir kennen sie - sie aber uns nicht.
Das spielt nicht wirklich eine Rolle. Ein Angestellter bei Siemens kennt auch nicht de CEO oder die Aktionäre - und der CEO kennt selbst nicht alle Aktionäre.


Sehr lustig. :)
Deinen prognostizierten Einwand habe ich tatsächlich geschrieben, bevor ich Deine Einwandvorwegnahme gelesen habe...
:party:
..Auch hat der Auftraggeber keine Möglichkeit, auf die Einhaltung dieses so genannten Vertrages zu bestehen, da die Parteien und ihre Kandidaten mit den Wählern keine wirksamen Vertragsinhalte beschließen können....
...Es ist also völlig unangemessen, von einem Vertragsverhältnis zwischen Wählern und Abgeordneten zu sprechen.
Jein.

Sicherlich hat man zwischen den Legislaturperioden keine Kontrollmöglichkeiten. Wie sähe es aus, wenn täglich Wahlen ("Kontrollen") stattfinden würden?

Vertragsinhalte: Das steht bereits fest. Führen des Staates zum Wohle des Volkes. Das haben alle Parteien als Auftrag. Man streitet sich nur um den konkreten Weg. Und den kann jede Partei und jeder CEO wählen wie er will. Er kann Absichtserklärungen bei der Einstellung abgeben (Parteiprogramm).

Parteien sind Arbeitnehmer - und die Wähler müssen als Arbeitgeber nehmen was es auf dem "Arbeitsmarkt" gibt. Du schließt aus einem unvollkommenen Angebot auf ein nicht existenten Vertrag. Dem ist nicht so ;).

Abgesehen davon:
Deiner Argumentation folgend wäre auch eine Entscheidung welche in direkter Demokratie gefällt worden wäre nicht "vom Volk" gefällt bzw. würde dieses nicht repräsentieren. Du sprichst der Mehrheit des Volkes die Berechtigung ab über "das Volk" eine Konvention auszusprechen.

Sag´ ich doch: liberaler Anarchismus ;). Funktioniert nur nicht. Ist wie kommunistischer Anarchismus nur der Vorhof zu Warlords.

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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von eluveitie »

aloa5 hat geschrieben: Nein. Die Repräsentanten geben nur das wieder was die Mehrheit des Volkes vorgegeben hat.
Dann sind sie aber nicht mehr Repräsentanten des Volkes, sondern eben derjenigen Mehrheit - und selbst das ist eine offensichtlich unsinnige Annahme, wie Dir einige SPD-Wähler hinsichtlich der Erhöhunh der Mehrwertsteuer sicherlich gerne bestätigen werden. ;)
aloa5 hat geschrieben: Nur: wer legt denn fest was "Volkeswille" ist? Das kann ja nur das Volk machen. Somit schließt sich eigentlich ein Anarchist selbst aus "dem Volk" aus (und wird somit für die theoretische Diskussion irrelevant :mrgreen: ).
So ein Quatsch - auch für den Anarchisten werden Gesetze gemacht und durchgesetzt. Und selbst wenn es Dir irgendwie gelänge, Personen aufgrund ihrer Gesinnung aus dem Volk zu subtrahieren, blieben die Probleme, die durch nicht repräsentierte Teilnehmer dieses "Repräsentanten"systems entstehen.
aloa5 hat geschrieben: Wenn er sich aber den Gesetzes Normen (genauer: dem Grundgesetz; FDGO) beugt hat er anerkannt das die Demokratische Mehrheit für alle spricht. Das bedeutet nicht, das alle dieser Meinung sein müssen
Nein. Jemand, der sich den Gesetzesnormen beugt, kann das auch ganz allein aus dem Versuch heraus tun, negativen Sanktionen zu entgehen. Sich normkonform zu verhalten sagt nichts über Zustimmung zur befolgten Norm aus.
aloa5 hat geschrieben: Das spielt nicht wirklich eine Rolle. Ein Angestellter bei Siemens kennt auch nicht de CEO oder die Aktionäre - und der CEO kennt selbst nicht alle Aktionäre.
Das ist etwas völlig anderes, da der Angestellte bei Siemens einen Arbeitsvertrag unterschreibt und sich der Hierarchie des Unternehmens automatisch unterwirft.
aloa5 hat geschrieben: Vertragsinhalte: Das steht bereits fest. Führen des Staates zum Wohle des Volkes.
Einen solchen Vertrag habe ich nie unterschrieben. Du?
aloa5 hat geschrieben: Parteien sind Arbeitnehmer - und die Wähler müssen als Arbeitgeber nehmen was es auf dem "Arbeitsmarkt" gibt. Du schließt aus einem unvollkommenen Angebot auf ein nicht existenten Vertrag. Dem ist nicht so ;).
Absolut, da das Zustandekommen des Vertrages auch dann angenommen wird, obwohl er abgelehnt worden ist oder mit Parteien geschlossen wurde, die im Parlament nicht vertreten sind.

Es ist vielmehr andersherum: Die Nichtexistenz des Vertrages degeneriert das Angebot. ;)
aloa5 hat geschrieben: Deiner Argumentation folgend wäre auch eine Entscheidung welche in direkter Demokratie gefällt worden wäre nicht "vom Volk" gefällt bzw. würde dieses nicht repräsentieren.
Würde man so etwas wie eine direkte Demokratie einrichten wollen, könnten sich die Menschen zu einer passenden Gesellschaft zusammenschließen. Solange dem Verfahren zugestimmt wird, nach der kollektiv bindende Entscheidungen getroffen werden, sind auch die Ergebnisse solcher Verfahren gültig.
aloa5 hat geschrieben: Sag´ ich doch: liberaler Anarchismus ;). Funktioniert nur nicht.
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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von petronius »

du hast ein problem mit der repräsentativen demokratie bzw. überhaupt mit dem staat, soviel ist schon in jedem deiner threads klar geworden

könnten wir dann vielleicht wieder zum thema zurückkommen?

was ist jetzt mit dem souverän, wo liegt da dein problem?

natürlich kann der souverän kollektiv bindende entscheidungen treffen. und natürlich kann er sich dabei durch gewählte vertreter repräsentieren lassen

c'est tout...
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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von eluveitie »

petronius hat geschrieben: könnten wir dann vielleicht wieder zum thema zurückkommen?
Nur zu. Die passenden Fragen stehen im ersten Posting und es haben auch schon viele User ihre Ideen vom Souverän und von Souveränität hier gepostet.
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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von aloa5 »

petronius hat geschrieben:du hast ein problem mit der repräsentativen demokratie bzw. überhaupt mit dem staat, soviel ist schon in jedem deiner threads klar geworden

könnten wir dann vielleicht wieder zum thema zurückkommen?

was ist jetzt mit dem souverän, wo liegt da dein problem?
Er hat ein Problem mit jeder Demokratie - auch mit der direkten.

Er erkennt weder einen moralischen noch einen konstitutionellen Souverän an. Eben ein Anarchist.
Nein. Jemand, der sich den Gesetzesnormen beugt, kann das auch ganz allein aus dem Versuch heraus tun, negativen Sanktionen zu entgehen. Sich normkonform zu verhalten sagt nichts über Zustimmung zur befolgten Norm aus.
Ein Anarchist kann sich "trotzdem" einer Norm beugen. Freiwillig. Das ist (auch) ein Wesen der Anarchie.
Liberaler Anarchismus, wie Du es nennst, ist kein mechanisches Konstrukt, welches funktioniert oder defekt ist.
Doch. Anarchismus ist schon per se defekt, da in der Anarchie das Faustrecht herrscht. Das Faustrecht führt früher oder später jedoch zu Demokratie - weil die größere Masse früher oder später stärker ist als die schwächere (so hoffe ich doch ;) ).

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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von petronius »

eluveitie hat geschrieben:
Nur zu. Die passenden Fragen stehen im ersten Posting und es haben auch schon viele User ihre Ideen vom Souverän und von Souveränität hier gepostet.
und alles, was es dazu zu sagen gibt, steht in meinem obigen beitrag

natürlich kann der souverän kollektiv bindende entscheidungen treffen. und natürlich kann er sich dabei durch gewählte vertreter repräsentieren lassen
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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von aloa5 »

petronius hat geschrieben:
und alles, was es dazu zu sagen gibt, steht in meinem obigen beitrag

natürlich kann der souverän kollektiv bindende entscheidungen treffen. und natürlich kann er sich dabei durch gewählte vertreter repräsentieren lassen
Das gilt nur, wenn man die Demokratie als Diktatur der Mehrheit über die Minderheit akzeptiert. Das ist zwar imho die Definition von Demokratie... aber nun ja.... :)
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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von petronius »

aloa5 hat geschrieben: Das gilt nur, wenn man die Demokratie als Diktatur der Mehrheit über die Minderheit akzeptiert. Das ist zwar imho die Definition von Demokratie... aber nun ja.... :)
kommt drauf an, wie du "diktatur" definierst. in einer realen demokratie sind üblicherweise die von mir schon mal genannten bremsen eingebaut, die ein gnadenloses überfahren von minderheitsinteressen durch die mehrheit bei diesen kollektiv bindenden entscheidungen verhindern
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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von aloa5 »

petronius hat geschrieben:
kommt drauf an, wie du "diktatur" definierst. in einer realen demokratie sind üblicherweise die von mir schon mal genannten bremsen eingebaut, die ein gnadenloses überfahren von minderheitsinteressen durch die mehrheit bei diesen kollektiv bindenden entscheidungen verhindern
Liberale Anarchisten sind (imho) durchaus bereit eine "Demokratie" zu akzeptieren. Aber nur insofern (oder dann), wenn sich die Individuen zuvor freiwillig dieser Diktatur der Mehrheit unterworfen haben. Das dies praktisch nicht funktioniert weil ein Staat ja nicht nur Personen sondern auch ein gewisses Gebiet umfasst ist für diese Theorie dabei kein Hindernis.

In einer Demokratie wird die Minderheit immer untergebuttert. Die Grenzen dafür stecken nur die Menschenrechte (verbürgte Individualrechte). Ob Raucher oder telefonierender Autofahrer ohne Freisprecheinrichtung - man hat keine echten Chancen.

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Re: Gedanken über den Souverän.

Beitrag von petronius »

aloa5 hat geschrieben: Liberale Anarchisten sind (imho) durchaus bereit eine "Demokratie" zu akzeptieren. Aber nur insofern (oder dann), wenn sich die Individuen zuvor freiwillig dieser Diktatur der Mehrheit unterworfen haben. Das dies praktisch nicht funktioniert weil ein Staat ja nicht nur Personen sondern auch ein gewisses Gebiet umfasst ist für diese Theorie dabei kein Hindernis.

In einer Demokratie wird die Minderheit immer untergebuttert. Die Grenzen dafür stecken nur die Menschenrechte (verbürgte Individualrechte). Ob Raucher oder telefonierender Autofahrer ohne Freisprecheinrichtung - man hat keine echten Chancen
ich würd das nicht so pejorativ als "unterbuttern" bezeichnen. und davor schützen nicht nur individuelle menschenrechte, sondern z.b. auch in der verfassung festgeschriebene minderheitenrechte und autonomiestatuten (z.b. können nicht durch einfache parlamentsmehrheit die besonderen rechte der ethnischen minderheiten in d abgeschafft werden). aber schon klar - wenn durch die mehrheit ein allgemeines rauchverbot in gaststätten beschlossen wird, hat die minderheit der raucher da schlechte karten. das ist in der tat demokratie
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