Das Gefangenen-Dilemma
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Das Gefangenen-Dilemma
Zusammengefasst: In einem Gefangenen-Dilemma befindet sich jemand, der sich einer Optionauswahl gegenübersieht, die aus "Kooperation" oder "Defektion" besteht und überdies dadurch gekennzeichnet ist, mit einem weiteren Teilnehmer konfrontiert zu sein, ohne mit ihm kommunizieren zu dürfen.
In dieser Situation lässt sich eine Auszahlungsmatrix erstellen, die, bezogen auf eine konkrete Situation, zu dem Dilemma führt, dass die objektiv-optimale Auszählung nicht mit der subjektiv-optimalen Gewinnstrategie korreliert. "Was immer ein Akteur wählt, es ist für den anderen besser, nicht zu kooperieren" [Kunz (2004): Rational Choice, S. 56]
Relevant im Kontext politischer Philosophie wird diese Idee dann, wenn gezeigt werden soll, dass rationale Nutzenmaximierer nicht in der Lage wären, eine stabile Gesellschaft zu begründen, da wechselseitiges Vertrauen aufgrund der Annahmen des Gefangenendilemmas als ausgeschlossen gilt. Zwar ist das Problem des "Vertrauens" per se bereits eine ausgesprochen signifikante Herausforderung an die Theorie des Rational Choice an sich, doch laden die theoretischen Annahmen ebenso wie deren empirisch angeleitete Experimente dazu ein, über die Stichhaltigkeit der Versuchsanordnung für soziale Gebilde nachzudenken.
Konkret: "Das Interaktionsergebnis ist leicht nachzuvollziehen, wenn man zum Beispiel unterstellt, dass Akteur A davon ausgeht, dass sich Akteur B kooperativ erhält. Die beste Strategie für A ist in diesem Fall Defektion, weil damit das Ergebnis 5 statt Konsequenz 3 zu erreichen ist. Defektion lohnt sich aber auch dann, wenn A davon ausgeht, dass B sich nicht-kooperativ verhält. Denn das bedeutet, dass immer noch das Ergebnis 1 gegenüber der Konsequenz 0 zu erreichen ist" (ebd.) Kurz und gut: Das sichere Ergebnis von 1 lässt sich nur über Defektion erzielen. Die zugrundeliegende Auszählungsmatrix lautet dabei:
(K)ooperation / (D)efektion
K/K --> 3/3
K/D --> 0/5
D/K --> 5/0
D/D --> 1/1
Die Prüffragen lauten in diesem Zusammenhang: 1. Ist die Rational Choice Theorie stichhaltig genug, um Aussagen über das gesellschaftliche Verhalten von Menschen zu machen? - und 2. Wie lautet der empirische Befund bezüglich des Theorems?
Auf die Idee, diese Frage zu untersuchen, bin ich aufgrund eines Threads über die Subvention von Solarzellen gekommen. Dort hieß es:
Es handelt sich um eine Variation des Gefangenen Dilemmas: Für jeden einzelnen von uns wäre es heute besser sich Solarzellen anzuschaffen. Aber wir wären alle besser dran, wenn keiner Solarzellen hätte.
Es ist also von Interesse, unter welchen Bedingungen Gefangenen-Dilemmata tatsächlich auftreten können. (M)eine These lautet: Dies geht nur unter Bedingungen, die von den Randbedingungen des Gefangenen-Dilemmas bereits ausgeschlossen worden sind, konkret: nur dann, wenn Zwang im Spiel ist.
In dieser Situation lässt sich eine Auszahlungsmatrix erstellen, die, bezogen auf eine konkrete Situation, zu dem Dilemma führt, dass die objektiv-optimale Auszählung nicht mit der subjektiv-optimalen Gewinnstrategie korreliert. "Was immer ein Akteur wählt, es ist für den anderen besser, nicht zu kooperieren" [Kunz (2004): Rational Choice, S. 56]
Relevant im Kontext politischer Philosophie wird diese Idee dann, wenn gezeigt werden soll, dass rationale Nutzenmaximierer nicht in der Lage wären, eine stabile Gesellschaft zu begründen, da wechselseitiges Vertrauen aufgrund der Annahmen des Gefangenendilemmas als ausgeschlossen gilt. Zwar ist das Problem des "Vertrauens" per se bereits eine ausgesprochen signifikante Herausforderung an die Theorie des Rational Choice an sich, doch laden die theoretischen Annahmen ebenso wie deren empirisch angeleitete Experimente dazu ein, über die Stichhaltigkeit der Versuchsanordnung für soziale Gebilde nachzudenken.
Konkret: "Das Interaktionsergebnis ist leicht nachzuvollziehen, wenn man zum Beispiel unterstellt, dass Akteur A davon ausgeht, dass sich Akteur B kooperativ erhält. Die beste Strategie für A ist in diesem Fall Defektion, weil damit das Ergebnis 5 statt Konsequenz 3 zu erreichen ist. Defektion lohnt sich aber auch dann, wenn A davon ausgeht, dass B sich nicht-kooperativ verhält. Denn das bedeutet, dass immer noch das Ergebnis 1 gegenüber der Konsequenz 0 zu erreichen ist" (ebd.) Kurz und gut: Das sichere Ergebnis von 1 lässt sich nur über Defektion erzielen. Die zugrundeliegende Auszählungsmatrix lautet dabei:
(K)ooperation / (D)efektion
K/K --> 3/3
K/D --> 0/5
D/K --> 5/0
D/D --> 1/1
Die Prüffragen lauten in diesem Zusammenhang: 1. Ist die Rational Choice Theorie stichhaltig genug, um Aussagen über das gesellschaftliche Verhalten von Menschen zu machen? - und 2. Wie lautet der empirische Befund bezüglich des Theorems?
Auf die Idee, diese Frage zu untersuchen, bin ich aufgrund eines Threads über die Subvention von Solarzellen gekommen. Dort hieß es:
Es handelt sich um eine Variation des Gefangenen Dilemmas: Für jeden einzelnen von uns wäre es heute besser sich Solarzellen anzuschaffen. Aber wir wären alle besser dran, wenn keiner Solarzellen hätte.
Es ist also von Interesse, unter welchen Bedingungen Gefangenen-Dilemmata tatsächlich auftreten können. (M)eine These lautet: Dies geht nur unter Bedingungen, die von den Randbedingungen des Gefangenen-Dilemmas bereits ausgeschlossen worden sind, konkret: nur dann, wenn Zwang im Spiel ist.
- Mithrandir
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Re: Das Gefangenen-Dilemma
Das Gefangenendilemma eignet sich sicher nicht als Modell einer Gesellschaft. Es fehlt beispielsweise die Feedback-Moeglichkeit. Z. B. beim iterierten Gefangenendilemma, bei dem es diese Feedback geben kann, sind schon die kooperativen Strategien im Vorteil (empirisch ermittelt, nicht mathematisch bewiesen).eluveitie hat geschrieben:Relevant im Kontext politischer Philosophie wird diese Idee dann, wenn gezeigt werden soll, dass rationale Nutzenmaximierer nicht in der Lage wären, eine stabile Gesellschaft zu begründen, da wechselseitiges Vertrauen aufgrund der Annahmen des Gefangenendilemmas als ausgeschlossen gilt.
Das Gefangendilemma ist lediglich eine sehr einfache Situation, die als Beweis dafuer dient, dass eine indivuelle Maximierung des Nutzens nichts automatisch den Gesamtnutzen maximiert, was zwar voellig einleuchtend ist, Wirtschaftswissenschaftlern aber dennoch ersteinmal anschaulich verdeutlicht worden sein will.
Wobei diese These bislang weder durch Belege noch Beweise unterstuetzt wird.eluveitie hat geschrieben:Es ist also von Interesse, unter welchen Bedingungen Gefangenen-Dilemmata tatsächlich auftreten können. (M)eine These lautet: Dies geht nur unter Bedingungen, die von den Randbedingungen des Gefangenen-Dilemmas bereits ausgeschlossen worden sind, konkret: nur dann, wenn Zwang im Spiel ist.
Re: Das Gefangenen-Dilemma
Im einfachsten Fall des GD spielt es noch nicht einmal eine Rolle, ob kommuniziert werden darf oder nicht. Denn ein Teilnehmer kann nicht wissen, ob der andere auch die Wahrheit sagt.eluveitie hat geschrieben: [...] und überdies dadurch gekennzeichnet ist, mit einem weiteren Teilnehmer konfrontiert zu sein, ohne mit ihm kommunizieren zu dürfen.
Welcher Zwang konkret?eluveitie hat geschrieben: Dies geht nur unter Bedingungen, die von den Randbedingungen des Gefangenen-Dilemmas bereits ausgeschlossen worden sind, konkret: nur dann, wenn Zwang im Spiel ist.
Wobei "Gesamtnutzen" nicht nur die Summe der Gewinne meint, sondern auch einen individuellen Vorteil gegenüber dem beidseitigen Verrat.Mithrandir hat geschrieben: Das Gefangendilemma ist lediglich eine sehr einfache Situation, die als Beweis dafuer dient, dass eine indivuelle Maximierung des Nutzens nichts automatisch den Gesamtnutzen maximiert [...]
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Re: Das Gefangenen-Dilemma
Ganz im Gegenteil. Es gibt verschiedene empirische Studien, die gezeigt haben, dass "Defektion" weder die optimale noch die dominante Strategie ist. Für das von Dir genannte iterative Gefangenen-Dilemma, das natürlich deutlich spannender ist, verstärkt sich dieser Trend zunehmend. Teilnehmer sind bereit, First-Loss zu riskieren, um anschließend eine Auszahlung auf höherem Niveau zu stabilisieren. Kurzum: Die Grundannahme, dass es nicht zur objektiv-optimalen Auszählung kommen kann, ist hinfällig - infolgedessen braucht es auch keine Instanz mehr, die damit zu beauftragen wäre, Gefangenen-Dilemmata aufzulösen.Mithrandir hat geschrieben:Wobei diese These bislang weder durch Belege noch Beweise unterstuetzt wird.
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Re: Das Gefangenen-Dilemma
Das wiederrum setzt ein sequentielles Spiel mit konstanten Ausschüttungen voraus, also mehrere Etappen. Was in der Realität nicht immer gegeben ist. Oft genug ist Etappe 1 dermaßen entscheidend, dass sich die Rahmenbedingungen der Folgeetappen verändern - das iterative Gefangenendillemma ist ein sehr realitätsfernes Konstrukt.eluveitie hat geschrieben:
Ganz im Gegenteil. Es gibt verschiedene empirische Studien, die gezeigt haben, dass "Defektion" weder die optimale noch die dominante Strategie ist. Für das von Dir genannte iterative Gefangenen-Dilemma, das natürlich deutlich spannender ist, verstärkt sich dieser Trend zunehmend. Teilnehmer sind bereit, First-Loss zu riskieren, um anschließend eine Auszahlung auf höherem Niveau zu stabilisieren. Kurzum: Die Grundannahme, dass es nicht zur objektiv-optimalen Auszählung kommen kann, ist hinfällig - infolgedessen braucht es auch keine Instanz mehr, die damit zu beauftragen wäre, Gefangenen-Dilemmata aufzulösen.
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Re: Das Gefangenen-Dilemma
Unbestritten - es taugt lediglich als theoretisches Argument. Dafür allerdings ist es vollkommen ausreichend, da die Ausgangssituation des Gefangenendilemmas selbst bloß theoretischer Konstruktion entspringt. Worauf ich hinaus wollte, ist die Bedingung der Möglichkeit, das Gefangenendilemma überhaupt herzustellen. Genau dies aber existiert nicht.Choelan » Sa 14. Aug 2010, 23:24 hat geschrieben:[das iterative Gefangenendillemma ist ein sehr realitätsfernes Konstrukt.
Anders ausgedrückt: Argumentiert jemand mit dem Gefangenendilemma - das durchaus Erklärungspotential bietet, da keine Theorie (nomen est omen) die "Realität" abbildet - so handelt er sich notgedrungen das von mir vorgebrachte Argument ein, dass es eine empirisch-praktische Widerlegung (jenseits aller stets zu unterstellenden und tatsächlich beobachtbaren Kontingenz sowie jenseits aller theoretischen Einwände) gibt.
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Re: Das Gefangenen-Dilemma
Wenn wir also auf ein unrealistisches Modell eine noch unrealistische Erweiterung draufsetzen, dann ist das unrealistische Spiel widerlegt?
...sorry. Blödsinn.
Ich mag die Wirtschaftswissenschaften. In kaum einem anderen Fach kann man sich dermaßen frei von erkenntnistheoretischen Grundlagen bewegen...
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Re: Das Gefangenen-Dilemma
"Draufgesetzt" hat niemand etwas und außerdem ist ein Modell nicht gleich unbrauchbar, bloß weil es in seiner Reinform praktisch nicht vorkommt. Im Übrigen kommt das Wort "Theorie" in den "erkenntnistheoretischen Grundlagen", die Du vermisst hast, nicht umsonst vor.Choelan » Mo 23. Aug 2010, 19:27 hat geschrieben:Wenn wir also auf ein unrealistisches Modell eine noch unrealistische Erweiterung draufsetzen, dann ist das unrealistische Spiel widerlegt?
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Re: Das Gefangenen-Dilemma
Natürlich ist ein Modell nicht unbrauchbar, wenn es in der Realität nicht vorkommt. Dass ist ja der Sinn eines Modells - die Forderung nach der Auflösung von Instanzen wiederrum, die ein Gefangenendilemma auflösen können, hast du aber aus der blanken Existenz von iterativen Gefangenendilemmata abgeleitet. Was halt nicht greift;eluveitie » Mo 23. Aug 2010, 21:28 hat geschrieben:
"Draufgesetzt" hat niemand etwas und außerdem ist ein Modell nicht gleich unbrauchbar, bloß weil es in seiner Reinform praktisch nicht vorkommt. Im Übrigen kommt das Wort "Theorie" in den "erkenntnistheoretischen Grundlagen", die Du vermisst hast, nicht umsonst vor.
man kann argumentieren, dass bei Vorliegen eines iterativen Gefangenendilemmas solche Instanzen nicht nötig sind. Aber eben nur beim Vorliegen eines solchen und nicht bei Gefangenendilemmata generell.
Und genau dein Vorgehen hat bereits Aristoteles definiert: als den "Trugschluss" (der übrigens ein legitimes rethorisches, aber nicht sachliches Argument ist)
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Re: Das Gefangenen-Dilemma
Im Prinzip sind für soziales Verhalten nur iterative Gefangenendilemma-Situationen relevant. Das Wissen um das vorangegangene Verhalten einer Person, auch wenn man selbst nicht Teilnehmer dieses spezifischen Spiels gewesen ist, kann als Grundlage für die Entscheidung hergenommen werden, ein Risiko in der Gegenwart einzugehen oder nicht - so stabilisieren sich Normen, wie z.B. das rein privat organisierte Seerecht der Hanse.Choelan » Do 26. Aug 2010, 23:45 hat geschrieben:man kann argumentieren, dass bei Vorliegen eines iterativen Gefangenendilemmas solche Instanzen nicht nötig sind. Aber eben nur beim Vorliegen eines solchen und nicht bei Gefangenendilemmata generell.
Aristoteles wäre sicherlich kaum so unredlich, für seine eigene Argumentation eine Wortauslassung seines Gegenübers auszubeuten, sondern - einer barmherzigen Korrektur gleich - eher geneigt, den Kern des Widerspruchs aufzugreifen.Choelan » Do 26. Aug 2010, 23:45 hat geschrieben:Und genau dein Vorgehen hat bereits Aristoteles definiert: als den "Trugschluss" (der übrigens ein legitimes rethorisches, aber nicht sachliches Argument ist)
Meine Folgerung, es bräuchte keine Instanz mehr, die Gefangenendilemmata aufzulösen hätte, ist aus unserem Gespräch über das iterative Gefangenendilemma entstanden, auf das sich meine gesamte, von der Empirie gesättigte Erklärung bezogen hat. Im ersten Beitrag habe ich die aktualisierte These ausdrücklich als solche gekennzeichnet.
Du hast selbst gesagt, das Gefangenen-Dilemma in seiner Reinform tauge nicht als Erklärung für Gesellschaft - sehe ich ebenso. So schick das theoretische Konstrukt auch sein mag, es lässt sich dagegen das Abstraktum eines einfachen Sprichwort mobilisieren: Man trifft sich immer zweimal im Leben.