Philosophischer Fehler Scholastik / Marxismus

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Talyessin
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Philosophischer Fehler Scholastik / Marxismus

Beitrag von Talyessin »

Hallo Zusammen,

mir ist aufgefallen, daß sich die Denker des Marxismus der Scholastik bedienen. Dies ist meines Erachtens ein sehr großer Fehler. Denn wie die Hochscholastiker des Mittelalters sich des philosophischen Denkens bedienten um die Bibel zu beweisen, besser gesagt die Unfehlbarkeit der Bibel in das "undenkbare" Dogma gossen, so kann man dies durchaus beim Marxismus auch feststellen. Und zwar nicht ausschliesslich bei Nachfolgern der Herren Marx und Engels, sondern schon bei Marx selbst. Und gerade in der Darstellung, sein Denkensweg wäre das finale Ende, begeht er den gleichen Fehler wie Thomas von Anquin. Er stellt sein Denken als Dogma dar.

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Platon
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Re: Philosophischer Fehler Scholastik / Marxismus

Beitrag von Platon »

Könntest du vielleicht ein zwei Beispiele aufführen wo du das meinst feststellen zu können?
Dieser Beitrag ist sehr gut.
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Talyessin
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Re: Philosophischer Fehler Scholastik / Marxismus

Beitrag von Talyessin »

Platon hat geschrieben:Könntest du vielleicht ein zwei Beispiele aufführen wo du das meinst feststellen zu können?
Marximus - Der Übergang zur Klassenlosen Gesellschaft ist der letzte Entwicklungsschritt

Christentum - "Ich glaube, damit ich verstehe" Anselm v. Canterbury, damit die Grundvorausetzung des Denkens auf dem Glauben zu basieren.

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Chlorobium
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Re: Philosophischer Fehler Scholastik / Marxismus

Beitrag von Chlorobium »

Ich weiß nicht, ob es hier paßt:

Der Kommunismus wurde von Marx und Engels als die höchste Stufe (Endstufe) der menschlichen Entwicklung angesehen. Darum hatten auch beide ein sehr großes Problem mit der Evolutionstheorie von Darwin; diese sieht ja keine "Höchststufe" vor sondern eine fortlaufende Entwicklung.

mfg
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Talyessin
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Re: Philosophischer Fehler Scholastik / Marxismus

Beitrag von Talyessin »

Chlorobium hat geschrieben:Ich weiß nicht, ob es hier paßt:

Der Kommunismus wurde von Marx und Engels als die höchste Stufe (Endstufe) der menschlichen Entwicklung angesehen. Darum hatten auch beide ein sehr großes Problem mit der Evolutionstheorie von Darwin; diese sieht ja keine "Höchststufe" vor sondern eine fortlaufende Entwicklung.

mfg
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Doch, so unrecht ist dies gar nicht. Die beiden haben halt sich eine Grenze gesetzt und anstatt dies zu widerrufen, wurde es an diesem Ziel festgezurrt und alles musste sich nach diesem Ziel hin ausrichten.

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eluveitie

Re: Philosophischer Fehler Scholastik / Marxismus

Beitrag von eluveitie »

Ein entscheidener Unterschied zwischen Thomisten und Marxisten ist doch aber die teleologische Konstante.

Worin immer das Handeln der Menschen auf Erden bestand, es müsse sich später immer an dem Wort Gottest messen, so läuft es bei der thomistischen Heilslehre aus. Oder? Die Marxisten stellen jedoch die Erreichbarkeit des Paradieses in den irdischen Horizont eines jeden Lebens, wohingegen die kirchlichen oder gottgläubigen Religionen im allgemeinen vor allem ein gottgefälliges Leben proklamieren, um ins Paradies einkehren zu können. Worin dieses Lebenstaten bestehen - abgesehen von normativen Vorstellungen - durfte doch durchaus schwanken.

Nun muss man übrigens dazu sagen, dass ich im Bereich des Thomismus nicht allzu bewandert bin.
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Talyessin
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Re: Philosophischer Fehler Scholastik / Marxismus

Beitrag von Talyessin »

eluveitie hat geschrieben:Ein entscheidener Unterschied zwischen Thomisten und Marxisten ist doch aber die teleologische Konstante.

Worin immer das Handeln der Menschen auf Erden bestand, es müsse sich später immer an dem Wort Gottest messen, so läuft es bei der thomistischen Heilslehre aus. Oder? Die Marxisten stellen jedoch die Erreichbarkeit des Paradieses in den irdischen Horizont eines jeden Lebens, wohingegen die kirchlichen oder gottgläubigen Religionen im allgemeinen vor allem ein gottgefälliges Leben proklamieren, um ins Paradies einkehren zu können. Worin dieses Lebenstaten bestehen - abgesehen von normativen Vorstellungen - durfte doch durchaus schwanken.

Nun muss man übrigens dazu sagen, dass ich im Bereich des Thomismus nicht allzu bewandert bin.
Beide versprechen das Paradies. Die einem im hier und jetzt und die anderen im "Jenseits". Damit wurden die einfachen Menschen auf Linie gebracht - sowohl hier wie dort.

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eluveitie

Re: Philosophischer Fehler Scholastik / Marxismus

Beitrag von eluveitie »

Talyessin hat geschrieben: Beide versprechen das Paradies. Die einem im hier und jetzt und die anderen im "Jenseits". Damit wurden die einfachen Menschen auf Linie gebracht - sowohl hier wie dort.
Das ist wahr. Aber liegt darin nicht ein bedeutender Unterschied? Das "Paradies auf Erden" ist eine Veranstaltung, die sich nur gemeinsam erreichen lässt. Anders lassen sich "Volksschädlinge" oder "Volksverräter" ja nicht identifizieren. Für das Paradies nach dem Leben übernimmt jeder bloß individuelle Verantwortung für sein Tun, da es hierbei nicht mehr um die Errichtung oder die Erhaltung, sondern nur noch um den Eintritt ins Paradies geht.
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Talyessin
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Re: Philosophischer Fehler Scholastik / Marxismus

Beitrag von Talyessin »

eluveitie hat geschrieben:
Das ist wahr. Aber liegt darin nicht ein bedeutender Unterschied? Das "Paradies auf Erden" ist eine Veranstaltung, die sich nur gemeinsam erreichen lässt. Anders lassen sich "Volksschädlinge" oder "Volksverräter" ja nicht identifizieren. Für das Paradies nach dem Leben übernimmt jeder bloß individuelle Verantwortung für sein Tun, da es hierbei nicht mehr um die Errichtung oder die Erhaltung, sondern nur noch um den Eintritt ins Paradies geht.
ABER - im Mittelalter waren gerade auf diese Theorien eben die Hexen und sonstige Verfolgungen gerne angewandt. Zum Glück ist es den Arabern eingefallen Platons Schriften aufzubewahren. Für Europa ein Segen ;)

Sicherlich wäre man für seinen "Eintritt ins Paradies" selbst verantwortlich, aber so etwas wie Selbstverantwortung gab es im MA nicht.

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eluveitie

Re: Philosophischer Fehler Scholastik / Marxismus

Beitrag von eluveitie »

Talyessin hat geschrieben: Zum Glück ist es den Arabern eingefallen Platons Schriften aufzubewahren. Für Europa ein Segen ;)
Absolut. Wobei ich zugeben muss, dass auch Platon nicht gerade zu meinen Stärken gehört. ;)
Talyessin hat geschrieben: Sicherlich wäre man für seinen "Eintritt ins Paradies" selbst verantwortlich, aber so etwas wie Selbstverantwortung gab es im MA nicht.
Naja. Strukturell ging es schon darum, dass man bei kirchlichen Vertretern individuelle Sünden gebeichtet und sich für das Himmelsreich reingewaschen hat. Wahrscheinlich dreht sich die Spannung um den Begriff der "Selbstverantwortung" und was man heute darunter versteht.
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Talyessin
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Re: Philosophischer Fehler Scholastik / Marxismus

Beitrag von Talyessin »

eluveitie hat geschrieben: Absolut. Wobei ich zugeben muss, dass auch Platon nicht gerade zu meinen Stärken gehört. ;)
Schwanitz schreibt ganz gut, daß die ganze europäische Philosophie nichts anderes wäre als Fußnoten zu Platon.
eluveitie hat geschrieben: Naja. Strukturell ging es schon darum, dass man bei kirchlichen Vertretern individuelle Sünden gebeichtet und sich für das Himmelsreich reingewaschen hat. Wahrscheinlich dreht sich die Spannung um den Begriff der "Selbstverantwortung" und was man heute darunter versteht.
Stop, ich glaub wir verheddern uns hier ein wenig. Nochmal zurückspulen ------- >

Was ich eigentlich meinte, ist der Unterschied zwischen einer Zielgebung ( Himmelreich / kommunistsches Paradies ) und Zielfindung.
Bei der Zielgebung steht das Resultat bereits fest und die Philosophie wird nicht sich selbst überlassen, wie bei der Zielfindung, sondern dient dem Ziel.
Hoffentlich versteht mich jemand .....

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Zunder
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Re: Philosophischer Fehler Scholastik / Marxismus

Beitrag von Zunder »

Es ist zwar schon eine Weile her, daß ich mich ein bißchen mit Marx beschäftigt habe, aber an eschatologische Anwandlungen dieses Herrn kann ich mich wirklich nicht erinnern.

Was so populistisch als "Paradies auf Erden" lächerlich gemacht wird, ist bei Marx nichts anderes als die Überwindung der Fremdbestimmung. Und darin sieht er nicht das Ende der Geschichte, sondern deren eigentlichen Anfang.

Für eine Diskussion wäre es übrigens nicht das schlechteste, anhand eines Zitates nachzuweisen, wo Marx irgendwelche Heilsversprechungen geliefert haben soll.
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Talyessin
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Re: Philosophischer Fehler Scholastik / Marxismus

Beitrag von Talyessin »

Zunder hat geschrieben:Es ist zwar schon eine Weile her, daß ich mich ein bißchen mit Marx beschäftigt habe, aber an eschatologische Anwandlungen dieses Herrn kann ich mich wirklich nicht erinnern.

Was so populistisch als "Paradies auf Erden" lächerlich gemacht wird, ist bei Marx nichts anderes als die Überwindung der Fremdbestimmung. Und darin sieht er nicht das Ende der Geschichte, sondern deren eigentlichen Anfang.

Für eine Diskussion wäre es übrigens nicht das schlechteste, anhand eines Zitates nachzuweisen, wo Marx irgendwelche Heilsversprechungen geliefert haben soll.
Hallo Zunder,

es geht nicht primär darum, wie Marx sich ausdrückt, sondern wie er in Bezug auf diesen Ziel gearbeitet hat ( bzw. Engels es vervollständigte ). Die Unterwerfung sämtlicher Arbeit auf ein genanntes Ziel hin.

Talyessin
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Re: Philosophischer Fehler Scholastik / Marxismus

Beitrag von Radiohead »

Talyessin hat geschrieben:
Hallo Zunder,

es geht nicht primär darum, wie Marx sich ausdrückt, sondern wie er in Bezug auf diesen Ziel gearbeitet hat ( bzw. Engels es vervollständigte ). Die Unterwerfung sämtlicher Arbeit auf ein genanntes Ziel hin.

Talyessin
Nun ja, wenn man Marx Scholastik vorwirft, sollte man das schon belegen können.

Wenn wir einmal davon ausgehen, dass es bei Marx dieses Ziel der "Unterwerfung sämtlicher Arbeit "gibt (mir ist nicht ganz klar, wie das genau gemeint sein soll), so mag das eine falsche Annahme sein, hat aber mit Scholastik nichts zu tun. Was die Scholastiker vor allem auszeichnete, war der vollständige Verzicht auf die Empirie. Das kann man Marx nun wirklich nicht vorwerfen.

Grüße

Radiohead
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Zunder
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Re: Philosophischer Fehler Scholastik / Marxismus

Beitrag von Zunder »

Talyessin hat geschrieben:Hallo Zunder,
es geht nicht primär darum, wie Marx sich ausdrückt, sondern wie er in Bezug auf diesen Ziel gearbeitet hat ( bzw. Engels es vervollständigte ). Die Unterwerfung sämtlicher Arbeit auf ein genanntes Ziel hin.
Talyessin
Ich denke Engels hat, im Rückgriff auf die Hegelsche Philosophie, das marxistische Geschichtsbild treffend beschrieben:
Friedrich Engels: "Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie"
in: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 21, 5. Auflage 1975, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1962, Berlin/DDR. S. 265-273.

Ebensowenig wie die Erkenntnis kann die Geschichte einen vollendenden Abschluß finden in einem vollkommnen Idealzustand der Menschheit; eine vollkommne Gesellschaft, ein vollkommner "Staat" sind Dinge, die nur in der Phantasie bestehn können; im Gegenteil sind alle nacheinander folgenden geschichtlichen Zustände nur vergängliche Stufen im endlosen Entwicklungsgang der menschlichen Gesellschaft vom Niedern zum Höhern. Jede Stufe ist notwendig, also berechtigt für die Zeit und die Bedingungen, denen sie ihren Ursprung verdankt; aber sie wird hinfällig und unberechtigt gegenüber neuen, höhern Bedingungen, die sich allmählich in ihrem eignen Schoß entwickeln; sie muß einer höhern Stufe Platz machen, die ihrerseits wieder an die Reihe des Verfalls und des Untergangs kommt.
http://www.mlwerke.de/me/me21/me21_265.htm
Mit irgendwelchen Erlösungsgedanken hatten die wirklich nichts am Hut. Daß sie auf die Überwindung der Kapitalherrschaft hingearbeitet haben, dürfte bei Kommunisten nicht allzusehr überraschen. Aber dies ergibt noch kein Ende der Geschichte.
eluveitie

Re: Philosophischer Fehler Scholastik / Marxismus

Beitrag von eluveitie »

Zunder hat geschrieben: Daß sie auf die Überwindung der Kapitalherrschaft hingearbeitet haben, dürfte bei Kommunisten nicht allzusehr überraschen. Aber dies ergibt noch kein Ende der Geschichte.
Der Begriff vom "Endes der Geschichte" ist teleologisch gemeint. Er ist bezogen auf die Marx'sche These von der Geschichte, die sich fortwährend wiederholt, von der Feudalgesellschaft zum Kapitalismus und über seinen Verfall wieder zurück. Worum es geht, ist die Geschichte von Klassenkämpfen und an der Stelle, wo der Kommunismus diese Klassenkämpfe beendet, ist das Ende "dieser" Geschichte erreicht.
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Talyessin
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Re: Philosophischer Fehler Scholastik / Marxismus

Beitrag von Talyessin »

Radiohead hat geschrieben:
Nun ja, wenn man Marx Scholastik vorwirft, sollte man das schon belegen können.

Wenn wir einmal davon ausgehen, dass es bei Marx dieses Ziel der "Unterwerfung sämtlicher Arbeit "gibt (mir ist nicht ganz klar, wie das genau gemeint sein soll), so mag das eine falsche Annahme sein, hat aber mit Scholastik nichts zu tun. Was die Scholastiker vor allem auszeichnete, war der vollständige Verzicht auf die Empirie. Das kann man Marx nun wirklich nicht vorwerfen.

Grüße

Radiohead
Nun, ich habe nicht Marx Scholastik vorgeworfen, sondern auf die Ähnlichkeit beider Arten der Philosophie hingewiesen. Wobei Marx noch eher philospophisch gearbeitet hat, als die Scholastiker. Aber trotz aller Dialektik die er sich bediente, hatte er das Ziel ( das Erreichen der klassenlosen Gesellschaft ) und auf dieses Ziel hin wurde die Dialektik ausgerichtet.

Talyessin
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