Gibt es einen freien Willen ?

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Demokrat
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Re: Gibt es einen freien Willen ?

Beitrag von Demokrat »

Wenn ich hier die Stellungnahmen so lese, komme ich zu dem Schluß, dass hier nach der Definition für volle, unabhängige Willensfreiheit gesucht wird.
Dies ist meiner Meinung nach deshalb nicht möglich, weil dies nur ginge, wenn der Wille völlig unabhängig (also auch außerhalb von Umwelt,Körper und sogar eigenem Gehirn) existieren könnte.
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Jekyll
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Re: Gibt es einen freien Willen ?

Beitrag von Jekyll »

schokoschendrezki » Mo 19. Nov 2012, 14:23 hat geschrieben:Das Verhältnis zwischen "Determiniertheit" und "Willensfreiheit" ist ganz entscheidend. Wenn wir meinen, "Willensfreiheit" würde bedeuten, dass unsere Handlungen nicht durch irgendetwas außerhalb unseres Willens - zum Beispiel den motorischen Kortex - determiniert sind, dann kommen wir am Ende dahin, dass vollkommene Willensfreiheit vollkommenen Indeterminismus vorraussetzt. Was aber völlig unsinnig ist. Ein gerichteter Wille, der nicht einfach nur purer Zufall ist, muss sogar eine Historie und eine Determinierung haben.
Wieso muss dieses Gerichtet-sein des Willens seine Ursache unbedingt außerhalb von uns haben? Kann der Mensch nicht einfach seine eigene Ursache sein? Völlig losgelöst von äußeren (umweltlichen) und inneren (körperlichen) Bedingungen? Genau so würde ich die Willensfreiheit definieren, nämlich als die Fähigkeit, sich aus der unendlichen Kette von Ursache und Wirkung herauszulösen. Gewissermaßen aus der Reihe zu tanzen. Und das ist praktisch gleich bedeutend mit der Erschaffung von neuen, eigenen Ursachen. Deswegen gibt es ja auch so etwas wie Selbstverantwortlichkeit und Moralität. Wir Menschen können uns für das Gute oder das Böse entscheiden und können je nachdem, wie wir uns entschieden haben, entsprechend zur Verantwortung gezogen werden. Ganz im Gegensatz zu Tieren oder Gestein und Gestrüpp, die absolut willenlos sind und lediglich von äußeren und/oder inneren Einflüssen wie Gravitation, Licht oder Hormone gesteuert werden und deswegen keinerlei Eigenverantwortung für ihr Handeln tragen.
Im Prinzip liegt der echte freie Wille irgendwo zwischen diesen Extremen "purer Zufall" und "hundertprozentiger Determinismus". Das ist aber dialektisch gedacht und mit der Dialektik haben Fachwissenschaftler wie Neurologen häufig große Probleme.
Laie wie unsereins sicher auch. Dieses "irgendwo dazwischen" ist als Erklärung einfach viel zu unbefriedigend. Der freie Wille also nur ein Komprmis zwischen den zwei Extremen Ordnung und Chaos? Lediglich ein schemenhafter Zwischenzustand ohne eigene Substanz - und damit quasi eine Illusion?
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Jekyll
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Re: Gibt es einen freien Willen ?

Beitrag von Jekyll »

Freidenker1 » Sa 17. Nov 2012, 12:20 hat geschrieben:Wenn es sich als eine Tatsache herausstellt, dass wir keine Willensfreiheit haben, so muss ich das akzeptieren. In der Philosophiegeschichte gab es viele bekannte Denker die die Willensfreiheit verneinten. Heute gibt es viele Hirnforscher
die dies ebenfalls tun. Schau in meine Freidenker Galerie. Dort findest du in der Ausstellung "Philosophie und Hirnforschung"
viele Argumente die gegen die Willensfreiheit sprechen.

Ob wir die Willensfreiheit akzeptieren oder nicht, praktisch wird sich dadurch nicht viel ändern. Aus dem unfehlbaren Papamobilfahrer
wird kein Bankräuber, weil dieser so durch seine Erziehung geprägt ist, dass er das niemals tun könnte. Dieser Mann kann auch nicht anders, als er ist. Ich habe für sein Verhalten volles Verständnis obwohl ich es nicht für vernünftig halte und ganz anders denke. Hier zeigt sich meine Toleranz gegen über Andersdenkenden.
Ich glaube, du bist dir gar nicht im Klaren darüber, welche Konsequenzen deine Überlegungen hätten. Wenn du Menschen zu willenlosen Marionetten degradierst, die einzig und allein von äußeren Einflüssen gesteuert werden, dann würde sich die Frage, ob man ihnen gegenüber tolerant zeigen sollte oder nicht, sich von selbst erübrigen. Genauso gut könntest du auch den Bäumen im Wald gegenüber tolerant sein wollen, oder den herabfallenden Blättern, oder einem Stück Felsen gegenüber.
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Re: Gibt es einen freien Willen ?

Beitrag von schokoschendrezki »

Jekyll » Mi 21. Nov 2012, 07:35 hat geschrieben:Laie wie unsereins sicher auch. Dieses "irgendwo dazwischen" ist als Erklärung einfach viel zu unbefriedigend. Der freie Wille also nur ein Komprmis zwischen den zwei Extremen Ordnung und Chaos? Lediglich ein schemenhafter Zwischenzustand ohne eigene Substanz - und damit quasi eine Illusion?
Warum sollte etwas, das gleichzeitig Merkmale zwier Extreme aufweist denn nun gleich eine Illusion sein? Violett als Mischung von Rot und Blau ist auch keine Illusion.

Ich würde die menschliche Fähigkeit zum spontanen Gedanken, zur spontanen Eingebung, überhaupt zur Spontaneität noch mal gesondert betrachten. Der freie Wille, einer eigenen spontanen Idee auch zu folgen ist dann auf jeden Fall nicht völlig indeterministisch. Und die Handlungen, die daraus folgen sind aber auch nicht durch irgendeinen äußeren Umstand aufgezwungen.
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Re: Gibt es einen freien Willen ?

Beitrag von Dampflok94 »

Demokrat » Di 20. Nov 2012, 16:53 hat geschrieben:Wenn ich hier die Stellungnahmen so lese, komme ich zu dem Schluß, dass hier nach der Definition für volle, unabhängige Willensfreiheit gesucht wird.
Ich würde das genaue Gegenteil behaupten. Hier geht es darum, ob es überhaupt in irgendwelchen Situationen Willensfreiheit gibt. Oder ob alles determiniert ist, was Willensfreiheit per Definition ausschließt. Von voller unabhängiger (unabhängig wovon überhaupt?) Willensfreiheit, hat hier eigentlich keiner gesprochen.
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Re: Gibt es einen freien Willen ?

Beitrag von Praia61 »

Die Entscheidungen die wir glauben frei treffen zu können basieren auf was ?
Sie basieren auf grundlegende Prägungen des Individiums.
Diese Prägungen sind ein fortlaufender Prozess der mit der Geburt begann, also alles "Daten" welche im Gehirn abgespeichert wurden und weiterhin werden.
Auf Grund dieser Daten, die wir in verschiedenen Situation abrufen entscheiden wir demnach immer nach dem was und geprägt hat.
Selbst das vermeintliche Umdenken ( anders entscheiden als sonst (freier Wille)) welches durch momentane Einwirkungen von Aussen verursacht wurde
ist nicht in uns geboren, sondern wurde von Aussen veranlasst.
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Re: Gibt es einen freien Willen ?

Beitrag von schokoschendrezki »

Praia61 » Do 22. Nov 2012, 16:31 hat geschrieben:Die Entscheidungen die wir glauben frei treffen zu können basieren auf was ?
Sie basieren auf grundlegende Prägungen des Individiums.
Diese Prägungen sind ein fortlaufender Prozess der mit der Geburt begann, also alles "Daten" welche im Gehirn abgespeichert wurden und weiterhin werden.
Auf Grund dieser Daten, die wir in verschiedenen Situation abrufen entscheiden wir demnach immer nach dem was und geprägt hat.
Selbst das vermeintliche Umdenken ( anders entscheiden als sonst (freier Wille)) welches durch momentane Einwirkungen von Aussen verursacht wurde
ist nicht in uns geboren, sondern wurde von Aussen veranlasst.
Das würde voraussetzen, dass Spontaneität nicht nur keinen geringfügigen Einfluss auf das menschliche Handeln hat sondern prinzipiell überhaupt nicht und in keiner Form existiert. Das kann man durchaus glauben, führt aber in der Konsequenz zu ziemlich weitreichenden Schlüssen, zum Beispiel dem, dass im Prinzip alle Bücher bereits immer schon geschrieben waren, alle Sinfonien schon immer komponiert waren etc. pp. Es führt in jedem Fall zu einer religiösen Weltsicht.
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Re: Gibt es einen freien Willen ?

Beitrag von Praia61 »

schokoschendrezki » Do 22. Nov 2012, 16:58 hat geschrieben:
Das würde voraussetzen, dass Spontaneität nicht nur keinen geringfügigen Einfluss auf das menschliche Handeln hat sondern prinzipiell überhaupt nicht und in keiner Form existiert. Das kann man durchaus glauben, führt aber in der Konsequenz zu ziemlich weitreichenden Schlüssen, zum Beispiel dem, dass im Prinzip alle Bücher bereits immer schon geschrieben waren, alle Sinfonien schon immer komponiert waren etc. pp. Es führt in jedem Fall zu einer religiösen Weltsicht.
Spantanität ist beschreibbar als schnellen Handeln.
Ich würde es so ausdrücken : Alle Gedanken wurden schon einmal geführt, nur die Worte wurden facettenreich gewählt.
Und dies wurde dadurch möglich, dass man mehr miteinander vernetzt ist als früher.
Sprich mehr Input von Aussen. :cool:
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Re: Gibt es einen freien Willen ?

Beitrag von Demokrat »

Insgesamt also ein schönes Thema.
Man fragt 4 Vielosuffen und bekommt 6 verschiedene Antworten.
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Re: Gibt es einen freien Willen ?

Beitrag von Jekyll »

schokoschendrezki » Mi 21. Nov 2012, 09:03 hat geschrieben:Warum sollte etwas, das gleichzeitig Merkmale zwier Extreme aufweist denn nun gleich eine Illusion sein? Violett als Mischung von Rot und Blau ist auch keine Illusion.
Eigentlich schon. Denn nur augenscheinlich ensteht da etwas neues. In Wirklichkeit ist so ein Mehrwert nicht möglich, weil es einfach nicht sein kann, dass quasi aus dem Nichts plötzlich etwas, was vorher nicht da war, entstehen kann und auf der anderen Seite kann es nicht sein, dass etwas, was vorher da war, sich im Nichts auflösen soll (Rot und Blau sind verschwunden, stattdessen ist eine "neue" Farbe "entstanden"). Es kann Mischungen geben, Kompromisse, Zwischenzustände, graduelle Unterschiede - aber kein Erschaffen eines völlig neuen Dings aus dem Nichts heraus. Deshalb kann es auch nur die beiden Primärzustände determiniert/nicht determiniert geben und allenfalls noch, quasi als Sekundärzustand, deren graduelle Mischverhältnisse.


Hm, vielleicht ist es ja auch genau umgekehrt: vielleicht sind die beiden Zustände determiniert/nicht-determiniert lediglich illusionäre Sekundär-Erscheinungen EINES übergeordneten Primär-Zustands?
Zuletzt geändert von Jekyll am Do 22. Nov 2012, 21:45, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Gibt es einen freien Willen ?

Beitrag von Praia61 »

Praia61 » Do 22. Nov 2012, 20:23 hat geschrieben: Spantanität ist beschreibbar als schnellen Handeln.
Und dieses unbewusste Handeln ist fest einprogrammiert.
Geschuldet dem eigenen Lebenserhaltungstrieb. :cool:
Ich würde es so ausdrücken : Alle Gedanken wurden schon einmal geführt, nur die Worte wurden facettenreich gewählt.
Und dies wurde dadurch möglich, dass man mehr miteinander vernetzt ist als früher.
Sprich mehr Input von Aussen. :cool:
Ignorierte Person/en : Schnitter
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