Hallo
Sole.survivor@web.de,
danke dafür, dass du mich hier willkommen heißt.
Motive, Wahrnehmung und die Tragweite dieses Forums
Ich habe den Eindruck, dass du das Motiv hinter meinen Fragen missverstanden hast. Damit war nicht beabsichtigt irgendjemand aufzuhalten, es ist damit beabsichtigt die Gedankenwelt einer Person zu ergründen und möglicherweise eine Grundlage zu schaffen für weitere Gespräche.
Übrigens halte ich die Erwartungshaltung, dass irgendetwas von dem was irgendjemand hier in diesem Forum schreibt, geopolitische Auswirkungen haben wird für extrem unrealistisch. Eine realistische Erwartungshaltung ist es meiner Meinung nach, sein eigenes Verhalten ändern zu können, sofern man möglichst unvoreingenommen und geistig flexibel bleibt. Bereits wenn es darum geht andere von etwas zu überzeugen wird es schwierig,...aber das ist ein Thema für sich.
Wer hat Einfluss in Syrien?
Heute haben EU und USA in Syrien nichts zu melden, das haben sie mit der Wahl ihrer Mittel und Ziele bei der letzten Bombardierung belegt.
Das sehe ich anders, die Kurden kontrollieren weite Teile von Nord-Ost-Syrien und unterhalten enge Beziehungen zu den USA, von denen sie unter anderem mit Waffen versorgt werden aber auch darüber hinaus militärische/strategische Unterstützung bekommen. Damit ist auch ein Einfluss von Seiten der USA auf die Kurden gegeben und damit auf einen nicht gerade kleinen Teil Syriens.
Was der letzte Angriff seitens der USA, Frankreich, GB aussagt, bzw. wie ich den einordnen soll, darüber grüble ich auch noch. Es hängt auch stark davon ab, welcher Bericht des Verlaufs der Ereignisse stimmt, z.B. ob es stimmt, wie das Pentagon und viele Medien berichten, dass a) alle Raketen ihre Ziele getroffen haben und keine abgefangen werden konnte, oder ob die Version von Russland, Syrien und einer Minderheit von Medien, Bloggern, etc stimmt, dass b) der größte Teil der Raketen erfolgreich abgefangen wurde und neben den Chemielaboren noch Flughäfen und Militärbasen angegriffen wurden, aber alle Raketen abgefangen wurden.
Wenn a) stimmt hätten die drei angreifenden Staaten bewiesen, dass sie militärische quasi freie Hand haben und tun und lassen können, was sie wollen (sie müssen nicht mal offizielle Untersuchungen abwarten, ob und wenn ja wer Giftgas eingesetzt hat, sie setzen einfach Behauptungen in die Welt, dass es so wäre und greifen an) – das wäre ein enormer militärischer Einfluss.
Wenn b) stimmt würde das bedeuten, dass der militärische Einfluss der USA, Frankreichs und GB tatsächlich stark gesunken wäre, bzw. nie in der Form vorhanden war.
Davon zu unterscheiden ist direkter politischer Einfluss – wenn du das meinst, dann würde ich dir weitestgehend zustimmen, in weiten Teilen Syriens (außer in den Kurdengebieten und den von Terroristen oder Rebellen besetzten Gebieten) haben die USA und Europa wenig politischen Einfluss.
Und noch mal etwas anderes ist der ….sagen wir mal indirekte politische Einfluss über NGOs, über staatliche und Überstaatliche Institutionen, über Medien, etc. Z.B. führt die OPCW in Syrien regelmäßig Untersuchungen durch, was wiederum aufgrund der politischen und medialen Stimmung außerhalb Syriens zustande kam, also so scharf ist das nicht zu trennen – Einfluss IM Land und Einfluss von außen…
Zweck und Wirkung von Wirtschaftssanktionen
Das heißt nicht, dass man auf Syrien über Wirtschaftsblockaden, Handelshemmnisse, Reiseverbote etc keinen Einfluss nehmen könnte.
Diese Wirtschaftsblockaden und Handelshemmnisse gegen Syrien gibt es bereits seit Jahren: Was ist deine Meinung dazu – welche positiven und negativen Wirkung haben sie gehabt? Befürwortest du sie?
Welche Wirkung haben solche Wirtschaftssanktionen in der Regel deiner Meinung nach?
Im Grunde treffen diese Wirtschaftssanktionen in der Regel immer die Zivilbevölkerung am meisten, da die jeweiligen Machthaber – wie in jedem Land – über überdurchschnittlich viel der Volksressourcen verfügen, sind sie privat davon wenig betroffen, während das Volk darunter leidet. Gegen Nord-Korea sind schon seit Jahrzehnten Sanktionen verhängt, das Volk leidet darunter, hat es politisch etwas bewirkt?
Gegen den Irak wurden damals unter Saddam auch solche Sanktionen verhängt, es gibt Schätzungen, dass in Folge davon über eine halbe Million Kinder verhungert sein sollen:
https://www.nytimes.com/1995/12/01/worl ... ports.html
Gegen Russland werden auch schon seit Jahren Sanktionen verhängt,...welche positiven Ergebnisse kann man bisher vorweisen?
Dahinter verbergen sich gewisse Einstellungen, z.B.:
1) Der Zweck heiligt die Mittel: Wenn ich nur ein gutes Motiv habe, oder zumindest glaubhaft vorspielen kann eines zu haben, dann darf ich auch Verbrechen begehen. Gerne wird damit auch die Aufforderung verbunden „man kann doch nicht einfach zusehen, man MUSS doch was machen!“. Damit sollen Fragen nach der Legitimität solcher Eingriffe von vornherein erstickt werden.
2) Wenn ICH/WIR festlegen, dass es in einem Land nicht so zu geht, wie WIR das für richtig halten, dann haben WIR das RECHT – ja sogar die PFLICHT - dort zu machen was wir wollen, bis ein Zustand hergestellt wurde, den WIR als angemessen empfinden.
Das ist meiner Meinung nach eine sehr arrogante Haltung. Dazu kommt, dass ich nicht den Eindruck habe, dass die Eingriffe in fremder Völker Angelegenheiten häufig etwas mit „Schutzauftrag“ oder „humanitärer Hilfe“ oder „Verbreitung der Demokratie“ zutun haben. Meiner Ansicht nach geht es dabei meistens und zuvorderst um Ressourcen, Zugang zu Märkten für die eigenen Unternehmen, um politischen Einfluss, also um Geopolitik und Machterhalt oder Machterweiterung.
Verbreitung von terroristischen Organisationen in Syrien
Der IS ist aktuell nicht sehr präsent, die anderen Islamisten / sogenannten Rebellen sind entweder aufgerieben oder zu Hilfstruppen der Türkei degradiert. Was ist also zu tun?
Kannst du dafür bitte Belege liefern, das interessiert mich wie die aktuelle Lage der Einflussbereiche ist. Meines Wissens nach ist der IS noch immer in Syrien verbreitet – nicht mehr stark in konzentrierter Form, also er kontrolliert nicht mehr weite Flächen, aber ist in kleinen Gruppen noch über weite Teile des Landes verteilt und kämpft quasi einen Guerilla-Krieg. Was Al-Quaeda und ihre Verbündeten angeht, die sollen wohl noch flickenartige Gebiete hier und da kontrollieren und ebenso Guerilla-Krieg nebenher betreiben. Kurzum, ich sehe den Krieg nicht sobald enden. Vor allem da die USA scheinbar gerade dabei sind eine arabische Armee unter der Führung Saudi-Arabiens zusammen zu würfeln, die dann in Syrien aktiv werden soll – das wäre dann wieder neues Öl ins Feuer und würde dann auch wieder einen größeren Einfluss der USA in Syrien bedeuten.
Aber ich lasse mich gerne eines Besseren belehren.
Veränderung der Machtstruktur in Syrien
Die eigentliche Aufgabe steht dann an: Die alten Methoden der Herrschaft müssen unmöglich gemacht werden, ohne dass das Land darüber erneut zerbricht.
1) Was sind die „alten Methoden der Macht“ und
2) Wie würde man die unmöglich machen?
Hier ist vor allem Russland in der Pflicht, einerseits Sicherheit zu garantieren, andererseits Druck auf konkrete Akteure im Sicherheitsapparat auszuüben. Der gesellschaftlich/politische Wandel muss dagegen aus dem Land selbst kommen.
Ich bin auch der Meinung, dass es dringend notwendig ist, mehr demokratische Elemente in die syrische Politik einzubringen, den Präsidenten (egal wer es ist) und seinen Sicherheitsapparat stärker zu kontrollieren und den Kurden einen eigenen Staat zu geben. Auch das Inhaftieren von nicht gewalttätigen Oppositionellen muss ein Ende haben, stimme ich dir ganz zu. Wenn ich mir die Welt zurecht-wünschen dürfte, dann würde nicht nur Assad sein Amt verlieren, sondern auch Russland aus Syrien abziehen, allerdings würden dann auch andere Parteien, die meiner Meinung nach einen sehr negativen Einfluss hatten ihren Einfluss verlieren, dazu zählen vor allem die USA, Saudi-Arabien, Türkey, Katar und nicht zuletzt die EU! Aber was nützen solche „ich male einen Idealzustand an die Wand“ - Gedankenspiele? Man muss damit arbeiten, was gegeben ist und auch damit, was REALISTISCHERWEISE kurz-, mittel- und langfristig erwirkt werden kann. Was kann denn kurz- und mittelfristig erwirkt werden?
Vorgeschichte und Verlauf des Syrienkrieges
Um MEINE SICHT der Dinge darzulegen, möchte ich erst einmal etwas ausholen und grob erklären, wie sich mir die Entstehung und der Verlauf des Syrienkrieges darstellt.
Bereits 1986 gab es in Teilen der US-Regierung Überlegungen dazu, wie man in Syrien eine Regierungssturz herbei führen und Assad los werden kann, wie das folgende CIA Dokument beweist:
https://www.cia.gov/library/readingroom ... 0001-5.pdf
Wikileaks hat Schriftverkehr zwischen der US Botschaft in Damaskus und Teilen der Us-Regierung, sowie anderen Akteuren wie Israel, UN, etc geleakt, die zeigen, dass spätestens 2006 bereits ein reger Austausch darüber statt fand, wie man Assad stürzen kann – 5 Jahre bevor der „Volksaufstand“ offiziell ausbrach. Das entsprechende Dokument findet man hier:
https://wikileaks.org/plusd/cables/06DA ... 399_a.html
Es ist interessant sich durchzulesen welche Vorschläge gemacht werden, um Assad zu stürzen.
1) Z.B. wird erwähnt, dass es in der sunnitischen Gemeinschaft in Syrien Sorgen über den Einfluss des Irans auf Syrien gäbe, obwohl dieser Einfluss oft weit übertrieben dargestellt würde, so das Papier, sollte man diese Befürchtungen ausnutzen und entsprechende Angst und Zwietracht in der syrischen Bevölkerung sähen.
2) Assad sei sehr misstrauisch gegenüber umstürzlerischen Bewegungen, vor allem auch gegenüber seinem eigenen Sicherheitsapparat. Das sollte man ausnutzen, indem man Lügen streut über mögliche Aufstände, oder einen möglichen Putsch, das könnte dann dazu führen, dass ein interner Krieg ausbricht.
3) Die syrische Wirtschaft wird als schwächelnd dargestellt, das sollte ausgenutzt werden, indem man ausländische Investoren dazu drängt, ihre Investitionen in Syrien einzustellen, um die wirtschaftliche Lage in Syrien zu verschlimmern, davon wiederum erhofft man sich, dass dann der Druck auf Assad durch das Volk steigt.
Das sind nur 3 Beispiele, aber wenn man mal darüber nachdenkt, mit welchen Mitteln hier gearbeitet wird. Man will die wirtschaftliche Situation der Menschen in Syrien absichtlich verschlimmern, nimmt all das zusätzliche Leid in Kauf, um eine Regierung zu stürzen, die man selbst nicht mag.
Es wird sogar erwägt interne Kriege zu entfachen – wenn so etwas passiert, abhängig davon wie das Kräfteverhältnis der beteiligten Fraktionen aussieht, kann das entweder mit wenigen Toten enden (wenn eine Fraktion die andere schnell und ohne großes Morden besiegen kann), oder es kann zu ausgedehnten Kämpfen kommen, in die dann immer auch die Zivilbevölkerung mit hinein gezogen wird – das alles wird billigend in Kauf genommen.
Die US-Regierung beließ es dann auch nicht dabei nur auszuloten wie man Assad wohl stürzen könne, es gibt durchaus schon frühe Bemühungen in diese Richtung, z.B. indem „die Opposition“ durch diverse Maßnahmen unterstützt wurde:
https://www.washingtonpost.com/world/us ... edirect=on
Es gibt ein US Gesetz, das nennt sich „Freedom of information act“, US Bürger können die US Regierung verklagen und die Veröffentlichung einer ganzen Reihe von „classified“ (als geheim eingestufter) Dokumente erzwingen. Juditial Watch hat aufgrund so einer Klage einen Report vom US-Verteidigungsministerium erhalten, der zuvor als streng geheim eingestuft wurde.
http://www.judicialwatch.org/wp-content ... sion11.pdf
Dieser Report stammt aus dem Jahre 2012 – also nicht mal 1 Jahr nachdem der Syrienkrieg offiziell ausgesprochen war. Unter den offiziellen Empfängern dieses Reports (als er noch als geheim eingestuft war) sind CIA, FBI, Außenministerium, Defence intelligence agency, Navy, Außenminister, Verteidigungsminister, etc. Es werden darin ein paar sehr interessante Aussagen gemacht, die zeigen welchen Wissensstand Teile der US Regierung hatten und welche Einschätzung der Lage in Syrien vermutlich vorherrschte. Hier ein paar sinngemäße Aussagen aus diesem Report (in Klammern stehen meine Kommentare), ‚Nummerierungen‘ sind aus dem Dokument entnommen:
B) Die treibende Kraft in der Opposition ist nicht „das einfache Volk“ sondern Salafisten, die Moslembruderschaft und Al-Quaeda (der deutsche Verfassungsschutz bezeichnet die beiden ersten Gruppen als Extremisten, die letzte als Terroristen).
C) Der Westen, die Golfstaaten und die Türkey unterstützen die Opposition, während Russland, Iran und China „das Regime“ unterstützen.
3b) Al-Quaeda hat die Opposition von Anfang an unterstützt, sowohl ideologisch als auch durch Medieneinsatz
3c) Al-Quaeda hat eine Reihe von „Operationen“ (Anschläge?) in verschiedenen syrischen Städten durchgeführt unter dem Namen Al-Nusra
3d) Al-Quaeda lies durch den Sprecher des islamischen Staates im Irak (ISI) verkünden…..
5c) Al-Quaeda hatte auf beiden Seiten der syrisch-irakischen Grenze Basen und konnte somit „Material“ (Waffen und Sprengstoffe?) und Rekruten (Terroristen) über die Grenze hinweg bewegen.
7b) Die Opposition (in Bezug auf die folgende Aussage ist mit Opposition in diesem Fall der IS/Al-Quaeda gemeint, das erkennt man wenn man sich anschaut, wo der IS sich verbreitet hat, welche Gebiete er kontrollierte während seiner Hochphase) versucht die west-syrischen Gebiete Der Zor und Hasaka, sowie die west-irakischen Gebiete Mosul und Anbar zu kontrollieren. Der Westen, die Golfstaaten und die Türkey unterstützen die Opposition (IS/Al-Quaeda). Dort wo sich die Opposition (IS/Al-Quaeda) ausdehnt, sollen „save havens“ errichtet werden, die durch internationale Bemühungen aufrecht erhalten werden und sich am Beispiel Lybiens orientieren (gemeint sind damit vermutlich no-fly-Zones).
8c) Wenn die Situation weiter eskaliert, kann es dazu kommen, dass in Ost-Syrien ein „salafist principality“ (das kennen wir heute als islamischer Kalifat oder islamischen Staat) ausgerufen wird und das ist genau das, was diejenigen, welche die Opposition unterstützen (was in vorherigen Abschnitten als der Westen, die Golfstaaten und die Türkey ausgeführt wurde) wollen, denn dadurch kann das „Assad regime“ isoliert werden.
Das waren ein paar Auszüge aus dem Bericht des US-Verteidigungsministerium. Was können wir daraus an Informationen gewinnen?
Al-Quaeda, der IS und Al-Nusra arbeiten sehr eng miteinander zusammen, sind quasi ineinander verwoben, es macht also absolut keinen Sinn zu behaupten, der IS ist eine verbrecherische Organisation, die bekämpft werden muss, aber Al-Nusra kann man schon unterstützen, die führen einen edlen Kampf gegen Assad – die drei Organisationen sind so eng miteinander verbunden, das Al-Quaeda sogar Nachrichten über Sprecher des IS verkünden lies, der IS wurde auch als Al-Quaeda in Irak bezeichnet – es gibt ideologisch eine sehr große Schnittmenge.
„Der Westen“, die Golfstaaten und die Türkey haben Al-Quaeda, IS und Al-Nusra unterstützt und benutzten diese als Werkzeug, um die Regierung Assad zu destabilisieren. Es wurde sogar noch vor dem Aufstieg des IS vorausgesehen/vermutet, dass dieser einen islamischen Staat in West-Irak und Nord-Ost-Syrien ausrufen würde. Die USA hatten den Irak seit 2003 besetzt, bereits zuvor waren sie schon über Jahrzehnte stark in die Geschichte des Irak involviert, mal unterstützten sie ihn und rüsteten ihn auf, mal bekämpften sie ihn. Man kann also davon ausgehen, dass die US Geheimdienste sehr gut vertraut sind mit den Machtstrukturen des Irak, mit den diversen Organisationen und deren Ideologie. Der IS entstand im Irak unter der Besatzung der USA, die US Geheimdienste sind mit Sicherheit keine Hellseher, aber ich vermute, dass sie schon in etwa erahnen konnten, wie sich der IS in Syrien verhalten würde, als ob er gegenüber den Angehörigen diverser Religionen eher tolerant sein würde, oder sie eher töten würde, ob er Zivilisten, Frauen, etc eher mit Respekt behandeln würde, oder eher gewaltsam vorgehen würde, etc – und dennoch hat man das alles quasi herbei gesehnt, weil es eben in die eigene geostrategische Planung passt: Assad muss weg!
Die treibende Kraft in der Opposition waren Terroristen, nicht das einfache Volk. Diese Terroristen haben Anschläge in Syrien verübt. Das bedeutet natürlich nicht, dass alle Oppositionellen Terroristen wären, aber die treibenden Kräfte waren es wohl – so zumindest die Einschätzung des Pentagon.
Vergleicht das mal mit der Version, welche uns Politiker und Medien präsentieren, ganz grob lautet die etwa so:
Es gab friedliche Proteste der syrischen Bevölkerung, die Assad gewaltsam niederschlug. Daraus entwickelte sich ein Widerstand von „moderaten Rebellen“, die werden wahlweise auch Freiheitskämpfer oder Rebellen genannt. Auch die Al-Nusra Front wurde als Gruppe moderater Rebellen, als Friedenskämpfer bezeichnet.
Also im Grunde genommen ist diese Erzählung das genaue Gegenteil von dem, was das Pentagon, die US-Geheimdienste, das US-Außenministerium, etc quasi hinter vorgehaltener Hand tatsächlich dachten und sagten.
Die meisten Gruppierungen, die in unseren Medien als Rebellen bezeichnet werden gehören zu Al-Quaeda/IS – ich will nochmal darauf hinweisen, dass ich weder sage noch glaube, dass die komplette Opposition in Syrien zu Al-Quaeda/Is gehöre oder Terroristen seien, da gibt es durchaus auch moderate Kräfte – die sind aber nicht die treibende Kraft in der Opposition.
Indem unsere Medien Al-Nusra und andere Al-Quaeda Splittergruppen als „gemäßigte Rebellen“, als „Friedenskämpfer“ usw. bezeichnen unterstützen sie diese, indem sie es möglich machen, dass diese international Gehör finden und um Hilfe bitten können, passiert z.B. über eines ihrer Propagandaorgane, die Weißen Helme. Gleichzeitig wird dadurch der Kampf gegen die Organisationen als Verbrechen dargestellt und erschwert. Das geht so weit, dass der Kampf in Mosul gegen den IS quasi als Pflicht dargestellt wird, wohingegen der Kampf gegen die Al Nusra Front z.B. damals in Aleppo als Kampf gegen das Volk, als Kampf gegen edle Rebellen dargestellt wird – obwohl beide Organisationen quasi wie Zwillinge sind.
Des weiteren will ich mich noch von dem Begriff „der Westen“, wie er in diesem Paper gebraucht wird, distanzieren, ich glaube nicht, dass alle Staaten, die wir zum Westen zählen, diese hauptsächlich US geführte Interventionspolitik in Syrien mittragen, mein Eindruck ist der, dass die USA diesen Block „der Westen“ anführt, und in einem weitaus geringeren Maße GB und Frankreich noch mitmischen, wieder mit einem gewissen Abstand dürfte dann Deutschland folgen. Weitere westliche Staaten mit bedeutender Anteilnahme kommen mir gerade nicht in den Sinn.
Welche politische Veränderung ist in Syrien realistisch?
Und nun komme ich zurück zu der vorher aufgeworfenen Frage, welche kurz- und mittelfristige Veränderung in Syrien realistisch ist.
Ich glaube nicht, dass Assad mittelfristig große Bestrebungen entwickelt, mehr Demokratie zu wagen, zum einen zweifle ich daran, dass er Macht abgeben will, zum anderen kann ich mir vorstellen, dass er das auch als gefährlich ansieht, solange es offensichtlich noch viele ausländische Interessen gibt, welche nicht nur propagandistisch Versuchen die Macht in Syrien zu ergreifen, sondern auch tatkräftig vorgehen, z.B. indem sie Terroristen in Syrien finanziell und durch Waffenlieferungen unterstützen.
Putin hat vermutlich auch nur begrenzt Interesse daran, dass Assad an Macht einbüßt. Er steht Assad in einer für ihn schwierigen Zeit bei, ich vermute einmal, dass das ein recht starkes Band erzeugt – wer weiß mit wem Putin auskommen müsste, wenn Assad weg wäre.
Ist damit die Antwort klar? Müssen nur Assad und Putin weg und die Situation würde sich verbessern in Syrien?
Ich weiß es nicht. Wenn die Einschätzung des Pentagon stimmt und die stärksten Kräfte in der Opposition Terroristen sind, wie will man verhindern, dass nach Assad nicht diese die Macht übernehmen? Und derjenige, der das verhindert, müsste der nicht dann auch einen Krieg gegen diese Organisationen führen? Inwiefern wäre das aus Sicht des Volkes ein Vorteil? Wie sieht es mit der syrischen Armee und den Geheimdiensten, dem ganzen Verwaltungsapparat aus – würden die zu Assad halten und nach dessen Vertreibung dann quasi in den (bewaffneten) Widerstand gehen oder würde ein Wechsel von Assad zu Präsident X so aussehen wie man das in Deutschland gewöhnt ist – eine Partei verliert die Wahl, eine andere übernimmt die Regierung – der ganze Verwaltungsapparat, Armee, Polizei, etc nehmen dann Weisungen von der neuen Regierung an?
Eine Demokratie ist nicht einfach durch Wahlen einzuführen – da stehen viele Strukturen dahinter, Gewaltenteilung mit funktionierenden Kontrollen, unabhängige Gerichte, ein Verwaltungsapparat der sich an Weisungen der regierenden Partei gebunden fühlt und die Korruption in Grenzen bleibt, eine mehr oder minder funktionierende Presse, usw. usf. So etwas aufzubauen, bzw. demokratiekonform umzubauen wird Zeit und Mühe in Anspruch nehmen.
Es würde schon mal sehr helfen, wenn sich die Golfstaaten und die USA aus Syrien raushalten würden – das wird aber nicht passieren, vermute ich. Was die Rolle der EU angeht, bin ich mir unschlüssig….ob sie quasi ‚nur‘ ein naiver Mitläufer ist, der wirklich daran glaubt, dass im Kielwasser der USA den Syrern zu helfen sei, oder ob sich die EU Politiker sehr wohl bewusst sind, was die eigentlichen Interessen der USA sind und dass diese nicht mit dem Wohl der Syrer identisch sind.
Was kann man also tun? Es wäre sehr hilfreich Druck auf die Golfstaaten und die USA auszuüben, um weitere Einflussnahme in Syrien einzustellen. Gleichzeitig könnte sich die EU mit Syrien, Russland, Türkey und Iran an einen Tisch setzen und schauen, ob man noch etwas von dem verloren gegangenen Vertrauen (auf beiden Seiten) wieder aufbauen kann. Wirtschaftssanktionen halte ich für den falschen Weg, diese sollten aufgehoben werden – die Hauptleidtragenden sind das syrische Volk, nicht Assad. Man sollte akzeptieren, dass mittelfristig Assad im Amt bleibt. Man könnte versuchen Assad mit Zugang zu den europäischen Märkten zu Zugeständnissen zu bewegen.
Man müsste mal einen ehrlichen Blick auf die eigene EU-Politik, ihre Wirkung und ebenso auf unsere Konzernmedien und deren Wirkung richten. Wie kann es sein, dass unsere Medien eine terroristische Organisation als Friedenskämpfer bezeichnet, obwohl die US-Geheimdienste diese ganz klar bei Al-Quaeda/IS verorten? Woher haben unsere Medien die Informationen bekommen, die zu dieser Einordnung führte? Und wieso kommen (fast) alle Konzernmedien zu demselben Urteil? Wieso gibt es da keine Meinungsvielfalt? Es gibt sie doch auch in diesem Forum (soweit ich das überschaue).
Aber schlussendlich, und da stimme ich dir ganz zu, ist es Sache der Syrier für politischen Wandel in ihrem Land zu sorgen (sofern sie das wollen), nicht unsere und schon gar nicht haben wir das Recht einfach in anderer Völker Länder unsere Vorstellungen durchzudrücken.