Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

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Yossarian
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Yossarian »

Alexyessin hat geschrieben:(08 Jun 2017, 12:05)

Die Türkei eventuell schon - aber Erdogan mit Sicherheit nicht.
Was laberst du, dass war vor Erdogan so und wird auch nach Erdogan so sein.
Nüchtern betrachtet ist Erdogan sogar relativ Kurdenfreundlich gewesen bis die PKK den Terrorkampf wieder aufgenommen hat vor ein paar Jahren.
Wenn ich einen Vogel sehe der wie eine Ente watschelt und wie eine Ente schwimmt und wie eine Ente quakt dann nenne ich ihn eine Ente. Und wenn der Vogel dementiert eine Ente zu sein ist es eine russische Ente.
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relativ
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von relativ »

Yossarian hat geschrieben:(08 Jun 2017, 12:07)

Was laberst du, dass war vor Erdogan so und wird auch nach Erdogan so sein.
Nüchtern betrachtet ist Erdogan sogar relativ Kurdenfreundlich gewesen bis die PKK den Terrorkampf wieder aufgenommen hat vor ein paar Jahren.
Das ist aus meiner Sicht falsch, Erdogan selber hat das Kapitel PKK wieder eröffnet, er wollte damit die prokurdischen Partei HDP schwächen und seine Position stärken.
Das Banale braucht man nicht zu schälen.
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Alexyessin
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Alexyessin »

Yossarian hat geschrieben:(08 Jun 2017, 12:07)

Was laberst du, dass war vor Erdogan so und wird auch nach Erdogan so sein.
Nüchtern betrachtet ist Erdogan sogar relativ Kurdenfreundlich gewesen bis die PKK den Terrorkampf wieder aufgenommen hat vor ein paar Jahren.
Erdogan hat Anfangs einen kurdenfreundlicheren Stil gefahren und hat dann wieder abprubt alte Schiene gefahren, vor allem nachdem die Kurdenpartei HDP so stark wurde.
Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin kein Nazi, aber...
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Yossarian
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Yossarian »

relativ hat geschrieben:(08 Jun 2017, 12:34)

Das ist aus meiner Sicht falsch, Erdogan selber hat das Kapitel PKK wieder eröffnet, er wollte damit die prokurdischen Partei HDP schwächen und seine Position stärken.
Waren die Angriffe der PKK auf Polizisten und Soldaten nicht der Anfang?
bin mir aber nicht 100% sicher und gerade zu faul nachzuschauen.
Wenn ich einen Vogel sehe der wie eine Ente watschelt und wie eine Ente schwimmt und wie eine Ente quakt dann nenne ich ihn eine Ente. Und wenn der Vogel dementiert eine Ente zu sein ist es eine russische Ente.
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relativ
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von relativ »

Yossarian hat geschrieben:(08 Jun 2017, 13:14)

Waren die Angriffe der PKK auf Polizisten und Soldaten nicht der Anfang?
bin mir aber nicht 100% sicher und gerade zu faul nachzuschauen.
Meiner Kenntnis hat Erdogan die PkK für etliche Terroraktionen veranwortlich gemacht und damit Militär und Polizeiaktionen gegen die Kurden begründet. Erst danach würde die PkK wieder nachweislich aktiver.
Das Banale braucht man nicht zu schälen.
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Kardux
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Kardux »

Yossarian hat geschrieben:bin mir aber nicht 100% sicher und gerade zu faul nachzuschauen.
Dafür, dass Sie sich nicht 100 % sicher sind, behaupten Sie in diesem Strang aber jede Menge Sachen. Seis drum.

1. Entgegen Ihrer Behauptung (welches den AKP-Standpunkt vertritt), war es Erdogan der die Spirale der Gewalt im eigenen Land benötigte und somit suchte. Der Mord an den zwei türkischen Polizisten war eine Falle, in welche die PKK, so hitzköpfig und kurzsichtig wie ihre Schalthebel nunmal sind, geradeaus getappt ist. Man braucht sich aber keine Illusionen zu machen - Erdogan hätte sowieso einen Grund gefunden für seinen Feldzug gegen die Kurden. Diese Falle von der ich hier schreibe beinhaltet natürlich den abrupten Abbruch der Friedensverhandlungen zwischen der PKK (die von Öcalan vertreten wurde) und der AKP (dem Geheimdienstchef Hakan Fidan). Die AKP wollte angeblich eine Übereinkunft mit der PKK erzielen, ohne dann im Verlauf der Verhandlungen Zugeständnisse zu machen. Eine Generalamnestie für PKK-Kämpfer in den Bergen wurde rigoros abgelehnt - desweiteren unternahm Erdogan nichts um den den Kurden einen offiziellen Status als anerkannte Minderheit zu verleihen. Gleichzeitig aber liess die AKP im Südosten Kasernen bauen und ausbauen. Und das lange vor der Ermordung der zwei türkischen Polizisten. Auch lange vor der Ermordung dieser zwei Männer wurden in Paris drei wichtige PKK-Kader ermordet. Darunter Sakine Cansiz, eine Mitbegründerin der PKK und als enge Vertraute von Öcalan die wichtigste Frau in der Partei (wird zwar von einigen Leuten als Störfeuer der Armee betrachtet, aber der türkische Geheimdienst der solche Operationen durchführt war fest in der Hand der AKP). Hinzu kam dann auch die Unterstützung der Türkei für Jihadisten in Syrien und im Irak, welche sich sehr konsequent gegen die dort lebenden Kurden richteten. Das war natürlich kein positives Zeichen für eine neue und gesunde Kurdenpolitik Ankaras. Danach kam der Wahlerfolg der HDP, welcher Erdogan dann dazu zwang alle Masken fallen zu lassen. Von da an, suchte Erdogan die direkte Konfrontation. Die Anschläge in der Türkei (u.a. in Diyarbakir, Ankara und Suruc) die sich allesamt gegen prokurdische Gruppen richteten, liessen dann das Fass überlaufen.

2. Nicht "die irakischen Kurden" pflegen "gute" Beziehungen (diese Beziehungen muss man differenziert betrachten) zu Erdogan, sondern die stimmenstärkste Partei im Parlament der Autonomen Region Kurdistan (welches jedoch seit 2 Jahren ausgesetzt ist), die Demokratische Partei Kurdistans kurz DPK bzw. PDK.

3. Der Titel dieses Strangs (den Sie gewählt haben) ist reine Panikmache und zudem nicht richtig. Ob die Kurden ein Referendum durchführen oder unabhängig werden oder auch nicht, hätte rein gar nichts am bestehenden Chaos im sogenannten Irak geändert. Denn der nächste absehbare Bürgerkrieg im "Irak" findet schon längst statt. Es dürfte wohl niemandem entgangen sein, dass die schiitischen Milizen in Mosul nicht als Befreier betrachtet werden, vielleicht auch deshalb weil man sich nicht grundlegend vom IS unterscheidet. Vor einiger Zeit wurden hierzu Bilder von Ali Arkady veröffentlicht, die belegen wie schiitische Milizen gegen Sunniten in Mosul vorgehen. Die Einnahme von Mosul seitens der Schiiten und die Flucht des IS wird die irakischen Sunniten nur noch weiter anheizen. Ob dann der Widerstand gegen das derzeit schiitische Baghdad säkular-nationalistisch oder wieder jihadistisch orientiert sein wird spielt kaum eine Rolle - einen Bürgerkrieg wird es so oder so geben. Und die Kurden sind unabhängig davon ob man ein Referendum durchführt oder auch nicht in keinster Weise bereit ihre Gebiete den schiitischen Milizen zu überlassen. Aber es sind Letztere die seit geraumer Zeit den Konflikt suchen. Es ist der expandierende schiitische Halbmond der die Balance stört und immer neue Bürgerkriege herbei schwört. Das natürlich auch ein Kurdenstaat ein gewisses Konfliktpotential (im Iran und der Türkei) auf lange Sicht mit sich bringt sollte nicht verschwiegen werden, aber auch ohne die Unabhängigkeit der Kurden im Irak wird die Kurdenfrage im Iran und in der Türkei immer wieder aufflackern. So ist das nunmal mit dem Kolonialismus. Man kann nicht erwarten eine Minderheit zu knechten, ohne dabei auf eine Gegenwehr zu stossen.

Und nun wieder zum eigentlichen Thema:

Ein unabhängiger Kurdenstaat im Nahen Osten ist längst fällig. Die Kurden gelten derzeit als das größte Volk ohne eigenen Staat. Die Nachricht vom Referendum war natürlich für die Mehrheit aller Kurden eine großartige Nachricht (mich miteingeschlossen). Nichtsdestotrotz sollte man auch bei all der Euphorie nüchtern bleiben und sich die Frage stellen ob danach auch wirklich der entscheidende Schritt zur Unabhängigkeit vollzogen werden kann. Denn es sieht wohl danach aus als ob das Referendum ein Alleingang der Kurden war, der wenn überhaupt nur hinter verschlossenen Türen von den beiden Weltmächten toleriert wurde. Eine offizielle Unterstützung seitens beider Staaten habe ich bisher noch nicht wahrgenommen (vielleicht hat hier jemand mehr Infomationen?). Auf der anderen Seite muss man noch erwähnen, dass das Referendum weder von den Türken noch den Iranern begrüßt wird. Hinzu kommt die Ablehnung seitens der schiitischen Zentralregierung für das Referendum. Die letzten Monate wurde zwar intensiv zwischen Erbil und Baghdad verhandelt - eine Einigung konnte aber nicht erzielt werden. Das große Streitthema sind natürlich die disputed areas, die eigentlich nach Artikel 140 der irakischen Verfassung dafür stimmen sollten ob sie Teil der Autonomen Region Kurdistan sein wollen, oder nicht. Dabei handelt es sich um rohstoffreiche Gebiete in den Provinzen Diyala und Kerkûk, und geostrategisch wichtigen Gebieten in der Provinz Niniveh. Baghdad hatte die Implementierung dieses Artikels so lange aufgeschoben bis es aus ihrer Sicht auslief. Das Zurücksetzen der Arabisierungspolitik in diesen Gebieten (das von den vielen Regierungen zuvor durchgeführt wurde) wurde ebenfalls von Seiten der Zentralregierung nicht durchgeführt, die Kurden mussten das mehr oder weniger mit viel Druck durchsetzen, obwohl es ebenfalls Bestand des Artikel 140 der irakischen Verfassung war. Kerkûk das als eine der erdölreichsten Regionen der Welt gilt war stets ein Unruheherd in den arabisch-kurdischen Beziehungen. Historisch gesehen ist die Stadt Kurdisch geprägt, so war es zumindest über Jahrhunderte hinweg während der Osmanenherrschaft. Das ist leicht belegbar.

Nichtsdestotrotz wirft die Ausrufung des Termins viele Fragen auf. Das die unmittelbaren Nachbarn einem Referendum und einer Unabhängigkeit negativ gegenüber stehen war absehbar, aber dass die internen Konflikte in der Autonomieregion weiterhin nicht beigelegt wurden ist sehr kritisch. Fakt ist nunmal, dass das Parlament wegen politischer Differenzen (bezüglich den Machtkompetenzen zwischen Parlament und dem Präsidenten) seit 2 Jahren ausgesetzt ist. Seit Anfang 2014 befindet sich die Region zudem in einer enormen finanziellen Krise. Regierungsbeamten wurden und werden die Gehälter seit dieser Zeit nicht regelmäßig und dazu nur stark reduziert bezahlt. Vier Monatsgehälter wurden gar nicht ausgezahlt (September bis Dezember 2014). Fast alle großen Projekte wurden ausgesetzt - kurzum, das Land befindet sich im wirtschaftlichen Stillstand. Die wirtschaftliche Inkompetenz (extreme Abhängigkeit vom Öl) und der Nepotismus sind hierfür die Auslöser, aber auch die schlechten Beziehungen zu Baghdad (die auf beidseitigen Fehlern entstanden). Viele kritische Stimmen im Land betrachten das Referendum nur als eine Ablenkung der inneren Probleme - ganz abwägig scheint dies nicht zu sein. Die zwei großen Oppositionsparteien (Change-Movement und die Union der islamischen Parteien) beteiligten sich beispielsweise nicht am gestrigen Meeting, als der Termin für das Referendum beschlossen wurde.

Die große Frage bleibt zudem ob ein erfolgreiches Referendum (und davon kann man ausgehen) überhaupt den weg zur Unabhängigkeit ebnen kann. Am Ende des Tages wird nämlich nicht der Wille der kurdischen Wähler entscheidend sein, sondern ob die Weltgemeinschaft angeführt von den beiden Weltmächten der Aufbrechung von Sykes-Picot zustimmt. Und ob ein Kurdenstaat einen Nutzen in dieser Chaosregion hat.

Wovon man ausgehen darf ist, dass sowohl die politische Elite als auch die Mehrheitsgesellschaft weit entfernt zum islamistischen Extremismus stehen. Auf der anderen Seite ist Kurdistan innenpolitisch mitnichten ein Hort der Demokratie. Der angesprochene Nepotismus ist erzeit schwer überwindbar. Aber ein Zusammenhalten von künstlichen Staaten die Minderheiten unterdrücken und für weitere große Konflikte sorgen dürfte wohl auch keine Alternative sein. Das die Kurden weiterhin der Willkür Baghdads ausgesetzt wären, wäre keine Alternative. Mit der Loslösung der Kurden aus dem Irak wäre zumindest schon eine winzige Baustelle welche uns die Franzosen und Briten hinterlassen haben beendet.
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JJazzGold
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von JJazzGold »

Kardux hat geschrieben:(08 Jun 2017, 16:30)

Dafür, dass Sie sich nicht 100 % sicher sind, behaupten Sie in diesem Strang aber jede Menge Sachen. Seis drum.

1. Entgegen Ihrer Behauptung (welches den AKP-Standpunkt vertritt), war es Erdogan der die Spirale der Gewalt im eigenen Land benötigte und somit suchte. Der Mord an den zwei türkischen Polizisten war eine Falle, in welche die PKK, so hitzköpfig und kurzsichtig wie ihre Schalthebel nunmal sind, geradeaus getappt ist. Man braucht sich aber keine Illusionen zu machen - Erdogan hätte sowieso einen Grund gefunden für seinen Feldzug gegen die Kurden. Diese Falle von der ich hier schreibe beinhaltet natürlich den abrupten Abbruch der Friedensverhandlungen zwischen der PKK (die von Öcalan vertreten wurde) und der AKP (dem Geheimdienstchef Hakan Fidan). Die AKP wollte angeblich eine Übereinkunft mit der PKK erzielen, ohne dann im Verlauf der Verhandlungen Zugeständnisse zu machen. Eine Generalamnestie für PKK-Kämpfer in den Bergen wurde rigoros abgelehnt - desweiteren unternahm Erdogan nichts um den den Kurden einen offiziellen Status als anerkannte Minderheit zu verleihen. Gleichzeitig aber liess die AKP im Südosten Kasernen bauen und ausbauen. Und das lange vor der Ermordung der zwei türkischen Polizisten. Auch lange vor der Ermordung dieser zwei Männer wurden in Paris drei wichtige PKK-Kader ermordet. Darunter Sakine Cansiz, eine Mitbegründerin der PKK und als enge Vertraute von Öcalan die wichtigste Frau in der Partei (wird zwar von einigen Leuten als Störfeuer der Armee betrachtet, aber der türkische Geheimdienst der solche Operationen durchführt war fest in der Hand der AKP). Hinzu kam dann auch die Unterstützung der Türkei für Jihadisten in Syrien und im Irak, welche sich sehr konsequent gegen die dort lebenden Kurden richteten. Das war natürlich kein positives Zeichen für eine neue und gesunde Kurdenpolitik Ankaras. Danach kam der Wahlerfolg der HDP, welcher Erdogan dann dazu zwang alle Masken fallen zu lassen. Von da an, suchte Erdogan die direkte Konfrontation. Die Anschläge in der Türkei (u.a. in Diyarbakir, Ankara und Suruc) die sich allesamt gegen prokurdische Gruppen richteten, liessen dann das Fass überlaufen.

2. Nicht "die irakischen Kurden" pflegen "gute" Beziehungen (diese Beziehungen muss man differenziert betrachten) zu Erdogan, sondern die stimmenstärkste Partei im Parlament der Autonomen Region Kurdistan (welches jedoch seit 2 Jahren ausgesetzt ist), die Demokratische Partei Kurdistans kurz DPK bzw. PDK.

3. Der Titel dieses Strangs (den Sie gewählt haben) ist reine Panikmache und zudem nicht richtig. Ob die Kurden ein Referendum durchführen oder unabhängig werden oder auch nicht, hätte rein gar nichts am bestehenden Chaos im sogenannten Irak geändert. Denn der nächste absehbare Bürgerkrieg im "Irak" findet schon längst statt. Es dürfte wohl niemandem entgangen sein, dass die schiitischen Milizen in Mosul nicht als Befreier betrachtet werden, vielleicht auch deshalb weil man sich nicht grundlegend vom IS unterscheidet. Vor einiger Zeit wurden hierzu Bilder von Ali Arkady veröffentlicht, die belegen wie schiitische Milizen gegen Sunniten in Mosul vorgehen. Die Einnahme von Mosul seitens der Schiiten und die Flucht des IS wird die irakischen Sunniten nur noch weiter anheizen. Ob dann der Widerstand gegen das derzeit schiitische Baghdad säkular-nationalistisch oder wieder jihadistisch orientiert sein wird spielt kaum eine Rolle - einen Bürgerkrieg wird es so oder so geben. Und die Kurden sind unabhängig davon ob man ein Referendum durchführt oder auch nicht in keinster Weise bereit ihre Gebiete den schiitischen Milizen zu überlassen. Aber es sind Letztere die seit geraumer Zeit den Konflikt suchen. Es ist der expandierende schiitische Halbmond der die Balance stört und immer neue Bürgerkriege herbei schwört. Das natürlich auch ein Kurdenstaat ein gewisses Konfliktpotential (im Iran und der Türkei) auf lange Sicht mit sich bringt sollte nicht verschwiegen werden, aber auch ohne die Unabhängigkeit der Kurden im Irak wird die Kurdenfrage im Iran und in der Türkei immer wieder aufflackern. So ist das nunmal mit dem Kolonialismus. Man kann nicht erwarten eine Minderheit zu knechten, ohne dabei auf eine Gegenwehr zu stossen.

Und nun wieder zum eigentlichen Thema:

Ein unabhängiger Kurdenstaat im Nahen Osten ist längst fällig. Die Kurden gelten derzeit als das größte Volk ohne eigenen Staat. Die Nachricht vom Referendum war natürlich für die Mehrheit aller Kurden eine großartige Nachricht (mich miteingeschlossen). Nichtsdestotrotz sollte man auch bei all der Euphorie nüchtern bleiben und sich die Frage stellen ob danach auch wirklich der entscheidende Schritt zur Unabhängigkeit vollzogen werden kann. Denn es sieht wohl danach aus als ob das Referendum ein Alleingang der Kurden war, der wenn überhaupt nur hinter verschlossenen Türen von den beiden Weltmächten toleriert wurde. Eine offizielle Unterstützung seitens beider Staaten habe ich bisher noch nicht wahrgenommen (vielleicht hat hier jemand mehr Infomationen?). Auf der anderen Seite muss man noch erwähnen, dass das Referendum weder von den Türken noch den Iranern begrüßt wird. Hinzu kommt die Ablehnung seitens der schiitischen Zentralregierung für das Referendum. Die letzten Monate wurde zwar intensiv zwischen Erbil und Baghdad verhandelt - eine Einigung konnte aber nicht erzielt werden. Das große Streitthema sind natürlich die disputed areas, die eigentlich nach Artikel 140 der irakischen Verfassung dafür stimmen sollten ob sie Teil der Autonomen Region Kurdistan sein wollen, oder nicht. Dabei handelt es sich um rohstoffreiche Gebiete in den Provinzen Diyala und Kerkûk, und geostrategisch wichtigen Gebieten in der Provinz Niniveh. Baghdad hatte die Implementierung dieses Artikels so lange aufgeschoben bis es aus ihrer Sicht auslief. Das Zurücksetzen der Arabisierungspolitik in diesen Gebieten (das von den vielen Regierungen zuvor durchgeführt wurde) wurde ebenfalls von Seiten der Zentralregierung nicht durchgeführt, die Kurden mussten das mehr oder weniger mit viel Druck durchsetzen, obwohl es ebenfalls Bestand des Artikel 140 der irakischen Verfassung war. Kerkûk das als eine der erdölreichsten Regionen der Welt gilt war stets ein Unruheherd in den arabisch-kurdischen Beziehungen. Historisch gesehen ist die Stadt Kurdisch geprägt, so war es zumindest über Jahrhunderte hinweg während der Osmanenherrschaft. Das ist leicht belegbar.

Nichtsdestotrotz wirft die Ausrufung des Termins viele Fragen auf. Das die unmittelbaren Nachbarn einem Referendum und einer Unabhängigkeit negativ gegenüber stehen war absehbar, aber dass die internen Konflikte in der Autonomieregion weiterhin nicht beigelegt wurden ist sehr kritisch. Fakt ist nunmal, dass das Parlament wegen politischer Differenzen (bezüglich den Machtkompetenzen zwischen Parlament und dem Präsidenten) seit 2 Jahren ausgesetzt ist. Seit Anfang 2014 befindet sich die Region zudem in einer enormen finanziellen Krise. Regierungsbeamten wurden und werden die Gehälter seit dieser Zeit nicht regelmäßig und dazu nur stark reduziert bezahlt. Vier Monatsgehälter wurden gar nicht ausgezahlt (September bis Dezember 2014). Fast alle großen Projekte wurden ausgesetzt - kurzum, das Land befindet sich im wirtschaftlichen Stillstand. Die wirtschaftliche Inkompetenz (extreme Abhängigkeit vom Öl) und der Nepotismus sind hierfür die Auslöser, aber auch die schlechten Beziehungen zu Baghdad (die auf beidseitigen Fehlern entstanden). Viele kritische Stimmen im Land betrachten das Referendum nur als eine Ablenkung der inneren Probleme - ganz abwägig scheint dies nicht zu sein. Die zwei großen Oppositionsparteien (Change-Movement und die Union der islamischen Parteien) beteiligten sich beispielsweise nicht am gestrigen Meeting, als der Termin für das Referendum beschlossen wurde.

Die große Frage bleibt zudem ob ein erfolgreiches Referendum (und davon kann man ausgehen) überhaupt den weg zur Unabhängigkeit ebnen kann. Am Ende des Tages wird nämlich nicht der Wille der kurdischen Wähler entscheidend sein, sondern ob die Weltgemeinschaft angeführt von den beiden Weltmächten der Aufbrechung von Sykes-Picot zustimmt. Und ob ein Kurdenstaat einen Nutzen in dieser Chaosregion hat.

Wovon man ausgehen darf ist, dass sowohl die politische Elite als auch die Mehrheitsgesellschaft weit entfernt zum islamistischen Extremismus stehen. Auf der anderen Seite ist Kurdistan innenpolitisch mitnichten ein Hort der Demokratie. Der angesprochene Nepotismus ist erzeit schwer überwindbar. Aber ein Zusammenhalten von künstlichen Staaten die Minderheiten unterdrücken und für weitere große Konflikte sorgen dürfte wohl auch keine Alternative sein. Das die Kurden weiterhin der Willkür Baghdads ausgesetzt wären, wäre keine Alternative. Mit der Loslösung der Kurden aus dem Irak wäre zumindest schon eine winzige Baustelle welche uns die Franzosen und Briten hinterlassen haben beendet.
Sehr informativ, danke.
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
Alexander Freiherr von Humboldt

https://www.youtube.com/watch?v=9FBu2rVuXGI
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Yossarian »

Kardux hat geschrieben:(08 Jun 2017, 16:30)

Dafür, dass Sie sich nicht 100 % sicher sind, behaupten Sie in diesem Strang aber jede Menge Sachen. Seis drum.

1. Entgegen Ihrer Behauptung (welches den AKP-Standpunkt vertritt), war es Erdogan der die Spirale der Gewalt im eigenen Land benötigte und somit suchte. Der Mord an den zwei türkischen Polizisten war eine Falle, in welche die PKK, so hitzköpfig und kurzsichtig wie ihre Schalthebel nunmal sind, geradeaus getappt ist. Man braucht sich aber keine Illusionen zu machen - Erdogan hätte sowieso einen Grund gefunden für seinen Feldzug gegen die Kurden. Diese Falle von der ich hier schreibe beinhaltet natürlich den abrupten Abbruch der Friedensverhandlungen zwischen der PKK (die von Öcalan vertreten wurde) und der AKP (dem Geheimdienstchef Hakan Fidan). Die AKP wollte angeblich eine Übereinkunft mit der PKK erzielen, ohne dann im Verlauf der Verhandlungen Zugeständnisse zu machen. Eine Generalamnestie für PKK-Kämpfer in den Bergen wurde rigoros abgelehnt - desweiteren unternahm Erdogan nichts um den den Kurden einen offiziellen Status als anerkannte Minderheit zu verleihen. Gleichzeitig aber liess die AKP im Südosten Kasernen bauen und ausbauen. Und das lange vor der Ermordung der zwei türkischen Polizisten. Auch lange vor der Ermordung dieser zwei Männer wurden in Paris drei wichtige PKK-Kader ermordet. Darunter Sakine Cansiz, eine Mitbegründerin der PKK und als enge Vertraute von Öcalan die wichtigste Frau in der Partei (wird zwar von einigen Leuten als Störfeuer der Armee betrachtet, aber der türkische Geheimdienst der solche Operationen durchführt war fest in der Hand der AKP). Hinzu kam dann auch die Unterstützung der Türkei für Jihadisten in Syrien und im Irak, welche sich sehr konsequent gegen die dort lebenden Kurden richteten. Das war natürlich kein positives Zeichen für eine neue und gesunde Kurdenpolitik Ankaras. Danach kam der Wahlerfolg der HDP, welcher Erdogan dann dazu zwang alle Masken fallen zu lassen. Von da an, suchte Erdogan die direkte Konfrontation. Die Anschläge in der Türkei (u.a. in Diyarbakir, Ankara und Suruc) die sich allesamt gegen prokurdische Gruppen richteten, liessen dann das Fass überlaufen.

2. Nicht "die irakischen Kurden" pflegen "gute" Beziehungen (diese Beziehungen muss man differenziert betrachten) zu Erdogan, sondern die stimmenstärkste Partei im Parlament der Autonomen Region Kurdistan (welches jedoch seit 2 Jahren ausgesetzt ist), die Demokratische Partei Kurdistans kurz DPK bzw. PDK.

3. Der Titel dieses Strangs (den Sie gewählt haben) ist reine Panikmache und zudem nicht richtig. Ob die Kurden ein Referendum durchführen oder unabhängig werden oder auch nicht, hätte rein gar nichts am bestehenden Chaos im sogenannten Irak geändert. Denn der nächste absehbare Bürgerkrieg im "Irak" findet schon längst statt. Es dürfte wohl niemandem entgangen sein, dass die schiitischen Milizen in Mosul nicht als Befreier betrachtet werden, vielleicht auch deshalb weil man sich nicht grundlegend vom IS unterscheidet. Vor einiger Zeit wurden hierzu Bilder von Ali Arkady veröffentlicht, die belegen wie schiitische Milizen gegen Sunniten in Mosul vorgehen. Die Einnahme von Mosul seitens der Schiiten und die Flucht des IS wird die irakischen Sunniten nur noch weiter anheizen. Ob dann der Widerstand gegen das derzeit schiitische Baghdad säkular-nationalistisch oder wieder jihadistisch orientiert sein wird spielt kaum eine Rolle - einen Bürgerkrieg wird es so oder so geben. Und die Kurden sind unabhängig davon ob man ein Referendum durchführt oder auch nicht in keinster Weise bereit ihre Gebiete den schiitischen Milizen zu überlassen. Aber es sind Letztere die seit geraumer Zeit den Konflikt suchen. Es ist der expandierende schiitische Halbmond der die Balance stört und immer neue Bürgerkriege herbei schwört. Das natürlich auch ein Kurdenstaat ein gewisses Konfliktpotential (im Iran und der Türkei) auf lange Sicht mit sich bringt sollte nicht verschwiegen werden, aber auch ohne die Unabhängigkeit der Kurden im Irak wird die Kurdenfrage im Iran und in der Türkei immer wieder aufflackern. So ist das nunmal mit dem Kolonialismus. Man kann nicht erwarten eine Minderheit zu knechten, ohne dabei auf eine Gegenwehr zu stossen.

Und nun wieder zum eigentlichen Thema:

Ein unabhängiger Kurdenstaat im Nahen Osten ist längst fällig. Die Kurden gelten derzeit als das größte Volk ohne eigenen Staat. Die Nachricht vom Referendum war natürlich für die Mehrheit aller Kurden eine großartige Nachricht (mich miteingeschlossen). Nichtsdestotrotz sollte man auch bei all der Euphorie nüchtern bleiben und sich die Frage stellen ob danach auch wirklich der entscheidende Schritt zur Unabhängigkeit vollzogen werden kann. Denn es sieht wohl danach aus als ob das Referendum ein Alleingang der Kurden war, der wenn überhaupt nur hinter verschlossenen Türen von den beiden Weltmächten toleriert wurde. Eine offizielle Unterstützung seitens beider Staaten habe ich bisher noch nicht wahrgenommen (vielleicht hat hier jemand mehr Infomationen?). Auf der anderen Seite muss man noch erwähnen, dass das Referendum weder von den Türken noch den Iranern begrüßt wird. Hinzu kommt die Ablehnung seitens der schiitischen Zentralregierung für das Referendum. Die letzten Monate wurde zwar intensiv zwischen Erbil und Baghdad verhandelt - eine Einigung konnte aber nicht erzielt werden. Das große Streitthema sind natürlich die disputed areas, die eigentlich nach Artikel 140 der irakischen Verfassung dafür stimmen sollten ob sie Teil der Autonomen Region Kurdistan sein wollen, oder nicht. Dabei handelt es sich um rohstoffreiche Gebiete in den Provinzen Diyala und Kerkûk, und geostrategisch wichtigen Gebieten in der Provinz Niniveh. Baghdad hatte die Implementierung dieses Artikels so lange aufgeschoben bis es aus ihrer Sicht auslief. Das Zurücksetzen der Arabisierungspolitik in diesen Gebieten (das von den vielen Regierungen zuvor durchgeführt wurde) wurde ebenfalls von Seiten der Zentralregierung nicht durchgeführt, die Kurden mussten das mehr oder weniger mit viel Druck durchsetzen, obwohl es ebenfalls Bestand des Artikel 140 der irakischen Verfassung war. Kerkûk das als eine der erdölreichsten Regionen der Welt gilt war stets ein Unruheherd in den arabisch-kurdischen Beziehungen. Historisch gesehen ist die Stadt Kurdisch geprägt, so war es zumindest über Jahrhunderte hinweg während der Osmanenherrschaft. Das ist leicht belegbar.

Nichtsdestotrotz wirft die Ausrufung des Termins viele Fragen auf. Das die unmittelbaren Nachbarn einem Referendum und einer Unabhängigkeit negativ gegenüber stehen war absehbar, aber dass die internen Konflikte in der Autonomieregion weiterhin nicht beigelegt wurden ist sehr kritisch. Fakt ist nunmal, dass das Parlament wegen politischer Differenzen (bezüglich den Machtkompetenzen zwischen Parlament und dem Präsidenten) seit 2 Jahren ausgesetzt ist. Seit Anfang 2014 befindet sich die Region zudem in einer enormen finanziellen Krise. Regierungsbeamten wurden und werden die Gehälter seit dieser Zeit nicht regelmäßig und dazu nur stark reduziert bezahlt. Vier Monatsgehälter wurden gar nicht ausgezahlt (September bis Dezember 2014). Fast alle großen Projekte wurden ausgesetzt - kurzum, das Land befindet sich im wirtschaftlichen Stillstand. Die wirtschaftliche Inkompetenz (extreme Abhängigkeit vom Öl) und der Nepotismus sind hierfür die Auslöser, aber auch die schlechten Beziehungen zu Baghdad (die auf beidseitigen Fehlern entstanden). Viele kritische Stimmen im Land betrachten das Referendum nur als eine Ablenkung der inneren Probleme - ganz abwägig scheint dies nicht zu sein. Die zwei großen Oppositionsparteien (Change-Movement und die Union der islamischen Parteien) beteiligten sich beispielsweise nicht am gestrigen Meeting, als der Termin für das Referendum beschlossen wurde.

Die große Frage bleibt zudem ob ein erfolgreiches Referendum (und davon kann man ausgehen) überhaupt den weg zur Unabhängigkeit ebnen kann. Am Ende des Tages wird nämlich nicht der Wille der kurdischen Wähler entscheidend sein, sondern ob die Weltgemeinschaft angeführt von den beiden Weltmächten der Aufbrechung von Sykes-Picot zustimmt. Und ob ein Kurdenstaat einen Nutzen in dieser Chaosregion hat.

Wovon man ausgehen darf ist, dass sowohl die politische Elite als auch die Mehrheitsgesellschaft weit entfernt zum islamistischen Extremismus stehen. Auf der anderen Seite ist Kurdistan innenpolitisch mitnichten ein Hort der Demokratie. Der angesprochene Nepotismus ist erzeit schwer überwindbar. Aber ein Zusammenhalten von künstlichen Staaten die Minderheiten unterdrücken und für weitere große Konflikte sorgen dürfte wohl auch keine Alternative sein. Das die Kurden weiterhin der Willkür Baghdads ausgesetzt wären, wäre keine Alternative. Mit der Loslösung der Kurden aus dem Irak wäre zumindest schon eine winzige Baustelle welche uns die Franzosen und Briten hinterlassen haben beendet.
Guter Post, aber Nr 2 stammt nicht von mir^^
Und was 1. angeht hatte mich meine Erinnerung also nicht getrübt, die Spirale der Gewalt begann mit der Ermordung 2er Polizisten durch die PKK.

Zu 3 und Rest
Sehr pro kurdisch und sehr optimistisch, meinen Segen hat ein kurdischer Staat, aber ohne Gewalt wird es ihn nicht geben.
Wenn ich einen Vogel sehe der wie eine Ente watschelt und wie eine Ente schwimmt und wie eine Ente quakt dann nenne ich ihn eine Ente. Und wenn der Vogel dementiert eine Ente zu sein ist es eine russische Ente.
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von H2O »

Alexyessin hat geschrieben:(08 Jun 2017, 12:41)

Erdogan hat Anfangs einen kurdenfreundlicheren Stil gefahren und hat dann wieder abprubt alte Schiene gefahren, vor allem nachdem die Kurdenpartei HDP so stark wurde.
Das scheint mir auch der Ausgangspunkt des Kampfes gegen die PKK zu sein, nachdem es lange Zeit kaum ernsthafte Kämpfe mit der PKK gegeben hatte. Die HDP wurde zu einer wählbaren Gruppierung für nahezu alle Türken, die nicht unbedingt eine islamistische Partei als Staatspartei wünschten. Diese Partei gefährdete das Projekt einer islamistischen Türkei.

Da war einmal die heimliche türkische Unterstützung des IS und anderer islamistischer Gruppen, mit deren Hilfe Erdogan seinen Feind Assad beseitigen wollte. Und der IS hatte nichts Besseres zu tun, als sich gegen Kurden und andere mißliebige / unbotmäßige Gruppen Syriens zu wenden.

Dann die Schlacht um den kurdischen Brückenkopf Kobane, die dem siegreichen IS wohl freien Zugang zur Türkei erlaubt hätte. Und keine türkische Hilfe für die bedrängten Kurden dort. Da haben eingesickerte türkische PKK-Kämpfer die Wende gebracht. Dann ein Anschlag auf eine Versammlung junger HDP-Aktivisten, vermutlich von Erdogans Geheimdienst inszeniert, und dann die Morde an türkischen Polizisten durch PKK-Extremisten. Da ist eine ganz große Grauzone der Verantwortlichkeiten entstanden, auch mit Blick auf türkische Verbündete, die ihrerseits auf Abstand gingen.

Dann noch die Fehleinschätzung des russischen Einsatzes. Die wollen ihren Brückenkopf am Mittelmeer und lassen dafür Assad & Co. walten. Und die Russen werden, so ist zu vermuten, gar nichts gegen die Kurden Syriens unternehmen, wenn die nicht den russischen Brückenkopf unter Druck setzen. Warum sollten sie... das wäre strategisch ziemlich dämlich.

Die USA sehen die Kurden als ihren wesentlichen Verbündeten gegen den IS in Syrien. Die USA haben den Ausdehnungsgelüsten Assads zu Lasten der Kurden eine ganz rüde Abfuhr erteilt, und die Türken sehr klar aufgefordert, sich aus dem Kampf gegen den IS und aus dem Vormarsch nach Rakka heraus zu halten, weil der Kampf gegen den IS türkischerseits nahtlos in einen Kampf gegen die syrischen Kurden über zu gehen schien.

Auch scheinen die türkischen Streitkräfte nach dem merkwürdigen Putsch durch Verhaftungen bewährter Soldaten geschwächt zu sein; jedenfalls waren sie nicht besonders erfolgreich im Kampf gegen den IS.

Und nun werden die Kurden Syriens von den USA mit schweren Waffen zum Kampf gegen den IS ausgerpüstet und in deren Einsatz sicher auch geschult.

Am Ende könnten in Syrien zwei weltlich ausgerichtete Herrschaftsgebiete entstehen; nämlich einmal der russische Brückenkopf mit Assad als Statthalter und dazu ein kurdisch-arabisches Herrschaftsgebiet unter dem Schutz der USA.... ganz genau das Gegenteil von dem, was Erdogan für erträglich hielt.

Die türkische PKK könnte die Gruppierung sein, die nun das Bindeglied zwischen den Kurden Syriens und Iraks bildet, und das mit wohlwollender Duldung der USA, Rußlands und auch der EU (D & F)... vielleicht sogar Irans. Letzterer ist sicher übel geweckt worden mit Terroranschlägen des IS auf das iranische Parlament. Da dürfte der gemeinsame Feind IS als Kitt wirken.

Das Ding ist politisch ziemlich dumm gelaufen für Erdogan & Co.. Ein merkwürdiger Stratege!
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von King Kong 2006 »

Adam Smith hat geschrieben:(08 Jun 2017, 06:31)

In Bezug auf den Irak hängt es primär vom Iran ab.
Der Iran ist in dieser Frage in der Tat ein wichtiger Faktor. Noch ist die KRG ein Teil des Iraks. Dieser wird - noch - offiziell anerkannt. In den Grenzen, die er hat. Die Führung in Bagdad ist maßgeblich mit Politikern und Fraktionen vertreten, die z.T., nicht alle, gute, bis sehr gute Beziehungen zu Teheran haben. Man war Kriegsallierter im Irak-Iran Krieg. Viele flüchteten in den Iran, die jetzt hohe Positionen im Irak innehaben. Die Armee und ihre mindestens gleichstarken schiitischen Milizen sind eng verwoben, mit z.T. nicht klaren Beziehungen zum Iran. Über den Irak, über die Zentralregierung hat der Iran sehr große Einflußmöglichkeiten im Irak und somit auch in Richtung KRG, das immer noch nominell Bestandteil Iraks ist.

Die KRG selbst hat auch z.T. enge Beziehungen zum Iran. Seit Kriegszeiten mit und gegen Saddam.

Aufhalten kann das die Entwicklung wohl aber nicht. Das sieht man schon daran, daß die Türkei anfängt Wallanlagen um sich herum zu bauen. Das tut man nicht, wenn sich etwas bedrohlich, unkalkulierbares in der Nachbarschaft entwickelt. Ein Zeichen, daß Ankara davon ausgeht, daß langfristig ein Kurdenstaat bzw. eine quasi-Autonomie nicht aufhalten lässt.
Wenn man zuviel weiß, wird es immer schwieriger, einfache Entscheidungen zu treffen.
Wissen stellt eine Barriere dar, die einen daran hindert, etwas in Erfahrung zu bringen.
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Yossarian »

Die Nachrichten des Tages bestätigen meinen Standpunkt:

Turkey says Iraqi Kurdish independence vote a 'terrible mistake'
http://www.reuters.com/article/us-midea ... ld+News%29

Widerstand der irakischen Regierung
Wenn ich einen Vogel sehe der wie eine Ente watschelt und wie eine Ente schwimmt und wie eine Ente quakt dann nenne ich ihn eine Ente. Und wenn der Vogel dementiert eine Ente zu sein ist es eine russische Ente.
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von relativ »

Kardux hat geschrieben:(08 Jun 2017, 16:30)

Dafür, dass Sie sich nicht 100 % sicher sind, behaupten Sie in diesem Strang aber jede Menge Sachen. Seis drum.

1. Entgegen Ihrer Behauptung (welches den AKP-Standpunkt vertritt), war es Erdogan der die Spirale der Gewalt im eigenen Land benötigte und somit suchte. Der Mord an den zwei türkischen Polizisten war eine Falle, in welche die PKK, so hitzköpfig und kurzsichtig wie ihre Schalthebel nunmal sind, geradeaus getappt ist. Man braucht sich aber keine Illusionen zu machen - Erdogan hätte sowieso einen Grund gefunden für seinen Feldzug gegen die Kurden. Diese Falle von der ich hier schreibe beinhaltet natürlich den abrupten Abbruch der Friedensverhandlungen zwischen der PKK (die von Öcalan vertreten wurde) und der AKP (dem Geheimdienstchef Hakan Fidan). Die AKP wollte angeblich eine Übereinkunft mit der PKK erzielen, ohne dann im Verlauf der Verhandlungen Zugeständnisse zu machen. Eine Generalamnestie für PKK-Kämpfer in den Bergen wurde rigoros abgelehnt - desweiteren unternahm Erdogan nichts um den den Kurden einen offiziellen Status als anerkannte Minderheit zu verleihen. Gleichzeitig aber liess die AKP im Südosten Kasernen bauen und ausbauen. Und das lange vor der Ermordung der zwei türkischen Polizisten. Auch lange vor der Ermordung dieser zwei Männer wurden in Paris drei wichtige PKK-Kader ermordet. Darunter Sakine Cansiz, eine Mitbegründerin der PKK und als enge Vertraute von Öcalan die wichtigste Frau in der Partei (wird zwar von einigen Leuten als Störfeuer der Armee betrachtet, aber der türkische Geheimdienst der solche Operationen durchführt war fest in der Hand der AKP). Hinzu kam dann auch die Unterstützung der Türkei für Jihadisten in Syrien und im Irak, welche sich sehr konsequent gegen die dort lebenden Kurden richteten. Das war natürlich kein positives Zeichen für eine neue und gesunde Kurdenpolitik Ankaras. Danach kam der Wahlerfolg der HDP, welcher Erdogan dann dazu zwang alle Masken fallen zu lassen. Von da an, suchte Erdogan die direkte Konfrontation. Die Anschläge in der Türkei (u.a. in Diyarbakir, Ankara und Suruc) die sich allesamt gegen prokurdische Gruppen richteten, liessen dann das Fass überlaufen.

2. Nicht "die irakischen Kurden" pflegen "gute" Beziehungen (diese Beziehungen muss man differenziert betrachten) zu Erdogan, sondern die stimmenstärkste Partei im Parlament der Autonomen Region Kurdistan (welches jedoch seit 2 Jahren ausgesetzt ist), die Demokratische Partei Kurdistans kurz DPK bzw. PDK.

3. Der Titel dieses Strangs (den Sie gewählt haben) ist reine Panikmache und zudem nicht richtig. Ob die Kurden ein Referendum durchführen oder unabhängig werden oder auch nicht, hätte rein gar nichts am bestehenden Chaos im sogenannten Irak geändert. Denn der nächste absehbare Bürgerkrieg im "Irak" findet schon längst statt. Es dürfte wohl niemandem entgangen sein, dass die schiitischen Milizen in Mosul nicht als Befreier betrachtet werden, vielleicht auch deshalb weil man sich nicht grundlegend vom IS unterscheidet. Vor einiger Zeit wurden hierzu Bilder von Ali Arkady veröffentlicht, die belegen wie schiitische Milizen gegen Sunniten in Mosul vorgehen. Die Einnahme von Mosul seitens der Schiiten und die Flucht des IS wird die irakischen Sunniten nur noch weiter anheizen. Ob dann der Widerstand gegen das derzeit schiitische Baghdad säkular-nationalistisch oder wieder jihadistisch orientiert sein wird spielt kaum eine Rolle - einen Bürgerkrieg wird es so oder so geben. Und die Kurden sind unabhängig davon ob man ein Referendum durchführt oder auch nicht in keinster Weise bereit ihre Gebiete den schiitischen Milizen zu überlassen. Aber es sind Letztere die seit geraumer Zeit den Konflikt suchen. Es ist der expandierende schiitische Halbmond der die Balance stört und immer neue Bürgerkriege herbei schwört. Das natürlich auch ein Kurdenstaat ein gewisses Konfliktpotential (im Iran und der Türkei) auf lange Sicht mit sich bringt sollte nicht verschwiegen werden, aber auch ohne die Unabhängigkeit der Kurden im Irak wird die Kurdenfrage im Iran und in der Türkei immer wieder aufflackern. So ist das nunmal mit dem Kolonialismus. Man kann nicht erwarten eine Minderheit zu knechten, ohne dabei auf eine Gegenwehr zu stossen.

Und nun wieder zum eigentlichen Thema:

Ein unabhängiger Kurdenstaat im Nahen Osten ist längst fällig. Die Kurden gelten derzeit als das größte Volk ohne eigenen Staat. Die Nachricht vom Referendum war natürlich für die Mehrheit aller Kurden eine großartige Nachricht (mich miteingeschlossen). Nichtsdestotrotz sollte man auch bei all der Euphorie nüchtern bleiben und sich die Frage stellen ob danach auch wirklich der entscheidende Schritt zur Unabhängigkeit vollzogen werden kann. Denn es sieht wohl danach aus als ob das Referendum ein Alleingang der Kurden war, der wenn überhaupt nur hinter verschlossenen Türen von den beiden Weltmächten toleriert wurde. Eine offizielle Unterstützung seitens beider Staaten habe ich bisher noch nicht wahrgenommen (vielleicht hat hier jemand mehr Infomationen?). Auf der anderen Seite muss man noch erwähnen, dass das Referendum weder von den Türken noch den Iranern begrüßt wird. Hinzu kommt die Ablehnung seitens der schiitischen Zentralregierung für das Referendum. Die letzten Monate wurde zwar intensiv zwischen Erbil und Baghdad verhandelt - eine Einigung konnte aber nicht erzielt werden. Das große Streitthema sind natürlich die disputed areas, die eigentlich nach Artikel 140 der irakischen Verfassung dafür stimmen sollten ob sie Teil der Autonomen Region Kurdistan sein wollen, oder nicht. Dabei handelt es sich um rohstoffreiche Gebiete in den Provinzen Diyala und Kerkûk, und geostrategisch wichtigen Gebieten in der Provinz Niniveh. Baghdad hatte die Implementierung dieses Artikels so lange aufgeschoben bis es aus ihrer Sicht auslief. Das Zurücksetzen der Arabisierungspolitik in diesen Gebieten (das von den vielen Regierungen zuvor durchgeführt wurde) wurde ebenfalls von Seiten der Zentralregierung nicht durchgeführt, die Kurden mussten das mehr oder weniger mit viel Druck durchsetzen, obwohl es ebenfalls Bestand des Artikel 140 der irakischen Verfassung war. Kerkûk das als eine der erdölreichsten Regionen der Welt gilt war stets ein Unruheherd in den arabisch-kurdischen Beziehungen. Historisch gesehen ist die Stadt Kurdisch geprägt, so war es zumindest über Jahrhunderte hinweg während der Osmanenherrschaft. Das ist leicht belegbar.

Nichtsdestotrotz wirft die Ausrufung des Termins viele Fragen auf. Das die unmittelbaren Nachbarn einem Referendum und einer Unabhängigkeit negativ gegenüber stehen war absehbar, aber dass die internen Konflikte in der Autonomieregion weiterhin nicht beigelegt wurden ist sehr kritisch. Fakt ist nunmal, dass das Parlament wegen politischer Differenzen (bezüglich den Machtkompetenzen zwischen Parlament und dem Präsidenten) seit 2 Jahren ausgesetzt ist. Seit Anfang 2014 befindet sich die Region zudem in einer enormen finanziellen Krise. Regierungsbeamten wurden und werden die Gehälter seit dieser Zeit nicht regelmäßig und dazu nur stark reduziert bezahlt. Vier Monatsgehälter wurden gar nicht ausgezahlt (September bis Dezember 2014). Fast alle großen Projekte wurden ausgesetzt - kurzum, das Land befindet sich im wirtschaftlichen Stillstand. Die wirtschaftliche Inkompetenz (extreme Abhängigkeit vom Öl) und der Nepotismus sind hierfür die Auslöser, aber auch die schlechten Beziehungen zu Baghdad (die auf beidseitigen Fehlern entstanden). Viele kritische Stimmen im Land betrachten das Referendum nur als eine Ablenkung der inneren Probleme - ganz abwägig scheint dies nicht zu sein. Die zwei großen Oppositionsparteien (Change-Movement und die Union der islamischen Parteien) beteiligten sich beispielsweise nicht am gestrigen Meeting, als der Termin für das Referendum beschlossen wurde.

Die große Frage bleibt zudem ob ein erfolgreiches Referendum (und davon kann man ausgehen) überhaupt den weg zur Unabhängigkeit ebnen kann. Am Ende des Tages wird nämlich nicht der Wille der kurdischen Wähler entscheidend sein, sondern ob die Weltgemeinschaft angeführt von den beiden Weltmächten der Aufbrechung von Sykes-Picot zustimmt. Und ob ein Kurdenstaat einen Nutzen in dieser Chaosregion hat.

Wovon man ausgehen darf ist, dass sowohl die politische Elite als auch die Mehrheitsgesellschaft weit entfernt zum islamistischen Extremismus stehen. Auf der anderen Seite ist Kurdistan innenpolitisch mitnichten ein Hort der Demokratie. Der angesprochene Nepotismus ist erzeit schwer überwindbar. Aber ein Zusammenhalten von künstlichen Staaten die Minderheiten unterdrücken und für weitere große Konflikte sorgen dürfte wohl auch keine Alternative sein. Das die Kurden weiterhin der Willkür Baghdads ausgesetzt wären, wäre keine Alternative. Mit der Loslösung der Kurden aus dem Irak wäre zumindest schon eine winzige Baustelle welche uns die Franzosen und Briten hinterlassen haben beendet.
Bedanke mich auch für den detaillierten Bericht. Da sind so einige Facetten drin, die ich bei meiner bisherigen Betrachtung nicht im Focus hatte.
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Welfenprinz »

@kardux: dieser “schiitische Halbmond“ ist doch ein geographisch ungefähr fassbarer Raum. Wäre denn wenn unter Führung Teherans dieses kontrolliert wird so etwas wie ein Ende der Konfliktfahnenstange erreicht?
Oder würde der Iran immer weiter machen und mehr Gebiete kontrollieren wollen?
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Kardux »

Welfenprinz hat geschrieben:(09 Jun 2017, 21:00)

@kardux: dieser “schiitische Halbmond“ ist doch ein geographisch ungefähr fassbarer Raum. Wäre denn wenn unter Führung Teherans dieses kontrolliert wird so etwas wie ein Ende der Konfliktfahnenstange erreicht?
Oder würde der Iran immer weiter machen und mehr Gebiete kontrollieren wollen?
Eine sehr berechtigte Frage - denn sie ist sehr entscheidend für den weiteren Kriegs bzw. Friedensprozeß im Nahen Osten. Ich finde, dass dem Begriff speziell in den Massenmedien zu wenig Beachtung geschenkt wird.

Entscheidend bei diesem Thema ist die Tatsache, dass der Begriff keine Eigenbezeichnung der Schiiten ist. Dementsprechend ist die Konnotation des Begriffs Schiitischer Halbmond warnend und alarmierend. Geprägt wurde der Begriff vom jordanischen König, der im Angesicht des Sturzes von Saddam nur mehr aussprach, was jedem klar war. Der Iran sollte das politische Vakuum in Baghdad nutzen und das Land kontrollieren. Mit dem Umsturz Saddams brachen somit alle Dämme.

Genau weil der Begriff keine Eigenbezeichnung ist kann man auch schwer von einem geographisch fassbaren Raum sprechen. Nichtsdestotrotz ist ungefähr von einem Gebiet die Rede das im Osten Saudi Arabiens (wo die größten Erdölvorkommen liegen) und Bahrains liegt, weiters den Iran umfasst und sich weiter über den Nordirak (wo keine Schiiten leben), Nordsyrien (wo auch keine Schiiten leben), Südwestsyrien bis in den Libanon (wo auch nur ca. 30 % Schiiten leben) erstreckt.

Der Iran als Führungsmacht der Schiiten lehnt zumindest offiziell den Schiitischen Halbmond ab. Aber die Khomeini-Doktrin und die Außenpolitik Tehrans seit 1979 belegt das Gegenteil. Khomeini beispielsweise behauptete einst:
We shall export our revolution to the whole world. Until the cry 'There is no god but Allah' resounds over the whole world, there will be struggle.
Im Grunde liest sich das wie ein Aufruf zur Islamisierung der ganzen Welt, aber sowohl seine Revolution als auch seine Vorstellung vom Islam sind schiitisch geprägt und somit nicht vertretbar für die Mehrheit der Muslime (die Sunniten sind). Schon sein Aufruf, dass überall auf der Welt der erste Satz des al-Shahada (= das Glaubensbekenntnis zum Islam und erste der fünf Säulen im Islam) erklingen solle, leitet zu einer Differenzierung hin. Immerhin unterscheidet sich das wichtige al-Shahada bei Sunniten (bei denen man sich nur zu Gott und seinen Propheten Mohamed bekennt) und Schiiten (die Ali hinzufügen).

Die Repolitisierung des Islams, welche Khomeini befeuert hat, entfachte somit synchron dazu auch den Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten. Der jordanische König, der als direkter Nachfahre Mohameds zum sunnitischen Lager gehört, bezog sich mit dem "Halbmond" auf die Einflusssphäre Tehrans. Aber der Halbmond kann auch als Metapher verstanden werden - der Anfang einer Ausbreitung. Und das bestätigt nunmal die Aussenpolitik der Iraner. Schon zu Khomeinis Zeiten wurde die libanesische Hizbollah gegründet und die irakisch-schiitische Dawa Partei (die heute den Irak regiert) intensiv unterstützt und somit der Grundstein für die Expandierung der schiitisch-islamischen Revolution gelegt. Heute kontrolliert die Hizbollah fast den ganzen Libanon - die Orientchristen im Land hat man größtenteils für sich gewinnen können (weil die Hizbollah als militärisch und finanziell stärkste Gruppe Druck erzeugt) und marginalisiert immer mehr die Sunniten im Land. Es ist nur eine Frage der Zeit bis es auch dort wieder zu einem bewaffneten Konflikt kommt. Im Irak brauch ich wohl nicht die Rolle der Schiiten beschreiben. Das Erstarken des IS in den sunnitischen Gebieten wäre ohne Malikis Politik (der während Saddams Zeit eine führende Figur der Dawa Partei war und heute die rechte Hand des iranischen Generals Soleimani im Irak ist) nicht in dem Ausmass möglich gewesen. Derzeit versuchen schiitische Milizen die Machtverhältnisse im Norden des Iraks wieder zu ihren Gunsten zu verändern - das geht natürlich mit einer Einschüchterung der sunnitischen Bevölkerung (welche die erdrückende Mehrheit im Norden ist) einher und einer langsamen Veränderung der Demographie. Gleichzeitig übt der Iran im Nordirak auch Druck auf die Kurden aus - gründet und mobilisiert immer mehr bewaffnete Milizen in den Gebieten die an die Autonome Region Kurdistan grenzen. In Syrien hält man nun seit Jahren Assad am Leben ist aber auch damit nicht zufrieden. Anders als Russland drängt der Iran daraufhin, dass Assad wieder alle "seine" (die syrischen) Gebiete zurück erobert. Nachdem die sunnitische Hochburg Aleppo erobert wurde, fokusierte sich Assad auf die nächste sunnitische Hochburg - Idlib. Bis die USA ein Zeichen setzten.

Gleichzeitig unterstützt der Iran im Jemen die schiitischen Houthis. Der ganze Jemen soll in ihre Hände fallen (und somit in die Tehrans), obwohl die Schiiten im Jemen nicht die Mehrheit stellen. Im israelisch-arabischen Territorialstreit mischt man auch gewaltig mit, auch deshalb um seinen Führungsansprüchen "gerecht" zu werden. Das kann als eine Überzeugungsarbeit angesehen werden um muslimische Herzen zu gewinnen (selbst wenn sie sunnitisch sind). Der schiitische Iran kämpft um Quds (Jerusalem) gegen die Zionisten, während die meisten sunnitischen Eliten mit den Zionisten an einem Tisch sitzen - so sieht sich Tehran am liebsten.

Um Ihre Frage direkt zu beantworten. Nein, die Expansionslust der Iraner wird (solange die Mullahs regieren) schwer zu stillen sein. Man wird natürlich nicht die Vision Khomeinis realisieren (die ganze Welt islamisieren) aber man schielt sehr wohl auf die Kontrolle des gesamten Nahen Ostens. Die Perser haben eben hohe Ansprüche - ihr antikes Imperium zählte zumindest zu den größten der Menschheitsgeschichte. Der Iran möchte seine Hegemonie in der Region ausweiten und immer mehr Gebiete kontrollieren um im Machtkampf mit den Saudis das wahabitische Königshaus zu isolieren. Das ultimative Ziel Tehrans sind natürlich die schiitisch besiedelten Gebiete im Osten Saudi Arabiens, wo die größten Erdölvorkommen der Welt lagern. Ich halte es zwar nicht für möglich (weil Russland und die USA das niemals tolerieren könnten), aber wenn solch ein Szenario eintreten würde, dann könnte Tehran mehr oder weniger den Export von den riesigen Ölfeldern im heutigen Ostsaudiarabien, Südirak, Westiran bestimmen. Man würde zwar nicht das ganze Öl für sich einsacken können, aber zumindest den Preis diktieren. Mit dem Wegfall des finanziell potenten saudischen Königshaus würden zudem auch die rohstoffreichen Zwergstaaten am persischen Golf in Bedrängnis kommen. Ja, so könnte der Iran auf einen Schlag zu einer Weltmacht aufsteigen.

Ja, der Iran mit seinen Großmachtsansprüchen stört empfindlich das Gleichgewicht und den Frieden im Nahen Osten.
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Welfenprinz »

Oder er würde Frieden und Gleichgewicht erst bringen.....wenn er seine Ziele erreicht hat. :eek:
Ist ne obskure Vorstellung für die meisten. Ich bin der Überzeugung,dass es sich in der Richtung entwickeln wird.

Dass der Begriff “schiitischer Halbmond“ nicht dem dortigen,üblichen Sprachgebrauch entspricht,war mir klar,ich habs der Einfachheit -genau wie die Vorstellung eines geographisch umrissenen Raums- als wikiwissen übernommen und deswegen nachgefragt.

Ich denke es ist wichtig, Khomeini und seine Revolution primär als eine nationalistische und erst sekundär als eine religiöse zu sehen. An dieser Einordnung sind seit 1977 sowohl der Ostblock als auch der Westen gescheitert.
Das ehemalige Perserreich hatte seine Gebietsausdehnung ja durchaus auch auf der anderen Seite des Persischen Meeres. Oman und noch einige andere Gebiete.
Okay,es geht also in Richtung Xerxes reloaded. ;)
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Kardux »

Yossarian hat geschrieben:Guter Post, aber Nr 2 stammt nicht von mir^^
Ja, Nr. 2 stammt eigentlich vom User "Platon". Ich wollte seine Aussage (die im Kern ja stimmt) nur ein wenig präzisieren. Aber auch dieser Punkt kam zustande, weil Sie die Beziehungen zwischen der PDK und der AKP infrage gestellt haben. Diese sind, unabhängig vom offiziellen Standpunkt der Türken bezüglich zum Referendum, jedoch vorhanden.

Aber wie bereits gesagt, haben Sie im Bezug auf das Referendum und die türkische Meinung dazu nicht ganz unrecht. Auf der einen Hand pflegt die AKP Beziehungen zu Teilen der Südkurden (Kurden im Irak), dann wiederum lehnt man einen Kurdenstaat unter deren Führung kategorisch ab (zumindest offiziell). Für mich ist die medial präsentierte Ablehnung jedoch der ultimative Beweis für die Kurdophobie der Türkei, sprich seiner Mehrheitsgesellschaft. Entgegen der Behauptung, dass die Türkei kein Problem mit dem kurdischen Volk hat und nur einen Kampf gegen eine Terrororganisation führt (PKK), zeigt die Ablehnung zum Unabhängigkeitsreferendum, dass man das Selbstbestimmungsrecht der Kurden als Ganzes ablehnt.

Es könnte aber auch sein, dass Erdogan in Wahrheit einem pro-türkischen Kurdenstaat nicht abgeneigt ist, erst Recht nicht nachdem er erkannt hat das die USA die Kurden nicht komplett fallen lassen. Irgendwie muss er sich wohl mit der Situation arrangieren. Es ist quasi ein ständiges Lavieren von allen Seiten (auch von den USA). Das er jedoch im Moment, wo er einen türkisch-nationalistischen Weg eingeschlagen hat, sich nicht offen für kurdisches Selbstbestimmungsrecht aussprechen kann, sollte einleuchtend sein. Aber wirkliche Präventivmaßnahmen gegen die Unabhängigkeit der Kurden im Irak habe ich bisher noch nicht erkannt. Er könnte beispielsweise die Grenzen schliessen um so Druck auszuüben. Er tut es aber nicht. Das ist natürlich nur eine Annahme und ein Argument von Kurden die gewisse Sympathien für Erdogan hegen. Ich tue es nicht.

Ich persönlich unterstelle Erdogan eine tiefe Abneigung gegenüber einem kurdischen Selbstbewusstsein. Vielleicht auch deshalb weil man noch immer die Illusion hat, dass der Südosten mit seinen wichtigen Wasservorkommen komplett türkisiert werden könnte.
Yossarian hat geschrieben:Und was 1. angeht hatte mich meine Erinnerung also nicht getrübt, die Spirale der Gewalt begann mit der Ermordung 2er Polizisten durch die PKK.
Nach der Ermordung der zwei Polizisten kündigte Erdogan offiziell die Friedensverhandlungen - danach begann sein Feldzug. Aber ich hatte Ihnen ja ausführlich geschrieben, dass viele Sachen noch vor der Ermordung der beiden Polizisten geschahen. Die großen Anschläge in Suruc und Ankara die sich gegen pro-kurdische Gruppen richteten sollten eigentlich auch Ihnen noch in Erinnerung sein.
Yossarian hat geschrieben:Zu 3 und Rest
Sehr pro kurdisch und sehr optimistisch, meinen Segen hat ein kurdischer Staat, aber ohne Gewalt wird es ihn nicht geben.
Ich finde nicht, dass ich im Bezug auf das Referendum sehr optimistisch bin. Ich bin weiterhin der Meinung, dass ein Alleingang, falls es wirklich einer war, fatale Folgen für die Kurden haben könnte. Ich bin aber nicht darüber informiert was die kurdische Führung hinter verschlossenen Türen mit den Russen oder den Amerikanern besprochen hat. Das wird sich aber noch zeigen. Aber selbst wenn beide Weltmächte das OK geben, wären da noch immer die Türken, Perser und Araber die uns isolieren könnten. Das Risiko wird man aber eingehen - eingehen müssen. Wer an einer respektvollen Koexistenz nicht interessiert ist kann nicht erwarten, dass man sich nicht trennt.

Mein Eintreten für kurdisches Selbstbestimmungsrecht kann natürlich als pro-Kurdisch beschrieben werden, aber ich drückte auch den Schotten die Daumen bei ihrem Referendum und so werde ich es auch bei den Katalanen tun. Ich bevorzuge Kleinstaaterei, wenn dies der Wunsch der erdrückenden Mehrheit einer Volksgruppe ist (falls die Rahmenbedingungen dafür gegeben sind). Wie man zur Kleinstaaterei steht kann natürlich variieren, aber als freidenkender und friedliebender Mensch sollte man schon erkennen das im Falle der Kurden eine Unabhängigkeit unabdingbar ist. Die Deportationen, Massaker, Genozide, Assimilationspolitik, und Abstufung der Kurden in den vier Staaten Iran, Türkei, Syrien, und Irak sind keine Alternative - wir werden nicht von Engländern oder Spaniern besetzt. Das "Glück" hatten wir nicht.

-----------

Ein weiterer kritischer Aspekt für die jetzige Terminfestsetzung des Referendums könnte auch das Argument Baghdads sein, dass man jetzt, wo man sich noch im Kampf mit dem IS befindet keine Volksabstimmung in den umstrittenen Gebieten (Kerkuk, Diyala, Niniveh) durchführen kann. Das Referendum würde juristisch gesehen immer angefochten werden, was gar nicht so abwägig ist. Aus kurdischer Sicht hingegen ist die Geduld am Ende. Denn für Baghdad wird es gewiss nie den richtigen Zeitpunkt für ein solches Referendum geben. Eine Ausrede wird sich immer finden.

Ein weiteres Problem ist natürlich auch, wie ich bereits in meinem ersten Beitrag erwähnt, dass das Parlament seit 2 Jahren ausgesetzt ist. Solch eine wichtige Entscheidung wird normal vom Parlament getragen.

Unterm Strich kann ich aber nur sagen, dass uns Kurden die Umstände egal sind wie wir zur Unabhängigkeit gelangen - gerade weil diese alternativlos ist. Es wird keinen geeinten und friedlichen Irak mehr geben. Vielleicht sollten das auch einmal Politiker außerhalb des Nahen Ostens realisieren - allen voran natürlich Sigmar Gabriel...
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Kardux »

Welfenprinz hat geschrieben:(10 Jun 2017, 18:02)

Oder er würde Frieden und Gleichgewicht erst bringen.....wenn er seine Ziele erreicht hat. :eek:
Ist ne obskure Vorstellung für die meisten. Ich bin der Überzeugung,dass es sich in der Richtung entwickeln wird.

Dass der Begriff “schiitischer Halbmond“ nicht dem dortigen,üblichen Sprachgebrauch entspricht,war mir klar,ich habs der Einfachheit -genau wie die Vorstellung eines geographisch umrissenen Raums- als wikiwissen übernommen und deswegen nachgefragt.

Ich denke es ist wichtig, Khomeini und seine Revolution primär als eine nationalistische und erst sekundär als eine religiöse zu sehen. An dieser Einordnung sind seit 1977 sowohl der Ostblock als auch der Westen gescheitert.
Das ehemalige Perserreich hatte seine Gebietsausdehnung ja durchaus auch auf der anderen Seite des Persischen Meeres. Oman und noch einige andere Gebiete.
Okay,es geht also in Richtung Xerxes reloaded. ;)
Ich denke nicht das Frieden und Gleichgewicht geschaffen wird nachdem der Iran seine Ziele erreicht hat - gerade weil diese Ziele so utopisch sind. Wie könnte man erwarten, das die Mehrheit der Muslime (Sunniten) sowas tolerieren würden. Undenkbar.

Immerhin gibt es ja auch noch Ägypten und die Türkei. Und ganz sollte man die Sunniten in Syrien und im Irak auch nicht abschreiben. Wenn die zu einem neuen sunnitischen Staat zusammen wachsen wäre da viel Potential vorhanden.
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Kardux »

Nachdem fast alle Reaktionen zum Referendum im Ausland eher negativ bewertet werden können, kam vor kurzem Unterstützung aus, wie könnte es auch anders sein, Israel.
Voices in Israel have supported Kurdish independence and see potential allies. MK Ksenia Svetlova (Zionist Union) called upon the government to “support the Kurdish nation in its striving for independence and to recognize the results of the referendum.”

Svetlova, a member of the Foreign Affairs and Defense Committee and head of the Knesset Caucus for Strengthening Relations Between the State of Israel and the Kurdish People, said the referendum will be a “turning point for millions of Kurds in Iraq and around the globe. For the first time in modern history they will have a real chance for sovereignty and freedom.”
http://www.jpost.com/Middle-East/Kurdis ... dum-496343

Ammar Hakim, ein schiitischer Führer im Irak sprach sich vor zwei Monaten ebenfalls gegen die kurdische Unabhängigkeit aus, und erwähnte nebenbei, dass kein Staat Kurdistan anerkennen würde - außer natürlich Israel.
An independent Kurdistan will create a “political tsunami” whose waves will be felt across the entire region and no country except Israel will recognize it if declared today. Iraq is not ready to give consent to a Kurdish independence referendum for now, and should Kurds follow through with independence, it may unleash a storm that encourages Sunni and Shiite areas to follow suit creating several Iraqs, Iraq’s influential Shiite leader Ammar al-Hakim said in an interview aired on Wednesday.

The Shiite leader, whose Shiite Alliance holds the position of the Iraqi Prime Minister, said that the current and former US administrations have emphasized their commitment to a “united Iraq,” when asked by the Egyptian On Live TV if the US may recognize an independent Kurdistan.

He said that the Kurds can choose which way they take, the example of South Sudan which received international recognition because it sought the consent of the central government, or Turkish Cyprus, which lacks any recognition.

Hakim argued that it is not in the interest of Arab or Islamic countries in the region to support Kurdish dreams for independence.

“It will spread to the Arab areas, and there are trends and calls in the Sunni areas and Shiite areas, a desire for [creating] regions, but [they] are looking to the example of regions in the Kurdish way," Hakim said.

"The fragmentation of Iraq to five, six, nine, or 15 Iraqs will not stop at the Iraqi borders. This political tsunami will expand to the entire region and we will see dangerous transformations. That is why I do not believe it is in the interest of any Arab or Islamic states who are surrounding Iraq to walk in line with these ambitions.”

No one but Israel will recognize independence.
http://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/21042017
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Welfenprinz »

[quote="Kardux"][url=http://www.politik-forum.eu/viewtopic.p ... 6#p3916896] (11 Jun 2017, 00:16)[/url]

Ich denke nicht das Frieden und Gleichgewicht geschaffen wird nachdem der Iran seine Ziele erreicht hat - gerade weil diese Ziele so utopisch sind. Wenn die zu einem neuen sunnitischen Staat zusammen wachsen wäre da viel Potential vorhanden.[/quote]


Der Iran ist stark genug Fakten zu schaffen,oder? Die saudische Armee kann einem guten Tag ne Calenberger Dorffeuerwehr zum Waffenstillstand auf Augenhöhe bringen.

Der Weg Irans -auch wenn er uns nicht gefällt-in den letzten 30 Jahren ist stringent ,pragmatisch und am machbaren orientiert. Und man ist dabei von Paria zum unverzichtbaren Verhandlungspartner in allen Angelegenheiten der Region geworden. Die werden auch realistisch genug sein ihre Einflussphäre nicht zu überreizen.
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Kardux »

Welfenprinz hat geschrieben:(11 Jun 2017, 08:23)




Der Iran ist stark genug Fakten zu schaffen,oder? Die saudische Armee kann einem guten Tag ne Calenberger Dorffeuerwehr zum Waffenstillstand auf Augenhöhe bringen.

Der Weg Irans -auch wenn er uns nicht gefällt-in den letzten 30 Jahren ist stringent ,pragmatisch und am machbaren orientiert. Und man ist dabei von Paria zum unverzichtbaren Verhandlungspartner in allen Angelegenheiten der Region geworden. Die werden auch realistisch genug sein ihre Einflussphäre nicht zu überreizen.
Natürlich kann der Iran Fakten schaffen, aber die Kapazitäten können auch schnell erschöpft werden. Denn auch wenn der saudischen Armee nicht viel zuzutrauen ist, so könnten sie im Ernstfall ungeahnte Kräfte freisetzen. Da sind zum einen die vielen radikalen Sunniten weltweit, aber auch Staaten wie Pakistan oder vielleicht sogar Ägypten, die nicht zu unterschätzen sind. Immerhin hat es die sunnitische Fraktion geschafft den Iran und seine Verbündeten im Irak und in Syrien sehr lange zu beschäftigen.

Wo wir aber klar unterschiedlicher Meinung sind, ist der Aspekt mit der Überreizung der eigenen Einflusssphären. Genau an diesem Realisismus fehlt es doch allen wichtigen Beteiligten im Nahen Osten. Sei es Erdogan der eine limitierte Türkei (wegen fehlenden Rohstoffen) als Weltmacht herbei reden möchte, Katar den Zwergstaat der unter den Regionalmächten "mitspielen" will, Saudi Arabien die sich als Führungsmacht aller Sunniten sehen ohne eigene militärische Durchschlagskraft, oder aber die Perser die den Schiitismus als Instrument benutzen um den gesamten Nahen Osten zu kontrollieren ohne wirklich zu erkennen das man anhand der ethnischen Diversität im eigenen Land angreifbar wäre.

Also mit Realismus hat das aus meiner Sicht wenig zu tun. Gerade deshalb steht es so gut um den Nahen Osten.
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Welfenprinz »

Wenn auf eins Verlass ist,dann auf die Uneinigkeit der Araber. Meine persönliche Einschätzung der letzten Jahrzehnte. Wenn Saudi-Arabien etwas freisetzen möchte,dann sollten sie die Gelder nicht der amerikanischen rüstungsindustrie hinterherwerfen sondern Teheran als Reparationszahlung für den Überfall in Golfkrieg I anbieten. Wäre wohl existenzsichernder.


Vielleicht beurteile ich Teheran zu positiv(bezüglich des Realismus),kann sein.
Ich hab mir in den letzten 10 Jahren angewöhnt das Gegenteil von dem anzunehmen,was in unseren Medien über Teheran geschrieben wird. Die Steinzeit(mullahs) sitzen in Riad,die modernste Gesellschaft nach Israel in der Region ist der Iran. Sie gefallen uns bloss nicht. -:))
Und am machbaren orientiert haben sie die letzten 40 Jahre Schritt um Schritt gemacht.
Mal sehen ob es in Zukunft so bleibt.
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Kardux »

Welfenprinz hat geschrieben:(12 Jun 2017, 09:11)

Wenn auf eins Verlass ist,dann auf die Uneinigkeit der Araber. Meine persönliche Einschätzung der letzten Jahrzehnte. Wenn Saudi-Arabien etwas freisetzen möchte,dann sollten sie die Gelder nicht der amerikanischen rüstungsindustrie hinterherwerfen sondern Teheran als Reparationszahlung für den Überfall in Golfkrieg I anbieten. Wäre wohl existenzsichernder.


Vielleicht beurteile ich Teheran zu positiv(bezüglich des Realismus),kann sein.
Ich hab mir in den letzten 10 Jahren angewöhnt das Gegenteil von dem anzunehmen,was in unseren Medien über Teheran geschrieben wird. Die Steinzeit(mullahs) sitzen in Riad,die modernste Gesellschaft nach Israel in der Region ist der Iran. Sie gefallen uns bloss nicht. -:))
Und am machbaren orientiert haben sie die letzten 40 Jahre Schritt um Schritt gemacht.
Mal sehen ob es in Zukunft so bleibt.
Ja, dass Sie den Iran zu positiv beurteilen ist mir schon aufgefallen. Liegt es vielleicht noch daran, dass Sie den Iran zu sehr mit der Pahlavi-Dynastie assoziieren? Das die Schalthebel in Riad extrem reaktionär sind und viele Gemeinsamkeiten mit dem IS aufweisen ist wohl keine Diskussion wert - das ist nunmal die Realität. Aber ein Land, dass in Stadtzentren vor den Augen der Massen, Menschen auf Baukränen hängen lässt, ist glaub ich nach gar keiner Definition modern oder auch nur im Ansatz fortgeschritten. Ja, das ist der Iran. Und bezüglich der westlichen Medien muss ich schlichtweg sagen, dass der Iran verhältnismäßig "gut" wegkommt. Die Dutzenden Menschen die jeden Monat im Iran öffentlich hingerichtet werden schaffen es nunmal nicht auf Titelseiten. Wenn in der Türkei wieder 100 Menschen vom Dienst entlassen werden oder ein Journalist festgenommen wird schlägt das größere Wellen. Womit ich natürlich nicht behaupten möchte, dass dies nicht schlimm sei. Die Relation passt halt nicht.

Es bedarf auch keiner westlichen Propaganda um über Missstände im Iran zu sprechen. Das Land hat großen Einfluss im Nahen Osten, baut sein Militär immer weiter aus, hat sich mittlerweile wirtschaftlich unabhängiger gemacht als unter der Shah-Monarchie. Ja, das gewiss. Aber der Iran ist weiterhin eine Autokratie welche die Rechte der Frauen (wenn auch nicht wie in Saudi Arabien) untergräbt. Homosexuelle werden im Iran gnadenlos verfolgt und hingerichtet. Die allgegenwärtige Korruption, die vielen Auslandseinsätze und die Milizen außerhalb des Irans verschlingen viel Geld und Kraft. Hinzu kommt das der Iran als Polizeistaat viel Geld für die "innere Sicherheit" (=Machterhalt der Mullahs) ausgeben muss. Kritischer Journalismus (mal abgesehen vom mutigen Widerstand in den sozialen Medien) existiert im Iran nicht, genausowenig wie eine pluralistische Parteienlandschaft.

Ja, und was soll man zur iranischen Gesellschaft sagen? Es ist eine gefangene Gesellschaft. Gefangen in einer Theokratie die den Menschen ihr ganzes Leben vorschreiben will und das Land wirtschaftlich aufsaugt. Da ist es auch kaum verwunderlich, dass der Iran im weltweiten Vergleich zu den Ländern zählt welche die meisten Drogensüchtige aufweist. Aber die Armut führt auch dazu, dass viele Iraner gezwungen sind sich als billige Arbeitskräfte in den benachbarten Staaten ausbeuten zu lassen. Ja, die Armut zwingt auch sehr viele iranische Frauen in die Prostitution. Ich könnte noch weiter fortfahren, aber belasse es dabei.

Das die Mehrheitsgesellschaft im Iran in seinen eigenen vier Wänden mehr oder weniger modern ist, will ich gar nicht abstreiten. Aber in einem streng autokratisch geführten Staat wie dem Iran kann man nunmal die reaktionäre politische Elite und seine Handlanger nicht ausblenden, die wie ein Klotz am Bein des Irans hängen. Und irgendwo haben fast 40 Jahre Theokratie auch Spuren hinterlassen. Also mit Israel würde ich den Iran samt seiner abgestumpften Gesellschaft nicht in einem Atemzug erwähnen, wenn es darum geht eine moderne Gesellschaft zu beschreiben. Denn bei aller Liebe zur iranischen Gesellschaft, die Mullahs haben die sich selber ins Haus geholt...
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Welfenprinz »

Wir sind reichlich offtopic. ;) über den Iran müssen wir an anderer Stelle weiter reden.
Nicht modern sondern moderner (als die meisten anderen Staaten der Region). Die Baukräne sind mir bewusst,es gibt aber auch Daten wie die Geburtenrate oder die Bildung.
Und der Realismus bezieht sich auf Aussen- und Machtpolitik. Schritt für Schritt vom Paria der Weltgeschichte zum Akteur,an dem niemand vorbei kommt. Gefällt uns nicht,aber die Jungs sind “gut“ in dem was sie tun.

Gut,....jetzt wieder die Brücke zum kurdischen Referendum schlagen. ;)
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Moses »

Welfenprinz hat geschrieben:(13 Jun 2017, 08:09)

Wir sind reichlich offtopic. ;) über den Iran müssen wir an anderer Stelle weiter reden.
Nicht modern sondern moderner (als die meisten anderen Staaten der Region). Die Baukräne sind mir bewusst,es gibt aber auch Daten wie die Geburtenrate oder die Bildung.
Und der Realismus bezieht sich auf Aussen- und Machtpolitik. Schritt für Schritt vom Paria der Weltgeschichte zum Akteur,an dem niemand vorbei kommt. Gefällt uns nicht,aber die Jungs sind “gut“ in dem was sie tun.

Gut,....jetzt wieder die Brücke zum kurdischen Referendum schlagen. ;)
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von garfield336 »

Müsste man nicht zuerst eine Verfassungsgebene Versammlung einberufen ?

Oder will Barzani den Staat dikstorisch weiter führen. :/
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Kardux »

garfield336 hat geschrieben:(14 Jun 2017, 15:18)

Müsste man nicht zuerst eine Verfassungsgebene Versammlung einberufen ?

Oder will Barzani den Staat dikstorisch weiter führen. :/
Es herrscht weiter Willkür. Natürlich erfolgt solch ein Prozess vom Anfang bis zum Ende für gewöhnlich über das Parlament. Aber was ist derzeit im Nahen Osten schon gewöhnlich?
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Kardux »

Neuigkeiten zum Referendum:

- Offiziell gibt es weder regional noch international weiterin keine Unterstützung für das Referendum bzw. eine Unabhängigkeit. Einzig und allein, Israel, unterstützt das Vorhaben. Erst letzte Woche reiste der Generalsekretär der Arabischen Liga nach Erbil um die Kurden umzustimmen - erfolglos natürlich.

- Diesen Freitag soll das Regionalparlament in Erbil nach knapp 2 Jahren reaktiviert werden - im Vorfeld dazu erklärte das irakische Parlament das Referendum für null und nichtig.

- Die irakisch-schiitische Armee samt schiitischer Milizen plant indes die Rückeroberung von Hawija, welches im Umland der erdölreichen Stadt Kerkûk liegt. Der Zeitpunkt scheint durchdacht zu sein. Die Operation wurde sehr oft verschoben. Jetzt kurz vor dem Referendum soll Hawija befreit werden - welch Zufall. Die Kurden gehen davon aus, dass schiitische Milizen nach der Eroberung von Hawija einen Anlauf auf Kerkûk unternehmen könnten. Zehntausende kurdische Kämpfer wurden bereits nach Kerkûk entsandt. Es könnte vielleicht zum Clash zwischen Kurden und Schiiten kommen.

Das Hauptargument der Gegner des Referendums ist der Zeitpunkt, welcher angeblich nicht richtig wäre. Aber wann bitteschön, wäre aus Sicht Tehrans, Ankaras, Baghdads, oder Damaskus' der richtige Zeitpunkt? Die Antwort liegt auf der Hand.

Es ist noch nicht ganz klar welcher Spielchen gespielt werden und ob das Referendum wirklich greifen wird, aber ganz allgemein ist das Selbstbestimmungsrecht der Kurden und jedes Volkes auf der Welt keine Diskussion wert...
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von King Kong 2006 »

Irak: Kurden-Parlament billigt Referendum am 25. September

Zentralregierung in Bagdad, Türkei, Iran, Deutschland und USA gegen umstrittene Volksabstimmung

derstandard.at/2000064147231/Irak-Kurden-Praesident-Barzani-schliesst-Verschiebung-von-Referendum-aus
Da darf man gespannt sein.
Wenn man zuviel weiß, wird es immer schwieriger, einfache Entscheidungen zu treffen.
Wissen stellt eine Barriere dar, die einen daran hindert, etwas in Erfahrung zu bringen.
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Quatschki »

Tja. Auch die Kurden wollen ihren Nationalstaat. Keinen Bock auf Multikulti (fast) überall auf der Welt.
Drauf so sprach Herr Lehrer Lämpel:
„Dies ist wieder ein Exempel!“
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Kardux »

Quatschki hat geschrieben:(15 Sep 2017, 23:38)

Tja. Auch die Kurden wollen ihren Nationalstaat. Keinen Bock auf Multikulti (fast) überall auf der Welt.
Man ist nicht gegen Multikulti, sondern für die Selbstbestimmung. Weshalb sollten die Kurden darauf kein Anrecht haben?
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Pro&Contra »

Kurden haben darauf ein Anrecht. Die deutsche Regierung will dieses Recht nicht anerkennen. Warum wohl? Ist natürlich wieder kuschen vor der Türkei.
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Jekyll »

Noch interessanter wäre es, wenn auch andere Minderheiten - dem kurdischen Beispiel folgend - nach Unabhängigkeit streben. Kurden sind zwar die größte, aber nicht die einzige Minderheit dort.
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Alpha Centauri »

Die Epoche des allmählichen Zerfalls diverser Staaten in vielen Regionen dieser Welt hat erst begonnen.
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Jekyll »

Kardux hat geschrieben:(16 Sep 2017, 22:08)

Man ist nicht gegen Multikulti, sondern für die Selbstbestimmung. Weshalb sollten die Kurden darauf kein Anrecht haben?
Natürlich haben sie das. Genauso wie alle anderen Minderheiten in der Gegend auch. Die kurdische Region ist nicht ausschließlich von Kurden besiedelt, oder? Die werden möglicherweise auch nach Unabhängigkeit greifen, womöglich sogar innerhalb eines (neu gegründeten) kurdischen Staates. Wer könnte es ihnen verdenken?
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Jekyll »

Pro&Contra hat geschrieben:(16 Sep 2017, 22:28)

Kurden haben darauf ein Anrecht. Die deutsche Regierung will dieses Recht nicht anerkennen. Warum wohl? Ist natürlich wieder kuschen vor der Türkei.
Ich denke, die machen sich eher über Flüchtlingsfluten sorgen, die die westlichen Staaten erneut und verstärkt heimsuchen würden, wenn diese Gegend durch kurdische Alleingänge noch mehr destabilisert würde.
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Quatschki »

Kardux hat geschrieben:(16 Sep 2017, 22:08)

Man ist nicht gegen Multikulti, sondern für die Selbstbestimmung. Weshalb sollten die Kurden darauf kein Anrecht haben?
Weil sie Teil eines größeren Gemeinwesens sind, in das sie sich zu integrieren haben.
Wo soll denn die Grenze verlaufen und was soll mit den Menschen geschehen, die da seit Generationen leben, aber keine Bürger eines kurdischen Staates werden wollen?
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Pro&Contra »

Jekyll hat geschrieben:(16 Sep 2017, 22:48)

Ich denke, die machen sich eher über Flüchtlingsfluten sorgen, die die westlichen Staaten erneut und verstärkt heimsuchen würden, wenn diese Gegend durch kurdische Alleingänge noch mehr destabilisert würde.
Bisher waren die Kurden nicht für die Destabilisierungen verantwortlich. Warum sollten sie es in Zukunft sein?
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Platon »

Ich seh nach wie vor nicht, wer da groß gegen die Kurden vorgehen soll. Offenbar finden es alle nicht so gut, was die Kurden unter Barzani machen aber letztendlich gibt es nicht viel was man dagegen unternehmen kann, da der Schritt nur offiziell macht was ohnehin schon länger Realität ist.
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Alpha Centauri »

Jekyll hat geschrieben:(16 Sep 2017, 22:44)

Natürlich haben sie das. Genauso wie alle anderen Minderheiten in der Gegend auch. Die kurdische Region ist nicht ausschließlich von Kurden besiedelt, oder? Die werden möglicherweise auch nach Unabhängigkeit greifen, womöglich sogar innerhalb eines (neu gegründeten) kurdischen Staates. Wer könnte es ihnen verdenken?
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Die Kurden wurden ja von den Siegermächten des 1. Weltkrieges betrogen , schon damals hatte man.ihnen einen eigenen Staat versprochen, nach dem Krieg und geopolitischen Neuordnung des Kontinents
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Jekyll »

Pro&Contra hat geschrieben:(16 Sep 2017, 22:57)

Bisher waren die Kurden nicht für die Destabilisierungen verantwortlich. Warum sollten sie es in Zukunft sein?
Wenn es zu einem Krieg mit dem Rest-Irak kommt, werden sie es sein.
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Jekyll »

Platon hat geschrieben:(16 Sep 2017, 23:04)

Ich seh nach wie vor nicht, wer da groß gegen die Kurden vorgehen soll. Offenbar finden es alle nicht so gut, was die Kurden unter Barzani machen aber letztendlich gibt es nicht viel was man dagegen unternehmen kann, da der Schritt nur offiziell macht was ohnehin schon länger Realität ist.
Der Schritt von der Autonomie zum Staat wäre schon eklatant. Der Rest-Irak z. B. könnte auf diese Zerstückelung des eigenen Landes durchaus mit militärischen Miteln vorgehen.
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Platon »

Jekyll hat geschrieben:(16 Sep 2017, 23:14)

Der Schritt von der Autonomie zum Staat wäre schon eklatant. Der Rest-Irak z. B. könnte auf diese Zerstückelung des eigenen Landes durchaus mit militärischen Miteln vorgehen.
Und was soll da das Ergebnis sein? Eine militärische Niederlage der US-verbündeten Peshmerga gegen pro-iranische Milizen? Selbst wenn es zu Kämpfen kommt würde das nicht viel ändern. Die Peshmerga würden sich verteidigen und wenn dann irgendwo ein paar Dörfer oder Städte den Besitzer wechseln ändert das nichts an dem Referendum.

Die Kurden müssten schon eine vernichtende Niederlage erleiden und große Gebietsverluste hinnehmen müssen, damit ein Krieg mit Bagdad wirklich an der Situation etwas ändert.
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Kardux »

Quatschki hat geschrieben:Weil sie Teil eines größeren Gemeinwesens sind, in das sie sich zu integrieren haben.
Wo soll denn die Grenze verlaufen und was soll mit den Menschen geschehen, die da seit Generationen leben, aber keine Bürger eines kurdischen Staates werden wollen?
Welches Gemeinwesen?

Der Irak war und ist ein künstlicher Staat, der abgestimmt auf britische Interessen, so abartig zusammengewürfelt wurde. Niemals in der Geschichte des Iraks gab es ein wirkliches Gemeinwesen bzw. ein irakisches Nationalgefühl oder sonstiges. Der Irak war bereits am ersten Tag ein failed state. Zunächst einmal wurde ein Fremder als Monarch eingesetzt - König Faisal I. Weder er, noch sein Sohn Faisal II. hatten irgendeinen Bezug zu dieser Region - sie waren lediglich britische Marionetten. Kaum verwunderlich, dass diese Monarchen von sunnitischen Offizieren rund um Qasim elliminiert wurden. Ja, der Niedergang des Iraks war schon zu Beginn absehbar. Zum einen revoltierten die Kurden, die betrachtet auf den Vertrag von Sevres betrogen wurden, zum anderen regierte eine sunnitische Minderheit über eine schiitische Mehrheit. Unruhen gab es bereits seit Beginn nicht nur von Schiiten und Kurden, sondern auch von orientalischen Christen im Irak - allesamt wurden jedoch blutig niedergeschlagen. Einzig und allein die Revolten der Kurden im Irak zogen sich fast konstant durch. Und der Unmut der Schiiten wurde immer größer. Parallel dazu, entwickelte sich aus diesen Machtverhältnissen heraus eine durch und durch militarisierte arabisch-sunnitische Gesellschaft im Irak, die als Minderheit weiterhin über dieses sogenannte "größere Gemeinwesen" eigenständig regieren wollte. Aber nicht einmal die Sunniten waren sich in diesem "Gemeinwesen" einig. Der Irak erlebte seit seiner Gründung ständig gewaltsame Machtwechsel. König Faisal samt seiner Familie wurde abgeschlachtet. General Qasim, der "Monarchenmörder" wurde dann seinerseits ebenfalls hingerichtet - dann aber von der Baath- Partei - welche dann aber ihre Macht an die Arif-Brüder abgeben mussten. Letztendlich putschten sich die Baathisten wieder an die Macht. An der Spitze damals mit al-Bakr. Lange sollte dies jedoch nicht andauern, da Saddam Hussein seine Macht hinter den Fassaden aufbaute. Saddam wurde so mächtig, dass er al-Bakr zur Abdankung zwang. Letzterer hatte keine Wahl. Saddam kontrollierte mittlerweile die Militärs und Geheimdienste.

Mit Saddam endeten dann auch die vielen Machtwechsel innerhalb der Sunniten. Der Preis dafür war jedoch extrem hoch. Ich brauch wohl nicht erwähnen, wie das Leben der Iraker unter diesem Diktator war. Von einem größeren Gemeinwesen war niemals die Rede. Bereits in den 60er Jahren begann eine aggressive Arabisierungspolitik, wo die Demographie des Landes nachhaltig verändert wurde. Als Saddam seine Macht während dem 1. Golfkrieg konsolidierte kamen dann neben den Deportationen auch die Massenmorde hinzu - sowohl gegenüber Kurden als auch Schiiten.

Als dann die USA im Jahr 2003 die sunnitische Herrschaft beendeten kamen die Schiiten an die Macht. Diese wiederum orientieren sich seit 2003 an den Iran. Von einer irakischen Unabhängigkeit kann keine Rede sein. Baghdad ist zu einer Marionette Tehrans verkommen. Die Machtergreifung der schiitischen Mehrheit führte, was eigentlich jedem klar war, auch zu Rachefeldzügen gegenüber den Sunniten. Diese waren bedingt durch ihre elitäre Stellung im Irak höchst militarisiert. So kam es, wie es kommen musste. Die sunnitische Bevölkerung radikalisierte sich und griff wieder nach der Macht. Wenn der Iran den irakischen Schiiten nicht zur Hilfe geeilt wäre, wäre es auch dazu gekommen. Wozu die Sunniten im Irak bereit waren um die Macht wieder zu erlangen muss man auch nicht weiter ausführen. Sie gingen einen Pakt mit ausländischen Jihadisten ein und gemeinsam wurden religiöse wie auch ethnische Minderheiten brutal verfolgt.

Also über welches größere Gemeinwesen schwadronieren Sie hier überhaupt?

Was die Grenzen betrifft, ist hierfür eben das Referendum gedacht. Im Großen und Ganzen sind die Grenzverläufe ja bereits militärisch geklärt, wobei christliche Dörfer in der Niniveh-Ebene eine Ausnahme darstellen. Wenn die orientalischen Christen in ihren Städten wo sie die Mehrheit stellen kein Teil von Kurdistan sein wollen, sondern vom Irak, dann bitte. Dann kann man ihnen zu dieser guten Wahl nur gratulieren. Ich würde ja sowieso zu einer Selbstständigkeit der Christen tendieren, aber dazu fehlt es ihnen an Fläche und Ressourcen. Ein Ministaat in der Niniveh-Ebene wäre kaum überlebensfähig - aber wenn es der Wunsch der Menschen wäre, dann auf jedenfall. Ansonsten wäre eine Autonomieregion innerhalb des Iraks eine Lösung. Ein Blick auf die Autonome Region Kurdistan zeigt ja, wie gut Baghdad mit Autonomieregionen auskommt...
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Quatschki »

Kardux hat geschrieben:(17 Sep 2017, 08:44)

Welches Gemeinwesen?

Der Irak war und ist ein künstlicher Staat, der abgestimmt auf britische Interessen, so abartig zusammengewürfelt wurde.
Und vor dem Irak? 500 Jahre gemeinsam Teil des Osmanischen Reiches!
Die Gebiete gehörten immer zusammen.
Nicht mal im Babylonischen Reich gab es ein eigenständiges Kurdistan.
Statt sich immer weiter zu zersplittern, müßte doch eher das Bestreben sein, die Länder im vorderen Orient wiederzuvereinigen.
Wie will man denn sonst im internationalen Wettbewerb gegen Europäer, Amerikaner, Russen und Chinesen bestehen?
Das kurzsichtige und kleingeistig-nationalistische Separatistentum dient wieder nur den Interessen derer, die diese Länder am Boden halten wollen
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Jekyll »

Platon hat geschrieben:(16 Sep 2017, 23:54)

Und was soll da das Ergebnis sein? Eine militärische Niederlage der US-verbündeten Peshmerga gegen pro-iranische Milizen? Selbst wenn es zu Kämpfen kommt würde das nicht viel ändern. Die Peshmerga würden sich verteidigen und wenn dann irgendwo ein paar Dörfer oder Städte den Besitzer wechseln ändert das nichts an dem Referendum.

Die Kurden müssten schon eine vernichtende Niederlage erleiden und große Gebietsverluste hinnehmen müssen, damit ein Krieg mit Bagdad wirklich an der Situation etwas ändert.
Aber genau das wäre ja das Problem, dass für keine Seite eine realistische Chance besteht, sich durchzusetzen und der Krieg sich in die Länge zieht...so wie der zwischen der syrischen Regierung und Rebellen. Die Folgen sind bekannt und gefürchtet (Flüchtlingsströme, die wiederum in den westlichen Ländern zu weiteren Folgen führen, in politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Ebene). Was glaubst du denn, warum auch westliche Fraktionen diese Entwicklung kritisch betrachten?
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Jekyll »

Kardux hat geschrieben:(17 Sep 2017, 08:44)

Welches Gemeinwesen?

Der Irak war und ist ein künstlicher Staat, der abgestimmt auf britische Interessen, so abartig zusammengewürfelt wurde.
Staaten sind immer künstlich, es gibt keine Bio-Versionen davon, auch keine Light-Versionen.
Niemals in der Geschichte des Iraks gab es ein wirkliches Gemeinwesen bzw. ein irakisches Nationalgefühl oder sonstiges.
Das gab und gibt es auch bei Kurden nicht, und doch soll jetzt ein kurdischer Staat gebildet werden. Anscheinend ist ein Mangel an Gemeinwesen kein hinreichender Grund von einer Staatengründung abzusehen. Sind das überhaupt alle Kurden, die da jetzt das neue Gemeinwesen darstellen sollen? Soweit ich weiß sehen sich die Zazen eher als ein eigenständiges Volk an, was die Kurden wiederum nicht so wirklich wahr haben wollen. Insbesondere die nationalistisch Gesinnteren unter ihnen. Ganz zu schweigen von anderen Minderheiten, bei denen die Identitätsfrage eindeutiger ist.
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Kardux »

Jekyll hat geschrieben:Noch interessanter wäre es, wenn auch andere Minderheiten - dem kurdischen Beispiel folgend - nach Unabhängigkeit streben. Kurden sind zwar die größte, aber nicht die einzige Minderheit dort.
Ja, zudem wäre es auch interessant wenn die Kurden in der Türkei nach Unabhängigkeit streben - achso, das tun sie ja schon.
Jekyll hat geschrieben:Natürlich haben sie das. Genauso wie alle anderen Minderheiten in der Gegend auch. Die kurdische Region ist nicht ausschließlich von Kurden besiedelt, oder? Die werden möglicherweise auch nach Unabhängigkeit greifen, womöglich sogar innerhalb eines (neu gegründeten) kurdischen Staates. Wer könnte es ihnen verdenken?
Nein, Kurdistan ist nicht ausschliesslich von Kurden bewohnt (vielleicht wäre es an der Zeit für Sie und Ihresgleichen sich an dieses Wort zu gewöhnen). Es freut mich trotzdem, dass gerade Sie als Minderheitenunterstützer auftreten.

Nun, die Minderheiten die in Südkurdistan (denn es ist nur einer der vier Teile Kurdistans) leben besitzen eine entscheidende Sache nicht, die essentiell ist um nach Unabhängigkeit zu greifen - nämlich ein zusammenhängendes Gebiet in der sie die Mehrheit stellen. Dies ist weder bei orientalischen Christen noch bei den Turkmenen der Fall. Nichtsdestotrotz müsste der südkurdische Staat Minderheitenrechte gewähren. Wenn man sich die Entwicklung der KRG betrachtet dürfte man in der Hinsicht jedoch entspannt bleiben. Immerhin gibt es sowohl assyrische, arabische, als auch türkische Schulen. Politisch sind die Minderheiten im Parlament immer vertreten.

Wenn Sie schon Vergleiche aufstellen möchten, dann bitte auch logische. In der Türkei beispielsweise, verlangten die Kurden auch nie die Unabhängigkeit in Gebieten wo sie nicht die Mehrheit stellen, oder wo sie wie eine Enklave existieren. Es gibt Vororte in Ankara oder in Konya wo sie die Mehrheit stellen, aber man gibt sich dort keiner Illusion hin um von einer Unabhängigkeit zu sprechen.

Wie gesagt, ich habe kein Problem mit einem christlichen Staat oder einem Turkmenistan 2.0, aber wenn die Städte welche sie für sich beanspruchen mit absoluter Mehrheit von Kurden besiedelt wurden/werden wird es problematisch. Genau deshalb wird ein Referendum durchgeführt um zu zeigen wer und wo für einen Kurdenstaat ist.
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Kardux
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Kardux »

Quatschki hat geschrieben:(17 Sep 2017, 09:15)

Und vor dem Irak? 500 Jahre gemeinsam Teil des Osmanischen Reiches!
Die Gebiete gehörten immer zusammen.
Nicht mal im Babylonischen Reich gab es ein eigenständiges Kurdistan.
Statt sich immer weiter zu zersplittern, müßte doch eher das Bestreben sein, die Länder im vorderen Orient wiederzuvereinigen.
Wie will man denn sonst im internationalen Wettbewerb gegen Europäer, Amerikaner, Russen und Chinesen bestehen?
Das kurzsichtige und kleingeistig-nationalistische Separatistentum dient wieder nur den Interessen derer, die diese Länder am Boden halten wollen
Sie machen Ihrem Namen alle Ehre. So viel wie Sie hier vermischen und durcheinander werfen.

1. Das Osmanische Reich war ein expandierendes Großreich und erstreckte sich zu seiner Blütezeit bis vor den Toren Wiens. Waren diese Gebiete, welche sie eroberten etwa Teil eines größeren Gemeinwesens? Wenn ja, weshalb lehnten sich dann sowohl die Völker am Balkan als auch die Araber im Nahen Osten gegen die Osmanen auf? Abgesehen davon beginnt die Geschichte dieses Gebiets nicht vor 500 Jahren. Die Zeit unter den Osmanen war eine Periode, die nach dem 1. Weltkrieg beendet wurde. Selbst während der Osmanenherrschaft war der sogenannte Irak nicht immer zusammen. Sowohl Safawiden als auch Mamluken hatten immer wieder einige Gebiete unter ihre Herrschaft gebracht. Abgesehen davon gab es während der Osmanenherrschaft keinen Irak, sondern Eyalets - also Provinzen. Basra, Baghdad, Mosul, und Sharizur machten zeitweise den heutigen Irak aus. Sharizur war hierbei eine kurdisch-geführte Provinz und grenzte an andere kurdische Provinzen/Fürstentümer im heutigen Südostanatolien an. Ab dem 19. Jahrhundert verloren die Türken ihr Vertrauen in den Kurden und ihre Macht wurde langsam an die Araber abgetreten. Die kurdische Provinz Sharizur wurde wegen der geographischen Nähe den arabischen Provinzen Mosul und Baghdad zugeteilt. Am Ende zeigte sich, dass die Araber vertrauensvolle Partner für die Türken waren :-D

2. Während dem Babylonischen Reich gab es auch keine Türkei - Araber hatten auch keine Staaten. Eine selten dumme Aussage muss ich wohl sagen. Nur weil es in der Antike kein Kurdistan gab, soll es heute kein Kurdistan geben? Dann dürfte es heute aber nur sehr wenige Staaten geben...

3. Das kleingeistig-nationalistische Separatistentum hat in Europa sehr gut funktioniert. Jedes Volk entscheidet nämlich für sich ob es untergehen möchte oder auch nicht. Die Kurden haben sich entschieden keine Araber, Türken, oder Perser zu sein. Punkt. Die Kurden möchten nicht assimiliert werden sondern eigenständig über sich bestimmen. Die Weltmachtsansprüche überlassen wir den Arabern, Türken, und Persern. Aber bitte nicht auf unsere Kosten. Unseren Ressourcen, unseren Siedlungsgebieten.
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von King Kong 2006 »

USA, Iran und UNO warnen Kurden Unabhängigkeits-Referendum

Kurdenpräsident Barzani will an Abstimmung festhalten

Erbil/Bagdad – Die USA und die UNO haben eine Absage des Unabhängigkeitsreferendums der autonomen Kurdenregion im Nordirak gefordert. Das Referendum lenke "von den Bemühungen zum Sieg über den IS und zur Stabilisierung befreiter Gebiete ab", hieß es in einer Erklärung der US-Regierung.

Der Iran wird nach Angaben aus Teheran mit einem unabhängigen Kurdenstaat im Nordirak nicht zusammenarbeiten. Falls es zu einer Unabhängigkeit des kurdischen Autonomiegebiets im Nachbarland kommen sollte, werde der Iran die Zusammenarbeit, besonders die militärische, einstellen, sagte der Sekretär des nationalen Sicherheitsrats, Ali Shamkhani, am Sonntag laut iranischer Nachrichtenagentur ISNA.

Iran kündigt Grenzkontrollen an

Der Iran habe bis jetzt die Kurden in Nordirak als Brüder und Verbündete angesehen und sie auch in schweren Zeiten stets unterstützt.
Aber das geplante Referendum am 25. September sei weder legal noch vorteilhaft für die Sicherheit des Iraks und die Region. Der Iran wäre dann auch gezwungen schärfere Grenzkontrollen einzuführen, sagte Shamkhani.

derstandard.at/2000064193430/USA-und-UNO-warnen-Kurden-Unabhaengigkeits-Referendum
Der richtige Zeitpunkt für das Referendum wird wohl nie da sein. Aber der Iran ist/war stets derjenige von den Nachbarstaaten, der sicherheitspolitisch und militärisch am engsten mit den Kurden im Irak kooperiert hat. Vermutlich wird das dann ein Ende haben. Ein Kurdistan wird von der Türkei, Syrien, Irak und Iran, die es umgeben wohl weniger partnerschaftlich behandelt werden. Das ist in der Region nichts besonderes. Konflikte haben oder hatten oder werden alle miteinander haben. Aber dann wird es vermutlich nur die USA, partiell Israel sein, die dieses Land "schützen" und unterstützen wird. An Krieg glaube ich weniger. Eher Isolation. Es wird die Frage sein, ob die ökonomischen Vorteile einer Zusammenarbeit mit einem Kurdistan die Sorgen der Anrainer überwiegen, daß ein Kurdistan eine Sogwirkung auf eigene Minderheiten haben kann.
Wenn man zuviel weiß, wird es immer schwieriger, einfache Entscheidungen zu treffen.
Wissen stellt eine Barriere dar, die einen daran hindert, etwas in Erfahrung zu bringen.
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Re: Nächster absehbarer Bürgerkrieg, Iraks Kurden kündigen Unabhängigkeitsreferendum an

Beitrag von Jekyll »

Kardux hat geschrieben:(17 Sep 2017, 13:02)

Ja, zudem wäre es auch interessant wenn die Kurden in der Türkei nach Unabhängigkeit streben - achso, das tun sie ja schon.
Reden Sie von den PKK-Terroristen? Also...die werden sowohl von Kurden als auch von Türken sowie von allen ziviliserten Ländern rund um den Globus als äußerst abstoßend empfunden und entsprechend abgelehnt. Die nimmt keiner ernst. Sie doch auch nicht, oder?
Nein, Kurdistan ist nicht ausschliesslich von Kurden bewohnt (vielleicht wäre es an der Zeit für Sie und Ihresgleichen sich an dieses Wort zu gewöhnen).
Von mir aus, solange in der Namensgebung keine Bezüge zur PKK oder sonstigen terroristisch-extremistischen Organisationen enthalten sind, ist jeder Vorschlag akzeptabel.
Es freut mich trotzdem, dass gerade Sie als Minderheitenunterstützer auftreten.
Das war ich schon immer, von Anbeginn an. Ich bin ein großer Verfechter der Minderheitenrechte. Apropos "Kurdistan"...gibt es bereits offizielle Vorschläge, wie der zukünftige kurdische Staat heißen soll? Volksrepublik Kürdistan vielleicht? Die Endung -stan geht meines Wissens auf die Perser zurück. Vielleicht solltet ihr bei eurer kurdischen Sprache bleiben, auch wenn diese persisch-medische Wurzeln hat.
Nun, die Minderheiten die in Südkurdistan (denn es ist nur einer der vier Teile Kurdistans)
Pfoten weg von der Türkei!
leben besitzen eine entscheidende Sache nicht, die essentiell ist um nach Unabhängigkeit zu greifen - nämlich ein zusammenhängendes Gebiet in der sie die Mehrheit stellen. Dies ist weder bei orientalischen Christen noch bei den Turkmenen der Fall. Nichtsdestotrotz müsste der südkurdische Staat Minderheitenrechte gewähren. Wenn man sich die Entwicklung der KRG betrachtet dürfte man in der Hinsicht jedoch entspannt bleiben. Immerhin gibt es sowohl assyrische, arabische, als auch türkische Schulen. Politisch sind die Minderheiten im Parlament immer vertreten.

Wenn Sie schon Vergleiche aufstellen möchten, dann bitte auch logische. In der Türkei beispielsweise, verlangten die Kurden auch nie die Unabhängigkeit in Gebieten wo sie nicht die Mehrheit stellen, oder wo sie wie eine Enklave existieren. Es gibt Vororte in Ankara oder in Konya wo sie die Mehrheit stellen, aber man gibt sich dort keiner Illusion hin um von einer Unabhängigkeit zu sprechen.

Wie gesagt, ich habe kein Problem mit einem christlichen Staat oder einem Turkmenistan 2.0, aber wenn die Städte welche sie für sich beanspruchen mit absoluter Mehrheit von Kurden besiedelt wurden/werden wird es problematisch. Genau deshalb wird ein Referendum durchgeführt um zu zeigen wer und wo für einen Kurdenstaat ist.
Kurdistan bitte. Tja, da hat es sich wohl gelohnt, dass die Kurden vorher die Araber vertrieben und eine dezent-unauffällige Ethnoreinigung durchgeführt haben, was Kardux? So lässt sich gut Staaten gründen, "zusammenhängend" die Gebiete nunmehr sind. Ich bin entsetzt über so viel Zynismus, trotz oder gerade wegen meines Faibles für Minderheitenrechte.
Sie schufen eine Wüste und nannten es...Frieden.
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