King Kong 2006 hat geschrieben:Wir reden aneinander vorbei. Ich spreche nicht davon, daß der Iran global gesehen oder abstrakt das stabilste Land ohne Konflikte und Krisen ist. Welches Land wäre das? Es gilt als das stabilste der Region. Das ist etwas anderes.
Und ich habe Ihnen als Beispiel Syrien und den Irak genannt. Die liegen wohl auch in derselben Region wie der Iran. Natürlich sind beide Staaten künstlich geschaffen und besitzen mitnichten die weitreichende Staatstradition der Iraner. Das gewiss nicht. Das besaßen die Osmanen aber schon und trotzdem wurde das Reich zerteilt. Und wieso? Weil es zu viel wollte und im falschen Moment, falsche Entscheidungen traf. Davon ist der Iran samt seiner alten Staatstradition nicht befreit. So lang ist es nicht her, dass Stalin den Iran teilte - das war ein Jahr nach Ende des 2.Weltkriegs. Dies tat er um sich Vorteile zu verschaffen (am Kaspischen Meer). Und wie konnte er das realisieren? Weil der Iran ein Vielvölkerstaat ist. Völker die eigene nationale Ambitionen haben. So wie die Kurden und Azeris - die beide ihre Republiken ausrufen durften (was nur 11 Monate hielt - aber nicht weil der Iran das militärisch entschieden hätte).
Also sollte man was neue Grenzen und Stabilität angeht den Iran nicht über andere bestehende Staaten im Nahen Osten stellen. Betrachten wir einfach die Lage der Region nach dem 2. Weltkrieg. Da genossen Staaten wie Syrien und der Irak auch über lange Zeiten hinweg "Ruhe und Ordnung". Sprach man aber deshalb von Stabilität? Nein. Weil das Fundament nicht stabil ist. Genausowenig ist dies im Iran der Fall. Nur weil die Baath-Diktaturen in Syrien und im Irak für Ruhe sorgten waren beide Länder mitnichten stabil - das sehen wir eindrucksvoll heute.
Als stabiles Land in der Region fällt mir ehesten noch der Oman (in unmittelbarer Nähe zum Iran) ein, auch wenn dort ein Mann seit Jahrzehnten regiert und es nicht frei von Menschenrechtsverletzungen ist. Es gibt im Inneren keine größeren Konfliktpotentiale und mit seiner Nachbarschaft versucht man klar zu kommen. Das unterscheidet den Oman von vielen Staaten in der Region die Hegemonialmacht spielen wollen. Wer Unruhe nach Aussen trägt und seine inneren Probleme in Gefängnisse trägt bzw. an den Galgen
ist weder nach westlichen Massstäben noch orientalischen stabil.
King Kong 2006 hat geschrieben:Das Mossadegh weg ist, ist tragisch. War aber offenbar im Interesse der USA und Großbritanniens.
Ja, das war es. Es lässt aber nicht die Schlussfolgerung zu, dass die IRI im Interesse des Irans agiert, nur weil sie gegen die USA sind.
King Kong 2006 hat geschrieben:Er hat seine Ziele im Iran nicht erreicht. Er ist anschließend über seine Hybris gestolpert. Heute gibt es keine Bilder mehr von ihm in den Lokalen. Aber von iranischen Personen. Er ist ganz klar am Iran gescheitert. Entmachtet haben die USA ihn. Es gibt tatsächlich Meinungen und Thesen von US-Nachrichtendienstlern, die daraufhinweisen, wie der Iran aktiv die USA mit den notwendigen Informationen gefüttert haben, die sie hören wollten. Seinerzeit wurden dazu Ermittlungen aufgenommen. Wohlweislich wurden die Ergebnisse nicht mehr präsentiert. Es war durchaus im Interesse Irans, daß die USA Saddam, den Erzfeind entsorgen. Bush hat die fehlende Weitsicht bewiesen.
Saddams Ziele im Iran waren utopisch und ein Zeichen seines Größenwahns (den er in Kuwait fortsetzte). Nichtsdestotrotz konnte er über Jahrzehnte die große Mehrheit im Land (die Schiiten) blutig unterdrücken ohne das der Iran etwas dagegen machen konnte. Schon damals rechtfertigte der Diktator diese Taten (was natürlich keine Rechtfertigung ist!) das die Schiiten im Irak das Land den Iranern übergeben. Er sollte damit Recht behalten. Das bedeutet aber nicht, dass er am Iran gescheitert wäre. Ohne den Einmarsch der US-Truppen würden Maliki, Abadi, Jafaari und Konsorten noch heute im Iran sitzen. Noch heute würden in Karbala und Nejef Saddams Bilder hängen. Und die USA hätte mit oder ohne die Hilfe des Irans Saddam entmachtet.
Aber man kann sich natürlich viel einreden, wenn man so sehr von der eigenen Stärke überzeugt ist bzw. geblendet wird. Das erinnert mich dann wiederum an Saddam.
Ich glaube auch nicht das Bush, fehlende Weitsicht bewiesen hat. Saddam war für die Interessen der USA einfach nicht mehr tragbar. Und entgegen vieler Zahlen und Fakten glaube ich einfach nicht daran, dass der Einmarsch in den Irak ein wirtschaftliches Minusgeschäft war. Das irakisch-schiitische Größen die ihr halbes Leben im iranischen Exil waren nach der Entmachtung Saddams sich früher oder später Richtung Tehran orientieren war jedem Politiker in Washington klar. Aber der Profit den sie seit 2003 verzeichnen scheint es ihnen wert gewesen zu sein. Das amerikanische Traumprojekt die irakischen Schiiten zu emanzipieren läuft ja weiter. Die "Annäherung" Abadis mit Riad war einer dieser Versuche. Über lang wird das aber nicht klappen. Aber dann werden die USA Tehran nicht ohne weiteres den ganzen Irak überlassen. Wir haben ja gesehen mit welchen Mitteln eine Gruppe wie der IS bis kurz vor den Toren Baghdads marschieren kann. Vergessen Sie das nicht!
King Kong 2006 hat geschrieben:Was mit dem Irakkrieg funktioniert hat, scheint offenbar auch mit ein paar kleinen Grenzübergängen geklappt zu haben. Du selbst meinst, daß die USA die Peschmerga gezwungen haben sich so zu verhalten.
Ja, die USA haben den Kurden unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass sie gegen die Schiiten auf sich alleine gestellt sind. Zumindest unmittelbar vor dem Anrücken der Shia-Jihadisten auf die "umstrittenen" kurdischen Siedlungsgebiete. Was genau geschehen ist weiß ich jedoch nicht. Weil es aus Sicht M.Barzanis keinen Sinn ergibt. Im Alleingang ein Unabhängigkeitsreferendum ausrufen, ohne die Unterstützung der Weltmächte aber auch ohne die Unterstützung der sunnitischen Front (Golfaraber und Türken) ergibt nunmal militärisch gesehen keinen Sinn. Mir scheint es aber so, dass die USA nicht mehr mit M.Barzani zusammenarbeiten wollte. Und so ereilte ihn dasselbe Schicksal wie Maliki. Sie verstehen.
King Kong 2006 hat geschrieben:Ich kann nur vermuten. Ich vermute, daß Saudi-Arabien seinen Wohlfahrtsstaat nicht lange auf dem Niveau durchhalten kann. Dann wird es zu großen Unruhen kommen. Pakistan? Gilt eher als failed state. Syrien, Irak? Die sind auf sehr lange Zeit hilfsbedürftig, keine Hegemonen. Bleibt die Türkei. Die haben massive Kapazitäten. Das Problem ist, daß sie Türken und keine Araber sind und viele in der Region sich mißtrauisch der Osmanischen Reiches erinnern. Der Iran ist auch kein arabisches Land. Und auch viele betrachten den Iran im historischen Kontext mißtrauisch. Aber neben dem Iran und partiell (wegen der Geografie) der Türkei sehe ich da niemanden. Die USA ziehen sich sukzessiv zurück. So handeln wie in den Vierzigern des 20. Jahrhundert, oder bei der Operation Ajax, oder noch unter Bush und seinen Kriegen geht heute nicht. Trump hat einen vorgewarnten evakuierten Flugplatz irgendwo in Syrien mit ein paar Raketen beschiessen lassen (damit offenbar keine Iraner oder Russen dort zu schaden kommen - das hätte Ärger gegeben...). Das geht.
Die USA werden dort nicht verschwinden. Aber sie haben gewaltig an Einfluß verloren. Und Tendenz dazu ist wichtig. Sie ist absteigend. Nicht aufsteigend.
Ich finde nicht das die Tendenz absteigend ist. Betrachten Sie sich nur einmal wieviele Militärstützpunkte die USA gewonnen haben u.a. auch in Syrien. Im Irak konnten sie sich noch stärker festsetzen. Die Kurden sind so abhängig wie noch nie von den USA und werden in Zukunft noch viel mehr vom Kuchen abgeben. Abgeben müssen. Und wie die weitere Entwicklung im Nahen Osten sein wird, ist nicht absehbar. Aber das immer schwächer werdende sunnitische Lager scheint irgendwie nur ein Schachzug zu sein.
- Im Nordirak übernimmt der Iran die Kontrolle über fast alle wichtigen wirtschaftlichen Punkte
- In Beirut tritt der Sunnit Hariri zurück
- Riad wird von Huthi-Rebellen angegriffen
Und die USA + Israel betrachten das alles ohnmächtig. Alles klar...
Make Kurdistan Free Again...