King Kong 2006 hat geschrieben:Das ist im Iran ja nicht unbekannt. Natürlich gab und gibt es im Iran auch militärische Auseinandersetzungen mit kurdischen Gruppen wie der PKK/PJAK. Das gibt es ja nicht nur in der Türkei. Die Situation mit den Belutschen ist bekannt. Allerdings ist ein wesentliches Element bei den Belutschen Kriminialität. Im Rahmen des Goldenen Halbmonds. Das Problem hat auch Pakistan auf der anderen Seite. Die Mauer die der Iran errichtet hat, soll dazu dienen, wie die geplante von Trump gegen Mexiko, "Probleme" draussen zu halten. Die Bewegungen der Belutschen sind mafiöser Art und im sunnitischen Extremismus zu finden. Sie sind weitaus weniger in nationaler Bewegung basierend als bei den Kurden.
Die PJAK ist, wie Sie bereits angedeutet haben, ein Ableger der PKK und hat in Ostkurdistan (kurdischen Siedlungsgebiete im Iran) nicht die nötige Basis um einen großangelegten Partisanenkrieg gegen die iranische Armee zu führen. Seitdem die PKK und ihre Ableger im Irak und in Syrien vom Iran unterstützt werden, hat sich der Widerstand der PJAK (=PKK-Ableger in Ostkurdistan) sowieso erübrigt - zumindest vorerst. Nein, ich sprach nicht von einem Widerstand der von der PKK geführt wird, sondern von den alteingesessenen Parteien in Ostkurdistan (PDK-I und Komala). Aber auch die Ostkurden wissen, dass erst einmal der IS in Syrien und im Irak besiegt werden muss.
Zu den Belutschen:
Der Hang zum sunnitischen Extremismus ist gewiss gegeben, aber die Belutschen im Iran so konsequent zu kriminalisieren ist mehr als nur tendenziös und sehr IRI-lastig. Die iranische Regierung wirft ja auch den Ostkurden eine Tendenz zur Kriminalität vor, weil viele Menschen in Ostkurdistan vom Schmuggelhandel leben. Was sollen die Menschen vorort denn sonst tun? Dasselbe gilt doch auch für die Belutschen. Ihre Siedlungsgebiete werden ausgebeutet und Investitionen in diese Regionen konsequent abgelehnt.
Gewiss sind die Belutschen im Iran nicht mit den Kurden zu vergleichen, weil es an der Masse fehlt. Nichtsdestotrotz wäre es auch für den Iran sehr schwer gleichzeitig im Westen und im Osten Revolten niederzuschlagen, sofern diese groß angelegt sind.
Interessant bei den Belutschen ist, dass ihre Befreiungsbewegungen in Pakisten alles andere als islamistisch eingestellt sind. Im Iran wo Sunniten eingeschränkt sind ist die Konstellation eben eine andere.
King Kong 2006 hat geschrieben:Die kurdische KDP und PKK/PJAK soll ja angeblich - laut Teheran - u.a. von Saudi-Arabien unterstützt werden. Ankara meint auch von den USA und Israel. Die israelischen Kontakte zu Terrorgruppen bei den Belutschen soll sogar die USA verärgert haben.
PJAK wurde vor einigen Jahren (als sie noch aktiv gegen Tehran vorgingen) von den USA und Israel unterstützt, aber nicht wirklich nennenswert. Das Saudi Arabien PJAK unterstützt haben soll ist mir nicht bekannt. Wie gesagt, das Thema ist vorerst sowieso vom Tisch. Derzeit ist die PKK mit seinen Ablegern in Syrien und im Irak im "iranisch-schiitischen Lager". Die KDP pflegt gute Beziehungen zu den Golfarabern aber auch zur Türkei. Von einer wirklichen Unterstützung Saudi Arabiens kann jedoch keine Rede sein, zumindest nicht militärisch. Aber genau dies könnte sich noch ändern. Das saudische Konsulat in Erbil, dass erst 2016 eröffnet wurde, ist in dem Zusammenhang erwähnenswert. Gleichzeitig haben ostkurdische Rebellenführer und ihre Anhänger in der KRG Zuflucht gefunden. Dort organisieren sie sich derzeit.
Ein ehemaliger jordanischer Minister meint hierzu:
Jordan's Ex-Minister Urges Arabs to Support Kurdish Statehood
Saleh al-Qallab believes a Kurdish state will end Iran's encroachments in the regionArab nations should not look at the Kurdistan Region's demand for independence with suspicion as the time for the Kurdish nation to achieve their right has approached, said the former media minister of Jordan.
In an article published on Thursday in the London-based Arabic Sharq al-Awsat newspaper, Saleh al-Qallab wrote that considering the recent developments in the region, the Arabs "as a nation brother to the Kurdish nation" should support the Kurds for achieving statehood.
Qallab explained why the Arab nations have no option but to do so in order to end the Iranian regime's ambitions to expand its authority over the countries in the region through Iraq and Syria.
Qallab described the current Iraqi VP and former prime minister Nouri al-Maliki "the deputy" for the Iranian regime who resorts to any means to return to power as PM.
According to Qallab, to reach his aim, Maliki depends on tens of sectarian organizations, some of which embedded in the Shi'ite Popular Mobilization Forces which are "under the command of Iranian commander Qasem Suleimani."
As Iranians fear the creation of a Kurdish state in Iraq may incite the Kurdish people within Iran's territories, they oppose Kurdistan Region President Masoud Barzani who heads the campaign for a Kurdish state, Qallab wrote.
He continued by saying that Barzani has vowed to declare independence if Maliki returns to power and should this happen "Arabs must not stand still about this move as Mahabad Republic will repeat itself and this time in a more serious way."
"Then the Iranians will get busy sorting out their own issues and their encroachment in the region will end."
On August 16,1945 Republic of Mahabad was declared in the city of Mahabad. The Kurdish state was dismantled 11 months later after the Iranian army suppressed the revolutionaries.
http://www.basnews.com/index.php/en/new ... ast/329311
Viele Alternativen haben die sunnitischen Araber derzeit wahrlich nicht. Fest steht, dass man sich in Erbil auf kommende Auseinandersetzungen mit schiitischen Milizen gefasst macht - das wird der nächste Konflikt werden.
King Kong 2006 hat geschrieben:Der Iran hat natürlich Potential zu einem Bürgerkrieg. Kurioserweise hat es noch keinen in dieser Form, daß der Iran zersprengt wird gegeben. Selbst unter widrigsten Umständen.
Der Iran wurde 1946 "zersprengt". Und das kann wieder geschehen, weil das Potential, wie Sie bereits sagten, gegeben ist.
King Kong 2006 hat geschrieben:Wie im Irak-Iran Krieg. Sogar die iranischen Araber hielten zum Iran und kooperierten nicht mit dem Araber Saddam.
Natürlich hielten die Araber im Iran nicht zu Saddam. Immerhin sind die Araber im Iran größtenteils Schiiten, speziell in Ahwaz. Genau dieses Gebiet war Saddams Hauptaugenmerk. Unter den schiitischen Araber ist der ethnisch-motivierte Nationalismus nicht erkennbar, das gilt natürlich nicht nur für die Araber im Iran. Die Schiiten in Baghdad sind hier ein gutes Beispiel. Ohne lange zu überlegen übergaben sie Iraks Souveränität an Tehran.
King Kong 2006 hat geschrieben:Die Kurden Iraks waren Verbündete Irans.
Teile der Kurden im Irak sind auch heute noch Verbündete Irans. Ab Erbil und nordwärts werden sie jedoch keine Freunde Tehrans finden. Der 1. Golfkrieg war eine ganz andere Konstellation. Die Kurden im Irak waren mit sich selber beschäftigt um Saddam loszuwerden.
King Kong 2006 hat geschrieben:Die Grenzen Irans haben sich seit Jahrtausenden verändert. Warum sollte damit Schluß sein? Allerdings, auch wenn es kurios klingt, diese Gefahr wird sogar von den USA sehr ernst genommen. Eine Kriegszone Iran ist sicher das letzte was "man" dort will. Auch die USA. Vom Nachbar Russland zu schweigen. Auch die anderen Nachbarn wollen das nicht wirklich. Der Kosten/Nutzen Faktor stimmt da überhaupt nicht. Deshalb haben die USA es auch nicht gewagt, als einer der maßgeblichen Gründe, den Iran durch Krieg ins Rotieren zu bringen.
Das mag schon stimmen, aber je mehr sich die Hegemonie des Irans festigt und ausbreitet, desto weniger begeistert werden alle Akteure sein - natürlich auch miteingeschlossen die Russen und Amerikaner. Abgesehen davon vertrete ich die Meinung das weder Russland noch die USA an "Sicherheitszonen" im Nahen Osten interessiert sind. Welches Interesse hätte man an einem stabilen Nahen Osten? Und welches Interesse hätten beide Weltmächte wenn der Iran den gesamten Nahen Osten mehr oder weniger kontrolliert bzw. beeinflusst? Wollen wir nicht vergessen das Russland und der Iran über Jahrhunderte hinweg Feinde waren. Was die USA betrifft, so könnte es bei einem Szenario zum Knall kommen. Je mächtiger der schiitische Iran wird, desto unruhiger könnten die Schiiten im Osten Saudi Arabiens (wo sich die großen Ölfelder befinden) werden. Dann wären Kuwait und die kleinen Staaten am Golf keine Hürde mehr, auch wenn diese mehrheitlich sunnitisch sind. Dann möchte ich sehen wie wichtig den USA eine Sicherheitszone ist. Analog zu dieser Entwicklung sind ja Irans atomare Bestrebungen. Ein Traumszenario für Russen und Amerikaner.
King Kong 2006 hat geschrieben:Als in der Türkei quasi ein Bürgerkrieg tobte, vor kurzer Zeit, in den kurdischen Städten, ist niemand den Kurden zur Hilfe gekommen. Weder politisch, noch militärisch. Die TSK konnte dort wüten. Alles andere hätte wohl keinen Sinn gemacht. Eine kaputte Türkei? Wer hat etwas davon? Außer den kurdischen Gruppen. Auch da, seien wir ehrlich, gibt es keine einheitliche Meinung. Lieber in einer Türkei oder Iran wohnen, trotz Einschränkungen, oder in einer Bürgerkriegszone? Nicht jeder Kurde favorisiert die harte Tour.
Natürlich ist den Nordkurden niemand zur Hilfe gekommen. Die Türkei ist weiterhin ein Teil der Nato und dem sunnitischen Block im Nahen Osten. Da bleiben den Nordkurden nur der Iran und Russland als potentielle Unterstützer. Dem Iran war und ist bewusst wie gefährlich die Konsequenzen für sie selber wären, wenn man die Nordkurden unterstützt. Die Türkei würde heute auch nicht die Ostkurden unterstützen wenn diese im Iran Strukturen aufgebaut hätten. Russland galt hingegen speziell nach dem Flugzeugabschuss-Vorfall als geeigneter Unterstützer. Und das wusste auch Erdogan. Dementsprechend hat er seine Russlandpolitik im weiteren Verlauf auch angepasst. Putin konnte den Egomanen Erdogan ohne drastische wirtschaftliche Massnahmen zum Kniefall zwingen. Wer, wenn nicht die Kurden sollten der Grund für diesen Kniefall gewesen sein?
Syrian Kurds open diplomatic mission in Moscow
First Syrian Kurdish overseas mission aims to secure support for autonomy as Russia seeks to demonstrate it has allies other than Bashar al-Assad
http://www.telegraph.co.uk/news/worldne ... oscow.html
Der Ableger der PKK eröffnete im Februar 2016 ein Verbindungsbüro in Moskau. Zufall? Nur zur Erinnerung: Ende November 2015 schießen die Türken das russische Flugzeug ab, danach intensivieren sich die Besuche von russischen Vertretern und syrischen Kurden was am Ende zur Eröffnung eines de-facto Konsulats in Moskau führt. Die eröffnung kommt also knapp 2 Monate nach dem Absturz. Im Juni 2016 kommt dann der Kniefall Erdogans.
So führen Weltmächte Politik. Irgendwas braucht man immer in der Hinterhand um aufstrebende Regionalmächte zu schwächen. Die Kurden sind in der Hinsicht sowohl für Amerikaner als auch Russen sehr interessant. Geeignete Bauernfiguren die man nach Belieben gegen aufmüpfige Regierungen verwenden kann, aber immer nur so weit, bis die Gegenseite einlenkt. Trotzdem bin ich der Meinung das auch die Kurden in der Türkei noch Tatsachen schaffen werden, aber das benötigt wie auch im Iran viel Geduld. Die Errungenschaften der Kurden in Syrien und im Irak sind eben auch der Tatsache geschuldet das beide arabische Staaten niemals in ihrer kurzen Geschichte gefestigt waren.
Zur harten Tour:
Weder die Kurden in der Türkei noch im Iran haben eine wirkliche Wahl. Es ist ja nicht so, dass Tehran oder Ankara den Kurden vernünftige Alternativen bieten. Im Iran sind die Kurden politisch total ausgeschlossen. In der Türkei kippte die Lage als die Kurden zum ersten mal politische Erfolge (bei den Wahlen) erzielten. Die "weiche Tour" bedeutet auf lange Sicht Assimilation und Knechtschaft.
King Kong 2006 hat geschrieben:Die Iraner als Ganzes sind gewohnt in langen Zeiträumen zu denken. Rückwärts- wie Vorwärts.
Kurzum, natürlich ist Potential für separatistische Bewegungen im Vielvölkerstaat Iran. Ob, wann oder wie wird sich zeigen. Im übrigen, auch ein möglicher kurdischer Staat kann in sich bis zum Bürgerkrieg zerstreitten. Siehe z.B. die kurdische Autonomiebehörde im Irak.
Wenn die Iraner in langen Zeiträumen denken würden, hätten sie wohl kaum so viele blutige Putsche hinter sich und müssten sich im Inneren des Landes auch nicht mit einer klerikalfaschistischen Regierung herumschlagen. Natürlich hat man mit seiner Geschichte viel Erfahrung im Staatswesen, aber der Nahe Osten ist viel zu umkämpft und komplex, dass man sich auf Entwicklungen gut einstellen könnte. Hinzu kommt auch, dass der Iran einen Sturz von "Innen", also den Persern selber fürchten muss. Proteste wie 2009 können sich wiederholen. Die "Ausflüge" von Soleimani kosten immerhin auch Geld und so gut die derzeitige Stellung des Irans im Nahen Osten auch aussieht kann man das nicht von der wirtschaftlichen Lage der einfachen Iraner sagen.
Und ja, auch ein kurdischer Staat kann sich bis zum Bürgerkrieg zerstreiten, keine Frage. Das ist aber eine andere Geschichte. Ich spreche hier von Kolonialismus der bis heute noch nicht überwunden wurde in weiten Teilen der Welt, speziell im Nahen Osten. Sogar in Europa, wo nach dem 1. und 2. Weltkrieg konsequenterweise Kleinstaaterei betrieben wurde ist ein Trend zur "erweiterten Kleinstaaterei" erkennbar. Sollten das nicht die Menschen für sich selber entscheiden dürfen?
Make Kurdistan Free Again...