Hallo,
klären wir doch erst einmal, ob Deine Vorüberlegungen stimmen.
100% Einigkeit dürfte darüber bestehen, dass Menschen Bedürfnisse haben, die sie sich bei bestimmten Gütern über Arbeit selbst stillen. Es darf angenommen werden, dass im Anfang der Menschheit diese Abstraktion noch sehr konkret gültig war. Wer ne Mammut-Leber essen wollte oder irgendwelche Beeren, der musste höchstselbst jagen oder sammeln. Oder besser gesagt; alle mussten gemeinsam für
existenzielle Bedürfnisbefriedigung aktiv werden. Bedürfnisse darüber hinaus? Undenkbar. Fast noch so, wie in manchen Tiergesellschaften.
Freiwilligkeit unter dem Druck und den Zwängen der Natur? Gabs auch nicht, da solch eine Schublade auf dieser Entwicklungsstufe gar nicht aufgestellt werden konnte. Obwohl schon als "menschliche" definiert (Arbeit & Denken) sind diese Gesellschaften keine Kommunen.
Keine Kommunen = kein Kommunismus.
Die Kategorie "Freiwilligkeit" für damalige Sozial-Verbände öffnete sich mit den zeitlichen Möglichkeiten der Erzeugung von mehr als augenblicklich nötig existentiellen Gütern, bzw. der Zeit zur Produktion von nichtexistenziellen Gütern. Wenn eine Gemeinschaft entscheiden kann, ob oder wieviel Reserven sie bunkert, ob oder wieviel "Luxus" sie sich erschafft, ob und wann sie lieber (egal auf welchem Niveau) investiert oder konsumiert, kann sie anfangen, Kommune zu sein. Das Bewusstsein ist auf die Stufe gelangt, dass ein jeder für das Wohl aller (über das notwendigste Maß hinaus!) produzieren
[color]kann[/color] und es der Gemeinschaft nützt. Das bedeutet nicht, dass jeder gleichanteilig die Arbeitsresultate verfrühstückt, sondern die optimale Verteilung zur bestmöglichen Entwicklung der Gemeinschaft angestrebt wird. Überhaupt liegt der Augenmerk auf Erhaltung und Verbesserung der Gemeinschaft.
Es gibt Bedingungen, damit das praktisch reibungslos läuft:
1. Die Produktionsmittel müssen allen gehören.
2. Das Wissen der Gemeinschaft muss allen verfügbar sein.
3. Die Subjekte sollten so weit wie möglich in allen Arbeiten vertraut sein, also erlernt haben, weil
a) wegen fehlender Warenproduktion (Urgemeinschaften - kein Markt) Ausfälle einer Produktionsschiene tödliche Auswirkungen für die Gemeinschaft hätte
b) eine nichtfeindliche Leistungs-Konkurrenz unter Gleichen zum Wohle der Gemeinschaft führt auch bei evtl. anteilmäßigen Mehrerhalts des Höherleisters (Leistungsprinzip)
Ich widerspreche allen Kommunismus-Interpretationen des vergangenen Kommunismus (Urkommunismus) und allen Kommunismus-Utopien fürs Kommende, welche Leistungsprinzipien grundsätzlich ausschließen. Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund dafür! Man darf nur nicht in eine vulgäre sozialdarwinistische Auslegung fallen. Konkurrenz unter Kommunisten ist keine Verdrängung des Schwächeren. Wenn Anteile der Höherleistung dem Erbringer zugesprochen werden, ist das immer noch Stärkung aller!
Wenn ein Jäger im Urkommunismus regelmäßig einen Hirsch mehr in die Gemeinschaft brachte und diese Leistung nicht als nacktes Überlebensgut aller notwendig zur Verteilung gebraucht wurde, dann wird ihm die Gemeinschaft in irgendeiner Weise
- ein Mehr am Hirsch
- ein Mehr an Privilegien
- ein Mehr an Entscheidungsangeboten
- ein Mehr an Respekt
gezollt haben.
Wer ist denn Häuptling bei den Indianern? Immer der für die Gemeinschaft Beste!
Wenn Du, lieber @blue monday, schreibst ...
... Kommunistisches Prinzip bedeutet, dass man Leistung und Verdienst völlig entkoppelt (jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen).
... dann weicht das fundamental von den von mir gerade beschriebenen und im folgenden zugefügten tatsächlichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Prinzipien des Kommunismus ab.
Freiwilligkeit des sozialen Verbandes
Gemeineigentum an den PM und Wissen der Gesellschaft
gemeinschaftliche Arbeit
Verteilung der Arbeitsleistungen nach gemeinschaftlich-festgelegten Kriterien
optional Leistungsprinzip
Verzicht auf Ausbeutung fremder Arbeitskraft
Klassenlosigkeit
Herrschaftsfreiheit (kein Staat)
[color]Das Karl Marx-Zitat ist nämlich kein Wirtschaftsprinzip des Kommunismus, sondern prognostiziert nur die voraussichtlichen Ansichten der Wirtschaftsindividuen beim bereits entwickelten Kommunismus.[/color] Durchaus denkbar dann sogar der völlige Verzicht auf Leistungsanreize (Leistungsprinzip). Denn wenn sich die kommunistische Gesellschaft auf Höchstniveau stabilisiert hat, was soll ein Individuum dann noch reizen, außer der Entfaltung in Leistung für die Gesellschaft?! Alles andere wird doch nebensächlich. Wer die Einbringung seiner Fähigkeiten als Bedürfnis hat, strebt in der Gesellschaft keinen Vergleich oder Leistungsausgleich mit anderen an. Er leistet dann sowieso das Maximale.
Wo die individuellen Fähigkeiten nicht ausreichen, um daraus individuell satt werden zu können, würde der soziale Ausgleich erfolgen, den ja jetzt schon selbst die bürgerlichen Gesellschaften ohne Murren tragen.
Bliebe höchstens zu klären, ob es relevante Anteile oder Anti-Bewegungen geben könnte, die ihre Fähigkeiten nicht ausschöpfen wollen oder glatt verweigern. Also eine völlig neue Massenbewegung von Gesellschaftsfeinden oder zerstörerischen Subkulturen. Das glaube ich nicht, da ja die Freiheiten im Kommunismus dazu einladen, sie zu nutzen. Trotzdem bin ich hier vorsichtig. Niemand kann wissen, welche Widersprüche in einer derart neu formierten Gesellschaft auftreten. Vielleicht werden Milliarden Menschen depressiv und aggressiv, weil das wissenschaftlich aufklärerische Element der Entwicklung die Akzeptanz unangenehmer Wahrheiten bedeutet.
So, lieber @blue monday, morgen schaue ich mir Deine Gedanken zu den Modellvorschlägen von Cockshott/Cottrell an. Dass derer Ideen auf mögliche nachkapitalistische Realität und damit noch gar nicht auf vollendeten Kommunismus ausgerichtet sind, macht die Sache viel interessanter. Es besteht sogar die Notwendigkeit der Erklärung organisatorischer Machbarkeit der Überquerung des Übergangs zum Kommunismus. Denn erst dann wird das Ziel ernst genommen. Wie die Autoren oder andere das Zwischenstück nennen, ob Sozialismus, Vorkommunismus, Realsozialismus, Nachkapitalismus, Vorstufe des Kommunismus oder auch gleich Kommunismus etc. ist mir egal.