Türkische Lira Krise

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ThorsHamar
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von ThorsHamar »

zollagent hat geschrieben:(13 Aug 2018, 08:05)

...und es immer noch Narren gibt, die auf so was reinfallen. ;)
...da würde doch eine Aufklärungsaktion helfen, aus den Narren Wissende zu machen, nicht?
Bislang sind ja die medial kolportierten Kausalketten "Trump twittert - Lira fällt" und "Erdogan haut auf die Kacke - Lira fällt" mit dem tatsächlichen Ergebnis "Lira fällt-Preise steigen" für jeden Türken als persönliche Erfahrung doch irgendwie übermächtig präsent.
Man sollte den Türken doch einfach mal erklären, warum die Lira tatsächlich fällt.
Könntest Du da nicht was ausarbeiten? Ich meine, argumentenmässig läuft es doch bei Dir immer picobello, finde ich ....
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zollagent
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von zollagent »

ThorsHamar hat geschrieben:(13 Aug 2018, 11:18)

...da würde doch eine Aufklärungsaktion helfen, aus den Narren Wissende zu machen, nicht?
Bislang sind ja die medial kolportierten Kausalketten "Trump twittert - Lira fällt" und "Erdogan haut auf die Kacke - Lira fällt" mit dem tatsächlichen Ergebnis "Lira fällt-Preise steigen" für jeden Türken als persönliche Erfahrung doch irgendwie übermächtig präsent.
Man sollte den Türken doch einfach mal erklären, warum die Lira tatsächlich fällt.
Könntest Du da nicht was ausarbeiten? Ich meine, argumentenmässig läuft es doch bei Dir immer picobello, finde ich ....
Nein, so nahe stehe ich den Türken nicht.
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schokoschendrezki
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von schokoschendrezki »

Ich will mich ja nicht verspekulieren und deshalb auch eher als Frage: Die verschiedenen Ansichten zur Bewertung der Ursachen und Folgen dieser Lira-Abwertung ... hat das vielleicht auch damit zu tun, dass (angeblich!) Volkswirtschaftler von Geld erstens wenn überhaupt nur im Zusammenhang mit einer Geldfunktion sprechen und zweitens eigentlich am liebsten gar nicht über Geld sprechen. Oder Geld eben in seinen Geldfunktionen erklären und damit eigentlich nur sozusagen das wissenschaftlich fundieren, was ohnehin praktisch stattfindet. Ich kann, ganz ehrlich, diese Lira-Abwertung weder in Hinsicht auf Ursache noch in Hinsicht auf Folgen wirklich selbstständig denkend einschätzen. Und in der Öffentlichkeit nehme ich immer nur eine Art von "Die einen sagen so, die anderen sagen so"-Hintergrundrauschen wahr.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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zollagent
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von zollagent »

schokoschendrezki hat geschrieben:(13 Aug 2018, 11:50)

Ich will mich ja nicht verspekulieren und deshalb auch eher als Frage: Die verschiedenen Ansichten zur Bewertung der Ursachen und Folgen dieser Lira-Abwertung ... hat das vielleicht auch damit zu tun, dass (angeblich!) Volkswirtschaftler von Geld erstens wenn überhaupt nur im Zusammenhang mit einer Geldfunktion sprechen und zweitens eigentlich am liebsten gar nicht über Geld sprechen. Oder Geld eben in seinen Geldfunktionen erklären und damit eigentlich nur sozusagen das wissenschaftlich fundieren, was ohnehin praktisch stattfindet. Ich kann, ganz ehrlich, diese Lira-Abwertung weder in Hinsicht auf Ursache noch in Hinsicht auf Folgen wirklich selbstständig denkend einschätzen. Und in der Öffentlichkeit nehme ich immer nur eine Art von "Die einen sagen so, die anderen sagen so"-Hintergrundrauschen wahr.
Nur wenige Dinge sind so von Gefühlen und Erwartungen beeinflußt wie es die Währungspolitik und die Börsen sind. Vielleicht sind die Ausschläge meist zu heftig. Aber dafür auch wenig rational.
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BlueMonday
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von BlueMonday »

Die türkische Lira ist halt ein Fiatgeld, entsprechend anfällig für den Verfall.
Zuerst muss man verstehen wie Geld eigentlich mal entstanden ist, siehe Mengers Erklärung ("On the Origins of Money"). Geld war ursprünglich ein Gut, und als absatzfähigstes Gut wurde es zum Geld. Geld ist im Ergebnis ein Fokalpunkt (Schelling)
In diesen spontanen(ungeplanten) evolutionären Entstehungsprozess klinkte sich dann das politische Diktat ein: Das ist jetzt unser Geld und nichts anderes (Fiat, lat. "es werde"). Dadurch rückte der eigentliche "Körper" des Geldes, das ursprüngliche Gut, etwa ein Edelmetall immer mehr in den Hintergrund und das Nominal selbst wurde zum "Geld" - das, was auf der Münze geprägt war. Eigentlich war Lira etc. mal eine Gewichtsangabe. Also man hat mit einer realen, tatsächlich vorhandenen und damit begrenzten Menge oder Masse eines Gutes ein anderes Gut bezahlt. Knappe Dinge wechselten den Besitzer. An der Stelle wird auch klar, dass der Geldwert kein völlig stabiler sein kann, sondern Schwankungen unterworfen sein wird, so wie der Stellenwert aller Güter in Bezug zueinander schwankt.

Durch diesen Erlass, diese Lösung von etwas tatsächlich Vorhandenen wird aber nun eine nahezu kostenlose Geldproduktion möglich. Man muss eben kein Gold oder Silber mehr aus der Erde kratzen. Man produziert praktisch nur noch "tokens", Geldzeichen. Geld bleibt aber nach wie vor "Fokalpunkt", auf den alle schauen, an den alle glauben. Aber so ein Punkt ist nicht in Stein gemeißelt, vor allem wenn er auf diese künstliche Weise gewebt und kommuniziert wurde. Man kann Geld, also seinen Stellenwert nicht beliebig "steuern".

Und dann reichen eben manchmal kleine unvorsichtige Signale eines andere Fokalpunkts, um diese ganze strategische Situation in Bewegung zu bringen. Das Messer fällt plötzlich und immer mehr Menschen werfen es fort, immer weniger wollen zugreifen, der Stellenwert einer Einheit fällt ins Bodenlose, niemand will der Dumme sein. Massenpsychologie. Ich nenne es gern der "Nackte-Kaiser-Effekt". Über lange Zeit war die Situation stabil - obwohl der Kaiser für jeden offensichtlich nackt - war er es in der entscheidenen Handlungssphäre nicht. Niemand wagte die Nacktheit offen zu kommunizieren, und wenn, dann nahm man es ihm wahrscheinlich nicht ab. Man konnte also getrost davon ausgehen, dass der Kaiser nicht nackt war in diesem öffentlichen "Als ob" und entsprechen handelnd. Das ist der Fokalpunkt. Ein Fokalpunkt ist eine Erwartung einer Person "of what the other expects him to expect to be expected to do." (Schelling) Es geht praktisch um eine mehrstufige Spekulation darüber, was die anderen Menschen erwarten/glauben, was wiederum sie erwarten, was man selbst erwartet von ihnen usw. Das ist letztlich der "Kitt" einer Gesellschaft, eines Systems, des Geldes usw - eine komplexe Struktur von Erwartungen, Spekukationen über die anderen, wie sie handeln werden, wie sie reagieren werden.

Bis ein Kind, das keine Angst vor einem Gesichtsverlust hat, das sich praktisch außerhalb der strategischen Situation befand, den Kaiser effektiv entblößte.
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Orbiter1
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von Orbiter1 »

Damit die Türken keinen falschen Eindruck vom Verfall ihrer Währung bekommen wird jetzt gegen Social Media User vorgegangen die sich entsprechend äußern.

"Zudem geht die Türkei gegen Nutzer von Sozialen Medien vor, die sich im Internet negativ über die türkische Wirtschaft äußern. Entsprechende rechtliche Maßnahmen gegen solche Mitteilungen würden eingeleitet, teilte das Innenministerium in Ankara mit. Seit dem 7. August seien fast 350 Nutzerkonten auf sozialen Netzwerken ausgemacht worden, in denen der Verfall der Landeswährung Lira auf provozierende Art und Weise kommentiert worden sei." Quelle: https://www.godmode-trader.de/artikel/t ... el,6331092

So gehört sich das auch in einer Autokratie.
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von schokoschendrezki »

BlueMonday hat geschrieben:(13 Aug 2018, 13:01)

Die türkische Lira ist halt ein Fiatgeld, entsprechend anfällig für den Verfall.
Zuerst muss man verstehen wie Geld eigentlich mal entstanden ist, siehe Mengers Erklärung ("On the Origins of Money"). Geld war ursprünglich ein Gut, und als absatzfähigstes Gut wurde es zum Geld. Geld ist im Ergebnis ein Fokalpunkt (Schelling)
In diesen spontanen(ungeplanten) evolutionären Entstehungsprozess klinkte sich dann das politische Diktat ein: Das ist jetzt unser Geld und nichts anderes (Fiat, lat. "es werde"). Dadurch rückte der eigentliche "Körper" des Geldes, das ursprüngliche Gut, etwa ein Edelmetall immer mehr in den Hintergrund und das Nominal selbst wurde zum "Geld" - das, was auf der Münze geprägt war. Eigentlich war Lira etc. mal eine Gewichtsangabe. Also man hat mit einer realen, tatsächlich vorhandenen und damit begrenzten Menge oder Masse eines Gutes ein anderes Gut bezahlt. Knappe Dinge wechselten den Besitzer. An der Stelle wird auch klar, dass der Geldwert kein völlig stabiler sein kann, sondern Schwankungen unterworfen sein wird, so wie der Stellenwert aller Güter in Bezug zueinander schwankt.

Durch diesen Erlass, diese Lösung von etwas tatsächlich Vorhandenen wird aber nun eine nahezu kostenlose Geldproduktion möglich. Man muss eben kein Gold oder Silber mehr aus der Erde kratzen. Man produziert praktisch nur noch "tokens", Geldzeichen. Geld bleibt aber nach wie vor "Fokalpunkt", auf den alle schauen, an den alle glauben. Aber so ein Punkt ist nicht in Stein gemeißelt, vor allem wenn er auf diese künstliche Weise gewebt und kommuniziert wurde. Man kann Geld, also seinen Stellenwert nicht beliebig "steuern".

Und dann reichen eben manchmal kleine unvorsichtige Signale eines andere Fokalpunkts, um diese ganze strategische Situation in Bewegung zu bringen. Das Messer fällt plötzlich und immer mehr Menschen werfen es fort, immer weniger wollen zugreifen, der Stellenwert einer Einheit fällt ins Bodenlose, niemand will der Dumme sein. Massenpsychologie. Ich nenne es gern der "Nackte-Kaiser-Effekt". Über lange Zeit war die Situation stabil - obwohl der Kaiser für jeden offensichtlich nackt - war er es in der entscheidenen Handlungssphäre nicht. Niemand wagte die Nacktheit offen zu kommunizieren, und wenn, dann nahm man es ihm wahrscheinlich nicht ab. Man konnte also getrost davon ausgehen, dass der Kaiser nicht nackt war in diesem öffentlichen "Als ob" und entsprechen handelnd. Das ist der Fokalpunkt. Ein Fokalpunkt ist eine Erwartung einer Person "of what the other expects him to expect to be expected to do." (Schelling) Es geht praktisch um eine mehrstufige Spekulation darüber, was die anderen Menschen erwarten/glauben, was wiederum sie erwarten, was man selbst erwartet von ihnen usw. Das ist letztlich der "Kitt" einer Gesellschaft, eines Systems, des Geldes usw - eine komplexe Struktur von Erwartungen, Spekukationen über die anderen, wie sie handeln werden, wie sie reagieren werden.

Bis ein Kind, das keine Angst vor einem Gesichtsverlust hat, das sich praktisch außerhalb der strategischen Situation befand, den Kaiser effektiv entblößte.
Allerbesten Dank. Das war eine - für mich jedenfalls - sehr sehr spannende und nachvollziehbare Erklärung. Besser als 100 mal "Börse vor acht" schauen. Ich würde das Problem politisch vielleicht so deuten, dass im Moment zu viele überselbstbewusste Machbarkeitsfanatiker vom Macho-Typ an der Macht sind. Erdogan, Putin, Trump, Orbán etc. Sie bringen die Massen hinter sich und glauben dann, ebenso ein Edge-of-Chaos-System wie das der internationalen Finanzen in den Bereich des direkt (von ihnen) Steuerbaren drücken zu können.
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von Skull »

Guten Tag,

diverse Spam-Beiträge...entsorgt.
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von Trutznachtigall »

ThorsHamar hat geschrieben:(13 Aug 2018, 11:18)
Man sollte den Türken doch einfach mal erklären, warum die Lira tatsächlich fällt.
Nicht nur das. Den kauffreudigen, hochverschuldeten privaten türkischen Haushalten sollte man vielleicht auch klar machen, was das finanzielle Desaster für sie konkret bedeuten würde.
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von Quatschki »

Trutznachtigall hat geschrieben:(13 Aug 2018, 19:04)

Nicht nur das. Den kauffreudigen, hochverschuldeten privaten türkischen Haushalten sollte man vielleicht auch klar machen, was das finanzielle Desaster für sie konkret bedeuten würde.
Kannst du das so pauschal beurteilen?
Wenn man hochverschuldet ist, ist doch Geldentwertung unter Umständen das Beste, was einem passieren kann?
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von zollagent »

Quatschki hat geschrieben:(13 Aug 2018, 19:30)

Kannst du das so pauschal beurteilen?
Wenn man hochverschuldet ist, ist doch Geldentwertung unter Umständen das Beste, was einem passieren kann?
Aber nur, wenn die Schulden in der Landeswährung sind und nicht in Dollar oder Euro.
Wer an Absurditäten glaubt, wird Abscheulichkeiten begehen. (Voltaire)
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von Quatschki »

zollagent hat geschrieben:(13 Aug 2018, 19:32)

Aber nur, wenn die Schulden in der Landeswährung sind und nicht in Dollar oder Euro.
Ich kenn mich im Orient nicht aus.
Ist es in der Türkei üblich, private Darlehen in Fremdwährung aufzunehmen?
Oder Kauf-, Miet- oder Pachtverträge in einer anderen als der amtlichen Landeswährung abzuschließen?
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von unity in diversity »

Quatschki hat geschrieben:(13 Aug 2018, 20:22)

Ich kenn mich im Orient nicht aus.
Ist es in der Türkei üblich, private Darlehen in Fremdwährung aufzunehmen?
Oder Kauf-, Miet- oder Pachtverträge in einer anderen als der amtlichen Landeswährung abzuschließen?
Das kommt nicht nur im Orient vor.
Die ungarischen Häuslebauer haben mal €-Kredite bei österreichische Banken aufgenommen. So etwas ist kein Problem, solange Währungen stabil bleiben.
Bei der Türkei kommt hinzu, daß sie mehr importieren als sie sich leisten können. Davon sind deutsche Exporteure betroffen und einige Energieversorger sind überengagiert.
So fing es in Griechenland auch an. Jetzt müßte die türkische Zentralbank die Zinsen anheben. Geht aber nicht, weil Zinsen laut Erdogan ein Instrument der Ausbeutung sind.
Tja, die Lira-Krise greift derweil auf andere Schwellenländer über und Europa kommt auch nicht unbeschadet davon.
Für jedes Problem gibt es 2 Lösungsansätze:
Den Falschen und den Unsrigen.
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von imp »

Quatschki hat geschrieben:(13 Aug 2018, 20:22)

Ich kenn mich im Orient nicht aus.
Ist es in der Türkei üblich, private Darlehen in Fremdwährung aufzunehmen?
Oder Kauf-, Miet- oder Pachtverträge in einer anderen als der amtlichen Landeswährung abzuschließen?
Das funktioniert - zumindest in Ungarn - anders. Der Kreditgeber ist oft eine ausländische Bank. Der Kredit wird in Landeswährung ausgezahlt und sofort zweckverwendet, die Schuld aber in Euro notiert. Damit trägt der Kreditnehmer das Kursrisiko. Bei Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen war es auch früher schon üblich, die beispielsweise in DM oder Francs zu führen, wenn Waren aus diesen Ländern im Spiel waren.
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von Quatschki »

Sole.survivor@web.de hat geschrieben:(14 Aug 2018, 08:19)

Das funktioniert - zumindest in Ungarn - anders. Der Kreditgeber ist oft eine ausländische Bank. Der Kredit wird in Landeswährung ausgezahlt und sofort zweckverwendet, die Schuld aber in Euro notiert. Damit trägt der Kreditnehmer das Kursrisiko. Bei Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen war es auch früher schon üblich, die beispielsweise in DM oder Francs zu führen, wenn Waren aus diesen Ländern im Spiel waren.
Aber wenn das Kursrisiko hoch ist, lässt sich das die Bank doch entsprechend besichern?
Und der Kreditnehmer merkt anhand der zu leistenden Sicherheiten, worauf er sich möglicherweise einlässt und dass man das eigentlich nur machen kann, wenn man auch in der Tilgungswährung Einkommen erzielt.
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von garfield336 »

BlueMonday hat geschrieben:(13 Aug 2018, 13:01)

Die türkische Lira ist halt ein Fiatgeld, entsprechend anfällig für den Verfall.
.
Wicxhtig ist nur das Vertrauen in Staat und Zentralbank das das Geld auch weiterhin seinen Wert hat.

Dieses Vertrauen geht gerade verloren.
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von garfield336 »

Quatschki hat geschrieben:(13 Aug 2018, 20:22)

Ich kenn mich im Orient nicht aus.
Ist es in der Türkei üblich, private Darlehen in Fremdwährung aufzunehmen?
Oder Kauf-, Miet- oder Pachtverträge in einer anderen als der amtlichen Landeswährung abzuschließen?
Das Problem der Türkei ist das grosse Leistungsbilanzdefizit. Sie importieren ständig mehr Waren als sie Exportieren.

Die Importware mus natürlich in harten Devisen Dollar oder Euro bezahlt werden. Da dies aber wegen dem Leistungsbilanzdefizit Mangelware ist, ist man gezwungen das Geld zu leihen.
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von Quatschki »

garfield336 hat geschrieben:(14 Aug 2018, 08:55)

Das Problem der Türkei ist das grosse Leistungsbilanzdefizit. Sie importieren ständig mehr Waren als sie Exportieren.

Die Importware mus natürlich in harten Devisen Dollar oder Euro bezahlt werden. Da dies aber wegen dem Leistungsbilanzdefizit Mangelware ist, ist man gezwungen das Geld zu leihen.
Das ist mir sowieso ein Rätsel
Deutschland hat 250 Milliarden Exportüberschüsse pro Jahr,
hat aber nicht wie Rußland und China riesige Devisenreserven
oder gewaltige Auslandsinvestments in Afrika.
Sondern im Gegenteil: Es wird immer mehr von unserem öffentlichen Eigentum, Land und Immobilien an irgendwelche Kapitalanleger aus eben jenen Handelsbilanzdefizitländern verhökert.
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zollagent
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von zollagent »

Quatschki hat geschrieben:(14 Aug 2018, 09:08)

Das ist mir sowieso ein Rätsel
Deutschland hat 250 Milliarden Exportüberschüsse pro Jahr,
hat aber nicht wie Rußland und China riesige Devisenreserven
oder gewaltige Auslandsinvestments in Afrika.
Sondern im Gegenteil: Es wird immer mehr von unserem öffentlichen Eigentum, Land und Immobilien an irgendwelche Kapitalanleger aus eben jenen Handelsbilanzdefizitländern verhökert.
Kannst du dafür Beispiele geben?
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von imp »

Quatschki hat geschrieben:(14 Aug 2018, 08:49)

Aber wenn das Kursrisiko hoch ist, lässt sich das die Bank doch entsprechend besichern?
Und der Kreditnehmer merkt anhand der zu leistenden Sicherheiten, worauf er sich möglicherweise einlässt und dass man das eigentlich nur machen kann, wenn man auch in der Tilgungswährung Einkommen erzielt.
Das ist ein Teil des Problems. Sicherheiten, die gestern noch als hinreichend galten, werden neu bewertet. Das führt teilweise zu gekündigten Krediten. Andererseits kann ein Tiefflug von Wirtschaft und Währung auch die Eurokredite kurzfristig teurer machen. Das sind nun mal die Arbeitsbedingungen in einer zweitklassigen Wirtschaft an vielen Orten in der Welt. Banken versuchen unter diesen Bedingungen Geschäfte zu machen und finden dabei Modelle, in denen Risiko und Kosten für beide Seiten (meistens) gerade so tragbar sind.
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von garfield336 »

Quatschki hat geschrieben:(14 Aug 2018, 09:08)

Das ist mir sowieso ein Rätsel
Deutschland hat 250 Milliarden Exportüberschüsse pro Jahr,
hat aber nicht wie Rußland und China riesige Devisenreserven
oder gewaltige Auslandsinvestments in Afrika.
Sondern im Gegenteil: Es wird immer mehr von unserem öffentlichen Eigentum, Land und Immobilien an irgendwelche Kapitalanleger aus eben jenen Handelsbilanzdefizitländern verhökert.
nun sie sind nicht auf grosse Devisenreserven auslänudischer Währung angewiesen.
Dennoch hat man doch grosse Goldbestände.

Die deutschen verleihen ihre Euros in die Türkei damit die hier einkaufen können. Das wird jetzt auch zu einem kleinen Problem.
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von Skull »

Quatschki hat geschrieben:(14 Aug 2018, 09:08)

Das ist mir sowieso ein Rätsel
Deutschland hat 250 Milliarden Exportüberschüsse pro Jahr,
hat aber nicht wie Rußland und China riesige Devisenreserven
oder gewaltige Auslandsinvestments in Afrika.
Sondern im Gegenteil: Es wird immer mehr von unserem öffentlichen Eigentum,
Land und Immobilien an irgendwelche Kapitalanleger aus eben jenen Handelsbilanzdefizitländern verhökert.
Da muss man doch unterscheiden.

Die Export-Überschüsse werden von Firmen erzielt.
Diese tauschen die erhaltenen Mittel i.d.R. dann ja auch in Euros.
Oder bekommen sie per Vertrag in Euros.

Öffentliches Eigentum hat damit ja nichts zu tun.
Hat Null und Nichts mit den Handelsbilanzen, noch deren Defizitländern zu tun.

Solche "Bezüge" herzustellen macht keinen Sinn.

mfg
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Quatschki hat geschrieben:(14 Aug 2018, 09:08)

Deutschland hat 250 Milliarden Exportüberschüsse pro Jahr,
hat aber nicht wie Rußland und China riesige Devisenreserven
.
Warum auch? Die Exporte werden sicherlich größtenteils in EUR bezahlt.
„Es wurde schon alles gesagt, nur noch nicht von jedem.“ (Karl Valentin)
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von Orbiter1 »

Quatschki hat geschrieben:(14 Aug 2018, 09:08)

Das ist mir sowieso ein Rätsel
Deutschland hat 250 Milliarden Exportüberschüsse pro Jahr,
hat aber nicht wie Rußland und China riesige Devisenreserven
oder gewaltige Auslandsinvestments in Afrika.
Sondern im Gegenteil: Es wird immer mehr von unserem öffentlichen Eigentum, Land und Immobilien an irgendwelche Kapitalanleger aus eben jenen Handelsbilanzdefizitländern verhökert.
Falls du es noch nicht gemerkt haben solltest. Deutschland ist Teil des Eurosystems mit der EZB als zentraler Notenbank. Die Währungsreserven des Eurosystems beliefen sich Ende Juni auf umgerechnet 690 Mrd €. http://www.ecb.europa.eu/stats/balance_ ... ur.en.html
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von Orbiter1 »

Hier mal ein Zitat aus einem Artikel von Welt online vom Februar 2014. Kommt einem irgendwie bekannt vor.

"Der Verfall der türkischen Währung trifft die Bevölkerung gleich doppelt. Während Konsumgüter immer teurer werden, steigen die Kosten für Kredite. Immer mehr Familien geraten in die Schuldenfalle. ... Seit dem letzten Jahr hat die türkische Währung konstant an Wert gegenüber Dollar und Euro verloren. So zahlte man vor einem Jahr noch 1,68 Lira für einen Dollar, heute sind es 2,26. Als vergangene Woche der Dollar die Marke von 2,40 erreichte, traf sich die türkische Zentralbank zum Krisengipfel. Ihre Entscheidung, den Leitzins von 4,5 auf 10 Prozent zu erhöhen, fiel unerwartet entschlossen – und gegen den Widerstand des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayip Erdogan – aus. .... Doch die Schwäche der Lira lässt nicht nur ausländische Investoren abwandern, sondern trifft auch die türkischen Verbraucher hart. Viele von ihnen sind hoch verschuldet. .... Ein weiteres Problem für die türkischen Verbraucher stellt ihre Abhängigkeit von importierten Gütern dar. Die Türkei leidet an einem hohen Leistungsbilanzdefizit, die Türken konsumieren mehr, als sie produzieren. Der teure Dollar treibt die Preise vieler Güter in die Höhe." Quelle: https://www.welt.de/wirtschaft/article1 ... falle.html

Die aktuelle Situation müssten die Türken eigentlich gewohnt sein.
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von schokoschendrezki »

unity in diversity hat geschrieben:(14 Aug 2018, 00:55)

Das kommt nicht nur im Orient vor.
Die ungarischen Häuslebauer haben mal €-Kredite bei österreichische Banken aufgenommen. So etwas ist kein Problem, solange Währungen stabil bleiben.
Frankenkredite vor allem auch. Und sie wurden den Häuslebauern ohne jede Rückversicherung und Bonitätsprüfung in fast beliebiger Höhe gewährt. Natürlich nicht aus Dummheit sondern mit Bedacht. Das ging sehr häufig schief. Und dann kam die Bankenkrise. Und dann 2011 das von Orbán durchgedrückte Fremdwährungskredittilgungsgesetz. Das er populistisch als "Befreiung aus der Schuldensklaverei" verkaufte. Aber EU-Europa machte mit. Man muss das ganze komplexe Interessengemisch versuchen zu verstehen.
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von Orbiter1 »

Ist das jetzt alles was Erdogan als Antwort auf die Verdoppelung der Stahl- und Aluminiumzölle zu bieten hat?

"Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat als Reaktion auf US-Sanktionen einen "Boykott" elektronischer Geräte aus den USA angekündigt. Die USA hätten iPhones, doch "auf der anderen Seite" gebe es Samsung, sagte er im türkischen Fernsehen."

Das muß man ja schon fast als einen Schritt in Richtung Deeskalation sehen wenn das die einzige Reaktion auf die Zölle ist.
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von Audi »

Orbiter1 hat geschrieben:(14 Aug 2018, 11:27)

Ist das jetzt alles was Erdogan als Antwort auf die Verdoppelung der Stahl- und Aluminiumzölle zu bieten hat?

"Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat als Reaktion auf US-Sanktionen einen "Boykott" elektronischer Geräte aus den USA angekündigt. Die USA hätten iPhones, doch "auf der anderen Seite" gebe es Samsung, sagte er im türkischen Fernsehen."

Das muß man ja schon fast als einen Schritt in Richtung Deeskalation sehen wenn das die einzige Reaktion auf die Zölle ist.
Was soll Erdogan gegen die USA schon machen? Das schlimmste wäre, man wirft die USA raus und schließt alle US Basen im Land. Dort könnte er höchstens den USA weh tun
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von Skull »

Audi hat geschrieben:(14 Aug 2018, 12:31)

Was soll Erdogan gegen die USA schon machen?

Das schlimmste wäre, man wirft die USA raus und schließt alle US Basen im Land.
Dort könnte er höchstens den USA weh tun
Ich glaube nicht, dass das den USA weh tun wird.

Allenfalls der Türkei.
Weniger Basen, weniger Zuwendungen.
Weniger Zuwendungen...noch weniger Devisen.
Noch weniger Vertrauen...noch schwächere Lira. :D

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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von Orbiter1 »

Skull hat geschrieben:(14 Aug 2018, 13:39)

Ich glaube nicht, dass das den USA weh tun wird.

Allenfalls der Türkei.
Weniger Basen, weniger Zuwendungen.
Weniger Zuwendungen...noch weniger Devisen.
Noch weniger Vertrauen...noch schwächere Lira. :D
Naja, heute und morgen ist ja der russische Außenminister Lawrow in der Türkei. Incirlik wäre sicher auch ein guter Standort für eine russische Luftwaffenbasis.
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von Alter Stubentiger »

Orbiter1 hat geschrieben:(14 Aug 2018, 14:19)

Naja, heute und morgen ist ja der russische Außenminister Lawrow in der Türkei. Incirlik wäre sicher auch ein guter Standort für eine russische Luftwaffenbasis.
Russland ist Nachbar. Wozu sollten die Basen brauchen? Und außerdem haben die Russen auch kein Geld. Das Renteneintrittsalter wurde erhöht.
Niemand hat vor eine Mauer zu errichten (Walter Ulbricht)
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von imp »

Orbiter1 hat geschrieben:(14 Aug 2018, 14:19)

Naja, heute und morgen ist ja der russische Außenminister Lawrow in der Türkei. Incirlik wäre sicher auch ein guter Standort für eine russische Luftwaffenbasis.
Ich glaube, da liegen schon irgendwelche Landebahnen rum.
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von Sorgenking »

Diese Währungskrise war halt so vorhersehbar, ein klassisches Beispiel für das Krisenmodell der 3.Generation.
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von Trutznachtigall »

Orbiter1 hat geschrieben:(14 Aug 2018, 11:02)

Hier mal ein Zitat aus einem Artikel von Welt online vom Februar 2014. Kommt einem irgendwie bekannt vor.

"... sondern trifft auch die türkischen Verbraucher hart. Viele von ihnen sind hoch verschuldet. "
Ach, die armen Türken. :(

Da kann man nur sagen, selbst schuld. Häufig bin ich in der Türkei gewesen auch schon zu Zeiten, als die Türkei noch kein Touristenland war und man sich hier an die Stirn tippte und meinte, ich wäre wohl plemplem, in das [Mod: editiert] zu reisen. Ich war in allen Regionen - Istanbul, Ankara, Westküste, Südküste, Zentralanatolien, Ostanatolien, Schwarzmeerregion, Kurdengebiete (Diyarbakir). Ich habe sehr wohl mitverfolgen können, wie der Wohlstand in der Türkei wuchs, bis zu dem Zeitpunkt, wo viele Türken offensichtlich den Blick für die finanziellen Realitäten verloren haben. Ich erinnere mich an das Gespräch mit einem türkischen Familienvater - etwa 2012. Er zeigte mir seine Geldbörse und wies ganz stolz auf seine lange Latte von verschiedenen Kreditkarten darin. Er sagte:" Früher haben wir erst gekauft, wenn das Geld dafür da war. Heute kaufen wir immer." Und kam sich dabei super fortschrittlich vor.
☸ڿڰۣ--ڿڰۣ--☸ڿڰۣ--☸ڿڰۣڿڰۣ--☸ڿڰۣ--☸ڿڰۣ--☸ڿڰۣ--☸ڿڰۣ--☸ڿڰۣ--☸ڿڰۣ--☸ڿڰۣ--☸ڿڰۣ--☸ڿڰۣڿڰۣ--☸☸ڿڰۣڿڰۣ
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von Alter Stubentiger »

Trutznachtigall hat geschrieben:(14 Aug 2018, 15:32)

Ach, die armen Türken. :(

Da kann man nur sagen, selbst schuld. Häufig bin ich in der Türkei gewesen auch schon zu Zeiten, als die Türkei noch kein Touristenland war und man sich hier an die Stirn tippte und meinte, ich wäre wohl plemplem, in das [Mod: editiert] zu reisen. Ich war in allen Regionen - Istanbul, Ankara, Westküste, Südküste, Zentralanatolien, Ostanatolien, Schwarzmeerregion, Kurdengebiete (Diyarbakir). Ich habe sehr wohl mitverfolgen können, wie der Wohlstand in der Türkei wuchs, bis zu dem Zeitpunkt, wo viele Türken offensichtlich den Blick für die finanziellen Realitäten verloren haben. Ich erinnere mich an das Gespräch mit einem türkischen Familienvater - etwa 2012. Er zeigte mir seine Geldbörse und wies ganz stolz auf seine lange Latte von verschiedenen Kreditkarten darin. Er sagte:" Früher haben wir erst gekauft, wenn das Geld dafür da war. Heute kaufen wir immer." Und kam sich dabei super fortschrittlich vor.
Ja. Private und staatliche Verschuldung haben ein kritisches Niveau erlangt. Zusätzlich hat man viele Leute die wichtig für die Wirtschaft aber keine AKP-Anhänger waren aus dem Land getrieben oder ins Gefängnis geworfen. Das Ergebnis war vorhersehbar.
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von Audi »

Alter Stubentiger hat geschrieben:(14 Aug 2018, 14:31)

Russland ist Nachbar. Wozu sollten die Basen brauchen? Und außerdem haben die Russen auch kein Geld. Das Renteneintrittsalter wurde erhöht.
Russland hat kürzere Wege zum anfliegen in Syrien. Die Infrastruktur ist ausgebaut und man sichert sich Einfluss in der Türkei. Die Basis ist sicher
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von Skull »

Guten Tag,

hier geht es um die Lira-Krise. Nicht um Nato, amerikanische oder potentielle russische Armeestützpunkte.
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von Orbiter1 »

Orbiter1 hat geschrieben:(14 Aug 2018, 11:27)

Ist das jetzt alles was Erdogan als Antwort auf die Verdoppelung der Stahl- und Aluminiumzölle zu bieten hat?

"Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat als Reaktion auf US-Sanktionen einen "Boykott" elektronischer Geräte aus den USA angekündigt. Die USA hätten iPhones, doch "auf der anderen Seite" gebe es Samsung, sagte er im türkischen Fernsehen."

Das muß man ja schon fast als einen Schritt in Richtung Deeskalation sehen wenn das die einzige Reaktion auf die Zölle ist.
Der Boykott elektronischer Geräte war nicht die einzige Reaktion auf die Zollerhöhungen der USA. Jetzt erhöht die Türkei im Gegenzug die Zölle auf bestimmte US-Waren.

"Die Türkei hat im Streit mit den USA über das Festhalten des US-Pastors Andrew Brunson die Einfuhrzölle auf bestimmte US-Produkte drastisch erhöht. Darunter seien Pkw, Alkoholika und Tabak, berichtete die "Resmi Gazete", das Amtsblatt der Türkei, am Mittwoch. Für Pkw werde nach einem von Präsident Recep Tayyip Erdogan unterzeichneten Dekret der Zoll um 120 Prozent angehoben, bei alkoholischen Getränken seien es 140 und bei Tabak 60 Prozent. Auch für andere Waren gelten demnach künftig höhere Zölle, darunter für Kosmetika, Reis und Kohle." Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/han ... 14180.html

Die Eskalation geht also weiter. Erdogan traue ich es ohne weiteres zu dass er tatsächlich die NATO verlässt und sich mit Russland und/oder China verbündet.
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von H2O »

Orbiter1 hat geschrieben:(15 Aug 2018, 11:34)

...

Die Eskalation geht also weiter. Erdogan traue ich es ohne weiteres zu dass er tatsächlich die NATO verlässt und sich mit Russland und/oder China verbündet.
Das wird diese Partner aber freuen. Endlich einmal ein verlässlicher Partner, der dazu auch gar nichts kostet. :p
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von unity in diversity »

H2O hat geschrieben:(15 Aug 2018, 12:49)

Das wird diese Partner aber freuen. Endlich einmal ein verlässlicher Partner, der dazu auch gar nichts kostet. :p
Neues zum Thema Verläßlichkeit von Trump:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/u ... 23123.html
Aber bevor Erdogan die Seite wechselt, werden die Türken bestimmt in die Demokratie gebombt.
Für jedes Problem gibt es 2 Lösungsansätze:
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von H2O »

unity in diversity hat geschrieben:(15 Aug 2018, 13:37)

Neues zum Thema Verläßlichkeit von Trump:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/u ... 23123.html
Aber bevor Erdogan die Seite wechselt, werden die Türken bestimmt in die Demokratie gebombt.
Tut mir leid; ich verstehe dieses Embargo völlig. Dazu muß man den Artikel aber ganz lesen. Die Bundesrepublik ist schon früher darauf gekommen, daß sie kein neues Rüstungsmaterial an diesen unzuverlässigen Partner mehr liefen will. Damit wird auch der technische Austausch auf NATO-Ebene entfallen. Die USA werden nun wohl nach Ost-Syrien zu den Kurden verlegen. Dort hatten sie schon einen großen Flugplatz angelegt, als die Türkei schon einmal herum muckte. Daraus kann sich regional mehr entwickeln, wenn man die Feindbilder der USA und Israels betrachtet.
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von unity in diversity »

Einige "sensible" Industriestandorte, müssen jedenfalls aus der Türkei abgezogen werden, weil die aktuelle Entwicklung das alternativlos macht.
Damit wird das türkische Handelsbilanzdefizit noch bedenklicher und damit die Währung.
Als Urlauberressort kann die Türkei kaum überleben.
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von Alter Stubentiger »

unity in diversity hat geschrieben:(15 Aug 2018, 15:01)

Einige "sensible" Industriestandorte, müssen jedenfalls aus der Türkei abgezogen werden, weil die aktuelle Entwicklung das alternativlos macht.
Damit wird das türkische Handelsbilanzdefizit noch bedenklicher und damit die Währung.
Als Urlauberressort kann die Türkei kaum überleben.
Erdogan hat die Türkei in die Sackgasse manövriert. Ein Ausgleich mit den Kurden wäre nötig gewesen um der Wirtschaft neue Märkte im Irak, Iran und Syrien zu erschließen. Stattdessen wird überall geschossen. Das ist teuer und hilft keinem. Aber Erdogan denkt wohl dass er so das osmanische Reich auferstehen lassen kann. Aber das kommt so wenig wieder wie das britische Empire oder Ostpreussen.
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von Skull »

Alter Stubentiger hat geschrieben:(15 Aug 2018, 16:28)

Erdogan hat die Türkei in die Sackgasse manövriert. Ein Ausgleich mit den Kurden wäre nötig gewesen um der Wirtschaft neue Märkte im Irak, Iran und Syrien zu erschließen. Stattdessen wird überall geschossen. Das ist teuer und hilft keinem. Aber Erdogan denkt wohl dass er so das osmanische Reich auferstehen lassen kann. Aber das kommt so wenig wieder wie das britische Empire oder Ostpreussen.
Ich würde da noch weiter gehen...

Erdogan hat Hunderttausende Menschen "willkürlich" entlassen.
Er hat die Konflikte innerhalb der Türkei geschürrt.
Er hat die Türkei staatspolitisch umgebaut.
Er hat Verfassungsänderungen durchführen lassen.
Er hat die Pressefreiheit stark eingeschränkt.
Er ist einigen NATO-Partnern unfreundlich gekommen.
Er ist die EU regelmässig unfreundlich angegangen.
Er "sucht" andere neue Partner, die anderorts kritisch gesehen werden.

Heisst in der Summe...innenpolitisch ist er mächtiger denn je.

Aussenpolitisch geniesst er kaum mehr VERTRAUEN.
Eine VERLÄSSLICHKEIT gibt es nicht.
Und DAS zeigt sich somit auch in der Währung.

LIRA...schwach. :D

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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von unity in diversity »

Skull hat geschrieben:(15 Aug 2018, 18:06)

Ich würde da noch weiter gehen...

Erdogan hat Hunderttausende Menschen "willkürlich" entlassen.
Er hat die Konflikte innerhalb der Türkei geschürrt.
Er hat die Türkei staatspolitisch umgebaut.
Er hat Verfassungsänderungen durchführen lassen.
Er hat die Pressefreiheit stark eingeschränkt.
Er ist einigen NATO-Partnern unfreundlich gekommen.
Er ist die EU regelmässig unfreundlich angegangen.
Er "sucht" andere neue Partner, die anderorts kritisch gesehen werden.

Heisst in der Summe...innenpolitisch ist er mächtiger denn je.

Aussenpolitisch geniesst er kaum mehr VERTRAUEN.
Eine VERLÄSSLICHKEIT gibt es nicht.
Und DAS zeigt sich somit auch in der Währung.

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Korrekt, genau der richtige Mann, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort.
So was kann man gebrauchen, wenn man im Sinne von "Amerika first" zur Standortbereinigung schreiten will.
Zum Beispiel F35-Komponenten, was hatte diese Produktion aus Trumps Sicht in der Türkei zu suchen?
Warum soll man sich von den Türken Stahl und Aluminium liefern lassen, kann man das nicht selber?
So tickt Trump.
Der komische Brunson ist nur der Aufhänger, aber als tatsächlicher Grund für die Krise absolut lächerlich.
Für jedes Problem gibt es 2 Lösungsansätze:
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von Alter Stubentiger »

Skull hat geschrieben:(15 Aug 2018, 18:06)

Ich würde da noch weiter gehen...

Erdogan hat Hunderttausende Menschen "willkürlich" entlassen.
Er hat die Konflikte innerhalb der Türkei geschürrt.
Er hat die Türkei staatspolitisch umgebaut.
Er hat Verfassungsänderungen durchführen lassen.
Er hat die Pressefreiheit stark eingeschränkt.
Er ist einigen NATO-Partnern unfreundlich gekommen.
Er ist die EU regelmässig unfreundlich angegangen.
Er "sucht" andere neue Partner, die anderorts kritisch gesehen werden.

Heisst in der Summe...innenpolitisch ist er mächtiger denn je.

Aussenpolitisch geniesst er kaum mehr VERTRAUEN.
Eine VERLÄSSLICHKEIT gibt es nicht.
Und DAS zeigt sich somit auch in der Währung.

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Ja. Und durch die Kontrolle der meisten Medien kann er überall verbreiten dass das Ausland schuld ist. Ist wohl der Trend bei den großen Führern. Schuld ist das Ausland, die Lügenpresse, Verräter, NGO`s. Die Diktatoren lieben ihre Opferrolle. Denn dass sie selber Schuld an der miesen Lage sein könnten ist nun ja........allein diese Frage zu stellen würde mir in der Türkei wohl als Beleidigung des Türkentums ausgelegt werden.
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von H2O »

Alter Stubentiger hat geschrieben:(15 Aug 2018, 18:29)

Ja. Und durch die Kontrolle der meisten Medien kann er überall verbreiten dass das Ausland schuld ist. Ist wohl der Trend bei den großen Führern. Schuld ist das Ausland, die Lügenpresse, Verräter, NGO`s. Die Diktatoren lieben ihre Opferrolle. Denn dass sie selber Schuld an der miesen Lage sein könnten ist nun ja........allein diese Frage zu stellen würde mir in der Türkei wohl als Beleidigung des Türkentums ausgelegt werden.
Eine Landeswährung entsteht und wächst doch mit dem wirtschaftlichem und politischem Handeln der Menschen, die in einem Land leben. Von nix kommt nix. Da kann Präsident Erdogan nun seinen ihm noch zugeneigten Landsleuten erzählen, was immer er möchte. Die Landeswährung schöpft daraus bestimmt keine Kraft. Es gab Zeiten, da war die Türkei die Kleiderkammer Europas: Eine riesige Textilindustrie. Was haben die Leute daraus gemacht? Türkische Mode, türkischer Stil?

Fast vermute ich, daß diese Fertigungsstätte ein paar Häuser weiter gezogen ist.

Die Türkei hatte einen wachsenden Anteil am europäischen Reiseverkehr... nicht nur Pauschalurlauber, auch Bildungsreisen in die Provinzen des Landes. Das brachte Beschäftigung und Konsum landestypischer Erzeugnisse. Aber die Türkei mußte dringend zündeln in Syrien und dann noch mit den Kurden im Osten und sie ist zerstritten mit allen Nachbarn ringsum. Da werden nur hartgesottene Abenteurer eine Bildungsreise nach Anatolien wagen.

Eine enge türkisch-deutsche Zusammenarbeit hatte sich auf allen möglichen Gebieten entwickelt; die Türkei als Zulieferer und Montageplatz nach Blaupausen. So etwas geht nicht kurz 'mal eben zu Bruch. Aber in einem Klima der rechtlichen und politischen Ungewißheit wird die Lust sinken, große Summen für Projekte in der Türkei an zu legen. Als Folge dvon schrumpft auch die technische Zusammenarbeit, die zwar türkisches Geld kostet, aber auch türkische Risiken dämpft. Mit dem Verzicht der USA auf F35-Lieferung und Teilefertigung in der Türkei ist eine solche Zusammenarbeit zu Bruch gegangen. Fehlendes Vertrauen als Begründung. Eben einmal umschwenken auf europäische Hersteller... derzeit völlig unvorstellbar. Auf russische Hersteller? Tja, mit dem Verbündeten Assads nun eng zusammenarbeiten. Dann können die Streithähne im Fall eines Konflikts die erbeuteten gegnerischen Waffensysteme ausschlachten für Ersatzteile. Wenig wahrscheinlich!

Selbst machen? Tja, die Risken sind dann aber auch vorhanden... man denke an unser Abenteuer mit A400M. Und das dann auf vielen entscheidenden Gebieten... da hat sich der Präsident wohl doch arg verhoben. Auferstehung des Osmanischen Reichs gegen alle Nachbarn und mit Bürgerkrieg im Inneren... na, das wird aber etwas!

So gesehen wird die Landeswährung aller Voraussicht nach einen anhaltenden Sturzflug hinlegen. Und ich sehe niemanden, der vertrauensvoll Hilfe zur Selbsthilfe leisten wird.

Präsident Erdogan hat das Kunststück vollbracht, durch unsinniges Gepoltere ringsum und lauthals geäußerten Größenwahn ("osmanische Ohrfeigen", "bereit, Krieg zu führen") jahrzehntelang und länger gewachsenes Vertrauen in Bündnissen und Anwartschaften auf EU-Mitgliedschaft in wenigen Jahren aus zu löschen. Erstaunlich und zugleich erschütternd, daß tatsächlich eine Hälfte der Bewohner der Türkei ihm dabei folgt. Die müßten doch bemerken, daß stetig bis dahin hoch angesehene Leute in Gefängnisse geraten oder das Land verlassen... daß da eine grundlegend falsche Politik im Lande verfolgt wird.

Das türkische Abenteuer wird nicht gut enden können. Die Währung Lira wird aus dem internationalen Devisenhandel verschwinden... oder zu Phantasiepreisen gehandelt, wie das zum politischen Ende Jugoslawiens zu erleben war.
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von unity in diversity »

Merkel bleibt nichts weiter übrig, als mit Diktator Erdogan gut zu können:
http://www.spiegel.de/politik/deutschla ... 23358.html
Sonst wird Erdogan, nach Obama, der Nächste, der die Migrationswaffe gegen Europa einsetzt:
https://www.sueddeutsche.de/politik/aus ... -1.2890196
Für jedes Problem gibt es 2 Lösungsansätze:
Den Falschen und den Unsrigen.
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von rain353 »

unity in diversity hat geschrieben:(16 Aug 2018, 03:51)

Merkel bleibt nichts weiter übrig, als mit Diktator Erdogan gut zu können:
http://www.spiegel.de/politik/deutschla ... 23358.html
Sonst wird Erdogan, nach Obama, der Nächste, der die Migrationswaffe gegen Europa einsetzt:
https://www.sueddeutsche.de/politik/aus ... -1.2890196
Kriegt er jetzt Kredite in Aussicht gestellt?
"Es ist nichts so klein und wenig, woran man sich nicht begeistern könnte." - Friedrich Hölderlin
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Re: Türkische Lira Krise

Beitrag von Orbiter1 »

unity in diversity hat geschrieben:(16 Aug 2018, 03:51)

Merkel bleibt nichts weiter übrig, als mit Diktator Erdogan gut zu können:
http://www.spiegel.de/politik/deutschla ... 23358.html
Nö, Merkel und die EU könnten sich die Chance auch entgehen lassen einen Erdogan, der auf Hilfe von außen angewiesen ist, Zugeständnisse abzutrotzen. Sie könnten den wirtschaftlichen Niedergang der Türkei auch beschleunigen und ihren Beitrag dazu leisten dass die Türkei aus der NATO austritt und in Zukunft mit Russland gemeinsame Sache macht. Was ist dadurch gewonnen? Ein paar hunderttausend oder Mio Türken die dann nach Europa fliehen wollen? Ist es das was du willst?
Sonst wird Erdogan, nach Obama, der Nächste, der die Migrationswaffe gegen Europa einsetzt:
https://www.sueddeutsche.de/politik/aus ... -1.2890196
Erdogan hat sich beim Türkei-Deal bisher absolut vertragstreu gehalten. Wenn er ihn als Migrationswaffe nutzen wollte hätte er es längst getan.
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