Raskolnikof hat geschrieben:(14 Aug 2017, 15:39)
Auch wenn es an frems gerichtet ist:
Kann es sein, dass du ein wenig verallgemeinerst? Ich beispielsweise bin ein bekennender Kartenzahler, der wirklich alles was geht mit Karte bezahlt. Mitunter benötige ich zwei Wochen durchgehend nicht einen Cent Bargeld.
Einige Menschen in meinem sozialen Umfeld und auch hier im Forum finden dieses Verhalten leichtsinnig und können mich nicht verstehen. Dabei meine ich jetzt nicht das Thema Abschaffung des Bargeldes sondern die Bezahlung mit Giro- oder Kreditkarte und auch das Onlinebanking im Allgemeinen.
Bin ich wirklich leichtsinnig und blauäugig? Ich denke nicht. In die digitale Welt bin ich noch mit dem Commodore 64 eingestiegen und habe sämtliche Phasen des PCs mitgemacht, vom 8082er bis heute. Vom Betriebssystem DOS kenne ich noch jeden Befehl. Das Internet durchforstete ich anfangs noch mit dem Akustikkoppler an einer analogen Telefonleitung. Auch die Linux-Phase habe ich erfolgreich durchlebt und beendet. Neben meiner Berufstätigkeit als Berufsschullehrer habe ich verschiedene VHS-Kurse im Bereich Internet und Social Media erteilt, dies auch jetzt noch in der kirchlichen Jugendarbeit.
Ich denke, dass ich sehr gut weiß, welche Möglichkeiten und Gefahren die moderne digitale Kommunikationstechnik in sich birgt. Da mache ich mir schon Gedanken darüber, was ich da für Techniken nutze und welche nicht. So sind beispielsweise Facebook und WhatsApp für mich Tabu. Dafür nutzen mein Freundeskreis und ich Threema. Dies nur als Beispiel.
Was speziell die Kartenzahlung und die damit möglicherweise verbundenen Gefahren betrifft: Da gibt es Wahres aber auch viel Unwahres, was eher in den Bereich der Verschwörungstheorien gehört. Zudem werden von den absoluten Kartengegnern die möglichen Gefahren beim Bargeldverkehr vollkommen ausgeblendet. Ich denke da nur mal an den Verlust der Geldbörse.
Ich will damit sagen, dass man nicht jeden Menschen als leichtsinnigen Zeitgenossen verurteilen kann, nur weil er bestimmte Errungenschaften der Technik für sich nutzt. Der eine nutzt alles weil es einfach geil ist völlig gedankenlos, der andere informiert sich zunächst gründlich und entscheidet dann oder aber er wendet sich von bestimmten Dingen ab wenn er von möglichen Nachteilen durch die Nutzung bestimmter Techniken für sich erfährt.
In Dänemark ist die Digitalisierung bereits so weit fortgeschritten, dass ein Abwägen dafür oder dagegen meist gar nicht mehr möglich ist. Jegliche Korrespondenz mit Behörden in beiden Richtungen erfolgt nur noch digital. Ausnahmen sind nur in ganz besonderen Fällen möglich. „Ich habe keinen PC oder Internet“ gilt da nicht. Bescheide von Behörden, die Anmeldung in einem kommunalen Kindergarten oder die Anmeldung zur Grundschule erfolgen grundsätzlich digital. Die Digitalisierung und Vernetzung in Dänemark geht so weit, dass ein studierwilliger Däne sich mit wenigen Klicks an sämtlichen dänischen Universitäten einschreiben bzw. bewerben kann. Sind seine persönlichen Daten mit Lebenslauf erst einmal in irgendeiner Behörde hinterlegt, muss der Bewerber die nicht noch einmal umständlich eingeben. Alle Daten werden automatisch erfasst und den Universitäten übermittelt. Es wird nicht eine einzige Kopie irgendeines Zeugnisses benötigt, nicht einmal das Abiturzeugnis. So dauert die Bewerbung für die Uni nicht länger als eine Bestellung bei Amazon.
Die Dänen sind zum allergrößten Teil stolz auf diese Entwicklung und halten uns in dieser Beziehung für Hinterwäldler. Sind die durchweg Menschen, die der Technik und den Menschen dahinter vertrauen.
Eines haben die Dänen mit Sicherheit: Ein viel größeres Vertrauen gegenüber Behörden und öffentlichen Einrichtungen. Sie sehen nicht überall nur Böses. Dies erklärt vielleicht auch die sprichwörtliche Gemütlichkeit, das Gefühl sich geborgen zu fühlen und das Glücklichsein der Dänen, kurz „Hygge“ genannt. Die Dänen nehmen alles ein wenig leichter und problematisieren nicht jeden Furz wie wir Deutschen.
Ich stehe nicht ganz hinter dieser vielleicht etwas kindlich anmutenden Einstellung der Dänen. Seitdem ich mich aber zunehmend in Dänemark aufhalte überrasche ich mich dabei, wie ich mich mehr und mehr von dieser „Leichtigkeit des Seins“ der Dänen inspirieren lasse und alles nicht mehr so verbissen sehe.
Vielleicht täte uns ein klein wenig „Hygge“ auch ganz gut.
https://blog.bwi.de/cebit-2017-ueber-da ... daenemark/
http://www.sueddeutsche.de/stil/lebenss ... -1.3148698