Tantris » Di 28. Aug 2012, 15:44 hat geschrieben:
Sagen wir, die westdeutsche gesellschaft ist durchaus auch durch die aufklärung der 68-er geprägt. Und die bestand nunmal hauptsächlich aus der frage, was hast du gemacht vor 45?
Vorher wurde auch hauptsächlich totgeschwiegen.
Gut, das kann sicherlich mit eine Rolle gespielt haben, dass rechtsextreme Einstellungen, mal salopp gesagt, nicht mit Springerstiefel und Molli, sondern mit Formular und Stempel oder Verachtung und Ignoranz ausgelebt wurden. Inwieweit das nun eine gewisse Gewaltaversion im Westen begünstigt, vermag ich nicht zu sagen, es klingt zumindest plausibel.
Welche erklärung hast du?
Wenn es nicht die moralische verunsicherung der leute durch den zusammenbruch eines totalitären staates war?
Eine Erklärung habe ich nicht parat, das sollten keine Suggestiv- oder rhetorische Fragen sein. Ich vermute es war - natürlich - ein ganzes Konglomerat an Gründen. Der Hauptpunkt war sicherlich das Gefühl,
alles kann erreicht werden, wenn nur energisch genug vorgegangen wird, immerhin ist ein Staat recht flott zusammengebrochen, der 40 Jahre seine Bürger knechtete und klotzte, nicht kleckerte, wenn es um die Ausübung perfider Gewalt ging.
Wenn das so schnell hinweggefegt wird, wenn die Herrscher über die Gewalt sie so einfach "verlieren" oder aus der Hand geben, gibt es dann überhaupt noch eine Gewalt, die uns stoppen kann? Warum dann Nägel mit Köpfen machen, das Asylbewerberheim abfackeln, welches dann wie ein Riesendomino die anderen entweder auch mit umstößt oder einfach unter sich begräbt. So in etwa mag sich der Mob das gedacht haben. Das Übliche, also soziale Benachteiligung, Frust, Persepktivlosigkeit spielt in diesem Zusammenhang sicherlich eine eher untergeordnete Rolle, gabs ja so auch im Westen zur Genüge. Nur dass da mMn halt die Euphorie fehlte.
Nur, und das halte ich für eben sehr bedeutsam, bleibt halt die Frage, woher der Ausländerhass kam. Nur daher, dass es keine 68er Bewegung im Osten gab? Wenn das stimmte, wieso gibt es den dann auch im Westen? - Nur daher, dass der Antifaschismus als Staatsdoktrin galt, und da der Staat ja verhasst war, demzufolge auch die Doktrin? Wenn das so wäre, warum hat die Linkspartei dann gerade im Osten Volksparteicharakter?
Man kann halt nicht verleugnen, dass die Stimmung in diese Richtung getrieben wurde, insbesondere wenn ich mir das Spiegeltitelbild vor Augen halte. War das der deutschnationale Überschwang, noch aus der Einheit kommend? Möglich wäre es. Und da stelle ich mir schon die Frage, inwieweit dies in Rechnung gestellt, und vor allem aufgearbeitet werden muss. Wie gesagt, schuld sind die Täter, aber wie konnte es überhaupt zu dieser (und anderen, Solingen, Mölln, etc) Tat kommen?
Auch im westen ging es in den 50-er nicht halb so friedlich zu, wie heute... google mal nach "schwabinger krawalle"!
Krass. Das war mir bisher nicht bekannt. Ist aber trotdem ne andere Liga, Ausschreitungen, Krawall sind eine ganz andere Geschichte als ein Pogrom. Gerade bei Ausschreitungen sind Faktoren wie Perspektivlosigkeit, etc ausschlaggebend dafür, mal "die Sau rauszulassen", bei Pogromen hingegen nicht, die sind zielgerichtet.