Sextus Ironicus hat geschrieben:(29 Nov 2017, 10:45)
Ich stelle nichts unter Generalverdacht, aber dass der Zweig für Ideologie anfällig ist, scheint mir unbestritten, und gerade hier ist das Einwirken von Politik mitunter äußerst antiwissenschaftlich. Aber da ich mich bei bei meinen Lektüren kräftig aus dem Bereich bediene (aktuell: Andreas Reckwitz: Die Gesellschaft der Singularitäten, sehr empfehlenswert) werde ich wohl keine grundsätzliche Findschaft hegen
Allerdings bleibe ich schon dabei: Pathologie ist kein Teil von Sozialwissenschaften.
Die Sozialwissenschaften definieren die Norm. Normabweichung + Leid = Krankheit. So kann man das verkürzt darstellen. Aber ich kann auch mit der Spannung leben, dass du da eine von mir abweichende Meinung hast.
Sextus Ironicus hat geschrieben:(29 Nov 2017, 10:45)
"Menschenfeindlichkeit und Feindseligkeit sind synonym zueinander"
Da möcht ich echt im Kreis springen.
Ich komme übrigens aus der sprachlichen Ecke, vielleicht auch deshalb.
Wenn ich eine Horde Fußball-Hooligans oder Neonazis oder Antifas zur Hölle wünsche: Was ist das?
Der Menschenfeind ist der Begriffsbedeutung nach der Misanthrop. Diese Konnotation hat man einfach beiseitegewischt und den Menschenfeind* erfunden. Im Englischen hat das nicht funktioniert, das Englische kennt nur misanthropist (misanthrope) und hat deshalb (wie so oft viel präziser) den Begriff nicht mit group-focused misanthropist sondern eben group-focused enmity wiedergegeben. Und das ergibt einen ganz frappanten Unterschiede, m.E. auch des Fokus dessen, was ich da untersuche. Aber das wäre mir jetzt zu lang, das mag sich jeder selbst fragen, wie sich der Untersuchungsgegenstand dadurch ändert, wenn man wissenschaftlich vorgeht.
Ich stehe übrigens dem Fußball-Hooligan, dem Neonazi oder dem Antifa spezifisch in ihrer expliziten Eigenschaft als Gruppenzugehörige, als sich verhaltende Mitglieder der aufmarschierenden Horde feindlich gegenüber. Eine darüber hinausgehende Feindschaft fiele dann eher unter Misanthropie.
Das ist es ja gerade: Die "Gruppenbezogene Misanthropie" (so können wir das ruhig nennen!) engt ja die Menschenfeindlichkeit an sich ein. Der gruppenbezogene Menschenfeind (in der Folge gbMf) hasst nicht den Menschen an sich (gibt den schönen Spruch: "Ich bin kein Rassist, ich hasse alle."), sondern bringt das Gefühl, das der Misanthrop der gesamten Menschheit (und häufig auch sich selbst) gegenüber empfindet, nur den Angehörigen bestimmter Kategorien gegenüber. Ich weiche übrigens von Heidmeyer ab und sage: Es gibt auch linke gbMf, diese hassen dann eben alle "Rechten", "Cis-Gender", "alten weißen Männer" oder "Reichen".
Wie diese Kategorien definiert werden, ist ja letzten Endes egal. Es geht um die Einengung der Misanthropie.
schelm hat geschrieben:
Das ist nicht das Problem. Es gibt schlicht keine nennenswerte Zahl Menschen, die anderen unabhängig derer Verhaltensweisen feindlich gegenüber stehen. Wenn diese Verhaltensweisen keinen negativen Einfluss auf Leben und das Umfeld der Person nehmen, hat sie schlicht keinen Grund.
Och komm. Es gibt genug Leute in Deutschland, für die das Verhalten "als schwarzer Mensch geboren werden" schon ausreicht, um mindestens eine Tracht Prügel zu verteilen. Da muss der Schwarzafrikaner sich nicht einmal verhalten, er muss nur zur falschen Zeit am falschen Ort existieren.
schelm hat geschrieben:
Die Ideologie hingegen arbeitet hier mit Maximalforderungen. Für sie ist bereits jede, ansonsten überall im Leben übliche und mögliche Skepsis oder persönliche Antipathie Ausdruck von " Feindschaft ". Das wiederum erhebt andere zu sakrosankten Subjekten, deren Tun und Denken unabhängig der Ausrichtung nahezu außerhalb der Kritik steht ( " kulturelle Besonderheiten " ), so lange sie nicht strafrechtlich verfolgt werden.
Das Tun ist der einzige Bewertungsmaßstab, den wir für einen Menschen haben. Nicht die Gruppenzugehörigkeit. Allzu oft verläuft die Diskussion aber entlang der Linien "Er ist Angehöriger der Gruppe X, deswegen konnte er nicht anders." Es wird hier ein bequemer Rekurs gezogen, um die Gruppe X an sich zu verdammen, was deswegen einfach ist, weil es die Welt schön ordnet. Müsste man jedes Individuum betrachten, wäre das ja auch zu anstrengend.
schelm hat geschrieben:
Der ideologisch gebrauchte Begriff der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit beschreibt also nicht die Feindschaft gegenüber einer konkreten Gruppe von Menschen mit konkreten Eigenschaften, die der eignen Lebensweise ablehnend bis feindlich gegenüberstehen, sondern er subsumiert unterstellend alle Angehörigen einer Gruppe, gegen die sich die Ablehnung - Feindschaft richten würde, unabhängig deren Tun und Denken.
Habe ich oben bereits widerlegt. Rassismus existiert ohne Tun der Diskriminierten.
Harry riss sich die Augen aus dem Kopf und warf sie tief in den Wald. Voldemort schaute überrascht zu Harry, der nun nichts mehr sehen konnte.
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