Antisemitismus

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imp
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Re: Antisemitismus

Beitrag von imp »

Cat with a whip hat geschrieben:(19 Sep 2018, 13:59)

In Berlin zeigt die letzte Zählung dass der rechtsextremistisch motivierte Antisemitismus mit Abstand die Statistik anführt. Islamistischer, politischer (Nahost) wie auch linker Antisemitismus sind zwar signifikant, jedoch ist der rechte Antisemitismus ungleich höher als alle anderen zusammen.

https://www.tagesspiegel.de/berlin/jude ... 88416.html
Wundert mich nicht. Zugleich wundert mich nicht, dass das Bedrohungsgefühl bei vielen Juden in Berlin teilweise genau umgekehrt ist.
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Dark Angel
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Re: Antisemitismus

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben:(19 Sep 2018, 11:48)

Darf ich dich als Gegenargument daran erinnern, dass ich in gefühlt 100 und real vielleicht mindestens 10 Beiträgen auf den immanenten und historisch nachgewiesenen Zusammenhang zwischen SOzialdemokratismus und Eugenik hingewiesen habe? Insbesondere in der skandinavischen sozialdemokratisch geprägten Vision des "Volksheims". Dass in Schweden noch bis sage und schreibe 1976 angeblich "Geistesschwache" zwangssterilsiert wurden. Dass es einen inneren systemischen Zusammenhang zwischen klassischem Sozialdemokratismus und nationalsozialistischer Rassehygiene gibt. Dass die Nobelpreisträger ALva und Gunnar Myrdal eigentlich als Rassehygieniker anzusehen sind. Dass das ganze Problem in Skandinavien selbst amnesieartig verdrängt wird.
1. Es gibt keinen "Sozialdemokratismus" (als eigene Ideologie)! Es gibt nur Sozialdemokraten und die wiederum lehnen sich an die Ideologie das Marxismus an.

2. sprechen wir über den Antisemitismus als gesamtgesellschaftliches Problem in Deutschland, damit über Antisemitismus auch im linken politischen Spektrum, zu dem auch Sozialdemokraten gehören und NICHT über die Eugenik der skandinavischen Sozialdemokraten.

3. sind Antisemitismus und Eugenik zwei grundverschiedene Kategorien, die nichts miteinander zu tun haben.

4. gibt es KEINEN "systemischen Zusammenhang zwischen klassischem Sozialdemokratismus und nationalsozialistischer Rassehygiene", weil es a) KEINEN "Sozialdemokratismus" gibt (siehe oben!) und b) Eugenik nichts mit Sozialdemokraten und deren Ideen zu tun hat. Eugenik reicht bis in die Antike zurück ==> Platons "Politeia" UND es gab eugenische Ansätze in vielen Staaten/Gesellschaften.

5. haben Rassenhygiene und (moderne) Eugenik ihre Wurzeln im Sozialdarwinismus, welcher wiederum nicht das geringste mit Sozialdemokraten zu tun hat.

6. bastelst du wieder mal Strohmänner und weichst auf Nebenschauplätze aus!
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Re: Antisemitismus

Beitrag von Schnitter »

Raul71 hat geschrieben:(19 Sep 2018, 00:58)
Ich bin aus gewissen, von mir schon geschilderten Gründen, absolut gegen die AfD, .....
Klar. Und ich bin der Kaiser von China.
...aber diese leute sind nicht judenfeindlich.
Nein natürlich nicht:

https://www.welt.de/politik/deutschland ... r-AfD.html

https://www.welt.de/politik/deutschland ... ismus.html

https://www.huffingtonpost.de/entry/ant ... dd765a0ee8

Momentan stellen AfD Mitglieder und Fanboys einem Satiriker hinterher, fotografieren sein Klingelschild ab und stellen es ins Netz.

Der Künstlername des Mannes ist "Silberstein", was den AfD Mob natürlich zusätzlich motiviert, Morddrohungen inklusive:

https://www.stern.de/politik/deutschlan ... e=standard
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Moses
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Re: Antisemitismus

Beitrag von Moses »

Ich vermag den Zusammenhang zwischen Nudismus und Antisemitismus nicht zu erkennen, liegt vielleicht auch an der Uhrzeit . . .
Ich lass dann mal zu bis morgen und betrachte das ganze noch mal bei Licht

Moses
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Mit der dringenden Aufforderung, doch bitte beim Thema zu bleiben, mach ich hier wieder auf.

Moses
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Re: Antisemitismus

Beitrag von Moses »

Wollt ihr mich verarschen?

Nun gut, dann ist halt wieder zu . . .

Moses
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nach Abkühlung wieder geöffnet.
Bitte beim Thema bleiben

Moses
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Vongole
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Re: Antisemitismus

Beitrag von Vongole »

Erstmals bundesweite Meldestelle gegen Antisemitismus:

" Die Erfassungsstelle soll als unabhängiger, eingetragener Verein konzipiert werden. Dort mitarbeiten werden neben Rias unter anderem auch der Zentralrat der Juden und verschiedene jüdische Gemeinden. Die neue Zentralstelle soll die Arbeitsweise der regionalen Meldestellen koordinieren und die Qualität der Angaben sicherstellen. Langfristig soll ein flächendeckendes Netzwerk an Stellen entstehen. „Das übergeordnete Ziel ist die Sicherstellung einer bundeseinheitlichen, zivilgesellschaftlichen Erfassung antisemitischer Vorfälle“, sagt Benjamin Steinitz, Leiter von Rias in Berlin."
Bei seinem Amtsantritt im Frühjahr hatte Klein angekündigt, sich mit der Erfassung antisemitischer Vorfälle beschäftigen zu wollen. Schon lange weisen Kritiker darauf hin, dass die offiziellen Zahlen nicht mit den Erlebnissen vieler Juden übereinstimmten. So würden nach der Polizeilichen Kriminalstatistik 90 Prozent aller antisemitischen Straftaten von Rechtsextremisten begangen. „Von Juden in Deutschland höre ich aber etwas anderes. Vor allem der muslimische Antisemitismus ist stärker, als es in der Statistik zum Ausdruck kommt“, sagte Klein Ende April im WELT-Interview.
https://www.welt.de/print/die_welt/arti ... ismus.html

Hoffen wir mal, dass nicht nur gemeldet und erfasst wird, sondern auch gehandelt, damit z.B. der jüdische Comedian Oliver Polak so etwas nicht mehr sagen muss:
Auch in seiner Branche sei der Comedian und Kabarettist mit Antisemitismus konfrontiert worden, erzählt Oliver Polak im Gespräch weiter. Ein Kollege habe ihn etwa nachts angerufen, mit der Frage, ob es denn stimme, dass die Juden ein Mittel gegen Krebs gefunden hätten, das sie anderen Menschen aber vorenthalten würden.
Es mangele an Menschen, die aufstehen und sagen: „Jetzt reicht’s! … Die Lücke für den Antisemitismus entsteht da, wo man sagt, ach komm, der meinte das doch nicht so, ach, der hatte was getrunken.“ Dies habe es begünstigt, dass heute Sachen salonfähig seien, „die man vor 20 Jahren nie hätte aussprechen können“.
(..)
„Wenn ich Angela Merkel in Yad Vashem sehe, wie sie einen Kranz niederlegt, und dann sehe ich, was hier in Deutschland gerade los ist, da habe ich echt das Gefühl, dass die deutschen Politiker besser mit toten Juden umgehen können als mit lebendigen.“
https://www.deutschlandfunkkultur.de/ol ... _id=430209

Und so etwas nicht mehr passiert:
Eine Gruppe Jugendlicher hat in der Nacht zum Sonntag die Synagogen-Gedenkstätte in Eisenach mit rechtsextremistischen Aufklebern verschandelt. Die Tatverdächtigen konnten noch in Tatortnähe festgestellt werden, teilte die Polizei in Gotha am Montag mit.
Bei den vier 16- bis 20-Jährigen, darunter eine Frau, seien weitere Aufkleber sowie Sturmhauben und Kopfbedeckungen mit Symbolen verfassungswidriger Organisationen, ein Elektroschocker und ein Schlagring gefunden worden.
https://www.juedische-allgemeine.de/art ... w/id/32912
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imp
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Re: Antisemitismus

Beitrag von imp »

Die Forderung ist nicht gut. Statt über Suffaussagen zu protokollieren sollte man die Person erstens erst mal dabei stoppen, sich selbst und andere zu blamieren und zweitens nach Ausnüchterung mal ein ernstes Gespräch suchen. Übrigens auch in Feuerwehren und Sportvereinen, wo Alkohol und A. beide überproportional leider vorkommen. Bei Bundeswehr und Polizei sowieso.

Durch das zeitnahe Gespräch merkt man schon, ob es ein Suffproblem, ein A-Problem oder ein peinlicher, schlimmer Ausrutscher war. Entsprechend kann man auch konsequent handeln. Solche Meldevereine vergiften nur das Klima. Denken wir nur mal an metwo und metoo, beides sehr schädlich für die vorgeblichen Anliegen.
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Vongole
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Re: Antisemitismus

Beitrag von Vongole »

Sole.survivor@web.de hat geschrieben:(14 Oct 2018, 13:19)

Die Forderung ist nicht gut. Statt über Suffaussagen zu protokollieren sollte man die Person erstens erst mal dabei stoppen, sich selbst und andere zu blamieren und zweitens nach Ausnüchterung mal ein ernstes Gespräch suchen. Übrigens auch in Feuerwehren und Sportvereinen, wo Alkohol und A. beide überproportional leider vorkommen. Bei Bundeswehr und Polizei sowieso.

Durch das zeitnahe Gespräch merkt man schon, ob es ein Suffproblem, ein A-Problem oder ein peinlicher, schlimmer Ausrutscher war. Entsprechend kann man auch konsequent handeln. Solche Meldevereine vergiften nur das Klima. Denken wir nur mal an metwo und metoo, beides sehr schädlich für die vorgeblichen Anliegen.
Es geht bei dieser Meldestelle weder darum, Suffaussagen am Stammtisch zu protokollieren noch um eine me too Kampagne, wobei diese wahrscheinlich Erschreckendes zu Tage fördern dürfte.
Es geht, wie im Artikel beschrieben, um die Sicherstellung einer bundeseinheitlichen, zivilgesellschaftlichen Erfassung antisemitischer Vorfälle, und damit auch um relevante Ein- und Größenordnung.
Außerdem gibt es Juden die Möglichkeit, antisemitische Vorfälle anzuzeigen, ohne die Polizei einzuschalten, was viele aus bekannten Gründen vermeiden.

Übrigens, wer sich im Suff, also ungehemmt, judenfeindlich äußert, der ist nicht "ausgerutscht", der denkt so.
Angesichts der Tatsache, dass Judenhass in den letzten Jahren in Deutschland signifikant zugenommen hat, frag ich mich wirklich, zu welcher "Vergiftung des Klimas" diese Meldestelle beitragen könnte.
Befürchtest du, die Gesellschaft könnte giftig auf unbequeme Wahrheiten reagieren?
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Re: Antisemitismus

Beitrag von jellobiafra »

Ich habe vor kurzem auf Arte eine Dokumentation über Antisemitismus gesehen, da sagte ein jüdischer Krav Magav Lehrer in Berlin, dass antisemitische Gewalttaten in Berlin seiner Erfahrung nach ausschließlich von Muslimen verübt werden, während die Straftaten der Deutschen überwiegend Propagandadelikte sind. Dies könnte den subjektiven Eindruck der Juden in Berlin erklären, da gewalttätige Übergriffe als deutlich bedrohlicher wahrgenommen werden als Beleidigungen und Schmierereien an Wänden. (Abgesehen davon werden bei letzteren seltener die Täter ermittelt und wenn das nicht der Fall ist fallen sie, wie wir mittlerweile wissen, automatisch der Kategorie PMK-Rechts zu.)

Dies ist jetzt erst einmal ein subjektiver Eindruck und ich habe mich gefragt, ob das mit den polizeilich gemeldeten Fällen übereinstimmt. Auf der Website der Amedeu Antonio Stifung werden antisemitische Übergriffe detailliert aufgeführt. Fälle, die 2018 unter „ Antisemitische Gewalttaten“ fallen können, sind folgende:

https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/ ... elle-2018/
06.07.2018, Antisemitisch motivierte Faustschläge
Berlin
(Berlin)
Quelle:
Jüdische Allgemeine
Nachdem ein syrischer Jude in der Nähe des S-Bahnhofs Hackescher Markt eine größere Gruppe an Männern und Frauen nach Feuer gefragt hat und sie die Kette mit seinem gut sichtbaren Magen David sahen, wurde er von Landsleuten zusammengeschlagen. Das 25-jährige Opfer hat laut Polizeiangaben mehrere Faustschläge ins Gesicht bekommen und wurde nach einem missglückten Fluchtversuch am Boden liegend von der Gruppe geschlagen und getreten. Erst als Passanten dem Mann zur Hilfe eilten, hätten die Angreifer aufgehört und seien geflüchtet. Die alarmierte Polizei nahm nach eigenen Angaben noch in der Nähe drei Frauen im Alter von 15 und 21 Jahren und sieben Männer im Alter von 17 bis 25 Jahren fest und brachte sie in eine Sammelstelle für Gefangene. Der Mann erlitt Platzwunden, die in einem Krankenhaus behandelt werden mussten.

03.06.2018, Jugendliche antisemitisch beleidigt, bedroht, geschlagen und getreten
Berlin
(Berlin)
Quelle:
Jüdische Allgemeine
Vier Jugendliche sind in der Nacht am Berliner Bahnhof Zoo antisemitisch beleidigt, bedroht, geschlagen und getreten worden. Der Vorfall ereignete sich laut Polizeiangaben um kurz nach ein Uhr. Demnach sollen sich drei Unbekannte von der über Lautsprecher abgespielten Musik der drei 17- und einem 16-Jährigen beleidigt gefühlt haben. Im weiteren Verlauf habe das Trio die Jugendlichen judenfeindlich beleidigt, bedroht und angriffen. Die Jugendlichen erlitten leichte Verletzungen, die teils ambulant in einem Krankenhaus behandelt werden mussten. Die mutmaßlichen Täter flüchteten. Der Polizeiliche Staatsschutz beim Landeskriminalamt Berlin übernahm die Ermittlungen.

17.04.2018, Mit Glasflasche und Gürtel aus antisemitischer Motivation attackiert
Berlin
(Berlin)
Quelle:
JFDA (via Facebook)
Einzig weil er eine Kippa trägt, wird ein junger Israeli am Helmholtzplatz in Berlin-Prenzlauer Berg angegriffen. In einem Video von der Tat, das der Betroffene in einer Facebook-Gruppe teilt, ist zu sehen, wie einer der mutmaßlichen Täter mit einem Gürtel auf den Filmenden einschlägt und ihn wiederholt als "Yahudi" (arabisch: "Jude") bezeichnet, ehe ein anderer Mann ihn wegzieht. Der mutmaßliche Schläger hat laut Polizei bereits zuvor versucht, das Opfer mit einer Glasflasche anzugreifen; eine Zeugin ist dazwischen gegangen.

14.04.2018, Angriff nach Kritik an antisemitischen Plakaten
Berlin
(Berlin)
Quelle:
RIAS (via Facebook)
Als ein Mann im Rahmen der Mietenstopp-Demonstration in Berlin Mitte ein antisemitisches Plakat kritisierte, wurde er von dessen Träger mit dem Plakatrahmen auf den Kopf geschlagen. An der Mitte April stattfindenden Demonstration „Steigende Mieten stoppen“ nahm auch Usama Z. teil. Z. zeigt regelmäßig Plakate mit antisemitischen Parolen an öffentlichen Orten und bei Veranstaltungen wie Demonstrationen. Auf den Plakaten ist u.a. „Die Zionisten regieren die Welt, nicht Trump und nicht Merkel“, „Die Zionisten verbergen sich in dem Geheimdienst, darum führen sie den Terror in die Welt“ sowie „Die zionistischen Staatsanwälte & Rechtsanwälte beteiligen sich am Mord der Ausländer und Politiker“ und „Nazi heißt Nationalistisch Zionistisch und sie sind Faschisten und Terroristen“ zu lesen. In der Vergangenheit ist Z. regelmäßig aggressiv gegen Menschen vorgegangen, die seine Plakate kritisierten. So auch im Rahmen der Mietenstopp-Demonstration am 14. April. Ein anderer Teilnehmer sprach Usama Z. an, die antisemitischen Schilder hätten auf der Demo nichts zu suchen. Daraufhin schlug Z. den Teilnehmer mit dem Holzrahmen unvermittelt auf den Kopf. Der Betroffene konnte sich zwar mit der Hand schützen, zog aber an der Hand und am Kinn leichte Verletzungen sowie ein Hämatom am Bauch davon. Da er im Anschluss an den Schlag über Übelkeit klagte, musste er den Nachmittag zur Beobachtung im Krankenhaus verbringen. Anwesende Polizeibeamte mussten durch den Betroffenen aufgefordert werden, einzugreifen; sie nahmen schließlich die Personalien der Beteiligten und von Zeug*innen auf. Die Ermittlungen laufen.

29.09.2018, Gewaltsame, antisemitisch motivierte Attacke
Berlin
(Berlin)
Quelle:
Der Tagesspiegel
Am Morgen sprach ein Duo einen 31-jährigen Mann am Rosenthaler Platz auf Englisch unvermittelt an und fragte, ob er ein Jude sei. Als er zurückfragte, warum sie das wissen wollten, schlugen und traten die zwei sofort auf ihn ein. Anschließend seien die Angreifer in ein Taxi gestiegen, mit dem sie den Platz in unbekannte Richtung verließen, gab der attackierte Mann gegenüber der Polizei an. Er erlitt leichte Verletzungen und wurde durch Rettungskräfte zur ambulanten Behandlung in eine Klinik gebracht. Laut Polizei hat das Opfer die niederländische Staatsangehörigkeit und gehört nicht dem jüdischen Glauben an. Zu den mutmaßlichen Tätern liegen keine Beschreibungen vor. Die weiteren Ermittlungen hat der Polizeiliche Staatschutz beim Landeskriminalamt übernommen.
Die Täter scheinen hier überwiegend wirklich keine Deutschen zu sein. In zwei Fällen waren es Syrer (darunter der Fall mit dem Gürtelschläger, in dem hier die Nationalität nicht erwähnt wird) , dann heißt einer, dessen Nationalität nicht genannt wird, "Usama". Ein Duo kommunizierte in Englisch und einmal sind die Täter Unbekannte über die sonst nichts gesagt wird.

Man kann davon ausgehen, dass es sich hier um alle antisemitisch motivierten Gewalttaten handelt, die bisher 2018 in Berlin stattfanden. (Lt. der mir bekannten Polizei Statistik gab 2018 bisher 4 Fälle. (Statistik betrifft erstes Halbjahr)
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Vongole
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Re: Antisemitismus

Beitrag von Vongole »

Ja, der gewaltbereite Antisemitismus in Deutschland geht überwiegend von Muslimen aus.
In Frankreich hat sich das dermaßen gesteigert, dass nach den Morden an Sarah Halimi und Mireille Knoll 250 prominente Franzosen die Imame ihres Landes aufforderten,
bestimmte Verse des Korans für obsolet zu erklären.
Im April veröffentlichte die Zeitung Le Parisien das Manifest gegen den neuen Antisemitismus:

http://www.leparisien.fr/societe/manife ... 676787.php

Nicht alles daraus lässt sich auf Deutschland übertragen, aber das Wichtigste schon:
Warum herrscht dieses Schweigen? Weil die islamistische Radikalisierung – und der Antisemitismus, den sie mit sich bringt – von manchen Angehörigen der französischen Elite lediglich als Ausdruck einer sozialen Revolte betrachtet wird, obwohl sich dasselbe Phänomen auch in so unterschiedlichen Gesellschaften wie in Dänemark, Afghanistan, Mali oder Deutschland beobachten lässt. Weil zu dem alten Antisemitismus der extremen Rechten der Antisemitismus eines Teils der radikalen Linken hinzutritt, der im Antizionismus einen Vorwand gefunden hat, um aus den Henkern der Juden Opfer der Gesellschaft zu machen.
(..)
Als Konsequenz fordern wir, dass die Verse des Koran, die zur Ermordung und zur Bestrafung der Juden, der Christen und der Ungläubigen aufrufen, von den theologischen Autoritäten für obsolet erklärt werden – so wie die Widersprüche der Bibel und des katholischen Antisemitismus durch das Zweite Vatikanische Konzil aufgehoben wurden –, damit sich kein Gläubiger auf einen heiligen Text berufen kann, um ein Verbrechen zu begehen.
Dass der "neue" Antisemitismus überwiegend von Muslimen ausgeht, befreit die deutsche Gesellschaft allerdings nicht von der Tatsache, dass der alte, schon immer existente Judenhass nach wie vor in deutschen Köpfen spukt
und sein hässliches Gesicht zeigt, wie aus dem von Jellobiafra eingestellten Link hervorgeht.
Der gewalttätige Überfall auf ein jüdisches Restaurant in Chemnitz ging von Deutschen aus, es sind deutsche Rechtsextreme, die jüdische Gräber und Gedenkstätten schänden, es war eine deutsche Sängerin, Lisa Fitz, die im TV
ein antisemitisches Lied absonderte, es war eine deutsche Zeitung, die "Süddeutsche", die eine antisemitische Karrikatur veröffentlichte,es ist eine deutsche "demokratische" Partei, die Antisemitismus hoffähig macht.

Wenn wir den muslimischen Judenhass zum Vorwand nehmen, um den eigenen, auch den auf Israel bezogenen Judenhass zu relativieren und zu verharmlosen, statt gegen beides rigoros vorzugehen, dann werden wir den Kampf gegen Antisemitismus
verlieren, und damit wahrscheinlich auch viele jüdische Deutsche, die unserem Land aus Angst den Rücken kehren werden.
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Re: Antisemitismus

Beitrag von imp »

jellobiafra hat geschrieben:(15 Oct 2018, 19:32)

Ich habe vor kurzem auf Arte eine Dokumentation über Antisemitismus gesehen, da sagte ein jüdischer Krav Magav Lehrer in Berlin, dass antisemitische Gewalttaten in Berlin seiner Erfahrung nach ausschließlich von Muslimen verübt werden, während die Straftaten der Deutschen überwiegend Propagandadelikte sind.
Das Problem ist bekannt. Die sonstige Gesellschaft hat ebenso ein schiefes Bild von der Bedrohung durch Zuwanderer und Muslime, warum sollte es bei jüdischen Mitbürgern anders sein? Wichtig ist, erstens nicht Menschengruppen zu dämonisieren, zweitens sich die Kluft zwischen Wahrnehmung und realem Risiko deutlich zu machen, drittens nicht verschiedene Opfergruppen und verschiedene Tätermilieus gegeneinander auszuspielen. Nebenher, warum soll ein Muslim oder ein atheistischer Zuwanderer nicht auch mal rechtsradikal sein? Wo willst du die einsortieren? oder zählen die dann doppelt? In der AfD gibt es sogar ein paar Vorzeigejuden, Russlanddeutsche, Muslime. Linksradikale Kurden wie S. Dagdelen gibt's ja auch. Aber zu denen gern einen separaten Strang, nicht hier.
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Re: Antisemitismus

Beitrag von imp »

Vongole hat geschrieben:(14 Oct 2018, 17:35)
Übrigens, wer sich im Suff oder, also ungehemmt, judenfeindlich äußert, der ist nicht "ausgerutscht", der denkt so.
Wer zu viel getrunken hat oder wer sehr erregt streitet, sagt vor allem vieles, das er bei Verstand nicht sagen würde - neben Dingen, die er aus Opportunität nicht sagen würde, unbedachte Zusätze zum eigentlich gemeinten, Beleidigungen um der Beleidigung willen (weil er weiß, dass sie treffen - nicht, weil er sie unbedingt für zutreffend hält), nicht zuende überlegte Gedanken. Alles davon für "den wahren Charakter" zu halten, wäre dumm. Es ist auf jeden Fall ein Anlass, hinterher mal in Ruhe drüber zu reden und der Sache auf den Zahn zu fühlen - am Besten in einem freundlichen Klima. Dazu kann aber eine weitere Eskalation in Form irgendwelcher Meldungen nichts beitragen, nur schaden. Kommt dann heraus, dass das alles wirklich so gemeint war, muss man nicht mehr so freundlich sein. Dann ist ein Zweifel ausgeräumt und man muss sich leider auseinandersetzen.

Natürlich bietet so ein Vorgehen auch denen die schmale Möglichkeit, sich zu besinnen, die bisher tatsächlich irgendwelche Probleme hatten. Auch nicht verkehrt.
Angesichts der Tatsache, dass Judenhass in den letzten Jahren in Deutschland signifikant zugenommen hat, frag ich mich wirklich, zu welcher "Vergiftung des Klimas" diese Meldestelle beitragen könnte.
Befürchtest du, die Gesellschaft könnte giftig auf unbequeme Wahrheiten reagieren?
Ich bin immer skeptisch bei solchen Sammlungen - ob sie nun von rechts oder links kommen, ob es um angebliche Betatschungen von Frauen geht oder um Beschimpfungen von Homosexuellen, von Ausländern, von Juden - oder jeweils die schlimmeren Varianten. Die Qualität und Wahrheit der Anschuldigungen ist schwer nachzuvollziehen. Selbst wenn Opfer gutwillig berichten, können sie oft falsche Wahrnehmungen haben. Daneben bleibt dem offenen Mißbrauch die Tür geöffnet. Der Schaden, der entstünde, wenn sowas rauskommt, wäre erheblich. Der Schaden, der entsteht, wenn jemand zu Unrecht in solche Listen kommt und man es ihm vorhält, ist auch furchtbar.

Rechtsstaat, Unschuldsvermutung, keine Strafe ohne Urteil - gute Prinzipien. Bitter für manche Opfer, wenn im Einzelfall der Nachweis nicht gelingt. Aber alles andere wäre fatal.

Der zunehmende Trend, jemandem etwas vorzuhalten und der muss sich dann begründen, warum der Vorhalt nicht gültig ist - absolut toxisch für die Gesellschaft.
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Re: Antisemitismus

Beitrag von Vongole »

Sole.survivor@web.de hat geschrieben:(19 Oct 2018, 08:01)

Das Problem ist bekannt. Die sonstige Gesellschaft hat ebenso ein schiefes Bild von der Bedrohung durch Zuwanderer und Muslime, warum sollte es bei jüdischen Mitbürgern anders sein? Wichtig ist, erstens nicht Menschengruppen zu dämonisieren, zweitens sich die Kluft zwischen Wahrnehmung und realem Risiko deutlich zu machen, drittens nicht verschiedene Opfergruppen und verschiedene Tätermilieus gegeneinander auszuspielen. Nebenher, warum soll ein Muslim oder ein atheistischer Zuwanderer nicht auch mal rechtsradikal sein? Wo willst du die einsortieren? oder zählen die dann doppelt? In der AfD gibt es sogar ein paar Vorzeigejuden, Russlanddeutsche, Muslime. Linksradikale Kurden wie S. Dagdelen gibt's ja auch. Aber zu denen gern einen separaten Strang, nicht hier.
Die jüdische Gesellschaft hat kein schiefes Bild, was den Antisemitismus von Muslimen angeht, die nichtjüdische Gesellschaft hat eins. Im Versuch, jüdische Kritik am musl. Antisemitismus irgendwie zu "verstehen",
verstieg sich Werner Schiffauer, Mitorgansitor der Konferenz "Living with Islamophobia" in der TAZ zu dem bemerkenswerten Satz, Juden und Muslime teilten hier eine Besonderheit: "....sie leben beide in einem Drittland,in diesem Fall Deutschland".
In einem Drittland, deutsche Juden???
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass nicht nur er das so sieht, wenn permanent versucht wird, musl. Judenhetze für marginal und die Kritk daran für islamophob zu halten, oder wie du das ausdrückst, Täter und Opfer
gegeneinander auszuspielen.
In Frankreich haben in den letzten Jahren 52.000 Juden das Land verlassen, weil es die Regierung, die Presse und Gesellschaft für opportun hielten, das Problem kleinzureden und/oder zu ignorieren.
Wollen wir wirklich akzeptieren, dass hier Muslime "Juden ins Gas" schreien, jüdische Kinder aus den Schulen vertreiben, jüdische Bürger physisch angreifen und ihren Juden- bzw. damit verbundenen Israelhass weiter
ausleben können? Wollen wir warten, bis auch hier Juden aus Hass getötet werden?
Antisemitismus richtet sich gegen uns alle, gegen die gesamte deutsche Gesellschaft, denn deutsche Juden sind ein nicht unerheblicher Teil davon, also muss alles dafür getan werden, dieser Entwicklung entgegen zu treten.
Lösungen zu suchen sollte unser aller Aufgabe sein, statt Täter-Opfer-Umkehr zu betreiben.

Kurz noch zu dieser Sammelstelle: Es geht dabei nicht darum, Herrn X und Frau Y namentlich an den Pranger zu stellen, es geht darum, antisemitische Vorfälle zentral zu erfassen, um sich ein
besseres Bild zu machen und aktiv werden zu können. Den Verantwortlichen traue ich durchaus zu, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen, jenseits von Vorverurteilung und Meinungsmache.
Am Yisrael Chai

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Re: Antisemitismus

Beitrag von Vongole »

Anzahl judenfeindlicher Vorfälle allein in Berlin weiter auf hohem Niveau:

Im ersten Halbjahr 2018 hat die Berliner Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) durchschnittlich drei antisemitische Vorfälle pro Tag registriert: 527 gemeldete Taten belegen das konstant hohe Niveau. Im Vorjahreszeitraum waren es 514 Fälle.
Während quantitativ keine besondere Zunahme in der seit 2015 geführten Meldestatistik zu verzeichnen ist, so gibt doch die deutliche Zunahme aggressiver gemeldeter antisemitischer Angriffe und Bedrohungen Anlass zur Sorge. »Gewalttätiger und gezielter« seien die Vorfälle geworden, erklärte RIAS-Projektleiter Benjamin Steinitz.
Häufung 50 Prozent mehr Angriffe gegen Personen wurden registriert, ebenfalls mehr Fälle beleidigenden und verletzenden Verhaltens, aber weniger gezielt antisemitische Sachbeschädigungen, so die Bilanz der Meldestelle.


Reaktionen:
Zu dem nun von RIAS vorgelegten Bericht sagt Lala Süsskind, Vorsitzende des Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus: »Judenfeindliche Vorfälle verharren in Berlin weiter auf konstant hohem Niveau. Traurig genug! Zusätzlich erleben wir einen massiven Anstieg von körperlicher Gewalt gegenüber Personen, die als Juden erkennbar sind.«
Der Bericht sei sehr verdienstvoll, weil er öffentlich macht, inwieweit jüdisches Leben in Berlin bedroht wird, betont Süsskind. »Im täglichen Engagement gegen Antisemitismus sind wir jedoch alle gefordert. Denn die Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus ist der Lackmustest für die deutsche Demokratie nach der Schoa.«
https://www.juedische-allgemeine.de/art ... w/id/33099

Originalbericht mit Daten, Fakten und Beispielen:
https://report-antisemitism.de/media/Be ... n-2018.pdf
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Re: Antisemitismus

Beitrag von Julian »

Jan Böhmermann wird nun auch des Antisemitismus verdächtigt.
http://www.spiegel.de/kultur/gesellscha ... 35358.html
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Re: Antisemitismus

Beitrag von Vongole »

Nun, da man Böhmermann kaum mit fehlender Intelligenz entschuldigen kann, trifft der Vorwurf Antisemitimus zu.
Seine Einstellung zeigt sich ja schon in diesen Worten: "Sorry", soll Böhmermann ihm einmal gesagt haben, "aber dein Judentum ist dein Unique Selling Point, da musste jetzt durch"
Klar doch, wer sich, auch noch komisch, zu seinem Judentum bekennt, der muss solch judenfeindlichen Dreck doch aushalten.
Wahrscheinlich kann Polak noch froh sein, dass sich Böhmermann "nur" die Hände desinfizierte, er hätte ja auch duschen können, aber das wäre dann wohl doch zu deutlich gewesen. :mad2:
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Re: Antisemitismus

Beitrag von Wolverine »

jellobiafra
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Re: Antisemitismus

Beitrag von jellobiafra »

Es fällt auf dass das Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) auf deutlich höhere Zahlen
von antisemitischen Gewalttaten kommt wie die Kriminalpolizei.

Kriminalpolizei: 4 antisemitisch motivierte Gewalttaten in Berlin im ersten Halbjahr 2018
RIAS: 18 Angriffe auf Personen, (mit Angriffen sind wohl Körperverletzungen - versucht oder vollendet - gemeint)

Was sind die möglichen Gründe für die unterschiedlichen Zahlen. Spontan würden mir zwei einfallen:

1. Das Opfer meldet die Tat bei RIAS, erstattet aber keine Anzeige bei der Polizei.
2. Das Opfer erstattet zwar Anzeige, die Polizei beurteilt die Tat aber nicht als antisemitisch.

https://report-antisemitism.de/media/Be ... n-2018.pdf
So hat sich die Zahl
gemeldeter antisemitischer Angriffe im Vergleich
zum ersten Halbjahr 2017 von neun auf nun 18 Vorfälle
verdoppelt. Als antisemitische Angriffe erfasste
RIAS Berlin z.B. sechs (zum Teil versuchte) Körperverletzungen
gegen Personen, die aufgrund einer Kippa,
einem Davidstern-Tattoo oder dem Hören von israelischer
Musik als Israelis oder als Jüdinnen_Juden
erkennbar waren. In acht gemeldeten Fällen waren
Kritiker_innen von antisemitischen Äußerungen von
den Angriffen betroffen, zwei Angriffe erfolgten aus
dem antisemitischen „Al-Qudstag-Marsch“. Knapp
über die Hälfte der gemeldeten Angriffe (10) konnten
keinem politischen Hintergrund zugeordnet werden,
drei waren islamistisch motiviert und fünf
links-antiimperialistisch.
Was auch auffällt ist die Zuordnung zu der vermuteten politischen Motivation.

Von den 18 Angriffen waren 3 islamistisch motiviert, 5 links-antiimperialistisch und
10 konnten keinem politischen Hintergrund zugeordnet werden.


Es hätte demnach keinen einzigen erkennbar rechts motivierten Angriff auf Juden gegeben im ersten Halbjahr 2018 in Berlin.
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Re: Antisemitismus

Beitrag von jellobiafra »

Was jetzt den Böhmermann anbelangt, bin ich etwas ratlos.
Ist man automatisch Antisemit, wenn man einen Antisemiten spielt?
Wieso kriegt es nur der Böhmermann ab?
Wieso werden Somuncu und Heufer-Umlauf nicht thematisiert?
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Re: Antisemitismus

Beitrag von Vongole »

jellobiafra hat geschrieben:(28 Oct 2018, 07:37)

Es fällt auf dass das Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) auf deutlich höhere Zahlen
von antisemitischen Gewalttaten kommt wie die Kriminalpolizei.

Kriminalpolizei: 4 antisemitisch motivierte Gewalttaten in Berlin im ersten Halbjahr 2018
RIAS: 18 Angriffe auf Personen, (mit Angriffen sind wohl Körperverletzungen - versucht oder vollendet - gemeint)

Was sind die möglichen Gründe für die unterschiedlichen Zahlen. Spontan würden mir zwei einfallen:

1. Das Opfer meldet die Tat bei RIAS, erstattet aber keine Anzeige bei der Polizei.
2. Das Opfer erstattet zwar Anzeige, die Polizei beurteilt die Tat aber nicht als antisemitisch.

https://report-antisemitism.de/media/Be ... n-2018.pdf

Was auch auffällt ist die Zuordnung zu der vermuteten politischen Motivation.

Von den 18 Angriffen waren 3 islamistisch motiviert, 5 links-antiimperialistisch und
10 konnten keinem politischen Hintergrund zugeordnet werden.


Es hätte demnach keinen einzigen erkennbar rechts motivierten Angriff auf Juden gegeben im ersten Halbjahr 2018 in Berlin.
Was die Gründe für die unterschiedlichen Zahlen betrifft, gehe ich von beiden Annahmen aus, wobei mir die Falscheinschätzung durch die Polizei einleuchtender erscheint.

Juden mit den Worten "Verpisst euch, ihr Juden, wir schlagen euch Antideutschen den Kopf ein" anzugreifen, würde ich schon als rechtsmotivierten Angriff sehen.
RIAS hat das wohl als den üblichen Judenhass ohne politischen Hintergrund eingeschätzt, schließlich braucht es für Antisemitismus keine politische, sondern "nur" eine widerwärtige Einstellung.
Am Yisrael Chai

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Re: Antisemitismus

Beitrag von Vongole »

jellobiafra hat geschrieben:(28 Oct 2018, 07:45)

Was jetzt den Böhmermann anbelangt, bin ich etwas ratlos.
Ist man automatisch Antisemit, wenn man einen Antisemiten spielt?
Wieso kriegt es nur der Böhmermann ab?
Wieso werden Somuncu und Heufer-Umlauf nicht thematisiert?
Weil es wohl nur Böhmermann war, der auf den Gag ohne Pointe kam.
Für mich war das kein Spiel, sondern ein ekelhafter "Witz" auf Kosten von Juden, und genau so hat Polak das empfunden.
Böhmermanns Reaktion auf den Vorwurf spricht übrigens Bände.
Am Yisrael Chai

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Re: Antisemitismus

Beitrag von PeterK »

Vongole hat geschrieben:(28 Oct 2018, 16:47)
Für mich war das kein Spiel, sondern ein ekelhafter "Witz" auf Kosten von Juden, und genau so hat Polak das empfunden.
Ich habe nur die letzten Beiträge zu dem Thema gelesen. Vielleicht kannst Du mir helfen: Hat Oliver Polak sich zu der Geschichte und dazu, wie er den "Witz" empfunden hat, geäußert? (Mal abgesehen davon, dass der "Witz" nicht witzig war)
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Re: Antisemitismus

Beitrag von Vongole »

PeterK hat geschrieben:(28 Oct 2018, 17:03)

Ich habe nur die letzten Beiträge zu dem Thema gelesen. Vielleicht kannst Du mir helfen: Hat Oliver Polak sich zu der Geschichte und dazu, wie er den "Witz" empfunden hat, geäußert? (Mal abgesehen davon, dass der "Witz" nicht witzig war)
Er hat sich wohl in seinem Buch dazu geäußert, das ich aber noch nicht gelesen habe.
https://www.deutschlandfunkkultur.de/ol ... _id=430209

Ein wenig kann man aus diesem Artikel der FAZ entnehmen:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/m ... 58060.html
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Re: Antisemitismus

Beitrag von Quatschki »

Nachdem ich mit ein paar alte Auftrittsvideos dieses mir unbekannten Oliver Polak angeschaut habe, kann ich nur mit den Schultern zucken.
Drauf so sprach Herr Lehrer Lämpel:
„Dies ist wieder ein Exempel!“
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Re: Antisemitismus

Beitrag von PeterK »

Vongole hat geschrieben:(28 Oct 2018, 17:09)

Er hat sich wohl in seinem Buch dazu geäußert, das ich aber noch nicht gelesen habe.
https://www.deutschlandfunkkultur.de/ol ... _id=430209

Ein wenig kann man aus diesem Artikel der FAZ entnehmen:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/m ... 58060.html
Vielen Dank für die Links.
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Re: Antisemitismus

Beitrag von PeterK »

Quatschki hat geschrieben:(28 Oct 2018, 17:18)
Nachdem ich mit ein paar alte Auftrittsvideos dieses mir unbekannten Oliver Polak angeschaut habe, kann ich nur mit den Schultern zucken.
Warum?

Und warum ist er Dir unbekannt? Du schaust doch West-Fernsehen, oder?
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Re: Antisemitismus

Beitrag von Ammianus »

PeterK hat geschrieben:(28 Oct 2018, 17:26)

Warum?

Und warum ist er Dir unbekannt? Du schaust doch West-Fernsehen, oder?
Na ja, wenn am auf Pro7 höchstens mal einen Film oder nachts Family Guy schaut wie ich, dann muss man auch erstmal bei Wiki gucken, wer das überhaupt ist.
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Re: Antisemitismus

Beitrag von Vongole »

Quatschki hat geschrieben:(28 Oct 2018, 17:18)

Nachdem ich mit ein paar alte Auftrittsvideos dieses mir unbekannten Oliver Polak angeschaut habe, kann ich nur mit den Schultern zucken.
Hier gehts aber nicht um seine Qualitäten als Comedian, oder bist du der Meinung, Nichtgefallen rechtfertigt Antisemitismus?
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Re: Antisemitismus

Beitrag von Quatschki »

PeterK hat geschrieben:(28 Oct 2018, 17:26)

Warum?

Und warum ist er Dir unbekannt? Du schaust doch West-Fernsehen, oder?
Vermutlich habe ich die Sender, wo er zu sehen ist, garnicht einprogrammiert.
Vielleicht habe ich ihn auch hin und wieder mal in einer Sendung gesehen. Aber nicht in Erinnerung behalten. Kann mir halt nicht jedes mittelgroße mittelmäßige Vollbartgesicht merken.
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Re: Antisemitismus

Beitrag von Quatschki »

Vongole hat geschrieben:(28 Oct 2018, 17:53)

Hier gehts aber nicht um seine Qualitäten als Comedian, oder bist du der Meinung, Nichtgefallen rechtfertigt Antisemitismus?
Nein. Ich habe gesehen, dass es seine Spezialität war, mit Anspielungen auf Rasse, Diskriminierung und Tabus zu spielen, und daraus seine Pointen zu schöpfen.
So Sätze wie: "Darf man als Jude in Deutschland sagen, dass man Burnout hat?" ... :?:

Wenn ein Comedian, also ein Berufsspaßmacher, auf sowas sein Programm aufbaut?
Also ich kann verstehen, dass das ein Böhmermann als Vorlage benutzte und auch seine Bemerkung: "Judentum ist doch dein Unique Selling Point" treffend analysiert.
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Re: Antisemitismus

Beitrag von PeterK »

Vongole hat geschrieben:(28 Oct 2018, 17:09)
...
Obwohl ich meine, dass z.B. Serdar Somuncu keineswegs antisemitischer eingestellt sei als Panrassisten wie ich, muss ich Dir Recht geben: Die Nummer war einfach Sch...

Edit: ... und obendrein ganz schlecht von Jon Stewart kopiert.
Zuletzt geändert von PeterK am So 28. Okt 2018, 19:27, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Antisemitismus

Beitrag von jellobiafra »

Vongole hat geschrieben:(28 Oct 2018, 16:42)

Was die Gründe für die unterschiedlichen Zahlen betrifft, gehe ich von beiden Annahmen aus, wobei mir die Falscheinschätzung durch die Polizei einleuchtender erscheint.

Juden mit den Worten "Verpisst euch, ihr Juden, wir schlagen euch Antideutschen den Kopf ein" anzugreifen, würde ich schon als rechtsmotivierten Angriff sehen.
RIAS hat das wohl als den üblichen Judenhass ohne politischen Hintergrund eingeschätzt, schließlich braucht es für Antisemitismus keine politische, sondern "nur" eine widerwärtige Einstellung.
Verbunden mit den anderen Aussagen des Vorfalls (Wollt ihr zu der antizionistischen Demo? Boycott Israel) ist es für mich keineswegs klar, dass es sich um Rechte handelt.
Speziell in Berlin würde ich eher auf antiimperialistische linke Gruppen tippen (Jugendwiderstand z.B.). Mit "Antideutsche" können auch Mitglieder der antideutschen Linken gemeint sein.

Hier ein Bericht über die Gruppe Jugendwiderstand:

https://www.berliner-kurier.de/berlin/p ... n-30080956
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Re: Antisemitismus

Beitrag von Vongole »

Danke für den Link, Jellobiafra, bei diesem Thema lernt man leider nie aus.
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Re: Antisemitismus

Beitrag von Fliege »

Von was redet ihr?
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Re: Antisemitismus

Beitrag von schokoschendrezki »

Vongole hat geschrieben:(28 Oct 2018, 16:47)

Weil es wohl nur Böhmermann war, der auf den Gag ohne Pointe kam.
Für mich war das kein Spiel, sondern ein ekelhafter "Witz" auf Kosten von Juden, und genau so hat Polak das empfunden.
Böhmermanns Reaktion auf den Vorwurf spricht übrigens Bände.
Wobei das Buch von Polak ganz ausdrücklich nicht auf Prominentendenunziation aus ist. Eine Diskussion speziell zum Fall Böhmermann führt eher vom Motiv dieses Buchs weg. Es geht dabei um den alltäglich erlebbaren Antisemitismus. Dieses immer noch erstaunlich häufig anzutreffende augenzwinkernde "na wir wissen doch, was da jetzt der Hintergrund ist ...". Wie hier in diesem Thread schon mehrfach festgestellt wurde, kommt zu diesem pseudointellektuellem Antisemitismus eben noch der neuere tätliche hinzu, der sich direkt gegen Menschen jüdischer Herkunft widmet. Das Buch von Polak erscheint in einem Moment, da gerade noch einige Personen leben (zum Beispiel seine Tante in New York), die die Shoah selbst überlebten. Wir stehen also kurz vor einer endgültigen Historisierung und es kommt darauf an, was in dieser Historisierung übrig und hängen bleibt.
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Re: Antisemitismus

Beitrag von Vongole »

Gute Nachricht: Geschwisterpaar wegen Holocaust-Leugnung und Judenhetze zu Haftstrafe verurteilt.

Schlechte Nachricht:

"Der Prozess wirft ein Schlaglicht auf die offenbar immer bessere Vernetzung von "Reichsbürgern" und Antisemiten. Zumeist waren die Zuschauerbänke während des Verfahrens voll mit Gesinnungsgenossen von S., der sich zum Justizopfer stilisierte. Die Stimmung war während des Verfahrens gereizt, mehrfach kam es zu Tumulten. Bereits am ersten Prozesstag zeigte Alfred S. den Hitlergruß, was seine Schwester mit einem Lächeln quittierte. Die Verhandlung nannte der Ruheständler, der es nach eigener Aussage zu einem gewissen Vermögen gebracht hat, eine "Muppet Show"."
http://www.spiegel.de/panorama/justiz/m ... 35621.html

Wenn wir und der Staat nicht endlich besser aufpassen und uns dem Judenhass entgegen stellen, könnte sich Pittsburgh in Deutschland wiederholen.
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Re: Antisemitismus

Beitrag von Ammianus »

Vongole hat geschrieben:(29 Oct 2018, 14:30)

Gute Nachricht: Geschwisterpaar wegen Holocaust-Leugnung und Judenhetze zu Haftstrafe verurteilt.

Schlechte Nachricht:

"Der Prozess wirft ein Schlaglicht auf die offenbar immer bessere Vernetzung von "Reichsbürgern" und Antisemiten. Zumeist waren die Zuschauerbänke während des Verfahrens voll mit Gesinnungsgenossen von S., der sich zum Justizopfer stilisierte. Die Stimmung war während des Verfahrens gereizt, mehrfach kam es zu Tumulten. Bereits am ersten Prozesstag zeigte Alfred S. den Hitlergruß, was seine Schwester mit einem Lächeln quittierte. Die Verhandlung nannte der Ruheständler, der es nach eigener Aussage zu einem gewissen Vermögen gebracht hat, eine "Muppet Show"."
http://www.spiegel.de/panorama/justiz/m ... 35621.html

Wenn wir und der Staat nicht endlich besser aufpassen und uns dem Judenhass entgegen stellen, könnte sich Pittsburgh in Deutschland wiederholen.
Das wird nicht helfen. Solche Figuren wie S. und seine Schwester leben in einer anderen Welt. Geht man gegen sie vor, dann fühlen sie sich bestätigt, ihr Leben bekommt dadurch noch einen zusätzlichen Sinn. Den schreckt auch die Haftstrafe nicht ab. Im Gegenteil. Die größte Furcht eines Breivik war höchstwahrscheinlich, dass man ihn für unzurechnungsfähig erklärt und in eine Psychatrie steckt.

Aber andere könnte das schon abschrecken. Drei Jahre sind eine verdammt lange Zeit sein. Wobei den das nicht stören wird. Andere schon. Aber wer wie die Figur jetzt in den USA loszieht um zu töten ist weder mit strengeren Strafen noch mit Aufklärung zu stoppen. Bei denen zeigt sich das ganze Ausmaß ihres kranken Welt- und Selbstbildes darin, wenn man sie mit islamischen Mördern vergleicht. Die sehen sich als Märtyrer und glauben mit ihrem Verrecken vorangegangene Sünden erlassen zu bekommen und für ewig in den paradiesischen Dauerorgasmus hoch unendliche Milliarden einzugehen. Da steht wenigsten noch ein Motiv - so bescheuert es auch sein mag und die Angst vor der Hölle dahinter.
Typen wie S. und der in den USA sind einfach nur gestört und gefährlich. Ich weiss nicht, aber lebte ich in den USA und wäre Jude, dann hätte ich wohl eine Beretta in der Jacke.
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Re: Antisemitismus

Beitrag von schokoschendrezki »

Vongole hat geschrieben:(29 Oct 2018, 14:30)

Gute Nachricht: Geschwisterpaar wegen Holocaust-Leugnung und Judenhetze zu Haftstrafe verurteilt.

Schlechte Nachricht:

"Der Prozess wirft ein Schlaglicht auf die offenbar immer bessere Vernetzung von "Reichsbürgern" und Antisemiten. Zumeist waren die Zuschauerbänke während des Verfahrens voll mit Gesinnungsgenossen von S., der sich zum Justizopfer stilisierte. Die Stimmung war während des Verfahrens gereizt, mehrfach kam es zu Tumulten. Bereits am ersten Prozesstag zeigte Alfred S. den Hitlergruß, was seine Schwester mit einem Lächeln quittierte. Die Verhandlung nannte der Ruheständler, der es nach eigener Aussage zu einem gewissen Vermögen gebracht hat, eine "Muppet Show"."
http://www.spiegel.de/panorama/justiz/m ... 35621.html

Wenn wir und der Staat nicht endlich besser aufpassen und uns dem Judenhass entgegen stellen, könnte sich Pittsburgh in Deutschland wiederholen.
Ich muss ganz ehrlich zugeben, dass ich diesen Typ von Antisemiten seit der Distanzierung Marine Le Pens von ihrem eigenen Vater für eine Art von widerlichem Auslaufmodell und die "Reichsbüger" für eine sehr skurrile Randerscheinung hielt.

Zu gegenwärtig ist mir noch immer zum einen dieser verschworungstheoretisch-antiintellektuelle Antisemitismus, der möglicherweise auch eine Art Kompensationsritual für unterschwellige Minderwertigkeitskomplexe ist. "Der Jude ist schlau. Der Jude ist reich." hieß denn auch bezeichnenderweise ein Fortbildungs-Seminar des Jüdischen Museums in Berlin. ("Juden haben zu viel Einfluss" müsste man noch ergänzen).

Und dann natürlich auch der nicht antiintellektuelle sondern - im Gegenteil - intellektuelle Antisemitismus. Deutschland hat - lange vor den Nazis - mit Luther, Wagner, Nietzsche und anderen drei sozusagen intellektuelle Großmeister hervorgebracht, die z.T. beträchtlichen Anteil an antisemitischen Stereotypen und Erzählungen haben. Die braucht man natürlich nicht in Gänze zu verwerfen.Aber man sollte ein unbedingt kritisches Verhältnis bewahren. Und, tut mir leid, ist ganz sicher ziemlich subjektiv und dennoch: Die alljährliche Pilgerfahrt von Kanzlers (und anderen Promis) nach Bayreuth .... ich finde das zutiefst widerlich. Wagners Pamphlet heißt nicht etwas "Das Judenthum" sondern "Das Judenthum in der Musik" und seine Musik klingt in meinen Ohren jedenfalls nach Judenfeindlchkeit. Groß, dunkel, deutsch, pathetisch. Das "Erlösungsmotiv" ist zentral für alle Wagner-Opern. In diesem Pamphlet lässt Wagner keinen Zweifel aufkommen, was als Erlösung in Bezug auf die Juden eigentlich gemeint ist: Ihr Untergang. Sollen die Merkels ihre Wagner-Opern doch im Wohnzimmer hören. Sie sind öffentliche Personen und wissen das auch.
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Re: Antisemitismus

Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(29 Oct 2018, 15:38)

Ich muss ganz ehrlich zugeben, dass ich diesen Typ von Antisemiten seit der Distanzierung Marine Le Pens von ihrem eigenen Vater für eine Art von widerlichem Auslaufmodell und die "Reichsbüger" für eine sehr skurrile Randerscheinung hielt.

Zu gegenwärtig ist mir noch immer zum einen dieser verschworungstheoretisch-antiintellektuelle Antisemitismus, der möglicherweise auch eine Art Kompensationsritual für unterschwellige Minderwertigkeitskomplexe ist. "Der Jude ist schlau. Der Jude ist reich." hieß denn auch bezeichnenderweise ein Fortbildungs-Seminar des Jüdischen Museums in Berlin. ("Juden haben zu viel Einfluss" müsste man noch ergänzen).

Und dann natürlich auch der nicht antiintellektuelle sondern - im Gegenteil - intellektuelle Antisemitismus. Deutschland hat - lange vor den Nazis - mit Luther, Wagner, Nietzsche und anderen drei sozusagen intellektuelle Großmeister hervorgebracht, die z.T. beträchtlichen Anteil an antisemitischen Stereotypen und Erzählungen haben. Die braucht man natürlich nicht in Gänze zu verwerfen.Aber man sollte ein unbedingt kritisches Verhältnis bewahren. Und, tut mir leid, ist ganz sicher ziemlich subjektiv und dennoch: Die alljährliche Pilgerfahrt von Kanzlers (und anderen Promis) nach Bayreuth .... ich finde das zutiefst widerlich. Wagners Pamphlet heißt nicht etwas "Das Judenthum" sondern "Das Judenthum in der Musik" und seine Musik klingt in meinen Ohren jedenfalls nach Judenfeindlchkeit. Groß, dunkel, deutsch, pathetisch. Das "Erlösungsmotiv" ist zentral für alle Wagner-Opern. In diesem Pamphlet lässt Wagner keinen Zweifel aufkommen, was als Erlösung in Bezug auf die Juden eigentlich gemeint ist: Ihr Untergang. Sollen die Merkels ihre Wagner-Opern doch im Wohnzimmer hören. Sie sind öffentliche Personen und wissen das auch.
Diese Assoziationen habe ich auch bei Wagner-Musik. Hier in der Nähe gibt es mehrere Wagner-Ring-Interpretationen und unheimliche Völkerwanderungen extra dahin. Und ich hab für all das absolut nüscht übrig. Damit macht man sich nicht viele Freunde. Wagner ist unheimlich beliebt bei sehr vielen. Aber was solls. Ich kann da einfach nicht ran. "Groß, dunkel, deutsch, pathetisch", damit beschreibst du die Musik perfekt. Nicht meins.
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Re: Antisemitismus

Beitrag von schokoschendrezki »

Selina hat geschrieben:(29 Oct 2018, 15:43)

Diese Assoziationen habe ich auch bei Wagner-Musik. Hier in der Nähe gibt es mehrere Wagner-Ring-Interpretationen und unheimliche Völkerwanderungen extra dahin. Und ich hab für all das absolut nüscht übrig. Damit macht man sich nicht viele Freunde. Wagner ist unheimlich beliebt bei sehr vielen. Aber was solls. Ich kann da einfach nicht ran. "Groß, dunkel, deutsch, pathetisch", damit beschreibst du die Musik perfekt. Nicht meins.
Ja, aber man muss natürlich aufpassen. Nicht deine oder meine Unlustgefühle sind das Thema sondern der reale Antisemitismus. Selbst ein Barenboim hat kein Problem mit Wagner. Und meines Wissens regt sich auch in Israel kaum Kritik an der Bayreuth-Euphorie der deutschen Kanzlerin ...

Relevanter schon ist das Phänomen Antisemitismus in Frankreich. In einem kürzlich gesendeten Interview im Radio wurde mir versucht zu erklären, warum, etwas anders als in Deutschland, sich der Antisemtiismus der jungen Generation der Muslime in den Pariser Vorstädten sich nicht nur gegen Juden und nichtmuslimische Franzosen richtet, sondern gegen die Generation ihrer eigenen Eltern. Also typischerweise den schon lange lange in Frankreich lebenden, angepassten Menschen mit Wurzeln in den ehemaligen französischen Kolonien. Nach dem Motto: Ihr ganzes Angepasstsein hat sie in keinster Weise vor einem relativen sozialen Abstieg bewahrt. Und diese potenzielle Wut instrumentalisieren nun islamische Hassprediger auch über Antisemitismus. Und zugleich gebe es eben doch auch unter den französischen Franzosen noch immer tief verwurzelten und nie wirklich aufgearbeiteten Antismeitismus vom Typ Jean Marie Le Pen.
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Re: Antisemitismus

Beitrag von Quatschki »

Selina hat geschrieben:(29 Oct 2018, 15:43)

Diese Assoziationen habe ich auch bei Wagner-Musik. Hier in der Nähe gibt es mehrere Wagner-Ring-Interpretationen und unheimliche Völkerwanderungen extra dahin. Und ich hab für all das absolut nüscht übrig. Damit macht man sich nicht viele Freunde. Wagner ist unheimlich beliebt bei sehr vielen. Aber was solls. Ich kann da einfach nicht ran. "Groß, dunkel, deutsch, pathetisch", damit beschreibst du die Musik perfekt. Nicht meins.
Die ganze Hollywood-Filmmusik hat ihre Wurzeln und Inspirationen bei Wagner
Emotionen, Leitmotive, Dramatik.
Das hat er mehr oder weniger erfunden beziehungsweise als erster in dieser Vollkommenheit zelebriert, lange bevor an Tonfilm-Kino überhaupt zu denken war.
Und die Hollywood-Regisseure, darunter viele Juden, haben es aufgenommen und weiterentwickelt
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Re: Antisemitismus

Beitrag von Vongole »

Ammianus hat geschrieben:(29 Oct 2018, 15:26)

Das wird nicht helfen. Solche Figuren wie S. und seine Schwester leben in einer anderen Welt. Geht man gegen sie vor, dann fühlen sie sich bestätigt, ihr Leben bekommt dadurch noch einen zusätzlichen Sinn. Den schreckt auch die Haftstrafe nicht ab. Im Gegenteil. Die größte Furcht eines Breivik war höchstwahrscheinlich, dass man ihn für unzurechnungsfähig erklärt und in eine Psychatrie steckt.

Aber andere könnte das schon abschrecken. Drei Jahre sind eine verdammt lange Zeit sein. Wobei den das nicht stören wird. Andere schon. Aber wer wie die Figur jetzt in den USA loszieht um zu töten ist weder mit strengeren Strafen noch mit Aufklärung zu stoppen. Bei denen zeigt sich das ganze Ausmaß ihres kranken Welt- und Selbstbildes darin, wenn man sie mit islamischen Mördern vergleicht. Die sehen sich als Märtyrer und glauben mit ihrem Verrecken vorangegangene Sünden erlassen zu bekommen und für ewig in den paradiesischen Dauerorgasmus hoch unendliche Milliarden einzugehen. Da steht wenigsten noch ein Motiv - so bescheuert es auch sein mag und die Angst vor der Hölle dahinter.
Typen wie S. und der in den USA sind einfach nur gestört und gefährlich. Ich weiss nicht, aber lebte ich in den USA und wäre Jude, dann hätte ich wohl eine Beretta in der Jacke.
Nein, natürlich ist so ein Urteil u.U. nur für andere abschreckend, verändern wird es weder die Beiden noch andere Judenhasser.

Der Mörder von Pittsburgh lebt sicherlich in einer kranken Eigenwelt, aber auch in einer zutiefst gespaltenen Gesellschaft, die Hass schürt, auch gegen Juden.
Da hilft weder hüben noch drüben eine Beretta - obwohl in Pittsburgh Wachen vor der Synogoge wie hier das Schlimmste wohl verhindert hätten - sondern ein solidarisches Gemeinschaftsgefühl,
welches Antisemitimus in jeder Form ächtet und bekämpft.
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Re: Antisemitismus

Beitrag von Cat with a whip »

jellobiafra hat geschrieben:(28 Oct 2018, 22:18)

Verbunden mit den anderen Aussagen des Vorfalls (Wollt ihr zu der antizionistischen Demo? Boycott Israel) ist es für mich keineswegs klar, dass es sich um Rechte handelt.
Speziell in Berlin würde ich eher auf antiimperialistische linke Gruppen tippen (Jugendwiderstand z.B.). Mit "Antideutsche" können auch Mitglieder der antideutschen Linken gemeint sein.

Hier ein Bericht über die Gruppe Jugendwiderstand:

https://www.berliner-kurier.de/berlin/p ... n-30080956
Das ist eine durchgeknallte linke Splittergruppe militanter Maoisten und Stalinverehrer, die aus den RAZ hervorging. Die rufen zu Gewalt gegen Nazis und gleichzeitig gegen Linke und Juden selbst auf. Die haben dieses Jahr die linke revolutionäre 1. Mai Demo tätlich agegriffen, weil man sich dort mit Spruchbannern gegen Antizionismus stellte.
"Die Erde ist ein Irrenhaus. Dabei könnte das bis heute erreichte Wissen der Menschheit aus ihr ein Paradies machen." Joseph Weizenbaum
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Re: Antisemitismus

Beitrag von Ammianus »

Oh mein Gott! Natürlich war Wagner Antisemit und dazu auch noch ein sehr übler. Und was sich dann weiter im Wagner-Clan abspielte mit Onkel Wolf, Winifred und dem anderen Pack ...

Aber Wagner war eben auch ein ganz Großer. Gerade lese ich die Memoiren von Alma Mahler-Werfel - die wussten, welche Bedeutung der hatte auch für ihr Leben und Schaffen. Wenn man bedenkt, dass die, egal ob Jude, Böhme oder Germane, ganze Wanger-Opern auf dem Klavier nachspielten und dazu sangen ...

Die Welt ist eben nicht nur schwarz-weiß und Merkel macht was sie für richtig hält und steht dazu. Und wem das nicht passt und wer das nicht erträgt, der soll eben zusehen, dass es mit der Raumfahrt schneller geht, damit er auf den Mars emigrieren kann oder auf irgend einen Exoplaneten ...
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Ammianus
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Re: Antisemitismus

Beitrag von Ammianus »

Vongole hat geschrieben:(29 Oct 2018, 16:33)

Nein, natürlich ist so ein Urteil u.U. nur für andere abschreckend, verändern wird es weder die Beiden noch andere Judenhasser.

Der Mörder von Pittsburgh lebt sicherlich in einer kranken Eigenwelt, aber auch in einer zutiefst gespaltenen Gesellschaft, die Hass schürt, auch gegen Juden.
Da hilft weder hüben noch drüben eine Beretta - obwohl in Pittsburgh Wachen vor der Synogoge wie hier das Schlimmste wohl verhindert hätten - sondern ein solidarisches Gemeinschaftsgefühl,
welches Antisemitimus in jeder Form ächtet und bekämpft.
Wobei man nicht vergessen darf, dass diese Spaltung und der Hass in der Gesellschaft dort auch nichts Neues ist. Der Klan z.B. war auch immer antisemitisch. Und dann bis zu den ganz offenen Nazi-Gruppen welche die entsprechenden Uniformen ganz offen tragen plus Svastika.
Trump ist ja nun witzigerweise gar kein Antisemit. Der hat sogar einen jüdischen Schwiegersohn, was dann wohl wieder manchen Antisemiten, der ihn sonst gut findet, völlig verwirren mag.
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Selina
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Re: Antisemitismus

Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(29 Oct 2018, 16:14)

Ja, aber man muss natürlich aufpassen. Nicht deine oder meine Unlustgefühle sind das Thema sondern der reale Antisemitismus. Selbst ein Barenboim hat kein Problem mit Wagner. Und meines Wissens regt sich auch in Israel kaum Kritik an der Bayreuth-Euphorie der deutschen Kanzlerin ...

Relevanter schon ist das Phänomen Antisemitismus in Frankreich. In einem kürzlich gesendeten Interview im Radio wurde mir versucht zu erklären, warum, etwas anders als in Deutschland, sich der Antisemtiismus der jungen Generation der Muslime in den Pariser Vorstädten sich nicht nur gegen Juden und nichtmuslimische Franzosen richtet, sondern gegen die Generation ihrer eigenen Eltern. Also typischerweise den schon lange lange in Frankreich lebenden, angepassten Menschen mit Wurzeln in den ehemaligen französischen Kolonien. Nach dem Motto: Ihr ganzes Angepasstsein hat sie in keinster Weise vor einem relativen sozialen Abstieg bewahrt. Und diese potenzielle Wut instrumentalisieren nun islamische Hassprediger auch über Antisemitismus. Und zugleich gebe es eben doch auch unter den französischen Franzosen noch immer tief verwurzelten und nie wirklich aufgearbeiteten Antismeitismus vom Typ Jean Marie Le Pen.
Ja. Ich fand deine Formulierung "groß, dunkel, deutsch, pathetisch" im Zusammenhang mit Wagner vor allem deshalb so treffend, weil es für mich sehr gut etwas beschreibt, was weit über den hier diskutierten Antisemitismus hinausgeht. Was macht es möglich, dass sich Menschen für auserwählt halten, für besser als andere? Woher kommt dieses heilige Pathos, dieses Sich-für-groß-Halten beim Blick auf die eigene (deutsche) Nation? Denn auch, wenn das für einige heute gefühlt anders erscheint, der größte und gefährlichste Antisemitismus geht immer noch oder schon wieder von sich mächtig, groß und überlegen fühlenden Deutschen und selbsternannten "Ariern" aus. Mich macht dieser Umstand nachdenklich und traurig. Und schon deshalb könnte ich diese Musik nicht genießen.
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Re: Antisemitismus

Beitrag von schokoschendrezki »

Quatschki hat geschrieben:(29 Oct 2018, 16:32)

Die ganze Hollywood-Filmmusik hat ihre Wurzeln und Inspirationen bei Wagner
Emotionen, Leitmotive, Dramatik.
Das hat er mehr oder weniger erfunden beziehungsweise als erster in dieser Vollkommenheit zelebriert, lange bevor an Tonfilm-Kino überhaupt zu denken war.
Und die Hollywood-Regisseure, darunter viele Juden, haben es aufgenommen und weiterentwickelt
Wenn diese Wagner-Ästhetik und ihre Nachfolge und weitere Rezeption, ob nun in Bayreuth, in Hollywood oder bei Metallica hier Thema wären, würde ich mit ganzer Leidenschaft weiter gegen Wagner polemisieren. Gegen alles Große, dunkle, pathetische, massenwirksame. Und mich daran beteiligen, alles was irgendwie unter "Kunst" oder "Kultur" läuft, auf Indielabel, Open Source, maximal 500 bis 1000 Leute Publikum, grundsätzliches Understatement als politische und kulturelle Philosophie herunterzubrechen. Keine Openrhäuser mit 95 Prozent des staatlichen Kulturetats. Keine Fußball-WMs . Keine Olympiaden. Keine Filme mit Milliarden-Budgets. Keine Stadionkonzerte.

Und wenns nur gegen Roger Waters geht.
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Re: Antisemitismus

Beitrag von Vongole »

Der einzige Musiker, der in der Diskussion über den gegenwärtigen Antisemitismus etwas zu suchen hat, ist Roger Waters, denn der ist ein Antisemit erster Güte.
Der Antisemitismus von Bach bis Wagner dagegen ist dieser Diskussion nicht förderlich.
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Re: Antisemitismus

Beitrag von schokoschendrezki »

Vongole hat geschrieben:(29 Oct 2018, 21:54)

Der einzige Musiker, der in der Diskussion über den gegenwärtigen Antisemitismus etwas zu suchen hat, ist Roger Waters, denn der ist ein Antisemit erster Güte.
Der Antisemitismus von Bach bis Wagner dagegen ist dieser Diskussion nicht förderlich.
Dem stimme ich im ersten Ansatz und mit Bezug auf Gegenwärtigkeit erst mal grundsätzlich zu. Und zu Roger Waters im Bereich Populärmusik kommt noch Henning Mankell im Bereich Populärliteratur. Bach ist sowieso draußen, schon weil eben gerade Mendelssohn-Bartholdy als der Wiederentdecker Bachs gilt.

Nein. Wagner hat nach meiner Ansicht sehr wohl etwas mit gegenwärtigem Antisemitismus zu tun. Sein Judenhass war nicht irgendwie sublim und versteckt sondern ganz offensichtlich und offensiv. Der Judenhass Wagners ist nachlesbar in einer seiner Schriften, die nicht einfach nur so dahingeschrieben wurde sondern eine systematische judenfeindliche Ideologie beschreibt. Und sein ästhetischer EInfluss ist ungebrochen.

Bezeichnend: Der bekannte Konzertveranstalter Marek Lieberberg, selbst Kind von Shoah-Überlebenden, stellt sich offensiv vor Waters und Pink Floyd und verweist stattdessen auf Luther und Wagner als die Herrn mit den "teilweise blutrünstigen antisemitischen Theorien" (siehe wikipedia-Beitrag zu Waters). Was sagt mir das als Zeitgenosse? Dass das ganze Thema überhaupt noch nicht abschließend verarbeitet und nach wie vor aktuell ist.

Es gibt zig Stellungnahmen von allen möglichen prominenten Persönlichkeiten, die alle druchwegs nicht nur fern jedes Antisemitismus-Vorwurfes sind, sondern die sich selbst offensiv mit all diesen Aspekten der Person Wagners auseinandersetzen. "Warum Bayreuth" heißen denn auch typische Presseartikel zu diesem Thema. Und nun frage ich: Ist diese besessene Fixiertheit - ob nun negativ, positiv oder kritisch - nicht eventuell eine der Formen der Sublimierung tradiitioneller Judenfeindlichkeit? Ganz ernsthaft. Wie kann man sich auf solche Zelebrierungen einlassen? Denn auch bei aller formaler künstlerisch-musikalischer Perfektion: Ein Übergott war auch Wagner nicht. Was steckt hinter dieser mythischen Verklärung?
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Re: Antisemitismus

Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(29 Oct 2018, 23:27)

Dem stimme ich im ersten Ansatz und mit Bezug auf Gegenwärtigkeit erst mal grundsätzlich zu. Und zu Roger Waters im Bereich Populärmusik kommt noch Henning Mankell im Bereich Populärliteratur. Bach ist sowieso draußen, schon weil eben gerade Mendelssohn-Bartholdy als der Wiederentdecker Bachs gilt.

Nein. Wagner hat nach meiner Ansicht sehr wohl etwas mit gegenwärtigem Antisemitismus zu tun. Sein Judenhass war nicht irgendwie sublim und versteckt sondern ganz offensichtlich und offensiv. Der Judenhass Wagners ist nachlesbar in einer seiner Schriften, die nicht einfach nur so dahingeschrieben wurde sondern eine systematische judenfeindliche Ideologie beschreibt. Und sein ästhetischer EInfluss ist ungebrochen.

Bezeichnend: Der bekannte Konzertveranstalter Marek Lieberberg, selbst Kind von Shoah-Überlebenden, stellt sich offensiv vor Waters und Pink Floyd und verweist stattdessen auf Luther und Wagner als die Herrn mit den "teilweise blutrünstigen antisemitischen Theorien" (siehe wikipedia-Beitrag zu Waters). Was sagt mir das als Zeitgenosse? Dass das ganze Thema überhaupt noch nicht abschließend verarbeitet und nach wie vor aktuell ist.

Es gibt zig Stellungnahmen von allen möglichen prominenten Persönlichkeiten, die alle druchwegs nicht nur fern jedes Antisemitismus-Vorwurfes sind, sondern die sich selbst offensiv mit all diesen Aspekten der Person Wagners auseinandersetzen. "Warum Bayreuth" heißen denn auch typische Presseartikel zu diesem Thema. Und nun frage ich: Ist diese besessene Fixiertheit - ob nun negativ, positiv oder kritisch - nicht eventuell eine der Formen der Sublimierung tradiitioneller Judenfeindlichkeit? Ganz ernsthaft. Wie kann man sich auf solche Zelebrierungen einlassen? Denn auch bei aller formaler künstlerisch-musikalischer Perfektion: Ein Übergott war auch Wagner nicht. Was steckt hinter dieser mythischen Verklärung?
Verteidiger von Roger Waters meinen zudem, dass Merkel die israelische Siedlungspolitik ebenfalls mehrfach aufs Schärfste kritisiert habe und ganz gewiss trotzdem keine Antisemitin ist. Und die Bewegung Boycott, Divestment and Sanctions (BDS), bei der Waters offenbar mitgemacht hat, steht zwar zurecht in der Kritik, weil der Boykott israelischer Waren einfach mal unredlich und der falsche Weg ist, um politische Ziele zu erreichen. Aber ob BDS deshalb auch antisemitisch ist, wird durchaus unterschiedlich bewertet. Hier mal ein Pro und ein Kontra:

http://www.taz.de/!5389548/
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