Bitte um kleine Nachhilfe in Sachen Wahlrecht (Koalitionsbildung)

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Balsamico
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Bitte um kleine Nachhilfe in Sachen Wahlrecht (Koalitionsbildung)

Beitrag von Balsamico »

Hallo ihr,

mir kommt es so vor, als gäbe es da etwas im deutschen Wahlrecht auf Landes- oder/und auch Bundesebene, das ich noch nicht weiß.

Wird eine Partei, die eine relative Mehrheit erreicht hat, ganz sicher in der Regierungskoaltion vertreten sein, den Ministerpräsidenten stellen usw.?

Ich frage, weil immer wieder von einer Rot-Rot-Grünen Mehrheit die Rede ist ("Denkbar wäre auch ein rot-rot-grünes Bündnis"), auch wenn abolut absehbar ist, dass die Union die Nase vorn haben wird. In erster Linie zählt doch ausschließlich, wer den ersten Platz macht, oder nicht? Was interessiert dann, ob der 2., 3. und 4. Platz zusammen eine Mehrheit hätten?

Hat es etwas damit zu tun, was passiert, wenn alle Koalitionsverhandlungen scheitern? In meine nicht die Minderheitenregierung.

Danke
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Misterfritz
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Re: Bitte um kleine Nachhilfe in Sachen Wahlrecht (Koalitionsbildung)

Beitrag von Misterfritz »

Balsamico hat geschrieben:(27 Oct 2018, 13:49)

Hallo ihr,

mir kommt es so vor, als gäbe es da etwas im deutschen Wahlrecht auf Landes- oder/und auch Bundesebene, das ich noch nicht weiß.

Wird eine Partei, die eine relative Mehrheit erreicht hat, ganz sicher in der Regierungskoaltion vertreten sein, den Ministerpräsidenten stellen usw.?

Ich frage, weil immer wieder von einer Rot-Rot-Grünen Mehrheit die Rede ist ("Denkbar wäre auch ein rot-rot-grünes Bündnis"), auch wenn abolut absehbar ist, dass die Union die Nase vorn haben wird. In erster Linie zählt doch ausschließlich, wer den ersten Platz macht, oder nicht? Was interessiert dann, ob der 2., 3. und 4. Platz zusammen eine Mehrheit hätten?

Hat es etwas damit zu tun, was passiert, wenn alle Koalitionsverhandlungen scheitern? In meine nicht die Minderheitenregierung.

Danke
Nein,
üblicherweise beginnt zwar die Partei, die die meisten Stimmen bekommen hat, mit den Koalitionsgesprächen. Aber, wenn diese keine Koalitionspartner (oder nicht genügend) überzeugen kann, dann können auch andere Parteien versuchen, eine Regierung zu bilden. Der MP wird ja vom Landtag gewählt.

Beispiel: Die AfD würde mit 21% die stärkste Kraft, bekäme aber keinen Koalitionspartner, dann würde eine andere Partei den MP stellen.
Das Salz in der Suppe des Lebens ist nicht Selbstdisziplin, sondern kontrollierte Unvernunft ;)
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3x schwarzer Kater
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Re: Bitte um kleine Nachhilfe in Sachen Wahlrecht (Koalitionsbildung)

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Es hilft wenn man das Grundprinzip versteht. Also z.B. mal die Bundesebene. Die Regierung wird nicht durch die Bürger gewählt. Die Bürger wählen Vertreter im Parlament. Das Regierungsoberhaupt wird vom Bundespräsidenten vorgeschlagen und muss vom Parlament bestätigt werden. Die Mitglieder der Regierung bestimmt dann der Kanzler.
Balsamico hat geschrieben:(27 Oct 2018, 13:49)

Hallo ihr,

mir kommt es so vor, als gäbe es da etwas im deutschen Wahlrecht auf Landes- oder/und auch Bundesebene, das ich noch nicht weiß.

Wird eine Partei, die eine relative Mehrheit erreicht hat, ganz sicher in der Regierungskoaltion vertreten sein, den Ministerpräsidenten stellen usw.?

Ich frage, weil immer wieder von einer Rot-Rot-Grünen Mehrheit die Rede ist ("Denkbar wäre auch ein rot-rot-grünes Bündnis"), auch wenn abolut absehbar ist, dass die Union die Nase vorn haben wird. In erster Linie zählt doch ausschließlich, wer den ersten Platz macht, oder nicht? Was interessiert dann, ob der 2., 3. und 4. Platz zusammen eine Mehrheit hätten?

Hat es etwas damit zu tun, was passiert, wenn alle Koalitionsverhandlungen scheitern? In meine nicht die Minderheitenregierung.

Danke
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Re: Bitte um kleine Nachhilfe in Sachen Wahlrecht (Koalitionsbildung)

Beitrag von PeterK »

Balsamico hat geschrieben:(27 Oct 2018, 13:49)
Wird eine Partei, die eine relative Mehrheit erreicht hat, ganz sicher in der Regierungskoaltion vertreten sein, den Ministerpräsidenten stellen usw.?
Nein.
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Skull
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Re: Bitte um kleine Nachhilfe in Sachen Wahlrecht (Koalitionsbildung)

Beitrag von Skull »

Das aus meiner Sicht "spektakulärste" Bundestagswahlergebnis war da 1976:

CDU/CSU 48,6 Prozent
SPD 42,6 Prozent
FDP 7,9 Prozent

Bundeskanzler wurde ein Herr Helmut Schmidt mit einer SPD/FDP Regierungskoalition. :?: :D

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Re: Bitte um kleine Nachhilfe in Sachen Wahlrecht (Koalitionsbildung)

Beitrag von PeterK »

Skull hat geschrieben:(27 Oct 2018, 14:18)
Das aus meiner Sicht "spektakulärste" Bundestagswahlergebnis war da 1976:
Das aus meiner Sicht "Spektakuläre" ist die Frage des TE.
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Skull
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Re: Bitte um kleine Nachhilfe in Sachen Wahlrecht (Koalitionsbildung)

Beitrag von Skull »

PeterK hat geschrieben:(27 Oct 2018, 14:21)

Das aus meiner Sicht "Spektakuläre" ist die Frage des TE.
Die ich ja DAMIT exakt beantwortete. ;)

Man könnte da auch die Thüringen Wahl 2014 nehmen:

CDU 33,5 Prozent
DIE LINKE 28,2 Prozent
SPD 12,4 Prozent
AfD 10,6 Prozent
GRÜNE 5,7 Prozent

Ministerpräsident wurde der Herr Bodo Ramelow mit einer rot-rot-grünen Regierungskoalition.

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PeterK
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Re: Bitte um kleine Nachhilfe in Sachen Wahlrecht (Koalitionsbildung)

Beitrag von PeterK »

Skull hat geschrieben:(27 Oct 2018, 14:26)
Die ich ja DAMIT exakt beantwortete. ;)
Jaha. Ich finde halt die Frage "spektakulär" ;).
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Re: Bitte um kleine Nachhilfe in Sachen Wahlrecht (Koalitionsbildung)

Beitrag von immernoch_ratlos »

Hilfe kann jeder brauchen - im "Gestrüpp" der Landesverfassungen - jedes Bundesland hat eine eigene Verfassung - findet sich nicht auf Anhieb verständliches zu der Regierungsbildung.

Allein dies sollte eine Idee geben, was das für Fragen auftauchen können / könnten, wenn endlich die Wahlergebnisse der nächsten Hessenwahl am 28.10.2018 - also morgen frühestens nach 18:00 vorliegen. Im Forum "wahlrecht.de" habe ich nach längerer Suche dies hier gefunden :
(06.07.2008) Thomas Frings hat geschrieben:In den meisten Bundesländern gibt es entweder eine Frist, bis wann eine neue Regierung gewählt sein muss, bei Strafe der Auflösung des Landtags, oder die Wahl des Ministerpräsidenten ist auch mit relativer Mehrheit möglich. In Sachsen, Brandenburg und Bayern (hier reicht zur Wahl des MP immer die einfache Mehrheit) gibt es sogar beides. In Niedersachen, MeckPomm und Sachsen-Anhalt muß der Landtag über seine Auflösung abstimmen, wenn in den ersten beiden Wahlgängen niemand die absolute Mehrheit erreicht, zur Auflösung ist absolute Mehrheit erforderlich in diesem Fall. Wird keine Auflösung beschlossen, wählt der Landtag den Ministerpräsidenten mit einfacher Mehrheit.
Es gibt also in den anderen Ländern reichlich Regelungen, die die Regierungsbildung sinnvoller regeln als in Hessen. Da wäre eine Reform sicher sinnvoll, zumal es eine geschäftsführende Regierung über längere Zeit schon einmal gab, nämlich von Dezember 1982 bis Juli 1984. Aber in der laufenden Wahlperiode wird es sicher keine Verfassungsänderung geben, die noch in dieser Legislaturperiode in Kraft tritt. Das wäre - wenn überhaupt - nur etwas für die Zukunft.
Es gibt ein WIKI : WIKI "Landesverfassung (Deutschland)" welches wenigstens einige Informationen über die 16 Landesverfassungen bietet.

Die Arbeit, für jedes Bundesland alles was die jeweilige Regierungsbildung allgemeinverständlich machen könnte, hat sich offensichtlich noch niemand gemacht. Ein "abendfüllender Job" - hier mal das (gerade aktuelle) : "Hessenrecht - Rechts- und Verwaltungsvorschriften" als "Teaser".

Vielleicht schaffe ich es ja den Vorgang ab Montag zu durchschauen - dagegen erscheint mir Balsamico Deine Frage doch ganz erfreulich einfach - dennoch Danke, wer nicht fragt stirbt dumm - das ist nicht despektierlich gemeint, es gibt da sogar eine französischen Blog "Du wirst weniger dumm sterben" ( "Tu mourras moins bête") Hier zum entspannen : "Wer nicht fragt, stirbt dumm! - Wie funktioniert ein Atomkraftwerk?" (ARTE.DE)
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Der Neandertaler
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Re: Bitte um kleine Nachhilfe in Sachen Wahlrecht (Koalitionsbildung)

Beitrag von Der Neandertaler »

Hallo Balsamico.
Balsamico hat geschrieben:... eine relative Mehrheit ... in der Regierungskoaltion vertreten ... den Ministerpräsidenten stellen usw.?
... Koalitionsverhandlungen scheitern? ... Minderheitenregierung.
Alle hier gegebenen Antworten sind richtig!
  • ... aber nicht in Gänze.
Als Beispiel nehmen wir die Bundesebene:
Die stimmen-stärkste Partei führt im Parlament jeweils nach der Wahl sogenannte Sondierungsgespräche. Es steht aber grundsätzlich jeder Partei oder Gruppierung frei, vorab derartige Sondierungsgespräche zu führen, um eventuelle Koalitionen auszuloten.
  • (der Bundespräsident ist erstmal außen vor!)
Die dann sitzungsmäßig stärkste Koalition bestimmt einen Kanzlerkandidaten, der dann vom Bundespräsidenten dem Parlament zum ersten Wahlgang vorgeschlagen wird. Das Parlament stimmt dann darüber ab - mehr als die Hälfte der Stimmen der Parlaments-Mitglieder ... das ist die sogenannte Kanzlermehrheit. Dabei kann es passieren, daß dieser Kandidat nicht die notwendige Stimmenmehrheit bekommt. Daraufhin kann im zweiten Wahlgang jede Partei eine Gegenkandidaten aufstellen.
  • (Zeit: spätestens 14 Tage nach dem ersten Wahlgang!)
Innerhalb von 14 Tagen können beliebig viele Wahlgänge stattfinden, zu denen jeweils die absolute Mehrheit erforderlich ist - erst danach erfolgt eine Kanzlerwahl mit relativer Mehrheit. Letztlich kann es also passieren, daß jemand in einem Wahlgang nach den besagten 14 Tagen zum Bundeskanzler gewählt wird, der nicht der künftigen Regierungskoalition angehört. Dies ist aber nur Theorie, denn in der Realität hat der Bundespräsident die Wahl, ob er den Gewählten (aus dem zweiten, dem dritten oder dem ... Wahlgang) zum Bundeskanzler ernennt oder das Parlament auflöst und Neuwahlen anstrebt.

Da sich die meisten Landtagswahlsysteme am Bundestagswahlrecht orientieren, gilt das, was für die Wahl des Bundeskanzlers gilt, auch weitgehend für (alle) Bundesländer und deren Parlamente, bzw.: den Ministerpräsidenten.
"Ich teile Ihre Meinung nicht, ich werde aber bis zu meinem letzten Atemzug kämpfen, daß Sie Ihre Meinung frei äußern können." (Voltaire)
KarlRanseier

Re: Bitte um kleine Nachhilfe in Sachen Wahlrecht (Koalitionsbildung)

Beitrag von KarlRanseier »

Skull hat geschrieben:(27 Oct 2018, 14:26)

Die ich ja DAMIT exakt beantwortete. ;)

Man könnte da auch die Thüringen Wahl 2014 nehmen:

CDU 33,5 Prozent
DIE LINKE 28,2 Prozent
SPD 12,4 Prozent
AfD 10,6 Prozent
GRÜNE 5,7 Prozent

Ministerpräsident wurde der Herr Bodo Ramelow mit einer rot-rot-grünen Regierungskoalition.

mfg

Nun, für eine Koalition aus Konserven und Nazis hat's halt nicht gereicht, und die Sozen als typischer Steigbügelhalter für die CDU waren zu schwach.
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