Quelle: http://www.suhrkamp.de/buecher/eine_neu ... 29827.htmlDie »neue politische Wissenschaft«, von der Tocqueville in der Einleitung zu De la démocratie en Amériquespricht, ist keine politische Doktrin. Vielmehr leistet sie Aufklärungsarbeit: Tocqueville warnt vor den Gefahren, die die demokratische Revolution mit sich bringt; und er ermutigt, die Chance zu ergreifen, die sie birgt. Dabei bekennt sich Tocqueville emphatisch zur Freiheit als dem normativen Leitwert seines politischen Denkens. Für ihn ist es wichtig, das Modell einer rein repräsentativen Demokratie zu überwinden, das die Bürger nur zu politischen Wählern macht. Ohne die Möglichkeiten zusätzlicher kollektiver Handlungs- und Erfahrungsräume sei das Volk frei, aber stumm. Das Recht der Bürger auf einen gleichen Anteil am politischen Willen gehe zusammen mit ihrem Recht, eine eigene Meinung zu bilden und zu manifestieren, also ihren Vorstellungen in jeweils konkreten Handlungsräumen eine öffentliche Stimme zu verleihen, die stark genug ist, gehört zu werden. Nur so könne unter den Bedingungen der Gleichheit Freiheit bewahrt werden. Damit wirft Tocqueville eine der wichtigsten politischen Fragen auf, die auch die heutige Demokratietheorie zu beantworten sucht, nämlich die der adäquaten Repräsentation und Einbeziehung der Bürger. Das »Volk« der Demokratie erweist sich angesichts seiner vielfältigen Differenziertheit nicht als identitäres, homogenes Subjekt. Der Wille des Volkes muss deshalb in konkreten Kontexten und Handlungsräumen zum Ausdruck gebracht werden können. Wie hierfür die rechtlichen und institutionellen Voraussetzungen geschaffen werden können, zeigt Tocqueville an konkreten Beispielen. In Amerika erkennt er, dass die Volkssouveränität, wie sie im Frankreich seiner Zeit gedeutet wird, nämlich als rein virtuelle, überlebt ist. Volkssouveränität setzt Formen der Beteiligung voraus, die sich nicht allein auf die Prozesse der Wahl und der Gesetzgebung reduzieren lassen.
Mal abgesehen davon, dass der Satz "Das »Volk« der Demokratie erweist sich angesichts seiner vielfältigen Differenziertheit nicht als identitäres, homogenes Subjekt." natürlich eine Verdrehung ist, denn Toqueville sagt in Wirklichkeit:
Jedenfalls war schon damals klar, das Wählen allein keine Beteiligung des Volkes konstituiert.Many ages must elapse before the divers offsets of the British race in America cease to present the same homogeneous characteristics: and the time cannot be foreseen at which a permanent inequality of conditions will be established in the New World. Whatever differences may arise, from peace or from war, from freedom or oppression, from prosperity or want, between the destinies of the different descendants of the great Anglo-American family, they will at least preserve an analogous social condition, and they will hold in common the customs and the opinions to which that social condition has given birth.
Zeit also, für neue Strukturen und Modelle wie sie unterm Stichwort "deliberative Strukturen", "Demarchie" und in den Modellen von
Fishkin: https://en.wikipedia.org/wiki/Deliberative_opinion_poll
und
Bouricius: https://www.publicdeliberation.net/jpd/vol9/iss1/art11/ (kann über den Download abgerufen werden)
zum Ausdruck kommen?