Kleine Verständnisfrage, 2013 kamen CDU/CSU + Grüne auf nur 49,9% aber es gab Koalitionsverhandlungen?

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Der Neandertaler
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Re: Kleine Verständnisfrage, 2013 kamen CDU/CSU + Grüne auf nur 49,9% aber es gab Koalitionsverhandlungen?

Beitrag von Der Neandertaler »

Hallo H2O.
H2O hat geschrieben:Oh, jetzt habe ich alter Zausel aber eine Frage: Werden etwa durch "Überhangmandate" die Stimmverhältnisse gemäß Wahlergebnis im Bundestag verändert?
Überhangmandate entstehen, grob gesagt, wenn der Erststimmenanteil (Direktmandate) größer ist als Mandate dieser Partei anhand des Zweitstimmenanteils zu stehen würden. Dies hat in der Tat dazu geführt, daß Parteien mehr Sitze bekamen als ihr zustanden. Diese Überhangmandate führten teilweise ebenso dazu, daß Regierungen zustande kamen, die keine hinreichende Legimitation hatten - zumindest untereinander war das Verhältnis verschoben.
  • Soweit - so klar. Ich denke, das ist Dir nichts Neues!?!
Dann gab es einen Vorfall (Bundestags-Nachwahl 2005) in Dresden - bezüglich: "Negatives Stimmgewicht". Das BVerfG wurde angerufen. In dieser Verhandlung hat es sich auch die Überhangmandate und deren Praxis angeschaut. Im nachfolgenden Urteil vom 3. Juli 2008 befanden die Richter, daß es die bisherige Regelung zulasse, daß Überhangmandate in einem Umfang anfalle, "der den Grundcharakter der Bundestagswahl als Verhältniswahl aufhebt". Seit der Wahlrechtsänderung im Jahr 2013 werden nun Überhangmandate zusätzlich durch sogenannte Ausgleichsmandate vollständig ausgeglichen.

Fazit:
  • Überhangmandate können die Stimmverhältnisse im Bundestag nicht mehr verändern - weil diese (in gleicher Anzahl) zugunsten der anderen Parteien durch sogenannte Ausgleichsmandate vollständig ausgeglichen werden.
    • (Nebenbei: diese Praxis gab es in diversen Landtagen schon vorher.)
Folge:
  • der Bundestag wird an Sitzen nun noch größer als er dies vor 2013 sowieso schon wurde.
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H2O
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Re: Kleine Verständnisfrage, 2013 kamen CDU/CSU + Grüne auf nur 49,9% aber es gab Koalitionsverhandlungen?

Beitrag von H2O »

Der Neandertaler hat geschrieben:(16 Sep 2017, 14:07)

Fazit:
  • Überhangmandate können die Stimmverhältnisse im Bundestag nicht mehr verändern - weil diese (in gleicher Anzahl) zugunsten der anderen Parteien durch sogenannte Ausgleichsmandate vollständig ausgeglichen werden.
    • (Nebenbei: diese Praxis gab es in diversen Landtagen schon vorher.)
Folge:
  • der Bundestag wird an Sitzen nun noch größer als er dies vor 2013 sowieso schon wurde.
Die so große Zahl der Abgeordneten (bis 700) paßt doch eher zu China als zu einem Staat unserer Größe. Andererseits finde ich ein Direktmandat durch Stimmenmehrheit demokratischer begründet als eine ellenlange Liste, der man so wie sie ist zustimmen soll. Folglich müßte man doch die Zahl der Wahlkreise so weit vermindern, daß im ungünstigsten Fall nicht mehr als ungefähr 300 MdBs zustande kommen können.

Ich habe da gedankliche Schwierigkeiten. Theoretisch können 20 Parteien die 5%-Hürde nehmen. Wenn eine davon in allen Wahlkreisen um Haaresbreite die Nase vorn hat, dann gewänne sie sämtliche 300 Wahlkreise. Das wären britische Zustände, bei denen nur Wahlkreise vergeben werden. Der Bundestag will aber nach Stimmenverhältnis viel gerechter besetzt werden. Um dann Stimmengleichheit der zwanzig 5%-Parteien her zu stellen, hätten wir eine 20-fache Zahl von MdB, die bei 6.000 läge. So etwas wird es sicher nie geben, aber man erkennt doch, welche Wirkung von dieser Regelung aus geht. Die Feinheit Erststimme und Zweitstimme habe ich nicht betrachtet.

Vielleicht sollte es also nur dann Direktmandate geben, wenn der Bewerber >50% der Stimmen in seinem Wahlkreis gewinnt. Von der demokratischen Entscheidung her fände ich das sinnvoller als von der relativen Mehrheit der Stimmen, wie mein "schlechtes" Beispiel zeigt.

Das ist auch ein Grund, weshalb ich das französische Wahlsystem mit zwei Wahlgängen für sinnvoller halte. Da gibt es nicht so furchtbar viel zu rechnen. Außerdem müssen die Parteien ihren Kuhhandel vor dem 2. Wahlgang abschließen... und auch über diesen Kuhhandel stimmt der Wähler ab. Am Wahlabend weiß jeder Bewerber, ob er ein Mandat gewonnen hat. Na ja, wünschen darf man sich viel! :)
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Der Neandertaler
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Re: Kleine Verständnisfrage, 2013 kamen CDU/CSU + Grüne auf nur 49,9% aber es gab Koalitionsverhandlungen?

Beitrag von Der Neandertaler »

Hallo H2O.
Vorab - es dürfte wohl nicht jedem geläufig sein:
  • wir haben ein Zwitterwahlsystem - sowohl ein Merheits- oder Direktmandat-System (Erststimme: à la Großbritannien oder USA), als auch ein Verhältniswahlsystem (Zweitstimme). Zusätzlich haben wir (zur Verhinderung, daß nicht unendlich viel Partein in's Parlament inziehen) ... dazu haben wir eine Prozenthürden eingebaut.
Beide Wahlformen haben irgendwo sowohl Vor- als auch Nachteile. Man könnte nun das Eine wie das Andere konsequent einführen - die Erste Große Koalition (1966–1969) diskutierte schon am Anfang ihrer Legislaturperiode das Mehrheitswahlrecht nach britischem oder US-amerikanischem Modell einzuführen. Sie scheiterte an der SPD - die schon die SPD/FDP-Regierung im Auge hatte.

Der Vorteil des Merheitswahlsystem (nur der gewinnt, der auch seinen Wahlkreis gewinnt) liegt wohl in erster Linie darin begründet, daß letztlich weniger Parteien im jeweiligen Parlament sind. Auch würden keine Überhangmandate mehr anfallen - also würde somit auch nur eine absehbare Anzahl an Politikern im jeweiligen Parlament sitzen. Alles in allem würde dadurch letzendlich die Regierungsbildung einfacher. Jeder bekäme vielleicht die Regierung, die er gewählt hat ... er bekäme das, was er gewählt hat.

Dieser Vorteil wäre aber zugleich dessen Nachteil:
  • dadurch wird nämlich das Verhältnis innerhalb der Bevölkerung nicht so ganz abgebildet.
Da der Deutsche nunmal einen gewißen Konsenz sucht ... einen gewißen Ausgleich, so hat man auf das Verhältniswahlsystem gesetzt. Da aber auch dies den Nachteile hat, daß unter Umständen mein gewählter Kandidat von der Partei XY ist nicht im Parlament vertreten ist, deshalb hat man beides eingeführt. Nächster Schritt: Überhangmandate! Übernächster Schritt: Ausgleichsmandate, weil die Einführung der Überhangmandate das Verhältnis innerhalb der Bevölkerung eventuell ad absurdum führt.

Eine Änderung des Wahlsystems ist nicht so einfach - ich kann es nicht jedem Recht machen. Aufgrund unserer Vergangenheit (in Ost und West - Nazi oder auch DDR) ... auf Grund dessen hat man bewußt auf Ausgleich gesetzt. Man wollte damit verhidern, daß ein und der Regierungschef ... ein und die selbe Partei ihr Posten quasi "vererbt"
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garfield336
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Re: Kleine Verständnisfrage, 2013 kamen CDU/CSU + Grüne auf nur 49,9% aber es gab Koalitionsverhandlungen?

Beitrag von garfield336 »

Senexx hat geschrieben:(12 Sep 2017, 14:18)

Da zwischen 5 und 10 Prozent der Stimmen wegen der 5-Prozent-Hürde unter den Tisch fallen, können zwischen 45 und 49,9 Prozent der Stimmen für die Mehrheit reichen.
2013 hätte sogar deutlich weniger gereicht, die CDU verpasst nur knapp die absolute Mehrheit.
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Re: Kleine Verständnisfrage, 2013 kamen CDU/CSU + Grüne auf nur 49,9% aber es gab Koalitionsverhandlungen?

Beitrag von garfield336 »

Balsamico hat geschrieben:(12 Sep 2017, 14:25)

Was soll die Frage? Ich bin Jahrgang 87, allerdings bin ich diesesmal interessierter bei der Sache... Bishher habe ich einfach die Grünen gewählt weil die so falsch nicht sein konnten meiner Meinung nach, aber eben ohne mich wirklich damit zu beschäftigen...

.
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Re: Kleine Verständnisfrage, 2013 kamen CDU/CSU + Grüne auf nur 49,9% aber es gab Koalitionsverhandlungen?

Beitrag von Balsamico »

garfield336 hat geschrieben:(19 Sep 2017, 09:39)

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offen und ehrlich meinst du? :)
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Re: Kleine Verständnisfrage, 2013 kamen CDU/CSU + Grüne auf nur 49,9% aber es gab Koalitionsverhandlungen?

Beitrag von garfield336 »

Balsamico hat geschrieben:(21 Sep 2017, 16:59)

offen und ehrlich meinst du? :)
Sie waehlen Grün ohne sich damit zu beschäftigen sonst würde sie die ja nicht wählen.
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