Kopernikus » Do 28. Feb 2013, 17:11 hat geschrieben:
Du stimmst der Kritik an einer Sache zu ohne dich jemals der Sache an sich gewidmet zu haben. Überhaupt geht´s hier ja nur um Israel wobei die Gründe für das Entstehen der antideutschen Bewegung viel weniger dort liegen als vielmehr im Zustand der dt. Linken vor 20 Jahren. Es gab überhaupt erst eine Hinwendung zu einer wie auch immer gearteten Israel-Solidarität, weil seit 67 fast keine Auseinandersetzung mit Antisemitismus innerhalb der Linken mehr statt fand. Im Gegenteil. Dass sich das änderte lag überhaupt erst daran, dass sich irgendwann Leute hinsetzten und sich wieder einem bedeutenden Teil linker Theoriearbeit widmeten, nämlich der kritischen Theorie der Frankfurter Schule. Man kann schlechterdins gar nicht verstehen, wieso Israel als Staat der Überlebenden der Shoa eine Notwendigkeit hat, die Solidarisierung zur Folge haben muss, wenn man die Sicht der Frankfurter Schule auf Kapitalismus, Aufklärung und Barbarei nicht versteht.
Ich habe mich der antideutschen Bahamas-Fraktion gewidmet und deren Argumente halte ich für teilweise unzumutbar. In Bezug auf diese halte ich Herr Zuckermans Analyse nach wie vor für zutreffend.
Abarbeitung der eigenen historischen Befindlichkeiten an einem idealtypisch hochstilisierten Objekt das zur Projektionsfläche wird.
Adorno, Frankfurter Schule und Co. geht jetzt etwas zuweit ab, oder nicht?
Gebe meinen Senf auch gerne dazu ab oder in einem anderen Strang. Ist ja ein Riesenthema.
Dass sich diese Position auch bei israelischen Rechten wieder finden mag, ist nicht weiter verwunderlich. Mich würde es nichtmal wundern, wenn es nicht nur isr. Rechte so sehen.
Ja, auch die europäische Rechte sieht das so, bzw. die neue Rechte. Hier wird wieder die Querfront zu der neuen Rechten in Europa sichtbar, die dieselbe Sichtweise invers auf die "Heimatfront" mit den Muslimen übertragen und ihre Legitimation aus Huntingtonschen Weltbildern beziehen in denen Israel für sie die vorderste Bastion im Kampf gegen die asiatischen Horden ist. Antisemitismus-Abwehr verkommt dabei zum Deckmantel für eigene Ressentiments.
Man ist ja schliesslich für die Freiheit und der Rassist, das Böse, das ist der andere. Die andere Seite handhabt das auch nicht viel anders, die Fronten sind festgefahren und da alle Parteien ihren ideologischen Festschmaus halten bei dem Thema wird sich da auch nichts ändern.
Was mich stört und das meine ich generell, ist reflexartige, ideologisch bedingte Parteinahme über die Grenzen jeden vernünftigen Augenmaßes hinweg und da sind mir eben einige Antideutsche öfter sehr unangenehm aufgefallen.
Das hat bei einigen schon pathologische Ausmasse, was mich zu der Schlussfolgerung bringt - wie Herr Zuckermann - das es eben doch um etwas ganz anderes geht, nämlich eigene Empfindlichkeiten, die man per Übersprungshandlung zu kompensieren versucht.
Kopernikus » Do 28. Feb 2013, 17:11 hat geschrieben:
Es gibt nunmal seit dem Ende der Nazis keine bedeutende Gruppe mehr, die so durchsetzt ist von antisemitischen Feindbildern wie die Palästinenser. Nun kann man versuchen, dieses Denken mit dem Nahostkonflikt zu begründen aber es ändert nichts daran, dass die beinahe einzige wirkliche Bedrohung für jüdisches Leben heute von radikalen Islamisten in Person von Hamas und Co. ausgeht und dass die absolute Feinschaft gegenüber Juden in den Palästinensergebieten immernoch keine Randerscheinung ist.
Auch wenn einige Russland oder Teilen Osteuropas eine ähnliche Salonfähigkeit des Antisemitismus bescheinigen weiss ich was du meinst und würde dem auch zustimmen. Das ist ein Problem bei dem es sehr lange dauern wird ihm beizukommen.
Wie sagte Einstein: "Es ist leichter ein Atom zu spalten als ein Vorurteil."
Mich hat lediglich der Sachverhalt aufgeregt, das versucht wurde den Nahost-Konflikt mit dem Antisemitismus zu begründen, denn das ist eine glatte Lüge und gezielte Irreführung der Zuhörer/Leser.
Höre oder lese ich solcherlei Falschaussagen ist die Glaubwürdigkeit des Authors für mich in der Regel gestorben, denn ich verbuche soetwas schlicht unter Propaganda.
Das der Antisemitismus es Israel nun schwer bis unmöglich macht noch auf die Palästinenser einzugehen ist eine These die ich sogar unterschreiben würde. Das Kind ist leider in den Brunnen gefallen und totalitäre Nationalsozialistische (Baathisten und Co. für mich die einzig wirklichen Nationalsozialisten im ursprünglichen Wortsinne) arabische Führer und radikale Islamisten haben da eine Pest in die Welt gesetzt die die arabische Welt in ein ganz schlechtes Licht setzt.
Wo viele Menschen für derartigen Rassismus anfällig sind, da ist etwas grundfaul. Bei den Palästinensern mag ich da nicht zu einem eindeutigen Urteil kommen, denn die sind direkt im Krieg und daher anfällig für Propaganda, aber ich weiss das das auch salonfähig ist in anderen Teilen der arabischen Welt die weit weg von all dem sind.
Da wird es Zeit für frischen Wind.
Trotzdem, das ganze auf den Antisemitismus einzuengen wird der Problematik nicht gerecht. Die Ursachen sind andere und Israel zündelt teilweise kräftig mit, abseits jeder Rechtfertigung.
Kopernikus » Do 28. Feb 2013, 17:11 hat geschrieben:
Es geht hier nicht um Befindlichkeiten, sondern darum, welche Stellung Antisemitismus im Weltbild einer insgesamt antikapitalistischen Linken einnimmt. Als Reaktion auf die "Zumutungen" eines krisenbehafteten Systems nämlich eine äußerst bedeutende: Die des potenziellen Rückfalls in die Barbarei.
Ja, aber der Nationalsozialismus oder Antisemitismus ist nicht die einzige Barbarei in die die Menschheit verfallen kann und daher gilt es bei der Betrachtung dieser Dinge immer flexibel zu bleiben, die Medaille von beiden Seiten zu betrachten, sonst wird man betriebsblind.
Das trifft auf viele Antideutsche die ich gelesen habe, in meinen Augen zu.
Kopernikus » Do 28. Feb 2013, 17:11 hat geschrieben:
Es ist gar nicht Aufgabe der Antideutschen, den Nahostkonflikt allumfassend zu durchleuchten. Das hat noch nie irgendjemand geschafft. Es geht wie gesagt um das einseitig antiisraelische Gebaren der Linken vergangener Jahrzehnte und eine Neuausrichtung linker Theorie u.a. an den Schriften der Frankfurter Schule, die auch für mich die mit Abstand wertvollsten Beiträge zur linken Theorie vergangener Jahrzehnte sind.
Ja, aber die antideutsche Linke beschränkt sich ja nicht auf einen theoriekritischen Diskurs innerhalb der Linken, sondern zeichnet sich teils durch Auftritte auf, die PRO-xyz nicht besser hinbekommen würden.
Man bekommt auch nicht selten, das der Begriff "Antisemitismus" zum Hauptargument geworden ist bei fast allen Debatten, als ob es keine Facetten mehr gebe und das Gegenüber ein Tonband verschluckt hätte.
Das kostet sie viel an Glaubwürdigkeit und Seriösität und man bekommt den Eindruck das sich da jemand im theoretisieren verrannt hat und jedes Augenmass verloren hat.
Das Personen wie Küntzel mit den Islamwissenschaften auf Kriegsfuss stehen spricht für mich Bände, denn die Islamwissenschaften beziehen überhaupt keine Partei in dieser Frage, abgesehen davon das der Konflikt für sie nur ein Randthema ist.
Es deutet für mich viel mehr daraufhin, das diese Küntzelsche Richtung der Antideutschen darauf erpicht ist ihre ideologische Sichtweise nun auch auf die Deutungshoheit der Geschichte retrospekt zu übertragen und daher in einen Konflikt mit einer Geschichtswissenschaft tritt, die sich durch keine einheitliche Grundhaltung zu diesen Fragen auszeichnet.
Wahrscheinlich will man aber genau das erreichen.
Hier ein Artikel dazu, von Michael Kiefer, einem Islamwissenschaftler:
Hans-Peter Raddatz und Matthias Küntzel wollen in ihren neuen Büchern den Antisemitismus in der islamischen Welt erklären. Dabei denunzieren sie jedoch undifferenziert die Muslime
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/arti ... 34dac1db8b
Die Antworten hierzu liefert Raddatz in fünf ausführlichen Kapiteln, die vom alten Israel bis in die Gegenwart hineinreichen. Bereits die Zwischenüberschriften wie "VAN - Vereinte Antisemitische Nationen" oder "Dialog - der kollektive Betrug" zeigen, dass der Autor es an Objektivität vermissen lässt. Raddatz geht es nicht um sachliche Analyse, vielmehr ist über weite Strecken Islam-Bashing und Kulturkampf angesagt.
Überaus deutlich wird dies im Kapitel "Juden und Islam". Bereits in den einleitenden Worten vermittelt Raddatz unverblümt seine Sicht des Islam und der Muslime: "Wie noch zu zeigen ist, sind Djihad - Kampf gegen den Nichtislam - und Dhimma - die Unterdrückung des Juden- und Christentums - die unverzichtbaren Lebensbedingungen, die Sakramente ihres Glaubens." Genau dieser Vorwurf bildet den Leitfaden für die nachfolgenden Ausführungen, in denen der Autor nicht müde wird, dem Islam allerlei Schandtaten anzulasten. Was hierbei nicht ins Bild passt, wird einfach verschwiegen.
Besonders dreist verfährt der Autor mit dem international bekannten Orientalisten Bernard Lewis, der bereits in den Achtzigerjahren des 20. Jahrhunderts bahnbrechende Studien zur islamisch-jüdischen Tradition vorgelegt hat. Da Lewis in seinem Standardwerk "Die Juden in der islamischen Welt" ein überwiegend positives Bild des muslimisch-jüdischen Zusammenlebens in den traditionellen islamischen Gesellschaften zeichnet, überzieht ihn Raddatz mit Schmähkritik und bösartigen Anwürfen, in dem er Lewis als "Quasimam" und "Spitzenkraft" unter "Dialogbetrügern" denunziert.
Aus wissenschaftlicher Sicht kann man diese Ausführungen nicht ernst nehmen.
Bernhard Lewis war selber Jude und sein Lebenswerk in den Islamwissenschaften ist von wissenschaftlich höchster Bedeutung.
Hier kämpft Ideologe gegen Fachmann.
Die Ideologie versucht sich hier in die Geschichtswissenschaft einzumischen um den heutigen Vorwurf, der Antisemitismus wäre die Ursache für den Nahostkonflikt, glaubhafter zu machen. Da klingeln bei mir die Alarmglocken. Und ich möchte jetzt keine "alarmistischen" Vergleiche bringen warum das so ist, sonst müsste ich auf die Geschichtsschreibung in totalitären Ländern verweisen.