Dark Angel hat geschrieben:(17 Nov 2017, 15:02)
Tja genau DAS ist die Frage, die ich mir im Zusammenhang mit Intersexuellen auch stelle.
Durch wen und wie werden sie denn diskriminiert? Liegt es wirklich nur an dem fehlenden Eintrag bzw am korrekten Eintrag ins Personenstandsregister?
Eine Diskriminierung bzw Grundreshtsverletzung sehe ich durchaus in geschlechtsangleichenden OPs unmittelbar bzw kurz nach der Geburt.
Aber sonst? Sich als etwas ganz bestimmtes zu fühlen, ist kein Grundrecht und eine andere Außenwahrnehmung keine Diskriminierung. Die Außenwahrnehmung hat etwas mit Erwartungshaltung aufgrund von Erfahrungen zu tun.
Es geht nicht ums Fühlen, mMn geht es um die gesellschaftliche Anerkennung intersexueller Realität. Ganz konkret wurde ja um einen Eintrag ins Geburtenregister eines intersexuellen Menschen als Frau verhandelt, also um eine Festlegung, die nicht den Tatsachen, sondern der Willkür entsprach. Das ist klar diskriminierend und eine Ungleichbehandlung. Zudem ist diese Festlegung oft Anlass zu kosmetischen OPs, was dem Persönlichkeitsrechtsverstoß eine gravierende Komponente hinzufügt. Aus einem
Artikel der faz:
Hier wird ein besonderes Spannungsfeld sichtbar, in dem Betroffene, die ihr Recht auf eine eigene geschlechtliche Identität beanspruchen, gleichzeitig auch von der Medizin als behandlungsbedürftige Patienten wahrgenommen werden. Ihnen werden – so der englische Terminus – „Disorders of Sex Development“ attestiert, also eine Krankheit. Der Sprachgebrauch der Bundesärztekammer, die sich 2015 auf Empfehlung ihres Wissenschaftlichen Beirats mit dem Thema befasste, lässt die Ambivalenz noch deutlicher hervortreten. Sie hat einen Beschluss über die „Versorgung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Varianten/Störungen der Geschlechtsentwicklung“ gefasst. Während der Begriff der Variante neutral ist, attestiert die damit synonym gesetzte Feststellung einer „Störung“, dass eine Behandlung zumindest wünschenswert oder jedenfalls grundsätzlich möglich wäre – eine Sichtweise, die den Gleichbehandlungsanspruch konterkarieren kann.
Dazu passt, was die Psychologin und Sozialwissenschaftlerin Ulrike Klöppel in einer im Dezember letzten Jahres veröffentlichten Studie „Zur Aktualität kosmetischer Operationen ,uneindeutiger‘ Genitalien im Kindesalter“ berichtet hat: Trotz überarbeiteter Behandlungsleitlinien der medizinischen Fachgesellschaften und einer vergleichsweise intensiven gesellschaftlichen Diskussion sind die Zahlen der von erwachsenen Betroffenen und Selbsthilfegruppen, aber auch von Menschenrechtsgremien scharf kritisierten Operationen zur Feminisierung und Maskulinisierung von Kindern unter zehn Jahren im Verhältnis zur Diagnosestellung zwischen 2005 und 2014 relativ konstant geblieben.
Da gibt es aber - meines Wissens nach - bereits seit 2013 die Möglichkeit, die Angabe des Geschlechts offen zu lassen und zu einem späteren Zeitpunkt eintragen zu lassen.
Aber auch das wird ja von dem/der Kläger als Diskriminierung empfunden, ob es sich dabei tatsächlich um eine Diskriminierung handelt, sei dahin gestellt.
Das Problem mit manchen Diskriminierungen ist ihre Unsichtbarkeit für Nichtbetroffene. Ein Beispiel dafür wäre Alltag- oder institutioneller Rassismus. Oft genug wird das auch abgewertet als Befindlichkeit, weil die Systematik nur den Betroffenen offenbar wird. Dabei geht es nicht um Arschlöcher, die es überall gibt, sondern um die Tatsache, dass sie eine andere Behandlung aufgrund ihrer Hautfarbe erfahren.
In diesem Fall geht es um einen willkürlichen Akt, der nur Intersexuelle trifft. Die Offenlassung der Geschlechtsangabe negiert auf abstrakter Ebene die Existenz. Und wie bleibtreu schon schrieb, intersexuelle Menschen sind ja nicht geschlechtslos.
Eben - es gibt kein Grundrecht auf Wohlfühlen. Jeder muss Kompromisse eingehen, unangenehme Entscheidungen treffen, mit Außenwahrnehmnungen klar kommen, die sich von der Selbstwahrnehmung unterscheiden.
Auf der persönlichen, individuellen Ebene ist das so. Ich kann nicht ein vollumfängliches Eingehen auf meine Wünsche und Bedürfnisse beanspruchen. Also, ich kann es schon, aber es gibt keinen Grund, dem zu entsprechen. Aber, ich kann eine vollumfängliche Gleichbehandlung erwarten unabhängig meiner Gruppenzugehörigkeiten. Angenommen ich sei inter und ich werde auf der Straße des Öfteren dämlich angemacht, dann werde ich zwar diskriminiert, aber es sind (systematische) Einzelhandlungen, also Handlungen von Individuen. Erfahre ich dagegen bei Behördern und dergleichen wegen meines Geschlechts Ungemach, dann ist das eine instituionalisierte Diskriminierung und mir eröffnet sich eine Klageoption, der strukturellen Ungleichbehandlung ein Ende setzen zu lassen.
Diskriminierung ist für mich, wenn Intersexuelle bei Einstellungen in Jobs benachteiligt werden, wenn sie von Bildung ausgeschlossen werden, wenn sie vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden, sich nicht in Vereinen etc betätigen dürfen.
Diskrimierung kommt in vielen Formen daher. In solch offensichtlichen und in subtileren wie bspw. der Anerkennungsverweigerung von Intersexualität in Geburtenregistern. Ich würde vermuten, dass Sichtbarkeit eine bedeutende Rolle spielte bei der Klage.