Dichtung mochte ich in der Schule auch nicht. Jedoch habe ich mich der Sache (in der Oberstufe) anders genähert. Über die Oper, sei es Verdi, sei es Wagner, immer gab es auch dort den Bezug zur "gedichteten" Sprache (bei Verdi war es meist Shakespeare, siehe "Macbeth"; bei Wagner war es seine eigene Interpretation von Eschenbach und anderen).Agesilaos Megas » Do 13. Aug 2015, 04:08 hat geschrieben:
Ich muss eingestehen, dass ich die Männer-Rolle auch bei der Lektüre verinnerlicht habe: Vor und während meines Studium, auch heute noch, habe ich eine abgrundtiefe Abneigung gegenüber jeder Dichtung entwickelt. menin aeide, arma virumque cano - egomet vomito. Selbst deutsche Dichtung ("Dichtung" mal hier als antiker Terminus) erscheint mir häßlich und furchtbar, ob Opitz, Schiller, Goethe etc. - Reden und Historiographie bevorzugt, schon allein aus ästhetischen Gründen.
Das ist aber nicht naturgegeben: Im älteren deutschen Bildungsbetrieb und auch dafür war z.B. das Dichten fester Bestandteil, mehrsprachig. Auch ich dichtete einmal aus Begeisterung - das war aber vor dem Abitur.
Die Frage ist nur, wie man wieder Jungens an diese Sache heranführen kann. Die Mädels sind immer dafür zu begeistern. Man sollte z.B. neue Formen der Dichtung eröffnen, den kreativeren Umgang fördern. Der Formalismus stört doch immer: Rhythmen/Reime (Antike: Metrum). Warum nicht einmal "freestyle"-Reime mit den Jungens? Das macht der Rap auch schon vor.
Auch die Themen sind wichtig. Fasziniert hat mich immer die Entscheidung der Medea, ob sie ihre Kinder umbringt oder nicht. Extremsituationen. Keine moralische Belehrungen. Freude an der Emotion, Entsetzen bei den Entscheidungen. Vllt. kitztelst Du ja leicht Deinen Söhnen heraus, was sie motiviert: "Kennt ihr eine Frau, die ihre Familie zerstückelt und kocht?".
Nochmal zum Rollenbild: Ich muss zugeben, dass mir die dem Rollenbild nicht entsprechende Effie Briest sehr gefallen hat - es ist also nicht immer eine verinnerlichte Rollenfrage.
Ich kann mich noch erinnern, wie unser Englischlehrer (es ging um den Macbeth) eine Oper im Fernsehen empfahl (das war Verdis "Macbeto", den ich damals zum ersten Mal hörte). Am anderen Tage meinte er, das sei ja so langweilig gewesen. Ich empfand das ganz anders. Ich hatte damals schon den Eindruck, dass gerade Verdi einer der glühendsten Verehrer von Shakespeare war.
S.