Dark Angel hat geschrieben:(18 Jan 2019, 18:56)
Ich meine gar nichts, ich habe lediglich festgestellt, dass mit Wegfall des Zivildienstes, das Problem im Pflegebereich überhaupt erst in's gesellschaftliche Blickfeld gelangt ist, dass es früher niemanden interessiert hat. Weder die körperlich schwere Arbeit, noch die Bezahlung.
Nein, du hast zuerst was GANZ anderers "festgestellt":
Es wird gerne ausgeblendet und ignoriert, seit wann es diesen Pflegenotstand gibt - nämlich seit Aussetzung der Wehrpflicht.
Vorher waren Männer - als "Zivis" - gern gesehene billige Hilfskräfte, denen man die Arbeiten "zuschusterte", für die sich die ausgebildete Pflegerin "zu fein" war.
Heute, wo diese billigen männlichen Hilfskräfte weggefallen sind, ist das Geschrei groß und die armen weiblichen Pflegekräfte, die nun auch die unbeliebten schmutzigen Arbeiten (mit) tun müssen, sind die armen unterdrückten Opfer.
Schuld am Pflegenotstand ist nicht der Wegfall des Zivildienstes, sondern das Fehlen von ausgebildeten Hilfs- und Fachkräften!
Wir brauchen Leute, die bspw. durch ihren geschulten Blick und ihr Fachwissen entscheiden können, ob ein Arzt erforderlich, welche Medikamentation hilfreich oder welche Wundversorgung vonnöten ist. Ein Zivi ist nicht in der Lage und schon gar nicht befugt, über derlei zu entscheiden und zu bestimmen - der kann bspw. Betten beziehen oder köperlich eingeschränkten Bewohnern Essen und Trinken anreichen. Sprich: Durch den Wegfall der Zivis ist unsere Arbeitsbelastung nur nichtig angestiegen - Tätigkeiten, die wir ohnehin selbst ausführen hätten müssen, weil wir den Zivildienstleistenden nicht vorschreiben konnten, WO sie ihrer Pflicht nachommen. Wie ich dir schon geschrieben habe; nur weil in diesem Wisch des Bundesbauftragten steht, dass Zivildienstleistende in der Pflege eingesetzt werden konnten, heißt das nicht, dass sie es auch allesamt getan haben - Theorie ist nur möglich, aber nicht gleich Realität.
Gar nichts ist da schützenswerter. Nur um das zu ändern müssten Männerquoten eingeführt werden und solche wollen gerade Feministinnen nicht. Wo kämen wir da auch hin ...
Wir brauchen keine Frauen - oder Männerquoten, wir brauchen gesicherte Antworten auf die Fragen die sich darum drehen, warum etwas so ist, wie es ist - dann auch liegt der Lösungsweg offen. Was freilich nicht bdeutet, dass Probleme dann auch gelöst werden, oder gelöst werden wollen (politisch UND gesellschaftlich!).
Du hattest Polizei als Beispiel genannt, wo Langzeitarbeitslose nicht hingeschickt werden.
Nein - ich habe geschrieben, dass der Staat uns Pflegenden u. a. Langzeitarbeitslose schickt (damit er sie aus der Statistik bekommt), obgleich sie keinerlei Erfahrung, Ausbildung/Qualifikation und schon gar keinen WILLEN haben, in der Pflege zu arbeiten. Und hernach habe ich die Frage gestellt, warum der Staat mit eben diesen Menschen nicht auch in anderen Branchen den Mangel an Fachkräften zu bereinigen versucht. Die Antwort ist ganz einfach - die will dort keiner haben. Eben, weil sie keine Erfahrung, keine Ausbildung/Qualifikation und schon gar keinen WILLEN haben. Warum soll sich das anders verhalten, wenn man sie in die Pflege schickt?
Jaja, Ärsche putzen kann jeder! Aber ist DAS unsere (alleinige) Aufgabe?
NEIN! Die Bewohner bspw. in Pflegeheimen treten bei uns ihren letzten Lebensweg an. Und dabei sind sie in der Regel geplagt von unheilbaren körperlichen und psychischen Gebrechen. Wir Pflegende sind (persönlich!) bemüht, (gesellschaftlich!) aufgefordert und (gesetzlich!) dazu verpflichtet, ihnen diese letzte Reise so erträglich wie nur irgendmöglich zu gestalten (= "Lebensqualität"). Wir begegnen diesen Menschen auf einer ansonsten nicht erreichbaren intimen Ebene. Wir müssen wissen, wie ihr Urin/Stuhl riecht und wie es in ihren Zehenzwischenräumen aussieht. Wir werden beleidigt, bespuckt, gekratzt und geschlagen; wir kommen mit schmerzenden Füßen, Knien, Rücken und Köpfen nachhause und freuen und trotzdem auf den nächsten Tag, weil wir ein Lächeln, einen Händedruck oder ein liebes Wort geschenkt bekommen haben; weil ein Ausschlag zurückgeht, weil ein Bewohner wieder ein Kilo zugenommen oder weil eine sonst verstummte Bewohner unverhofft gesprochen hat. Wir ertragen Überheblichkeiten von Ärzten und Inkompetenz von deren Sprechstundenhilfen und müssen uns nicht zuletzt die verbitterten Vorwürfe von Angehörigen gefallen lassen, warum wir nicht MEHR tun würden, obgleich wir selbst es nicht mal kurz auf die Toilette schaffen, wenn wir dringend müssen...
Jaja, Ärsche putzen kann jeder! Warum können das dann die Angehörigen nicht? Ach, die müssen arbeiten, Geld verdienen und die Staats- und Wirtschaftskassen füllen; sich um ihre Kinder, Hobbies und Vereinsaufgaben kümmen? Aber doch nicht den ganzen Tag! Zwischendrin wird man doch mal die Ärsche von Omi und Opi putzen können - seinen eigenen Arsch putzt man ja auch mindestens einmal am Tag! MEHR tun wir Pflegenden ja schließlich auch nicht, gell?!
Warum schicken sie ihre Alten und Kranken dann zu uns - richtig: Weil sie sie doch nicht können; aus verschiedenen Gründen. Z. B. weil ein 90-jähriger Arsch der Omi nicht dasselbe ist, wie der süßer Po des eignen Neugeborenen. Oder schlichter, aber natürlicher, menschlicher Ekel. Oder fehlende Geduld. Egal.
Deshalb verweist man Langzeitarbeitslose, Straftäter, Flüchtlinge usw. an uns - die können das besser; auf die trifft obiges nicht zu? Warum - weil sie den "Abfall der Gesellschaft" darstellen (oder tatsächlich sind!), deswegen passt Ärsche putzen doch wie die Faust auf's Auge? Aha! Oder viemlehr: Oha!
Ist doch schön einfach für die ARGE und die Jobcenter - im Pflegebereich fehlen Arbeitskräfte, also werden erstmal alle hinvermittelt, ohne nachzudenken. Thema abgehakt!
Über notwendige und/oder vorhandene Qualifikationen nachdenken, diese gar zu berücksichtigen - Fehlanzeige. Da müsste man sich ja um Menschen kümmern und nicht um Paragraphen.
So sieht's leider aus.
"Man kann auf seinem Standpunkt stehen, aber man sollte nicht darauf sitzen." Erich Kästner