Ich hatte vorab ehrlich damit gerechnet, mich mit diesem Interview voll solidarisieren zu können. Es ist faktisch leider so, dass Antisemitismus in ganz Europa immer hoffähiger wird und rechtsradikale/nazistische Tendenzen in Deutschland immer weiter zunehmen. Beispielsweise wären dort die Hitlergrüße sowie der Angriff auf ein jüdisches Restaurant in Chemnitz zu nennen.
Nun hängt sich Frau Knobloch aber in einer nach meinem Geschmack unangemessenen Weise an "religiösen" Aspekten auf:
Sie hätte beispielsweise den glühenden Antisemiten Gedeon erwähnen können, der immer noch nicht der Partei verwiesen wurde, die Nähe zum Rechtsextremismus und vieles mehr, aber sie erwähnt *das*. Etwas, was sich nicht gegen die Ethnie, sondern wenn überhaupt gegen die Religion richtet. Nicht missverstehen, ich kann mir auch sehr gut vorstellen, dass es sich bei diesen Gesetzen der AfD um eine antisemitische Schikane handelt, um mit dem Angriff auf die Religion über Bande die jüdische Ethnie anzugreifen.DER SPIEGEL: Do you view the AfD as a Nazi party?
Knobloch: What else are you supposed to call a party that disseminates a platform that makes Jewish life impossible? This party is opposed to ritual circumcision and seeks to ban the shechita of animals, through which meat becomes kosher for practicing Jews.
Aber es gibt gute Gründe dafür, die Jungenbeschneidung und das Schächten als seehr problematisch anzusehen, und wir haben hier im PF ja auch schon lang und breit darüber diskutiert. Das müssen wir jetzt auch nicht wiederholen. Was ich mich aber eigentlich frage, ist:
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Warum können diese Aspekte offenbar nicht unabhängig voneinander betrachtet werden? Ich persönlich fände es ätzend, wenn jemand aus meiner Ethnie direkt schließen würde, dass ich Christ sei. Und ich finde, dass auch nicht-religiöse Juden dieses Recht haben. Es ist per se kein untrennbarer Widerspruch, Juden zu mögen oder gar selbst Jude zu sein, und trotzdem dem Judentum als Religion zu widersprechen. Das ist doch nicht untrennbar miteinander verschmolzen. Der Gedanke, dass jemand untrennbar in eine Religion hineingeboren wird, ist fundamentalistisch. Menschen sind Individuen.
Und den selben Denkfehler erkenne ich übrigens auch immer wieder bei Muslimen. So gibt es beispielsweise den "Zentralrat der Ex-Muslime", in dem Menschen aus der Türkei oder anderen muslimischen Ländern zum Atheismus übergetreten sind. Wenn aber in der öffentlichen Berichterstattung über Kriminalität ein Täter aus dem arabischen Raum auftaucht, ist der erste Reflex häufig "aha, wieder mal ein Moslem". Das weiß man doch gar nicht! Sehr viele Straftäter, das muss man auch mal zugunsten des Islam sagen, nehmen ihre Religion nicht wirklich ernst. Es ist zu einfach, die patriarchischen Strukturen bzw. die "Culture of Honor" (Steven Pinker) auf den Islam zu reduzieren.
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Wer meine Beiträge schon länger liest, weiß, dass ich mich dem Agnostizismus und Atheismus verbunden fühle und im Sinne der Rationalität einen abnehmenden Einfluss von Religionen für erfreulich hielte. Daher finde ich es gewissermaßen unfair, wenn meine nicht-religiösen Brüder und Schwestern aus aller Welt ständig mit den Religionsgemeinschaften in einen Topf gesteckt und sowohl von nicht-sakulären Anhängern der Religion als auch von Feinden der Ethnie in ihrem Sinne instrumentalisiert werden.