Kill Me A Son!

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schokoschendrezki
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Kill Me A Son!

Beitrag von schokoschendrezki »

Unter diesem Titel veranstaltete das Jüdische Museum in Berlin im September letzten Jahres eine Fachtagung zur alttestamentarischen Geschichte der gottbefohlenen Opferung Isaaks durch seinen Vater Abraham, der im letzten Moment von seinem Tun durch einen Engel abgehalten wurde. Anstelle des Sohns erschien ein im Gestrüpp sich verfangener Widder als Opfertier (Genesis 22). Diese sowohl für das Judentum als auch das Christentum als auch den Islam zentrale religiöse Parabel wurde auch über die Jahrhunderte hinweg in Kunst und Literatur immer wieder dargestellt und interpretiert.

"Kill Me A Son" ist eine Passage aus der Ersten Strophe des genialen textlich eher surrealistischen Bob Dylan-Songs "Highway 61 Revisited" aus dem gleichnamigen Album von 1965:
Oh God said to Abraham, “Kill me a son”
Abe says, “Man, you must be puttin’ me on”
God say, “No.” Abe say, “What?”
God say, “You can do what you want Abe, but
The next time you see me comin’ you better run”
Well Abe says, “Where do you want this killin’ done?”
God says, “Out on Highway 61”
Dazu ist zu bemerken, dass Dylans Vater Abraham Zimmermann "Abe" genannt wurde, und Dylan ganz offensichtlich sich selbst in die Person Isaaks hineinprojiziert (nur nicht auf den Wegen des Alten Orients sondern auf den Highways der USA).

Dietrich Neuhaus, evangelischer Dekan im Ruhestand, meint auf obiger Veranstaltung "Abraham wurde zum Mörder und ist kein Vorbild des Glaubens, sondern ein am Glauben Gescheiterter" und er möchte - selbst als Christ - diese Geschichte "unter Quarantäne gestellt" wissen.

Christoph Markschies, evangelischer Theologe an der Humboldt Universtität weist auf die Geschichte der verlangten Opferung als Parallele und Vorläufer der Kreuzigung Christi hin, denn Isaak muss das für die Opferung vorgesehene Holz selbst auf dem Rücken zur Stätte der Opferung tragen. Womit sich (aus meinem laienhaften Verständnis jedenfalls) die Unterschiede zwischen christlichem Glaube mit dem zentralen Bestandteil Christus/Kreuzigung und jüdischem Glauben noch einmal als eher nachträglich historisch gewachsen und ursprünglich viel näher beeinander erweisen.

Peter Schäfer, Direktor des jüdischen Museums weist auf die teils sehr unterschiedlichen Auslegungen der Geschichte im Judentum bis hin zu Varianten, in denen Isaak eben doch getötet wurde bzw. in gewisser Hinsicht Selbstmord beging und mit seinem Blut "die Rettung Israels aus Ägypten" ermöglichte.

Und schließlich meint die Islamwissenschaftlerin Angelika Neuwirth "Abraham sei für die Gemeinde des Propheten Mohammed ein Sozialrevolutionär gewesen".

Verwirrend einerseits ... andererseits, da für alle drei großen abrahamitischen Religion von zentraler Bedeutung, nach wie vor relevant.

Wer bringt Ordnung in das Chaos in meinem Kopf?

http://dradiowissen.de/beitrag/bibel-in ... tarb-isaak
http://dradiowissen.de/beitrag/opferung ... -testament
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Nathan
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Re: Kill Me A Son!

Beitrag von Nathan »

schokoschendrezki » Do 7. Jan 2016, 15:04 hat geschrieben:Unter diesem Titel veranstaltete das Jüdische Museum in Berlin im September letzten Jahres eine Fachtagung zur alttestamentarischen Geschichte der gottbefohlenen Opferung Isaaks durch seinen Vater Abraham, der im letzten Moment von seinem Tun durch einen Engel abgehalten wurde. Anstelle des Sohns erschien ein im Gestrüpp sich verfangener Widder als Opfertier (Genesis 22). Diese sowohl für das Judentum als auch das Christentum als auch den Islam zentrale religiöse Parabel wurde auch über die Jahrhunderte hinweg in Kunst und Literatur immer wieder dargestellt und interpretiert.

"Kill Me A Son" ist eine Passage aus der Ersten Strophe des genialen textlich eher surrealistischen Bob Dylan-Songs "Highway 61 Revisited" aus dem gleichnamigen Album von 1965:

...
Du wilderst in meinen Gefilden. Abgesehen davon: Die Auslegung der sogenannten "Heiligen Schrift" ist sehr schwierig. Der halbe Koran könnte aus der Bibel stammen (wahrscheinlich stammt er...), die Bibel selbst ist ja nicht viel mehr als eine Loseblattsammlung gewesen. Hunderte von Niederschriften, mehrfach transkribiert, dubioseste Quellen. Ich würde diese ganzen "Heiligen Schriften" nicht so sehr ernst nehmen und mich lieber wie Dylan ein wenig darüber lustig machen.

Abe says, “Man, you must be puttin’ me on”
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schokoschendrezki
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Re: Kill Me A Son!

Beitrag von schokoschendrezki »

Nathan » Do 7. Jan 2016, 15:18 hat geschrieben: Du wilderst in meinen Gefilden.
Sorry. Dessen war ich mir gar nicht bewusst, da ich nur selten überhaupt hier in dieser Rubrik lese. Anlass war oben erwähnte Veranstaltung und die beiden Sendungen letztes Wochenende von dradio Wissen. Wenns "Dein Gefilde" ist, würd's mich umso mehr interessieren, was Du zu den Grundaussagen - nicht meines Beitrags - der in den Links auch zu findenden Zusammenfassungen meinst.
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Demolit

Re: Kill Me A Son!

Beitrag von Demolit »

schokoschendrezki » Do 7. Jan 2016, 14:04 hat geschrieben:Unter diesem Titel veranstaltete das Jüdische Museum in Berlin im September letzten Jahres eine Fachtagung zur alttestamentarischen Geschichte der gottbefohlenen Opferung Isaaks durch seinen Vater Abraham, der im letzten Moment von seinem Tun durch einen Engel abgehalten wurde. Anstelle des Sohns erschien ein im Gestrüpp sich verfangener Widder als Opfertier (Genesis 22). Diese sowohl für das Judentum als auch das Christentum als auch den Islam zentrale religiöse Parabel wurde auch über die Jahrhunderte hinweg in Kunst und Literatur immer wieder dargestellt und interpretiert.

"Kill Me A Son" ist eine Passage aus der Ersten Strophe des genialen textlich eher surrealistischen Bob Dylan-Songs "Highway 61 Revisited" aus dem gleichnamigen Album von 1965:

Dazu ist zu bemerken, dass Dylans Vater Abraham Zimmermann "Abe" genannt wurde, und Dylan ganz offensichtlich sich selbst in die Person Isaaks hineinprojiziert (nur nicht auf den Wegen des Alten Orients sondern auf den Highways der USA).

Dietrich Neuhaus, evangelischer Dekan im Ruhestand, meint auf obiger Veranstaltung "Abraham wurde zum Mörder und ist kein Vorbild des Glaubens, sondern ein am Glauben Gescheiterter" und er möchte - selbst als Christ - diese Geschichte "unter Quarantäne gestellt" wissen.

Christoph Markschies, evangelischer Theologe an der Humboldt Universtität weist auf die Geschichte der verlangten Opferung als Parallele und Vorläufer der Kreuzigung Christi hin, denn Isaak muss das für die Opferung vorgesehene Holz selbst auf dem Rücken zur Stätte der Opferung tragen. Womit sich (aus meinem laienhaften Verständnis jedenfalls) die Unterschiede zwischen christlichem Glaube mit dem zentralen Bestandteil Christus/Kreuzigung und jüdischem Glauben noch einmal als eher nachträglich historisch gewachsen und ursprünglich viel näher beeinander erweisen.

Peter Schäfer, Direktor des jüdischen Museums weist auf die teils sehr unterschiedlichen Auslegungen der Geschichte im Judentum bis hin zu Varianten, in denen Isaak eben doch getötet wurde bzw. in gewisser Hinsicht Selbstmord beging und mit seinem Blut "die Rettung Israels aus Ägypten" ermöglichte.

Und schließlich meint die Islamwissenschaftlerin Angelika Neuwirth "Abraham sei für die Gemeinde des Propheten Mohammed ein Sozialrevolutionär gewesen".

Verwirrend einerseits ... andererseits, da für alle drei großen abrahamitischen Religion von zentraler Bedeutung, nach wie vor relevant.

Wer bringt Ordnung in das Chaos in meinem Kopf?

http://dradiowissen.de/beitrag/bibel-in ... tarb-isaak
http://dradiowissen.de/beitrag/opferung ... -testament
lach....nun gibt es viele andere schlüssige Interpretationen des Isaak., die eher dem theologischen Hintergrund dessen treffen, als die genannten.

Die sicher Zutreffendenste ist die, dass die Sage von Issac eine Bestätigung für das Volk Israel sein soll, die das Vertrauen der Israeliten in Gott beweisen soll. Denn richtig betrachtet konnte Gott ein Opfer der Art aus sich selbst nicht verlangen. Ein Menschenopfer in der geschilderten Form war nicht " geplant". Theodizee kann nur vom Menschen zu Gott hin gedacht werden, nicht von Gott zum Menschen.

Daraus kann geschlossen werden, dass Abraham seinen Sohn Issac Gott zurückgeben wollte um den Bund der Israeliten mit Gott aufzulösen. Da Gott diese Angebot nicht annahm, ist für die Israeliten das Zeichen dafür, das Gott ein besonderes Verhältnis zu ihnen hat und bewahren will.

So geht theologisch-philosophisch das richtig in den Kontext der Legenden hinein, die die Identität eines Volkes bestimmen.

Dass da der Ismael als Abkömmling den Stammvater für den neuen Zweig einer Denkschule aus gleichem Grunde abgibt, stärkt dieses Argument noch...man wollte ja auch von Gott als besonders geachtet angesehen werden, wenn man sich auf den zurückführen kann, der von Gott geadelt wurde.


Ist schon ne tolle Sache, was sich da in Jahrhunderten an Denke entwickelt hat...

echt ;)
Zuletzt geändert von Demolit am Do 7. Jan 2016, 15:30, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Kill Me A Son!

Beitrag von schokoschendrezki »

Demolit » Do 7. Jan 2016, 16:12 hat geschrieben: lach....nun gibt es viele andere schlüssige Interpretationen des Isaak., die eher dem theologischen Hintergrund dessen treffen, als die genannten.

Die sicher Zutreffendenste ist die, dass die Sage von Issac eine Bestätigung für das Volk Israel sein soll, die das Vertrauen der Israeliten in Gott beweisen soll. Denn richtig betrachtet konnte Gott ein Opfer der Art aus sich selbst nicht verlangen. Ein Menschenopfer in der geschilderten Form war nicht " geplant". Theodizee kann nur vom Menschen zu Gott hin gedacht werden, nicht von Gott zum Menschen.
Und eben auf diese gängige Interpretation gibt in seinem Vortrag Peter Schäfer, Judaist und Direktor des Jüdischen Museums zu bedenken, dass es frühere ganz andere rabbinische Deutungen dieser Geschichte gibt: Dass nämlich tatsächlich Isaak geopfert wurde und dass sein Blut (und nicht das Blut des Lamms) auf Geheiß Gottes auf die Pfosten der Häuser der Israeliten aufgetragen wurde, damit Gott sie von den Ägyptern unterscheide. Und dass im Laufe der Jahrhunderte über diese - ziemlich blutrünstige - Geschichte schichtenweise eine Art zivilisatorische Mäßigungshülle aufgetragen wurde. Und er führt dann - überraschenderweise, für mich jedenfalls - Benjamin Brittens "War Requiem" von 1962 an, das auf einem Gedicht Owens basiert, in welchem der sozusagen kanonische Bibeltext jäh durchbrochen wird von einer Wendung der Opfergeschichte, in der Isaak eben doch von der Hand seines Vaters starn. Als eine Bestätigung für den Bund Gottes mit dem Volk Israels kann dies ja dennoch gelesen werden. Gleichzeitig setzt der Vortragende diese Wiederaufbrechung mit den Grausamkeiten der Weltkriege in Verbindung ... :s das Ganze interessiert mich sehr. Aber mir fehlt schlicht das religiös-biblisch-theologische Hintergrundwissen ...
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Simon
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Re: Kill Me A Son!

Beitrag von Simon »

Die Orthodoxie aller drei Buchreligionen ist sich einig, dass Abraham den Test bestanden hat, in dem er bedingungslosen Gehorsam über das Leben seines Sohnes stellte. Es ergibt sich also der gleiche Schluss auf die Ethik Yahwe's.
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Ammianus
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Re: Kill Me A Son!

Beitrag von Ammianus »

Einer meiner Lieblingssongs:

Abraham took Isaac's hand and led him to a lonesome hill.
While his daughter hid and watched she dared not breathe she was so still.

Just as an angel cried for the slaughter.
Abraham's daughter raised her voice.

Then the angel asked her what her name was she said "I have none".
Then he said "how can this be" "My father never gave me one".


And with his sword, raised for the slaughter.
Abraham's daughter raised her bow.

"How darest you child defy your father."
"You'd better let young Isaac go."

Arcade Fire, auf der CD zum ersten "Tribute von Panem" Film, bzw. im Abspann zu hören - glaube gleich zu Anfang ...
"Ich möchte an einem Ort sein, an dem es keine Politik gibt, keine Waffen, keine Religion."
Libanesin Anfang August 2020
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