Antonius » Fr 10. Apr 2015, 09:54 hat geschrieben:Ayaan Hirsi Ali sieht in ihrem neuen Buch(*) nur dann eine Chance für den Islam, wenn er sich grundlegend reformiert.
Mit dieser Einschätzung steht sie im Einklang mit den meisten Wissenschaftlern, die sich mit dem Thema befassen.
Nun, das ist unbestritten. In Ansätzen findet diese "Reformation" auch schon lange statt. Allerdings - und die christliche Geschichte bietet Parallelen - stellen sich insbesondere Fanatiker gegen diese Entwicklung mit der Folge, dass die islamische Welt gerade einen großen Religionskrieg, in den weltliche Zielsetzungen hineingemischt sind, führen muss.
Ähnlich wie Luther vor 500 Jahren hat sie fünf Thesen "an die virtuelle Tür" genagelt:
"
Fünf Thesen" - ein wenig dürftig, wenn man mit Luther vergleicht.
1. Stellt sicher, daß Mohammed und der Koran offen interpretiert und kritisiert werden können.
Eine gute, richtige Forderung. Sie übersieht allerdings, dass man seit anderthalb Jahrtausenden eingeschliffene Verhaltensmuster nicht über Nacht ändern kann. Von Heute auf Morgen wird diese Forderung nicht erfüllt werden können, wie auch die christlichen Orthodoxien nach der Reformation belegen.
2. Räumt dem Leben im Diesseits den Vorrang vor dem im Jenseits ein.
Was die gute Frau hier fordert, ist eine Säkularisierung der islamischen Gesellschaften, die einer Abschaffung von Religion nahekommt. Noch nicht einmal die christlichen Gesellschaften sind bisher vollkommen säkularisiert, obwohl dieser Prozess immer weiter um sich greift. Es geht aber in erster Linie darum, den Muslimen zur Erkenntnis zu verhelfen, dass ein diesseitiges Leben, das die allgemeinen Menschenrechte und die Gesetze des demokratisch verfassten Staates beachtet, einer religiösen Lebensgestaltung nicht widerspricht, ja geradezu GOTT gefällig ist. Aber das wird ebenfalls ein langwieriger Erkenntnisprozess für die Muslime dieser Welt sein.
3. Begrenzt die Scharia und beendet ihren Vorrang vor dem weltlichen Recht.
Diese Forderung ist zu pauschal. Es wäre zu prüfen, welche Regelungen der Scharia mit dem weltlich-staatlichen Recht nicht kollidieren und ggf. beibehalten werden könnten. Schließlich genießen auch die christlichen Kirchen immer noch gewisse Reservatrechte, die allerdings nicht unumstritten sind.
4. Beendet die Praxis, "das Rechte zu gebieten und das Verwerfliche zu verbieten".
Diese Forderung ist dumm! Denn die Abschaffung dieses Rechtsgrundsatzes, der das Fundament aller modernen Gesellschaften ist, würde diese ins Chaos führen. Natürlich müssen die staatlichen Gesetze "
das Rechte .. gebieten" sowie unterstützen und "
das Verwerfliche .. verbieten" und bestrafen. Wenn religiöse Gebote dabei unterstützend wirken, wie z. B. die in abendländischen Gesellschaften immer weniger beachteten jüdisch-christlichen Zehn Gebote, dann ist dagegen nichts einzuwenden. "
Beendet die Praxis" kann sich nur darauf beziehen, alle religiösen Gebote, die unserem modernen weltlichen Recht widersprechen, weil sie für vormoderne Gesellschaften konzipiert wurden, aufzugeben bzw. modern zu interpretieren. Beispielsweise muss für Diebstahl, was auch im Sinne der Scharia wäre, eine Strafe verhängt werden, aber eben eine moderne, die dem demokratisch beschlossenen Strafgesetzbuch folgt.
5. Gebt den Aufruf zum Dschihad auf.
Dass Gewalt eigentlich kaum jemals Probleme löst, hat unsere christliche Welt immer noch nicht begriffen. Es wird daher sehr schwer sein, die islamische Welt zu veranlassen, von jeglicher Gewaltanwendung abzuschwören.
Insbesondere die Punkte 3. bis 5. wurden hier im Forum des öfteren diskutiert:
Man war sich meistens darin einig, daß die Prinzipien der Scharia, der Selbstjustiz und des Dschihad mit den universalen Menschenrechten unvereinbar seien.
Das Hauptproblem im Islam ist gegenwärtig wohl der Dschihad, er gehört als erstes auf den Müllhaufen der Geschichte.
(*) Ayaan Hirsi Ali, Reformiert euch !, Knaus-Verlag, München, 2015.
Das "
Hauptproblem im Islam" ist die Herbeiführung eines grundlegenden Mentalitätswandels, der nicht nur - und wohl zuerst - Intellektuelle ergreift, sondern auch die Masse der Muslime überzeugt. Dafür sind u. a. auch enorme Bildungsanstrengungen erforderlich. Auch das massenhafte Elend, das brutale, unmenschliche Fanatiker wie die Marodeure des sog. IS erzeugen, mag viele Muslime davon überzeugen, dass Gewalt, Raub und Mord unter Vorschützen angeblicher religiöser Gebote nicht GOTT gefällig sind.