Dies ist ein Mix aus dem Buch-Klappentext des Verlags (Hanser) und der Ankündigung einer Diskussion zu diesem Buch.Hierzulande herrschen seltsame Regeln, und Max Czollek – »dreißig, jüdisch und wütend« – bringt sie auf den Punkt: Ein guter Migrant ist, wer aufgeklärt über Frauenunterdrückung, Islamismus und Demokratiefähigkeit spricht. Ein guter Jude, wer stets zu Antisemitismus, Holocaust und Israel Auskunft gibt. Dieses »Integrationstheater« stabilisiert das Bild einer geläuterten Gesellschaft – während eine völkische Partei Erfolge feiert. Czolleks Streitschrift entwirft dagegen eine Strategie: Desintegriert euch! Oder wie wäre es gar mit einer muslimisch-jüdischen »Leitkultur«?
Selbstverständlich handelt es sich um einen streitbaren Text. Für ein Buch mit heruntergeleierten Phrasen und Allgemeinplätzen hätte ich auch kaum Geld ausgegeben.
Czollek ist unter anderem auch Lyriker und das dürfte der Grund sein, warum sich dieses Buch eben (auch) als Sprachwerk lesen lässt, und ich es mit wachsender Begeisterung fast in einem Ritt ausgelesen habe.
Freigeistig, polemisch, unerschrocken und provokant geht der Autor frontal einige scheinbare Gewissheiten der bundesdeutschen Wirklichkeit an. Die angebliche Notwendigkeit einer "Leitkultur", die bundesdeutsche Erinnerungskultur in Form der Weizsäcker-Rede, die Fußball-WM in Deutschland als sogenanntes "Sommermärchen", der Aufstieg der AfD als angebliche Reaktion auf einen gesellschaftlichen Linksschwenk.
Ausgangspunkt ist seine Feststellung, dass die Forderung nach "Integration" sowohl muslimischer wie auch jüdischer wie auch sonstiger Menschen in Deutschland vor allem einem Selbstbestätigungsbedürfnis und nicht einer gesellschaftlichen Notwendigkeit entspringt. So nennt er sich selbst denn auch polemisch "Teil der JfS" (der "Juden für Deutsche"). Einiges davon ist sicher streitbar. Überhaupt nicht streitbar ist aus meiner Sicht die Tatsache, dass der 8. Mai 45 kein "Tag der Befreiung für die Deutschen" war sondern wenn dann ein Tag der Befreiung für die verschiedenen Opfertgruppen war und der Tag des engültigen Scheiterns des von einer Mehrheit der Deutschen getragenen Projekts Weltherrschaft, Lebensraum, Vernichtung "nichtarischer" Volksgruppen.
Das eigentliche zentrale Anliegen dieses Buches sehe ich in der Wertschätzung von Individualität. Das Buch heißt nicht etwas "Desintegriert Euch und integriert euch in die Kultur euer Vorfahren, Angehörigen usw." sondern einfach nur und grundsätzlich "Desintegriert Euch!". Ganz im Sinne dieses Prinzips ist dann auch das sehr wichtige Kapitel "Like They Do In Babylon. Innerjüdische Vielfalt". Das Buch ist so gesehen alles andere als ein Plädoyer für Multikulturualismus oder gar Ethnopluralismus. Die eigene persönliche Biografie liefert das Distinktionspotenzial für die Gestaltung eines sinnvollen Lebens. Ohne Abstand zur Gesellschaft kein Potenzial, ohne Potenzial fließ kein Strom. Desintegriert Euch!