Maltrino hat geschrieben:(12 Oct 2017, 19:26)
Laut Bundesagentur für Arbeit ist die Arbeitslosenquote bei 5%, das ist ja fast schon als Vollbeschäftigung anzusehen.
Richtig. Im September 2017 waren 2,45 Mio Menschen (= 5,5 %) "offiziell arbeitslos", also im Neusprech der Behörde: "
arbeitslos im engeren Sinne".
Allerdings darfst du die "Zählweise" dieser - rein politischen - Statistik nicht vernachlässigen: Die Statistik nimmt sämtliche sogenannten "Unterbeschäftigten" von der offiziellen Arbeitslosenquote aus. Als "unterbeschäftigt" gilt man etwa, wenn man an einer "Qualifizierungsmaßnahme des Arbeitsamtes" teilnimmt. Wer also in sogenannten "Bewerbungstrainings" gerade Kreuzworträtsel löst, der gilt nicht als arbeitslos, sondern als unterbeschäftigt. Und weil er nicht "arbeitslos im engeren Sinne" (O-Ton Bundesagentur für Arbeit) ist, zählt er natürlich auch nicht als Arbeitsloser.
Wenn du dich für die "realistische Arbeitslosenzahl" interessierst, solltest du immer schauen, für wie viele Menschen der deutsche Steuerzahler "Leistungen nach SGB" erbringt. (Google nach "Leistungsempfänger".) Diese Zahl ist zwar auch nicht ganz korrekt, weil hier auch "Spezialleistungen", etwa die "Förderung von Selbständigkeit" (wenn sich ein Arbeitsloser selbständig macht, bekommt er im Regelfall noch eine Weile Unterstützungsleistungen), einfließen. Doch sie ist sehr viel näher an der realistischen Zahl, als die Neusprech-Statistik, die politischen Doktrinen unterworfen ist. Denn das Ziel "
Raus aus den Sozialleistungen!" ist das eigentliche Ziel aller "Beschäftigungs-Suche-Bestrebungen"; zumindest aus der Sicht der das alles finanzierenden Steuerzahler.
Tja, und da schlagen momentan runde 6,8 Millionen Menschen (= 15,2 %) bzw. 7,8 Millionen (= 17,5 %), wenn man die "Unterbeschäftigung" mitzählt, zu Buche. (Nebenbei bemerkt: Das sind übrigens fast exakt genauso viele, wie vor "Hartz IV".) Nur setzen die sich eben aus 4,4 Mio Menschen in HIV zzgl. der 2,4 Mio (ohne "Unterbeschäftigung") bzw. 3,4 Mio (mit "Unterbeschäftigung") "offiziell" Arbeitslosen zu Buche.
(
WICHTIG! Diese vereinfachte Rechnung ist ein RICHTWERT. Durch die in den letzten Jahrzehnten eingeführte Komplexität ist es nicht mehr möglich, "auf die Schnelle" exakte Werte zu bestimmen, weil bestimmte Statistiken, etwa, wie viele Menschen aus welchem Grund welche Leistungen beziehen, nicht mehr offiziell geführt werden und folglich nicht mehr veröffentlichungspflichtig sind. So ist beispielsweise nicht jeder, der Leistungen bezieht, auch "arbeitslos" im Sinne der Steuerzahler - also "job-bedürftig" -; etwa angehende Selbständige; chronisch Kranke, etc. Und auch die Dunkelziffer, also die Anzahl der Menschen, die gar keine Leistungen beziehen, weil sie "sich nicht ausziehen wollen", die "aufgegeben" haben oder die es sich "aus sozialen Gründen" nicht leisten wollen, kann nur geschätzt werden. Verschiedene Studien behaupten, dass diese Zahl "irgendwas zwischen 1 und 2,5 Mio" Menschen beträgt. Sie fließt an dieser Stelle aber gar nicht in die oben genannten Zahlen ein.)
Maltrino hat geschrieben:(12 Oct 2017, 19:26)
Wenn man es nun also schafft mehr Geld ins System zu pumpen (wie auch immer das dann aussieht) und dann mehr Pflegekräfte eingestellt werden können, dann würden da ja neue Pflegekräfte in Arbeit kommen. Die Frage die ich mir stelle ist nur: Was haben diese Pflegekräfte denn vorher gemacht, bzw. was machen sie jetzt?
Aus oben Gesagtem erschließt sich die Antwort relativ einfach: Die "Neuen" sind derzeit leistungslos arbeitslos, leistungsbezogen arbeitslos, "in Unterbeschäftigung", Hartz-IV-Empfänger oder in berufsfremden Jobs tätig. Ja, es soll sogar Leute geben, die gern in der Pflege arbeiten würden, wenn dieser Knochenjob besser bezahlt wäre.
Da irrst du gewaltig, Maltrino. Diese 5 % sind der Teil der Arbeitslosen, der sich mit den aktuellen statistischen Zählweisen noch nicht "unter den Tisch rechnen" lässt. Die "ganz harten Brocken" findest du eher bei den 4,4 Mio Langzeitarbeitslosen; weniger bei den 2,4 Mio Arbeitslosen.
Maltrino hat geschrieben:(12 Oct 2017, 19:26)
Und die sollen jetzt kranke Leute pflegen? Gibt es jetzt viele arbeitslose Pflegekräfte?
Es gibt sicherlich auch "arbeitslose Pflegekräfte". Aber du solltest dich nicht vom Irrtum leiten lassen, zu denken, der Arbeitsmarkt funktioniere wie ein "Lager", in das man (temporär) nicht benötigte Fachkräfte zurückstellt, bis man sie wieder braucht. Dem wurde mit Hartz IV endgültig ein Riegel vorgeschoben, denn mittlerweile muss jeder jede Arbeit annehmen; ganz egal, wie "berufs-fremd" oder unterbezahlt sie auch sein mag. Wenn es also "arbeitslose Pflegekräfte" gibt, dann nur, weil diese Pflegekräfte "harte Brocken" sind oder weil sie nicht einmal berufs-fremde Jobs finden.
Maltrino hat geschrieben:(12 Oct 2017, 19:26)
Oder kommen diese Pflegekräfte aus anderen Berufen? Und welchen?
Sie kommen aus den verschiedensten Berufen; aber auch aus der Gruppe jener Menschen, die nie eine Berufsausbildung absolviert/beendet haben. Entscheidend ist hier nicht so sehr, wo sie herkommen, als vielmehr, ob sie diesen Job mit ihrer eigenen, subjektiven "sozialen Ader" ausfüllen können und wollen. Auch mit besserer Bezahlung bleibt es ein Knochenjob, wenn es sich für die privaten Unternehmen rechnen soll. Und das kannst du nur mit "Begeisterung für den Job" kompensieren, wenn die Qualität der Arbeit nicht leiden soll.
Maltrino hat geschrieben:(12 Oct 2017, 19:26)
Wenn es, laut unserer Regierung, quasi Vollbeschäftigung gibt, man aber mehr Pflegekräfte will, dann heißt es ja doch wohl, dass irgendeine andere Arbeit, die nicht Pflege heißt, dann weniger getan wird? Und welche wäre das?
Da es Vollbeschäftigung* auf absehbare Zeit nur auf dem Papier geben wird, braucht diese Frage keine Antwort.
*) Als "Vollbeschäftigung" gilt eine Arbeitslosenquote von maximal 2 %. Das ist also etwa die Hälfte von dem, was die aktuelle offizielle Statistik ausweist.