Was ist eigentlich "Kultur"?

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schokoschendrezki
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Nur mal zum Vergleich: Was ist eigentlich "Sprudel"?
In Deutschland darf rechtlich als Sprudel nur Mineralwasser bezeichnet werden und nur dann, wenn es unter Kohlendioxidzusatz abgefüllt wurde oder es sich um einen Sauerbrunnen handelt, bei dem das Wasser natürlicherweise einen so hohen Kohlensäuregehalt hat, dass es bei Druckentlastung sprudelt. Sauerbrunnen oder Säuerlinge sind Mineralwässer, die natürlicherweise mehr als 250 mg/l Kohlendioxid enthalten und keine weitere Behandlung erfahren haben; ausgenommen ist weiterer Kohlendioxidzusatz.
Köstlich!
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Provokateur »

schokoschendrezki hat geschrieben:(20 Nov 2017, 09:40)

Nee. Nee nee nee! Ich bin schon aktiv in einigen Kulturbereichen tätig. Zum Beispiel als Nachdichter von Lyrik aus dem Ungarischen. Nicht im Entferntesten, nicht im Allermindesten geschieht das aus irgendeinem identitären Verhältnis zu irgendwas. Ich bin gegenüber Ungarn, dem Ungarischen als Kultur ebenso kritisch eingestellt wie gegenüber Berlin als Stadt, in der ich wohne. Mich interessiert nur und ausschließlich die Qualität eines künstlerischen Textes. Dichte Leuten, die das so oder ähnlich sehen, bitte nicht solch einen Scheiß an wie Antipathie gegenüber irgendeiner anderen Stadt. Damit mögen sich Fußballfans beschäftigen. Wir bestimmt nicht!
Du bestätigst mich, indem du deine Kultur von der Kultur einer Gruppe "Fußballfans" abgrenzt. Du fühlst dich durch meinen Beitrag in deiner kulturellen Identität bedroht und reagierst mit Abwehr.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Provokateur hat geschrieben:(20 Nov 2017, 10:19)

Du bestätigst mich, indem du deine Kultur von der Kultur einer Gruppe "Fußballfans" abgrenzt. Du fühlst dich durch meinen Beitrag in deiner kulturellen Identität bedroht und reagierst mit Abwehr.

Na ... gut. Das Argument ist offen gestanden so nicht ganz abweisbar. Ich hab* immerhin "Wir" geschrieben. Und dennoch ist das Festhalten an kritischer Distanz und Abstand kein Gruppenbekenntnis sondern lediglich eine nüchtern feststellbare Gemeinsamkeit.
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Selina
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(20 Nov 2017, 09:32)

Ja, das ist dann ein ehrliches Statement über das, was du nicht verstehst. Und ja, du stellst den Begriff der Kultur, den wir deskriptiv zu fassen versuchen, unter normativen Vorbehalt, wie ich dir auch am Beispiel mit dem Film erläutert habe, und wie dir einige andere auch erklärt haben. Ich zuletzt mit dem Gedanken von Boghossian, der genau das beschreibt, was du tust. Daher wäre es schlicht unsinnig, deine threadfremde Frage zu beantworten. Aus diesem Grunde zeigt sich übrigens auch über alle theoretischen Aspekte hinaus, dass die Habermas'sche Vorstellung des herrschaftsfreien Diskurs auch in der Praxis völlig an den Gegebenheiten menschlichen Lebens vorbeigeht.

So, damit geht die Frage an den Threaderöffner: Ist mit den Beiträgen, die zum Begriff der Kultur Stellung nehmen, die Frage beantwortet?
Mein gesamter Beitrag von 8.40 Uhr lautete aber so (ich zitiere mich ausnahmsweise mal selbst und fette die Stellen, zu denen mich ebenfalls eine Antwort interessieren würde):

Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wovon du sprichst. Meinst du vielleicht, ich diskutiere nicht "deskriptiv" darüber, was Kultur ist, sondern nur "normativ"? Ja, dann siehst du das eben so. Ich für meinen Teil habe beschrieben, was Lebenswirklichkeit der meisten Menschen ist, nämlich ständig mit einer Menge internationaler Einflüsse im Alltag, in der Freizeit und im Beruf konfrontiert zu sein, was schon lange zur Normalität geworden und nicht mehr wegzudenken ist. Wozu auch? Diese Internationalisierungs-Prozesse werden immer weiter fortschreiten, das ist der Lauf der Dinge. Und ich erlaubte mir, lediglich zu fragen, warum Kultur so vorranging diskutiert wird und so einen hohen Stellenwert in der Diskussion einiger Leute hat. Als Beispiel führte ich die Neue Rechte an, deren Thesen im Forum ebenfalls vertreten werden von einigen wenigen Usern, die in Variationen sagen, dass die "kulturelle Identität des Volkes" vor "fremden Einflüssen" geschützt werden müsse. Das hat auch nichts mit Strang-Schredderei zu tun. Wenn, dann ist es höchstens eine Ergänzung zum bisher Gesagten. Alles Fragen, die man durchaus diskutieren könnte unter der Strang-Überschrift. Denn die Kern-Frage, was Kultur ist, wurde ja bereits von mehreren Usern beantwortet. Auch ich gab dazu zwei konkrete Antworten weiter oben.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

Selina hat geschrieben:(20 Nov 2017, 10:30)



Auch ich gab dazu zwei konkrete Antworten weiter oben.
Und es wurde dir erklärt, warum sie falsch sind (was nichts mit (d)einer politischen Einstellung zu tun hat).
… habe ich mich sorgsam bemüht, menschliche Tätigkeiten nicht zu verlachen, nicht zu beklagen und auch nicht zu verdammen, sondern zu begreifen. (Spinoza)
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(19 Nov 2017, 23:35)
Ich fasse also ganz "einfach" und unkompliziert zusammen: Du hast begriffen, dass du deine eigene Aussage verwerfen musst, weil nur eine der beiden wahr sein kann - und deine ist es nicht. Und nun hängst du dich entweder an diejenigen, denen du dich politisch oder moralisch verwandt fühlst, um alle die Fragen, die zum Beispiel ich dir gestellt habe, nicht beantworten zu müssen. Paul Boghossian hat in seinem Büchlein "Die Angst vor der Wahrheit" nach den Gründen für die Faszination der Verallgemeinerung von sozialen Konstruktionen gefragt und vermutet, dass sie uns die Macht geben, "jeden Erkenntnisanspruch einfach zurückzuweisen, wenn wir die Werte, auf denen er beruht, nicht zufällig teilen." Ja, das erscheint mir sehr passend ...
Mir nicht. Man kann nicht für die Anerkennung von Faktizität plädieren und gleichzeitig von Fakten sprechen, die (angeblich) auf "Werten" beruhen. Die Erde kreist um die Sonne. Völlig gleichgülitg, an welche Werte der glaubt, der das aus Himmelsbeobachtungen schlussfolgert.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

Provokateur hat geschrieben:(20 Nov 2017, 09:29)

Tatsache ist: Das ist so. Fraglich ist: Wie wird das wahrgenommen? Ich sage: Intern läuft ständig der Abgleich "So bin ich - so bin ich nicht", was dazu führt, dass sich Kulturen entwickeln und verändern. Menschen wollen anders sein als andere (siehe negative Städtepartnerschaften wie Hamburg-Bremen, Hannover-Braunschweig, Magdeburg-Halle und, wie immer weit vorne, Düsseldorf-Köln), und aus diesem Bedürfnis heraus generiert sich Kultur.
Kultur bedeutet Identität, Identität bedeutet Selbst. Nimm jemandem seine Kultur oder bedrohe sie auch nur, und du bedrohst sein Selbst.
Wer bedroht denn wessen Kultur? Wer nimmt sie jemandem weg? Und wie äußert sich das? Ich sehe nur eine Bereicherung darin, wenn Leute aus Lateinamerika, Syrien, Russland und Irland zusammen Theater spielen und musizieren, wenn ich internationale Belletristik lese und mir französische und englische Filme anschaue. Und ich sehe andererseits auch die gravierenden Unterschiede in den sozialen Verhältnissen auf dem Globus, diese krassen Zustände in den Ländern der dritten Welt im Vergleich zum Wohlstandsleben in Mitteleuropa etcpp. Da ist die gefühlte und echte Bedrohungslage doch eher genau umgekehrt. Dass mir irgendwer die Kultur wegnehmen wolle, kann ich nicht sehen. Höchstens, dass man nach bestimmten aktuellen Kinofilmen (etwa Low-Budget-Produktionen und Regiefilme) länger suchen muss, weil die weniger beworben werden können und nicht in den großen Filmpalästen gespielt werden. Aber als Bedrohung hab ich das dennoch nie empfunden. Die Kultur (auch im weiteren Sinne, also im Sinne von allem Menschengemachten) ist international und wird es immer sein, da is nix wegzunehmen. Eher ständig was Neues "dazuzugeben".
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Es sind ganz einfach soziale Strukturen, die die Menschen dazu bringen, sich ihnen unterzuordnen. Es gibt leider sehr viele Menschen, die - um ein Beispiel zu geben - es einfach nicht aushalten, sich nicht vegetarisch zu ernähren, wenn eine Mehrheit ihrer Mitmenschen genau das praktiziert. Sie können nicht heraustreten. Isoliert dastehen. Sie halten das nicht aus.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(20 Nov 2017, 10:49)

Und es wurde dir erklärt, warum sie falsch sind (was nichts mit (d)einer politischen Einstellung zu tun hat).
Das klingt immer so, als spräche der Lehrer zu seiner Schülerin. Das wird aber nichts mehr mit mir :D Diesem Alter bin ich entwachsen und ich hatte auch noch nie ein Problem mit meinem Kultur-Verständnis, das viele Leute in meinem Umfeld teilen. Das klappt schon alles recht gut, keine Sorge. Ich bin eher für Pro und Kontra und für echte Kontroverse ohne formalistische Ausweichmanöver über die Sinnhaftigkeit von Warum-Fragen. Und das Ganze natürlich auch mit sichtbaren "politischen Einstellungen". Dafür ist es ja ein Politik-Forum.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

schokoschendrezki hat geschrieben:(20 Nov 2017, 10:59)

Mir nicht. Man kann nicht für die Anerkennung von Faktizität plädieren und gleichzeitig von Fakten sprechen, die (angeblich) auf "Werten" beruhen. Die Erde kreist um die Sonne. Völlig gleichgülitg, an welche Werte der glaubt, der das aus Himmelsbeobachtungen schlussfolgert.
Die Kollegin verweigert sich letzterem aber beim Kulturbegriff. Sie setzt 1:1 um, was ich zitiert habe: "jeden Erkenntnisanspruch einfach zurückzuweisen, wenn wir die Werte, auf denen er beruht, nicht zufällig teilen." Wäre Kultur ein sich selbst ewig fortschreibendes Buch, würde sie immer die Seiten rausreißen, die nach ihrem Werteverständnis falsch wären. Und man kann das so reduzierte Buch nur als "wahr" darstellen, wenn das Normative Vorrang vor dem Ontologischen hat. Da führt nichts vorbei, aus dieser Nummer ist kein Entkommen.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(20 Nov 2017, 11:02)

Es sind ganz einfach soziale Strukturen, die die Menschen dazu bringen, sich ihnen unterzuordnen. Es gibt leider sehr viele Menschen, die - um ein Beispiel zu geben - es einfach nicht aushalten, sich nicht vegetarisch zu ernähren, wenn eine Mehrheit ihrer Mitmenschen genau das praktiziert. Sie können nicht heraustreten. Isoliert dastehen. Sie halten das nicht aus.
Ja, das stimmt natürlich. Das hat wohl auch mit der Sozialisation des Einzelnen zu tun. Wer ein Leben lang ausschließlich in irgendwelchen Gruppen gelebt und gearbeitet hat, wird sicher Probleme haben, wenn plötzlich mal keine Gruppe mehr da ist. Ich finde da eine gewisse Ausgewogenheit ganz gut: Ab und zu springt man halt mal mit der Gruppe am Volleyballnetz herum und dann wiederum liest man still für sich ein Buch oder schaut aus dem Fenster oder bereitet die nächste Vorlesung vor. Der Witz an diesen Kultur-Gruppen-Identitäts-Diskussionen ist ja auch schon der Vorgang des Schreibens in solch einem Forum. Der geht zumeist völlig isoliert von der Außenwelt vonstatten, ganz ohne Gruppenumarmung.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Provokateur »

Selina hat geschrieben:(20 Nov 2017, 11:00)

Wer bedroht denn wessen Kultur? Wer nimmt sie jemandem weg? Und wie äußert sich das? Ich sehe nur eine Bereicherung darin, wenn Leute aus Lateinamerika, Syrien, Russland und Irland zusammen Theater spielen und musizieren, wenn ich internationale Belletristik lese und mir französische und englische Filme anschaue. Und ich sehe andererseits auch die gravierenden Unterschiede in den sozialen Verhältnissen auf dem Globus, diese krassen Zustände in den Ländern der dritten Welt im Vergleich zum Wohlstandsleben in Mitteleuropa etcpp. Da ist die gefühlte und echte Bedrohungslage doch eher genau umgekehrt. Dass mir irgendwer die Kultur wegnehmen wolle, kann ich nicht sehen. Höchstens, dass man nach bestimmten aktuellen Kinofilmen (etwa Low-Budget-Produktionen und Regiefilme) länger suchen muss, weil die weniger beworben werden können und nicht in den großen Filmpalästen gespielt werden. Aber als Bedrohung hab ich das dennoch nie empfunden. Die Kultur (auch im weiteren Sinne, also im Sinne von allem Menschengemachten) ist international und wird es immer sein, da is nix wegzunehmen. Eher ständig was Neues "dazuzugeben".
Ja, das bist du. Das ist deine Kultur.

Dann gibt es noch den Jupp aus dem Ruhrgebiet. Seine Kultur besteht darin, Donnerstags beim Skat in der Kneipe "Steigerklause" um Pfennigbeträge ("Ah ja, dat sin ja getz ZENT!") zu spielen, sich dabei 14-21 Pils zu kippen und dabei Kette zu rauchen (der Wirt lässt die Skatrunde gewähren - es handelt sich fast um seine einzigen Kunden). Das ist sein einziges Hobby. Er liest keine internatinale Belletristik. Bei französischen Filmen schaltet er weg, wenn er an den anderen Abenden vor dem Fernseher vergammelt. Seine Frau hat in vor Jahren verlassen, mit der Gesundheit geht es bergab, die schmale Rente reicht, wenn auch nicht gut.

Fremdes macht ihm Angst. Als es noch die Mark gab, hatte er noch seine Frau. Er hatte Arbeit, wurde gebraucht. "Et waren auch nich so viele Ausländers überall", murmelt er Donnerstags seinen Skatbrüdern zu, "und die, da die waren, waren oke. Isch hab ja nix gegen die Ausländers, aber die, die heute kommen, liegen uns auf die Tasche. Können nix malochen, hängen den ganzen Tach rum und liechen uns uf de Täsch."

Früher war alles besser, und es gibt nur eine Partei, die ernsthaft den Anspruch vertritt, früher zurückzubringen. Das ist die AfD. Jupp glaubt denen, wenn sie sagen, dass früher alles besser war, denn Jupp kennt früher - im Gegensatz zur Zukunft, die kennt Jupp nicht.

Das ist er. Das ist seine Kultur. Ist seine Kultur weniger wert als deine?
Harry riss sich die Augen aus dem Kopf und warf sie tief in den Wald. Voldemort schaute überrascht zu Harry, der nun nichts mehr sehen konnte.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(20 Nov 2017, 11:24)

Die Kollegin verweigert sich letzterem aber beim Kulturbegriff. Sie setzt 1:1 um, was ich zitiert habe: "jeden Erkenntnisanspruch einfach zurückzuweisen, wenn wir die Werte, auf denen er beruht, nicht zufällig teilen." Wäre Kultur ein sich selbst ewig fortschreibendes Buch, würde sie immer die Seiten rausreißen, die nach ihrem Werteverständnis falsch wären. Und man kann das so reduzierte Buch nur als "wahr" darstellen, wenn das Normative Vorrang vor dem Ontologischen hat. Da führt nichts vorbei, aus dieser Nummer ist kein Entkommen.
Wenn ich nicht auf jeden deiner Sätze antworte, hat das nichts mit meinem "Werteverständnis" zu tun, sondern mit dem, was mich interessiert und was nicht. Nicht ein einziger User hier antwortet auf jeden Satz eines jeden Users, der sich zufällig gerade im selben Gesprächsstrang befindet und der mal eine Replik schreibt. Im Übrigen habe ich auch nicht dieses starre Richtig-Falsch-Verständnis, das mir bei dir auffällt. Was der eine für sich als "richtig" erkennt, muss es für den anderen noch lange nicht sein. Und was jemand mit großem Fleiß immerzu als "falsch" abtut, muss es aus anderer Perspektive durchaus nicht sein. Kommt immer aufs Koordinatensystem an.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

Provokateur hat geschrieben:(20 Nov 2017, 11:31)

Ja, das bist du. Das ist deine Kultur.

Dann gibt es noch den Jupp aus dem Ruhrgebiet. Seine Kultur besteht darin, Donnerstags beim Skat in der Kneipe "Steigerklause" um Pfennigbeträge ("Ah ja, dat sin ja getz ZENT!") zu spielen, sich dabei 14-21 Pils zu kippen und dabei Kette zu rauchen (der Wirt lässt die Skatrunde gewähren - es handelt sich fast um seine einzigen Kunden). Das ist sein einziges Hobby. Er liest keine internatinale Belletristik. Bei französischen Filmen schaltet er weg, wenn er an den anderen Abenden vor dem Fernseher vergammelt. Seine Frau hat in vor Jahren verlassen, mit der Gesundheit geht es bergab, die schmale Rente reicht, wenn auch nicht gut.

Fremdes macht ihm Angst. Als es noch die Mark gab, hatte er noch seine Frau. Er hatte Arbeit, wurde gebraucht. "Et waren auch nich so viele Ausländers überall", murmelt er Donnerstags seinen Skatbrüdern zu, "und die, da die waren, waren oke. Isch hab ja nix gegen die Ausländers, aber die, die heute kommen, liegen uns auf die Tasche. Können nix malochen, hängen den ganzen Tach rum und liechen uns uf de Täsch."

Früher war alles besser, und es gibt nur eine Partei, die ernsthaft den Anspruch vertritt, früher zurückzubringen. Das ist die AfD. Jupp glaubt denen, wenn sie sagen, dass früher alles besser war, denn Jupp kennt früher - im Gegensatz zur Zukunft, die kennt Jupp nicht.

Das ist er. Das ist seine Kultur. Ist seine Kultur weniger wert als deine?
Sehr gut beschrieben. Nö, Jupps Kultur ist natürlich nicht weniger wert als meine. Hab ich nie behauptet. Ich kann es nur einfach nicht nachvollziehen, wenn einigen Deutschen angeblich das Fremde immer solche Angst macht. Und mal ehrlich: Der Jupp hat doch höchstens Angst vor dem Alleinesein und davor, dass seine Olle nie mehr meckert, wenner wieder mal besoffen nach Hause kommt und dat janze Geld is wech.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

Selina hat geschrieben:(20 Nov 2017, 11:36)

Wenn ich nicht auf jeden deiner Sätze antworte, hat das nichts mit meinem "Werteverständnis" zu tun, sondern mit dem, was mich interessiert und was nicht. Nicht ein einziger User hier antwortet auf jeden Satz eines jeden Users, der sich zufällig gerade im selben Gesprächsstrang befindet und der mal eine Replik schreibt. Im Übrigen habe ich auch nicht dieses starre Richtig-Falsch-Verständnis, das mir bei dir auffällt. Was der eine für sich als "richtig" erkennt, muss es für den anderen noch lange nicht sein. Und was jemand mit großem Fleiß immerzu als "falsch" abtut, muss es aus anderer Perspektive durchaus nicht sein. Kommt immer aufs Koordinatensystem an.

https://www.youtube.com/watch?v=jVfkYZmXHAg
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Provokateur »

Selina hat geschrieben:(20 Nov 2017, 11:43)

Sehr gut beschrieben. Nö, Jupps Kultur ist natürlich nicht weniger wert als meine. Hab ich nie behauptet. Ich kann es nur einfach nicht nachvollziehen, wenn einigen Deutschen angeblich das Fremde immer solche Angst macht. Und mal ehrlich: Der Jupp hat doch höchstens Angst vor dem Alleinesein und davor, dass seine Olle nie mehr meckert, wenner wieder mal besoffen nach Hause kommt und dat janze Geld is wech.
Der Jupp hat ja nix mehr. Außer Skat, Kippen und "en schönet Pilzken". Wenn jetzt einer daherkommt und sagt: "Was brauchen wir Kultur? Es gibt keine Kultur!" macht er eine einfache Rechnung auf:
"Meine Kultur = Skat, Kippen und Pils
Mensch X sagt: Kultur gibt es nicht
Skat, Kippen und Pils gibt es nicht
Skat, Kippen und Pils soll es nicht mehr geben"

Er reagiert dann mit Abwehr. Das ist doch zumindest nachvollziehbar, oder?
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(19 Nov 2017, 22:56)

Ob warum oder wie oder weshalb und wozu, ist doch völlig schnurz. Fragen sind nun mal bedeutsam für alles, für das Kindsein, das Erwachsenwerden, für das Lernen, den wissenschaftlichen Fortschritt und sogar auch für die Erkenntnisse und möglichen Einsichten in solch einem Forum. Die Betonung liegt auf dem Fragen. Und bevor du Fragen an dich mit Gegenfragen beantwortest, Engelchen, denk einmal nach, warum du dir bei solchen vergleichsweise einfachen Fragen so einen Knoten ins Knie machst. Bleib doch mal locker und sag uns, warum du so furchtbar gerne über Kultur redest, über eine Kultur, die alles umfasst und über allem steht.
Warum-Fragen sind eben keine einfachen Fragen, weil es eben keine einfachen, eindeutigen Antworten gibt. Es gibt nur Weil-Antworten (Begründungen), die neue Fragen nach sich ziehen, die wiederum neue Begründungen fordern - bis in die Unendlichkeit. Was ist daran so schwer zu verstehen?
Ich habe dir gezeigt, dass DEIN Antwort-/Begründungsansatz nur neue Fragen nach dem "Warum" aufwirft.
Du fragst "warum wir über Kultur diskutieren - darüber, was Kultur ist und diese ausmacht".
Ja - warum soll man dieses Thema denn NICHT diskutieren?
Diese Frage kannst du genau so wenig beantworten, kannst genauso wenig bergründen "warum nicht", wie ich die Frage nach dem "warum diskutieren?" beantworten kann - ohne, dass sich weitere "Warum-Fragen" ergeben.

Für dich ist schon negativ konnotiert, wenn es Menschen/Gruppen von Menschen gibt, die sich mit der Kultur, in die sie hinein geboren wurden, durch die sie geprägt wurden, identifizieren und diese Kultur schützen und bewahren wollen.
Du fragst nach dem "Warum" das so ist, willst eine Begründung dafür haben, verweigerst dich aber gleichzeitig der Gegenfrage "warum nicht?"
Du willst gar keine Antworten, du willst nur Begründungen für ganz bestimmte Handlungen haben.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben:(19 Nov 2017, 23:02)

Es gibt einen ganz einfachen Grund, weshalb Warum-Fragen nicht einfach (wie zu Beispiel Dawkins behauptet) durch Wie-Fragen zu ersetzen sind: Eine Wie-Frage setzt einen kausalen Zusammenhang bereits voraus, während eine Warum-Frage defensiv zunächst mal überhaupt die Existenz eines Kausalzusammenhangs nachfragt und nur bei Bejahung dieser Frage eine Erklärung fordert. Die Frage, warum die Banane krumm ist, setzt richtigerweise voraus, dass es möglicherweise gar keine Erklärung dafür gibt, weil etwa die exakte Geradheit nur ein Sonderfall mit geringer Wahrscheinlichkeit von angenähert 1/2pi ist. (Auch wenn es in Realität tatsächlich einen Grund für die regelmäßige Gekrümmtheit von Bananen gibt).
Warum-Fragen sind IMMER Fragen nach einem Grund und solche Fragen können NICHT abschließend beantwortet werden. ==> infiniter Regress - es gibt keine Letztbegründung, weil es eben auch keinen "Urgrund" gibt, aus dem sich alle anderen Gründe ableiten lassen bzw auf dem alle anderen Gründe aufbauen.
Dein Bananebeispiel ist für die Tonne. Fakt ist wenn gefragt wird, "warum ist die Banane krumm?", wird eine Begründung/die Nennung eines Grundes (eine Weil-Antwort) erwartet. Diesem genannten Grund liegt aber wiederum ein Grund zugrunde, der wiederum eine Weil-Antwort erfordert usw usf - unendlich viele.
"Es gibt keinen Grund" ist keine (abschließende) Antwort auf deine "Warum-Frage". Auch die führt zum infiniten Regress oder zum Abbruch der Frage und damit zu einem Dogma.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(20 Nov 2017, 08:40)

Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wovon du sprichst. Meinst du vielleicht, ich diskutiere nicht "deskriptiv" darüber, was Kultur ist, sondern nur "normativ"? Ja, dann siehst du das eben so. Ich für meinen Teil habe beschrieben, was Lebenswirklichkeit der meisten Menschen ist, nämlich ständig mit einer Menge internationaler Einflüsse im Alltag, in der Freizeit und im Beruf konfrontiert zu sein, was schon lange zur Normalität geworden und nicht mehr wegzudenken ist.
Du diskutierst normativ und merkst es nicht einmal.
Du nutzt dazu das schlechte Argument der voreiligen Verallgemeinerung, indem du deine eigene kleine Lebensrealität verallgemeinerst (als allgemeingültig betrachtest) und damit zum "Sollen" - zum Normativ - für die gesamte Gesellschaft erhebst.
Du ignorierst permanent, dass sich anderen Menschen eine andere Lebensrealität bietet.
Mir zum Bleistift - meine ist sehr gegensätzlich. Da ist auf der einen Seite die problemlose Integration, das Miteinaner, das Zugehörigkeits- und Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der Gemeinde, in der es niemanden interessiert, ob der Betreffende Migrationshintergrund hat oder nicht und auf der anderen Seite steht die extrem negative Erfahrung der sexuellen Belästigung/des sexuellen Übergriffs durch "Kulturbereicherer".
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben:(20 Nov 2017, 09:28)

Ja. Nur Kulturwissenschaftler beschäftigen sich ebensowenig mit der Frage "was ist Kultur" wie sich Mathematiker mit der Frage "Was sind Zahlen" beschäftigen. Die befassen sich mit konkreten Fragestellungen. Also zum Beispiel mit der Frage "Was sind komplexe Zahlen". Wie lässt sich die Definition komplexer Zahlen verallgemeinern? (Die Antwort lautet: Quaternionen). Und wenn wir das jetzt mal auf die Kultur-Frage zurückbeziehen ... einen Erkenntnisgewinn werden wir hier nur erlangen, wenn wir über die allgemeine Frage "Was ist Kultur" (die Antwort ist klar: alles Menschengemachte und nicht Naturgegebene) hinausgehen. Und da wir uns in einem politischen Forum befinden, wäre der politische Aspekt der ganzen Fragestellung schon mal hervorragend geeignet, diese Konkretisierung mit Leben zu erfüllen.
Archäologen und Kulturwissenschaftler stellen die Fragen "um welche Kultur handelt es sich", "wie (durch welche Merkmale) unterscheiden sich Kulturen voneinander?", "Was sind die Spezifica einer ganz bestimmten Kultur?"
Und um diese Fragen beantworten zu können, muss zunächst die Frage beantwortet werden "was ist Kultur überhaupt?" und dazu muss zumindest ein Grundkonsens erlangt werden. Archäologen und Kulturwissenschaftler sind sich allerdings auch darüber einig - im Gegensatz zu einigen Schwätzern hier - dass Politik ein Merkmal von Kultur ist bzw eine bestimmte Politik ein spezifisches Merkmal einer bestimmten Kultur ist. Politik ist kulturell begründet, aber du und Selina macht daraus "Kultur ist politisch" bis hin zu das Private ist politisch.
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

Dark Angel hat geschrieben:(20 Nov 2017, 12:28)

Du diskutierst normativ und merkst es nicht einmal.
Du nutzt dazu das schlechte Argument der voreiligen Verallgemeinerung, indem du deine eigene kleine Lebensrealität verallgemeinerst (als allgemeingültig betrachtest) und damit zum "Sollen" - zum Normativ - für die gesamte Gesellschaft erhebst.
Yep, hier werden die Maximen der eigenen Idiosynkrasien in den Rang eines allgemeinen Gesetzes erhoben.
… habe ich mich sorgsam bemüht, menschliche Tätigkeiten nicht zu verlachen, nicht zu beklagen und auch nicht zu verdammen, sondern zu begreifen. (Spinoza)
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

Provokateur hat geschrieben:(20 Nov 2017, 12:00)

Der Jupp hat ja nix mehr. Außer Skat, Kippen und "en schönet Pilzken". Wenn jetzt einer daherkommt und sagt: "Was brauchen wir Kultur? Es gibt keine Kultur!" macht er eine einfache Rechnung auf:
"Meine Kultur = Skat, Kippen und Pils
Mensch X sagt: Kultur gibt es nicht
Skat, Kippen und Pils gibt es nicht
Skat, Kippen und Pils soll es nicht mehr geben"

Er reagiert dann mit Abwehr. Das ist doch zumindest nachvollziehbar, oder?
Ja klar ist das nachzuvollziehen. Wir sehen ja auch, was rausgekommen ist dabei: Rechtsextreme im Bundestag (nicht die gesamte AfD, aber Teile von ihr). Und nun die Situation, dass das Land keine Regierung findet. Schon ein wenig viel Wirbel, den die "besorgten Bürger" veranstaltet haben mit ihrer irrationalen Angst, man könnte ihnen ihre "kulturelle Identität" stehlen. Findest du nicht?
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(20 Nov 2017, 12:37)

Yep, hier werden die Maximen der eigenen Idiosynkrasien in den Rang eines allgemeinen Gesetzes erhoben.
So ein Quatsch. Ich schildere lediglich, warum ich keine Angst habe, man könnte mir oder anderen irgendeine "kulturelle Identität" klauen. Wirkliche Sorgen macht mir nur der Rechtsruck im Land, der zu solchen Verwerfungen führt, wie wir sie gerade erleben. Das ist wirklich ein kultureller Rückschritt sondergleichen. Ich hoffe, diese Entwicklung wird von der demokratischen Mehrheit im Land noch rechtzeitig gestoppt. Und ja, das war jetzt eine politische Äußerung. Aber nicht frei von Kultur :D
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

Selina hat geschrieben:(20 Nov 2017, 13:01)

So ein Quatsch. Ich schildere lediglich, warum ich keine Angst habe, man könnte mir oder anderen irgendeine "kulturelle Identität" klauen. Wirkliche Sorgen macht mir nur der Rechtsruck im Land, der zu solchen Verwerfungen führt, wie wir sie gerade erleben. Das ist wirklich ein kultureller Rückschritt sondergleichen. Ich hoffe, diese Entwicklung wird von der demokratischen Mehrheit im Land noch rechtzeitig gestoppt. Und ja, das war jetzt eine politische Äußerung. Aber nicht frei von Kultur :D

Schau lieber noch ein bisschen Kirk. :D

Oder denk mal über die Verwerfungen nach, die deinem Koordinatensprüchlein implizit sind. Denn ein Grapscher wird natürlich ein Indenschrittfassen anders sehen, als der oder die Begrapschte. Und gerade der Grapscher würde dann mit deinem Segen sagen, dass er kein Problem mit seiner Perspektive hat und immer prima damit zurecht gekommen ist. Denn den Begriff der sexuellen Belästigung, der Grapschen verbietet, lehnt er ab. Es widerspricht seiner subjektiven Weltsicht.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(20 Nov 2017, 13:01)

So ein Quatsch. Ich schildere lediglich, warum ich keine Angst habe, man könnte mir oder anderen irgendeine "kulturelle Identität" klauen. Wirkliche Sorgen macht mir nur der Rechtsruck im Land, der zu solchen Verwerfungen führt, wie wir sie gerade erleben. Das ist wirklich ein kultureller Rückschritt sondergleichen. Ich hoffe, diese Entwicklung wird von der demokratischen Mehrheit im Land noch rechtzeitig gestoppt. Und ja, das war jetzt eine politische Äußerung. Aber nicht frei von Kultur :D
Und du ignorierst wiederum, dass die, von dir derart Gescholtenen, nichts anderes tun, als von ihren Grundrechten (die übrigens ihen Ursprung in unserer Kultur haben) Gebrauch zu machen. Sie nutzen ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und ihr Grundrecht auf freie Meinungsäußerung.
Diese Meinung gefällt dir nicht, DU siehst durch diese Meinungsäußerung die Demokratie in Gefahr.
Und weil du in dieser Meinungsäußerung eine Gefahr für die Demokratie siehst, möchtest du sie am liebsten verbieten oder zumindest mit einem Tabu belegt wissen. Dass dies aber einem Denk- und Redeverbot gleichkommt, bemerkst du nicht und du merkst auch deine Nähe/Affinität zur Diktatur nicht bzw zum Totalitarismus nicht.
Die eigentliche Gefahr für die Demokratie geht nicht von jenen aus, die eine unbequeme, unangenehme Meinung äußern, sondern von jenen, die das nicht tolerieren können oder wollen.

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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Bleibtreu »

Dark Angel hat geschrieben:(20 Nov 2017, 12:37)

Archäologen und Kulturwissenschaftler stellen die Fragen "um welche Kultur handelt es sich", "wie (durch welche Merkmale) unterscheiden sich Kulturen voneinander?", "Was sind die Spezifica einer ganz bestimmten Kultur?"
Und um diese Fragen beantworten zu können, muss zunächst die Frage beantwortet werden "was ist Kultur überhaupt?" und dazu muss zumindest ein Grundkonsens erlangt werden. Archäologen und Kulturwissenschaftler sind sich allerdings auch darüber einig - im Gegensatz zu einigen Schwätzern hier - dass Politik ein Merkmal von Kultur ist bzw eine bestimmte Politik ein spezifisches Merkmal einer bestimmten Kultur ist. Politik ist kulturell begründet, aber du und Selina macht daraus "Kultur ist politisch" bis hin zu das Private ist politisch.
C'est ça ! - Da fehlen schlicht die Basics und diese Luecken werden von ihm mit seiner fanatischen IndividualitaetsReligion gefuellt - meine Guete, was ein Krampf! :dead:
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(20 Nov 2017, 13:01)

So ein Quatsch. Ich schildere lediglich, warum ich keine Angst habe, man könnte mir oder anderen irgendeine "kulturelle Identität" klauen. Wirkliche Sorgen macht mir nur der Rechtsruck im Land, der zu solchen Verwerfungen führt, wie wir sie gerade erleben. Das ist wirklich ein kultureller Rückschritt sondergleichen. Ich hoffe, diese Entwicklung wird von der demokratischen Mehrheit im Land noch rechtzeitig gestoppt. Und ja, das war jetzt eine politische Äußerung. Aber nicht frei von Kultur :D
Aber natürlich klaut mir der "Kulturbereicherer" etwas von meiner Identität - sogar von meiner kulturellen Identität - wenn er meine Grundrechte missachtet, wenn ich als Frau für ihn nur ein Sexobjekt bin, dessen er sich nach Belieben bedienen darf, weil ich nicht nach seinen Wertvorstellungen lebe, mich nicht in der Art kleide, in der sich - seinen Vorstellungen zufolge - eine ehrbare/ehrenhafte Frau zu kleiden hat.
Aber natürlich klauen uns die Kulturbereicherer einen Teil unserer kulturellen Identität, wenn sie meinen, ihre religiösen Gebote als als über unserem Rechtssystem (unser Grundgesetz) stehend, betrachten zu dürfen.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Provokateur »

Selina hat geschrieben:(20 Nov 2017, 12:52)

Ja klar ist das nachzuvollziehen. Wir sehen ja auch, was rausgekommen ist dabei: Rechtsextreme im Bundestag (nicht die gesamte AfD, aber Teile von ihr). Und nun die Situation, dass das Land keine Regierung findet. Schon ein wenig viel Wirbel, den die "besorgten Bürger" veranstaltet haben mit ihrer irrationalen Angst, man könnte ihnen ihre "kulturelle Identität" stehlen. Findest du nicht?
Dann ist aber keine Abhilfe damit zu schaffen, dass man den Leuten sagt, dass es keine Kultur gibt. Dafür bin ich zu sehr Pädagoge und will die Leute da abholen, wo sie stehen.

Das erreicht man nicht dadurch, dass man den Kulturbegriff an sich verneint. Das erreicht man dadurch, dass man diesen Begriff positiv besetzt. Wenn eine AfD fordert, preußische Tugenden zu achten, kann man ja sagen "super, Toleranz ist preußische Tugend, also her mit der Toleranz!".
Harry riss sich die Augen aus dem Kopf und warf sie tief in den Wald. Voldemort schaute überrascht zu Harry, der nun nichts mehr sehen konnte.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Bleibtreu »

Dark Angel hat geschrieben:(20 Nov 2017, 13:20)

Aber natürlich klaut mir der "Kulturbereicherer" etwas von meiner Identität - sogar von meiner kulturellen Identität - wenn er meine Grundrechte missachtet, wenn ich als Frau für ihn nur ein Sexobjekt bin, dessen er sich nach Belieben bedienen darf, weil ich nicht nach seinen Wertvorstellungen lebe, mich nicht in der Art kleide, in der sich - seinen Vorstellungen zufolge - eine ehrbare/ehrenhafte Frau zu kleiden hat.
Aber natürlich klauen uns die Kulturbereicherer einen Teil unserer kulturellen Identität, wenn sie meinen, ihre religiösen Gebote als als über unserem Rechtssystem (unser Grundgesetz) stehend, betrachten zu dürfen.
Das was du hier wieder treibst ist ebenfalls eine Wertung. Wenn es euch so unter den Naegeln brennt, was ihr an welchen Kulturen alles Scheisse findet und euch die Fluechtlings- und ReligionsStraenge nicht ausreichend dafuer sind, dann macht einen Strang dazu auf - my personally cultures bashing 3, 2, 1... Es nervt! :x
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

Dark Angel hat geschrieben:(20 Nov 2017, 13:13)

Und du ignorierst wiederum, dass die, von dir derart Gescholtenen, nichts anderes tun, als von ihren Grundrechten (die übrigens ihen Ursprung in unserer Kultur haben) Gebrauch zu machen. Sie nutzen ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und ihr Grundrecht auf freie Meinungsäußerung.
Diese Meinung gefällt dir nicht, DU siehst durch diese Meinungsäußerung die Demokratie in Gefahr.
Und weil du in dieser Meinungsäußerung eine Gefahr für die Demokratie siehst, möchtest du sie am liebsten verbieten oder zumindest mit einem Tabu belegt wissen. Dass dies aber einem Denk- und Redeverbot gleichkommt, bemerkst du nicht und du merkst auch deine Nähe/Affinität zur Diktatur nicht bzw zum Totalitarismus nicht.
Die eigentliche Gefahr für die Demokratie geht nicht von jenen aus, die eine unbequeme, unangenehme Meinung äußern, sondern von jenen, die das nicht tolerieren können oder wollen.

"Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden" - mit dieser Aussage von Rosa Luxemburg hatten Linke schon immer ein Problem und haben es immer noch.
Nö, wieso? Sie reden doch von morgens bis abends und das in aller epischen Breite. Überall reden, publizieren und streiten sie und fühlen sich als die Entrechteten, die für "das Volk" sprechen, die dafür sorgen wollen, dass es in diesem Land (und möglichst in ganz Europa, "und morgen die ganze Welt") so aussieht wie in ihren rechtsgestrickten Hirnen. Wie sagte doch Herr Gauland? "Wir werden sie jagen. Wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen." Vor dieser "Kultur" graut mir.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

Provokateur hat geschrieben:(20 Nov 2017, 13:37)

Dann ist aber keine Abhilfe damit zu schaffen, dass man den Leuten sagt, dass es keine Kultur gibt. Dafür bin ich zu sehr Pädagoge und will die Leute da abholen, wo sie stehen.

Das erreicht man nicht dadurch, dass man den Kulturbegriff an sich verneint. Das erreicht man dadurch, dass man diesen Begriff positiv besetzt. Wenn eine AfD fordert, preußische Tugenden zu achten, kann man ja sagen "super, Toleranz ist preußische Tugend, also her mit der Toleranz!".
Ich verneine den Kulturbegriff doch nicht. Die klassische Definition teile ich voll und ganz. Ich zitierte sie weiter oben sogar. Was ich nicht teile, ist die Geschichte mit der "kulturellen Identität", die man vor "fremden Einflüssen" schützen und verteidigen müsse. Letzteres ist im Übrigen O-Ton der rechtsradikalen Identitären und ihrer "Denkfabrik". Zur Toleranz d'accord.
Zuletzt geändert von Selina am Mo 20. Nov 2017, 13:55, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Dark Angel hat geschrieben:(20 Nov 2017, 12:15)

Warum-Fragen sind IMMER Fragen nach einem Grund und solche Fragen können NICHT abschließend beantwortet werden. ==> infiniter Regress - es gibt keine Letztbegründung, weil es eben auch keinen "Urgrund" gibt, aus dem sich alle anderen Gründe ableiten lassen bzw auf dem alle anderen Gründe aufbauen.
Dein Bananebeispiel ist für die Tonne. Fakt ist wenn gefragt wird, "warum ist die Banane krumm?", wird eine Begründung/die Nennung eines Grundes (eine Weil-Antwort) erwartet. Diesem genannten Grund liegt aber wiederum ein Grund zugrunde, der wiederum eine Weil-Antwort erfordert usw usf - unendlich viele.
"Es gibt keinen Grund" ist keine (abschließende) Antwort auf deine "Warum-Frage". Auch die führt zum infiniten Regress oder zum Abbruch der Frage und damit zu einem Dogma.
Die Frage nach dem Zweck, nach einer vermuteten Intention von irgendwem oder irgendwas, auf die Du anspielst, ist ganz sicher ein sehr fragwürdiger Aspekt von Warum-Fragen. Aber nochmal: Wie ließe sich die schlichte Frage nach einem Kausalzusammenhang anders stellen als eine Warum-Frage. "Wer", "Was", "Wie", "Wann", "Wo" ... allesamt Fragen, die gar nicht nach der Existenz eines Kausalzusammenhangs fragen sondern ihn bereits voraussetzen und nur die jeweiligen Modalitäten klären sollen.

Und darüberhinaus und völlig unabhängig davon: Der "inifinite Regress" führt letztendlich irgendwann zur Frage nach dem "Warum" des Universums. In der Antike ging man von einem statischen Universum aus, das immer schon existierte und das sich gleichmäßig und homogen in Raum und Zeit ausdehnt. Darüber sind wir inzwischen hinweg. Die Frage nach dem "Warum" des Universums (und damit auch nach dem Warum aller seiner Bestandteile) stellt sich tatsächlich. Und zwar nicht nur in Bezug auf Kausalzusammenhänge sondern tatsächlich in Bezug auf einen Zweck, auf einen "höheren Sinn". Auch ohne Anspruch auf eine religiöse Deutung.

Und ebenso stellt sich die Frage nach dem "Warum" der Grundprinzipien alles Daseins: Dass physikalische Prozess immer so ablaufen, dass Wirkungen extremal sind. Dass Entropie ohne Zufuhr von Energie von außen grundsätzlich zunehmend ist ... usw. Man kann durchaus nach einem "Warum" dafür fragen.
Zuletzt geändert von schokoschendrezki am Mo 20. Nov 2017, 14:03, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Provokateur »

Selina hat geschrieben:(20 Nov 2017, 13:53)
Was ich nicht teile, ist die Geschichte mit der "kulturellen Identität", die man vor "fremden Einflüssen" schützen und verteidigen müsse. Letzteres ist im Übrigen O-Ton der rechtsradikalen Identitären und ihrer "Denkfabrik".
Damit sind die Rechten, wie so häufig, erfolgreich. Sie greifen eben Ängste auf und nutzen sie zu ihrem Vorteil. Und warum Leute Angst um "ihre Kultur" haben ist, so denke ich, deutlich geworden. Manche Menschen haben ja auch nicht mehr als sich selbst. Wenn man ihnen sagt "Du definierst dich durch deine Kultur - und die da wollen es dir nehmen! Es sei denn, wir tun was dagegen!", dann glauben die das.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Dark Angel »

Bleibtreu hat geschrieben:(20 Nov 2017, 13:38)

Das was du hier wieder treibst ist ebenfalls eine Wertung. Wenn es euch so unter den Naegeln brennt, was ihr an welchen Kulturen alles Scheisse findet und euch die Fluechtlings- und ReligionsStraenge nicht ausreichend dafuer sind, dann macht einen Strang dazu auf - my personally cultures bashing 3, 2, 1... Es nervt! :x
Ja sicher ist das wertend, aber auch bestimmte Wertvorstellungen sind Teil einer Kultur, haben sich in dieser Kultur entwickelt. Wertvorstellungen wirken sich einerseits auf die Entwicklung individueller Identität aus, finden jedoch auch ihren Niederschlag im jeweiligen Rechtssystem.
Mir geht es nicht primär darum, aufzuzeigen, was ich an anderen Kulturen "Scheiße finde", sondern darum, dass kulturelle Unterschiede sich auch antagonistisch gegenüber stehen können und Antagonismen können dazu führen, subjektiv (individuell) ein Identitätsverlust wahrgenommen wird, kann objektiv zu einem (teilweisen) Identitätsverlust führen und kann im schlimmsten Fall auch zum Zusammenbruch der Kultur beitragen.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Provokateur hat geschrieben:(20 Nov 2017, 13:59)

Damit sind die Rechten, wie so häufig, erfolgreich. Sie greifen eben Ängste auf und nutzen sie zu ihrem Vorteil. Und warum Leute Angst um "ihre Kultur" haben ist, so denke ich, deutlich geworden. Manche Menschen haben ja auch nicht mehr als sich selbst. Wenn man ihnen sagt "Du definierst dich durch deine Kultur - und die da wollen es dir nehmen! Es sei denn, wir tun was dagegen!", dann glauben die das.
Nein. Das ist noch lange nicht deutlich geworden. Alle politischen Analysen zur Zeitgeschichte kommen zu genau demselben Schluss, wie Du ihn hier beschreibst. Aber "Warum" im Sinne der Nachfrage nach einem Kausalzusammenhang, im Sinne der Frage, was bitte dazu geführt hat, dass es so ist wie es ist bzw. ob sich überhaupt etwas benennen lässt, was dazu geführt hat ... die Frage ist offen. Direkt und unmittelbar von der Flüchtlingsproblematik betroffen sind weit weit weniger Menschen als die, für die nun auf einmal die "Kulturfrage" essenziell geworden ist. In Deutschland nicht anders als in Russland oder anderswo in der Welt. So wie für einen Russen in einem Interview klar war, dass er durch die aktuelle Entwicklung in seinem Land seine Herzmedikamente nicht mehr bezahlen kann, so klar und eindeutig war ihm, dass mit Zar Putin nun endlich jemand für den Erhalt wahren Russentums eintritt und dass der unterstützt werden muss. In Deutschland bei der rechten Hälfte des Volks siehts keinen Deut anders aus. "Kultur" eben ....
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Dark Angel hat geschrieben:(20 Nov 2017, 14:08)

Ja sicher ist das wertend, aber auch bestimmte Wertvorstellungen sind Teil einer Kultur, haben sich in dieser Kultur entwickelt. Wertvorstellungen wirken sich einerseits auf die Entwicklung individueller Identität aus, finden jedoch auch ihren Niederschlag im jeweiligen Rechtssystem.
Mir geht es nicht primär darum, aufzuzeigen, was ich an anderen Kulturen "Scheiße finde", sondern darum, dass kulturelle Unterschiede sich auch antagonistisch gegenüber stehen können und Antagonismen können dazu führen, subjektiv (individuell) ein Identitätsverlust wahrgenommen wird, kann objektiv zu einem (teilweisen) Identitätsverlust führen und kann im schlimmsten Fall auch zum Zusammenbruch der Kultur beitragen.
Ich möchte nur mal wissen, was das eigentlich sein soll, ein "Identitätsverlust". Ich bin nicht mehr ich? Ist das nicht eher ein Fall für den Neurologen oder zumindest für den Psychiater? Die Gesellschaft und "Kultur" um mich herum kann sich entwickeln wie sie will. Wenns negativ läuft, bringt mir das praktische Lebensprobleme, soziale Sorgen oder - wenns ganz schlimm läuft - bringt mich in den Knast oder in Verhörzellen von Geheimdiensten. Aber bitte: Was kann all das mit meiner "Identität" zu tun haben? Ich bleibe ganz grundsätzlich immer ich. Sartre: Man ist selbst in der Todeszelle vollkommen frei. Vollkommen unabhängig.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben:(20 Nov 2017, 13:54)

Die Frage nach dem Zweck, nach einer vermuteten Intention von irgendwem oder irgendwas, auf die Du anspielst, ist ganz sicher ein sehr fragwürdiger Aspekt von Warum-Fragen. Aber nochmal: Wie ließe sich die schlichte Frage nach einem Kausalzusammenhang anders stellen als eine Warum-Frage. "Wer", "Was", "Wie", "Wann", "Wo" ... allesamt Fragen, die gar nicht nach der Existenz eines Kausalzusammenhangs fragen sondern ihn bereits voraussetzen und nur die jeweiligen Modalitäten klären sollen.
Tja die Fragen nach dem WIE, WAS, WANN etc sind Fragen nach Erklärungen, während die Warum-Frage einzig und allein nach eine Grund fragt und eine Begründung fordert.
Eine Begründung ist aber keine Erklärung, eine Begründung erläutert den Zusammenhang von Ursache und Wirkung nicht.
schokoschendrezki hat geschrieben:(20 Nov 2017, 13:54)Und darüberhinaus und völlig unabhängig davon: Der "inifinite Regress" führt letztendlich irgendwann zur Frage nach dem "Warum" des Universums.
Umgekehrt wird ein Schuh draus. Die Warum-Frage führt zum infiniten Regress und nicht der infinite Regress zu Warum-Frage!
Infiniter Regress = unendlicher Regress = Zurückschreiten in unendlicher Reihe, immer wieder nach einem Grund, nach einer Begründung fragen.
Warum-Fragen enden IMMER im Münchhausen-Trilemma - den drei Alternativen: infiniter Regress, Logischer Zirkel/Zirkelschluss und Abbruch der Fragen (Dogma)
Und letzteres das passiert bei der Frage nach dem "Warum" des Universums. Irgendwann werden die Fragen nach dem "Warum" abgebrochen, wird nicht weiter hinterfragt, es entsteht ein Dogma (ein Denkverbot)
schokoschendrezki hat geschrieben:(20 Nov 2017, 13:54)Und ebenso stellt sich die Frage nach dem "Warum" der Grundprinzipien alles Daseins: Dass physikalische Prozess immer so ablaufen, dass Wirkungen extremal sind. Dass Entropie ohne Zufuhr von Energie von außen grundsätzlich zunehmend ist ... usw. Man kann durchaus nach einem "Warum" dafür fragen.
Auch das sind Fragen, die im Münchhausen-Trilemma enden.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

Sorry, aber die berühmten sieben W-Fragen im Journalismus (wer, wo, was, wie, warum, wann, woher stammt die Nachricht/Info) gelten noch heute. Und niemand von den Fachleuten, die ihr Handwerk gelernt haben, käme auf die Idee, beim Recherchieren nicht an sie zu denken. Eine gründliche Recherche wäre ohne die W-Fragen, zu denen natürlich auch immer die nach dem Warum gehört, nicht denkbar. In Journalistik und Publizistik ist die Warum-Frage allerdings zumeist eine nach der Motivation der Agierenden, den Ursachen eines Ereignisses und den näheren Gründen/Hintergründen, warum (wozu, weshalb) jemand so und nicht anders handelte, warum diese oder jene Sache gerade so und nicht anders entschieden wurde. Dass diese handwerklichen Fähigkeiten ein wenig abhanden gekommen sind im immer hektischer und oberflächlicher werdenden Journalismus, ist wohl wahr. Denn die Warum-Frage ernst zu nehmen in der Recherche, ist sehr aufwändig und wird daher oft einfach weggelassen. Das macht die Nachrichten, Berichte, Untersuchungen und Interviews oft sehr dröge und nicht genau genug. Aber im Prinzip läuft ohne das Warum nix. Was auch immer man da philologisch und philosophisch noch anmerken mag. Und die Kommunikationsregeln im Journalismus lassen sich durchaus auf so ein Forumsgespräch übertragen. Wer genau sein will, fragt immer nach dem Warum.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Bleibtreu »

Dark Angel hat geschrieben:(20 Nov 2017, 14:08)

Ja sicher ist das wertend, aber auch bestimmte Wertvorstellungen sind Teil einer Kultur, haben sich in dieser Kultur entwickelt. Wertvorstellungen wirken sich einerseits auf die Entwicklung individueller Identität aus, finden jedoch auch ihren Niederschlag im jeweiligen Rechtssystem.
Mir geht es nicht primär darum, aufzuzeigen, was ich an anderen Kulturen "Scheiße finde", sondern darum, dass kulturelle Unterschiede sich auch antagonistisch gegenüber stehen können und Antagonismen können dazu führen, subjektiv (individuell) ein Identitätsverlust wahrgenommen wird, kann objektiv zu einem (teilweisen) Identitätsverlust führen und kann im schlimmsten Fall auch zum Zusammenbruch der Kultur beitragen.
Du macht dasselbe was Selina & Schoko treiben, eben nur aus der anderen Position, nicht weniger besessen. HIER geht es nicht um eine weiterfuehrende Diskussion ueber WAS ist eigentlich Kultur? hinaus. Wenn ihr alle so besessen seid ueber kulturelle Identitaet, IdentitaetsVerlust, RechtsKnaller oder gar den Zusammenbruch einer Kultur zu schwafeln, dann habt endlich die Eier einen Strang dazu aufzumachen. Es reicht mir bis Oben hin, dass kaum ein Strang, der auch nur in der Naehe dieser Thematik sein koennte, vor eurem LieblingsThema sicher ist. Es kotzt mich an, ueberall dasselbe Geseier zu lesen: In den Fluechtlings/KriminalitaetsStraengen - im AFD-Strang - in den ReligionsStraengen - in den IntegrationsStraengen usw. Kaum ein Thema ist vor eurer Besessenheit sicher. Haengt euch das nicht langsam selbst zum Hals heraus?! :mad: :dead:
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Dark Angel hat geschrieben:(20 Nov 2017, 14:29)

Tja die Fragen nach dem WIE, WAS, WANN etc sind Fragen nach Erklärungen, während die Warum-Frage einzig und allein nach eine Grund fragt und eine Begründung fordert.
Eine Begründung ist aber keine Erklärung, eine Begründung erläutert den Zusammenhang von Ursache und Wirkung nicht.
Die Frage nach überhaupt der Existenz eines solchen Zusammenhangs muss aber erst mal gestellt werden. Wie soll man anders danach fragen als mit "warum". Nochmal: "Warum ist die Banane krumm" frag zunächst einmal, ob das Krummsein irgendeine systematische, regelmäßige, vorhersagbare Ursache hat. "Wie wird die Banane krumm" setzt einen solchen Zusammenhang bereits voraus. Der muss aber gar nicht gegeben sein. Im Bereich des Politischen stellen sich solche Fragen noch weitaus häufiger. Warum fällt oder sinkt der Euro-Kurs. Warum sind die Jamaika-Sondierungen gescheitert. Es ist ganz entscheidend, ob sich darauf eine einigermaßen eindeutige Antwort finden lässt oder nicht. Sofort zustimmen würde ich Dir, wenns nur darum ginge, ob der Stand des Euro-Kurses oder der Ausgang der Jamaika-Verhandlungen irgendeinen gottgewollten Sinn hätten ... eigentlich zur Debatte steht jedoch die Frage, ob sich dies (überhaupt) auf eine benennbare Hauptursache zurückführen lässt. Und nur wenn "ja" kann man über ein Wie, Wo, Wann nachdenken.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

schokoschendrezki hat geschrieben:(20 Nov 2017, 14:40)

Die Frage nach überhaupt der Existenz eines solchen Zusammenhangs muss aber erst mal gestellt werden. Wie soll man anders danach fragen als mit "warum". Nochmal: "Warum ist die Banane krumm" fragt zunächst einmal, ob das Krummsein irgendeine systematische, regelmäßige, vorhersagbare Ursache überhaupt hat. "Wie wird die Banane krumm" setzt einen solchen Zusammenhang bereits voraus. Der muss aber gar nicht gegeben sein. Im Bereich des Politischen stellen sich solche Fragen noch weitaus häufiger. Warum fällt oder sinkt der Euro-Kurs. Warum sind die Jamaika-Sondierungen gescheitert. Es ist ganz entscheidend, ob sich darauf eine einigermaßen eindeutige Antwort finden lässt oder nicht. Sofort zustimmen würde ich Dir, wenns nur darum ginge, ob der Stand des Euro-Kurses oder der Ausgang der Jamaika-Verhandlungen irgendeinen gottgewollten Sinn hätten ... eigentlich zur Debatte steht jedoch die Frage, ob sich dies (überhaupt) auf eine benennbare Hauptursache zurückführen lässt. Und nur wenn "ja" kann man über ein Wie, Wo, Wann nachdenken.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben:(20 Nov 2017, 14:28)

Ich möchte nur mal wissen, was das eigentlich sein soll, ein "Identitätsverlust". Ich bin nicht mehr ich?
Richtig - ich bin dann nicht mehr ich, wenn ich nicht mehr leben kann, wie ich es es gewöhnt bin, wenn ich in meinen Freiheiten, meinen Freiräumen in meiner Persönlichkeitsentfaltung eingeschränkt werde, wenn sich mein Lebensumfeld grundlegend verändert bzw verändert wird.
Identitätsverlust passiert dann, wenn die individuellen Erkenntnsse und Erfahrungen (das subjektive Innen) nicht mehr mit dem gesellschaftlichen Außen in Übereinstimmung zu bringen sind, wenn das subjektive Innen nicht mehr zum gesellschaftlichen Außen passt, wenn man sich (als Individuum) sozial neu verorten muss.
Identitätsverlust ist dann gegeben, wenn individuelle Selbstbestimmung durch gesellschaftliche Fremdbestimmung abgelöst werden.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Bleibtreu hat geschrieben:(20 Nov 2017, 14:37)

Du macht dasselbe was Selina & Schoko treiben, eben nur aus der anderen Position, nicht weniger besessen. HIER geht es nicht um eine weiterfuehrende Diskussion ueber WAS ist eigentlich Kultur? hinaus. Wenn ihr alle so besessen seid ueber kulturelle Identitaet, IdentitaetsVerlust, RechtsKnaller oder gar den Zusammenbruch einer Kultur zu schwafeln, dann habt endlich die Eier einen Strang dazu aufzumachen. Es reicht mir bis Oben hin, dass kaum ein Strang, der auch nur in der Naehe dieser Thematik sein koennte, vor eurem LieblingsThema sicher ist. Es kotzt mich an, ueberall dasselbe Geseier zu lesen: In den Fluechtlings/KriminalitaetsStraengen - im AFD-Strang - in den ReligionsStraengen - in den IntegrationsStraengen usw. Kaum ein Thema ist vor eurer Besessenheit sicher. Haengt euch das nicht langsam selbst zum Hals heraus?! :mad: :dead:
Nö. Und zwar deshalb, weil die Beantwortung der Frage, "was Kultur ist" in höchstem Maße trivial und einfach beantwortbar ist.

Man muss allerdings hinzusetzen, dass kaum etwas so spezifisch menschlich-kulturell ist, wie der Erhalt von Humor. Humor ist weitgehend zweckungerichtet. Wenn "Kultur" einfach alles Menschengemachte und nicht Naturgegebene ist ... kaum etwas ist derart menschengemacht und in dem Sinne unnatürlich, als dass es eigentlich nur Energieverlust und Entropieverminderung bedeutet, wie Humor. Nur mal als kleiner Fingerzeig.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Dark Angel »

Bleibtreu hat geschrieben:(20 Nov 2017, 14:37)

Du macht dasselbe was Selina & Schoko treiben, eben nur aus der anderen Position, nicht weniger besessen. HIER geht es nicht um eine weiterfuehrende Diskussion ueber WAS ist eigentlich Kultur? hinaus. Wenn ihr alle so besessen seid ueber kulturelle Identitaet, IdentitaetsVerlust, RechtsKnaller oder gar den Zusammenbruch einer Kultur zu schwafeln, dann habt endlich die Eier einen Strang dazu aufzumachen. Es reicht mir bis Oben hin, dass kaum ein Strang, der auch nur in der Naehe dieser Thematik sein koennte, vor eurem LieblingsThema sicher ist. Es kotzt mich an, ueberall dasselbe Geseier zu lesen: In den Fluechtlings/KriminalitaetsStraengen - im AFD-Strang - in den ReligionsStraengen - in den IntegrationsStraengen usw. Kaum ein Thema ist vor eurer Besessenheit sicher. Haengt euch das nicht langsam selbst zum Hals heraus?! :mad: :dead:
Sorry, war und ist nicht meine Absicht, das Thema in die von dir vermutete Richtung zu lenken. :(
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Dark Angel hat geschrieben:(20 Nov 2017, 14:42)

Richtig - ich bin dann nicht mehr ich, wenn ich nicht mehr leben kann, wie ich es es gewöhnt bin, wenn ich in meinen Freiheiten, meinen Freiräumen in meiner Persönlichkeitsentfaltung eingeschränkt werde, wenn sich mein Lebensumfeld grundlegend verändert bzw verändert wird.
Identitätsverlust passiert dann, wenn die individuellen Erkenntnsse und Erfahrungen (das subjektive Innen) nicht mehr mit dem gesellschaftlichen Außen in Übereinstimmung zu bringen sind, wenn das subjektive Innen nicht mehr zum gesellschaftlichen Außen passt, wenn man sich (als Individuum) sozial neu verorten muss.
Identitätsverlust ist dann gegeben, wenn individuelle Selbstbestimmung durch gesellschaftliche Fremdbestimmung abgelöst werden.
Ganz klar und deutlich: Es existiert keine Fremdbestimmung. Grundsätzlich nicht. Niemand und keine Umstände könnten mich jemals "fremdbestimmen". Selbst, wenn man mich in den Knast steckt. Ich würde nur zu gern wissen, wie das überhaupt gehen soll: Fremdbestimmung.

Mir haben schon immer all die Leute Leid getan, die das Zwangssystem DDR-Gesellschaft nicht als Verhinderung irgendeines Auslebens von irgendwas sondern als "Fremdbestimmtheit" empfunden haben. Wie erbärmlich ist das denn? Lass ich mich vielleicht irgendwie "fremdbestimmen"?
Zuletzt geändert von schokoschendrezki am Mo 20. Nov 2017, 14:55, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Bleibtreu »

schokoschendrezki hat geschrieben:(20 Nov 2017, 14:47)

Nö. Und zwar deshalb, weil die Beantwortung der Frage, "was Kultur ist" in höchstem Maße trivial und einfach beantwortbar ist.

Man muss allerdings hinzusetzen, dass kaum etwas so spezifisch menschlich-kulturell ist, wie der Erhalt von Humor. Humor ist weitgehend zweckungerichtet. Wenn "Kultur" einfach alles Menschengemachte und nicht Naturgegebene ist ... kaum etwas ist derart menschengemacht und in dem Sinne unnatürlich, als dass es eigentlich nur Energieverlust und Entropieverminderung bedeutet, wie Humor. Nur mal als kleiner Fingerzeig.
Und wieder ueberfluessiges, hohles Geschwafel, um ja nicht darauf einzugehen und darueber nachzudenken, was hier diskussionstechnisch wie so oft im Argen liegt. Es ist einfach nur noch zum Kotzen! Ich bin hier aus dem Thema raus - spamt euch weiter in den StrangTod, mit dem ewig gleichen Geschwurbel. ENDE! :p
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Provokateur »

schokoschendrezki hat geschrieben:(20 Nov 2017, 14:51)

Ganz klar und deutlich: Es existiert keine Fremdbestimmung. Grundsätzlich nicht. Niemand und keine Umstände könnten mich jemals "fremdbestimmen". Selbst, wenn man mich in den Knast steckt. Ich würde nur zu gern wissen, wie das überhaupt gehen soll: Fremdbestimmung.

Mir haben schon immer all die Leute Leid getan, die das Zwangssystem DDR-Gesellschaft nicht als Verhinderung irgendeines Auslebens von irgendwas sondern als "Fremdbestimmtheit" empfunden haben. Wie erbärmlich ist das denn? Lass ich mich vielleicht irgendwie "fremdbestimmen"?
Oh, das ist hinzubekommen. Nimm Nordkorea. Mach, was du sollst - oder geh ins KZ.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Bleibtreu hat geschrieben:(20 Nov 2017, 14:55)

Und wieder ueberfluessiges, hohles Geschwafel, um ja nicht darauf einzugehen und darueber nachzudenken, was hier diskussionstechnisch wie so oft im Argen liegt. Es ist einfach nur noch zum Kotzen! Ich bin hier aus dem Thema raus - spamt euch weiter in den StrangTod, mit dem ewig gleichen Geschwurbel. ENDE! :p
Was hier "diskussionstechnisch" im Argen liegt, ist dasselbe, was auch in den meisten anderen Strängen im Argen liegt. Ein Mangel an Bereitschaft, fremde Argumente überhaupt erstmal wahrzunehmen und über andere Standpunkte als die eigenen mal nachzudenken zu versuchen.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben:(20 Nov 2017, 14:40)
Die Frage nach überhaupt der Existenz eines solchen Zusammenhangs muss aber erst mal gestellt werden. Wie soll man anders danach fragen als mit "warum". Nochmal: "Warum ist die Banane krumm" frag zunächst einmal, ob das Krummsein irgendeine systematische, regelmäßige, vorhersagbare Ursache hat. "Wie wird die Banane krumm" setzt einen solchen Zusammenhang bereits voraus. Der muss aber gar nicht gegeben sein.
Nochmal: Die Frage "Warum" verlangt eine Begründung und eine Begründung ist keine Erklärung.
Die Frage nach dem "WIE" fordert eine Erklärung des Prinzips von Ursache und Wirkung. Etwas passiert genau dann (Wirkung), wenn genau diese Voraussetzungen/Bedingungen gegeben sind. ==> hinreichend genau und zeitkernig gültig. Ergeben sich neue Erkenntnisse, wird die Erklärung a) modifiziert, erweitert oder b) es wird eine neue Erklärung gefunden bzw muss gefunden werden.
Die Frage "warum ist die Banane krumm" fordert eine Weil-Antwort, aus welcher sich wiederum eine Warum-Frage ergibt, die wiederum eine Weil-Antwort fordert. Da ist nichts systematisch, regelmäßig und vorhersagbar.
Vorhersagbare Ergebnisse liefern Erklärungen ==> "genau dann, wenn ..."

schokoschendrezki hat geschrieben:(20 Nov 2017, 14:40) Im Bereich des Politischen stellen sich solche Fragen noch weitaus häufiger. Warum fällt oder sinkt der Euro-Kurs. Warum sind die Jamaika-Sondierungen gescheitert. Es ist ganz entscheidend, ob sich darauf eine einigermaßen eindeutige Antwort finden lässt oder nicht. Sofort zustimmen würde ich Dir, wenns nur darum ginge, ob der Stand des Euro-Kurses oder der Ausgang der Jamaika-Verhandlungen irgendeinen gottgewollten Sinn hätten ... eigentlich zur Debatte steht jedoch die Frage, ob sich dies (überhaupt) auf eine benennbare Hauptursache zurückführen lässt. Und nur wenn "ja" kann man über ein Wie, Wo, Wann nachdenken.
Es ist wurscht wo die Warum-Fragen gestellt werden. Auch in der Politik kann die Frage nach dem Warum, nach dem Grund bis in alle Ewigkeit (unendlich) weiter geführt werden.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Provokateur hat geschrieben:(20 Nov 2017, 14:57)

Oh, das ist hinzubekommen. Nimm Nordkorea. Mach, was du sollst - oder geh ins KZ.
Nach Sartre: Nicht mal das geht irgendwie. Die Erfahrung habe ich zwar glücklicherweise nicht machen müssen. Aber ich verstehe perfekt, was mit seiner Existenzialismus-Philosophie eigentlich gemeint ist. Immer und überall vollkommen frei zu sein, ist nicht einfach eine erfreulich-erstaunliche Tatsache sondern ein zuweilen schwer zu ertragendes Schicksal. Eine Hineingeworfenheit. Eine anthropologische Grundkonstante.
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