Was ist eigentlich "Kultur"?

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BlueMonday
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von BlueMonday »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(15 Nov 2017, 09:48)

Die Fragestellung "Was ist eigentlich Kultur" ist eine zutiefst deutsche. Die deutsche Sprache ist sehr nominal- und damit absolut substanzlastig, während zum Beispiel das Englische eher verbal- und damit prozess-/funktionslastig ist. Das wirkt sich, da alles Denken sprachlich ist, natürlich aus, denn "was ist" giert nach abschließenden Definitionen, während "wie geht/funktioniert das" Beschreibungen verlangt..
Auch englisch sprechende Menschen fragen sich, was "culture" ist oder noch viel häufiger, was Kunst/art ist.
Das eigentliche Problem bei solchen Fragen ist oft die Hypostase/Reifikation, also dass man damit anfängt, nach den Begriffen als fassbare und wirksame Dinge zu suchen. Diese Dinge als wirksame Voraussetzung für etwas anderes, und gerade nicht als rein gedanklich folgendes Konstrukt, als Résumé von etwas längst Getanem und immer wieder Getanem, das man dann einen Namen gibt, damit man auch darüber sprechen kann.

So musste dann eine englisch denkende und sprechende Margaret Thatcher erst explizit zu ihren Landsleuten werden mit ihrem berühmten Satz: "There's no such thing as society". Und so sucht man auch nach einem Ding namens Kultur, und man findet es freilich nicht als etwas Fassbares, so wenig wie man die Gesellschaft, das Volk oder den Staat finden wird, dem man gegenübertreten könnte.

Also: man kann wohl etwas "kulturvoll" tun und dann im Gegensatz auch nicht. Das, was man ganz beiläufig, ohne jede Erwähnung, ohne jede Notiznahme, ohne jedes besondere Bewusstsein tut ... ist wohl kulturlos, alles andere kulturvoll.

Der Winter kommt, die Schleimhäute sind gereizt und in Bewegung, sondern Flüssigkeiten und Schleim ab. Und wie man sich nun diesem Schleim entledigt, dafür kann man eine Kultur entwickeln, also ein Bewusstsein, ein extra angefertiges Schnäuztuch, eine Kultur des Naseschnäuzens... oder man spuckt das Ganze achtlos und kulturlos aus oder schluckt es herunter, aus gedankenloser Notwendigkeit. Man kratzt sich, weil es kratzt. Oder man macht auch daraus eine (Gegen)Kultur, einen Kult.
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Selina
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(15 Nov 2017, 13:21)

Das sind aber zwei vollkommen unterschiedliche Kulturbegriffe. Der erste ist ein deskriptiver, der zweite stammt aus dem postmodernen Sozialkonstruktivismus und ist zu 100 % normativ konstruiert. Dort möchte man jeden Kulturbegriff durch normative Prämissen legitimieren oder entsprechend delegitimieren. Das entspricht dem Prinzip vom Primat des Normativen, was unwissenschaftlicher Unfug ist, in diesem Falle eine Art Prozesstheologie.
Könntest du bitte in verständlichen Worten sagen, was das bedeuten soll? Danke.
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Sextus Ironicus
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

BlueMonday hat geschrieben:(15 Nov 2017, 13:52)

Auch englisch sprechende Menschen fragen sich, was "culture" ist oder noch viel häufiger, was Kunst/art ist.
Tun sie, aber sie sind dabei weniger besessen vom substanziellen Verstehen, sondern konzentrieren sich mehr auf das prozessurale oder funktionale Verstehen. Ihre Sprache bietet ihnen da auch viel mehr Verbalisierungswerkzeuge.
BlueMonday hat geschrieben:(15 Nov 2017, 13:52)
Das eigentliche Problem bei solchen Fragen ist oft die Hypostase/Reifikation, also dass man damit anfängt, nach den Begriffen als fassbare und wirksame Dinge zu suchen. Diese Dinge als wirksame Voraussetzung für etwas anderes, und gerade nicht als rein gedanklich folgendes Konstrukt, als Résumé von etwas längst Getanem und immer wieder Getanem, das man dann einen Namen gibt, damit man auch darüber sprechen kann.

So musste dann eine englisch denkende und sprechende Margaret Thatcher erst explizit zu ihren Landsleuten werden mit ihrem berühmten Satz: "There's no such thing as society". Und so sucht man auch nach einem Ding namens Kultur, und man findet es freilich nicht als etwas Fassbares, so wenig wie man die Gesellschaft, das Volk oder den Staat finden wird, dem man gegenübertreten könnte.

Also: man kann wohl etwas "kulturvoll" tun und dann im Gegensatz auch nicht. Das, was man ganz beiläufig, ohne jede Erwähnung, ohne jede Notiznahme, ohne jedes besondere Bewusstsein tut ... ist wohl kulturlos, alles andere kulturvoll.

Der Winter kommt, die Schleimhäute sind gereizt und in Bewegung, sondern Flüssigkeiten und Schleim ab. Und wie man sich nun diesem Schleim entledigt, dafür kann man eine Kultur entwickeln, also ein Bewusstsein, ein extra angefertiges Schnäuztuch, eine Kultur des Naseschnäuzens... oder man spuckt das Ganze achtlos und kulturlos aus oder schluckt es herunter, aus gedankenloser Notwendigkeit. Man kratzt sich, weil es kratzt. Oder man macht auch daraus eine (Gegen)Kultur, einen Kult.
So, schauen wir mal, was mir hierzu einfällt.

Die eiserne Lady hat das Zitat, wenn ich mich recht erinnere, beim Hayek geklaut.

Ob man Volk, Gesellschaft usw. nicht findet, ihnen nicht gegenübertreten kann, weil man nichts Fassbares findet? Heißt das im Ergebnis: Es gibt keine Gesellschaft, kein Volk? Für Hayek und Thacher war das eine politische Frage, keine erkenntnistheoretische! Eine Gegenfrage lautet: Hat unser Sprechen einen Sinn? Verwirklichen wir also beispielsweise in einem Sprechakt etwas, was es ohne ihn nicht geben könnte, wie auch manche annehmen? Und was bedeutet "gegenübertreten"? Wenn jemand in der 30er-Zone 100 fährst, wird ihm der Staat in Form irgendeiner seiner Institutionen ggf. unabhängig von jedem Ding-Begriff gegenübertreten und zur Kasse bitten. Und unser Grundgesetz mag nun auch nicht von einem Ding sprechen, wenn es das Volk meint. Was genau es ist, ist dabei (erst einmal) egal.

Was den letzten Absatz angeht: Sehr nettes Beispiel, da zeigt sich der deutsche Pferdefuß des "Begriffes" (nicht zu verwechseln mit der Sache selbst). Hier kann man an Tausende von Begriffen den Begriff "Kultur" anhängen, um einer Sache eine Art höhere Bedeutung zu verleihen. Dieser rein sprachliche, meist irgendwelchen Interessen geschuldete Akt ist halt ein Teil der deutschen Kultur aufgrund unserer Sprache. Funktioniert nicht überall auf der Welt so.

Die Frage der Vergegenständlichung ist nun wieder rein philosophisch und würde wohl weit wegführen. Meine zitierte Definition und ein paar andere hier reichen als Grundlage wohl aus.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

Selina hat geschrieben:(15 Nov 2017, 14:41)

Könntest du bitte in verständlichen Worten sagen, was das bedeuten soll? Danke.
Kurz gesagt behaupte ich, dass der Kulturbegriff dort von einem Sollen abhängig gemacht wird. Das ist Religion.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(15 Nov 2017, 15:11)

Kurz gesagt behaupte ich, dass der Kulturbegriff dort von einem Sollen abhängig gemacht wird. Das ist Religion.
Kann ich nicht sehen. Dort wird einfach beschrieben, was es derzeit so gibt an Kulturbegriffen und wie der praktische Umgang mit ihnen ist. Das ist reine Beschreibung und Analyse des momentanen Ist-Zustandes, kein "Sollen". Daher nochmal der kurze Ausschnitt aus dem Zitat (Quelle hatte ich bereits angegeben):

"Einerseits trägt Kultur zur individuellen und kollektiven Identitätsbildung bei; andererseits gehen die für Kulturen kennzeichnenden Standardisierungen des Denkens, Fühlens und Handelns oft mit einer Ausgrenzung des Anderen einher. Der Kulturbegriff verleitet dazu, Kulturen zu stark als homogene Gemeinschaften wahrzunehmen und ihre interne Heterogenität zu vernachlässigen. Dem wirken neue Ansätze, die sich mit Inter-, Multi- und Transkulturalität beschäftigen, entgegen."
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

Selina hat geschrieben:(15 Nov 2017, 15:33)

Kann ich nicht sehen. Dort wird einfach beschrieben, was es derzeit so gibt an Kulturbegriffen und wie der praktische Umgang mit ihnen ist. Das ist reine Beschreibung und Analyse des momentanen Ist-Zustandes, kein "Sollen". Daher nochmal der kurze Ausschnitt aus dem Zitat (Quelle hatte ich bereits angegeben):

"Einerseits trägt Kultur zur individuellen und kollektiven Identitätsbildung bei; andererseits gehen die für Kulturen kennzeichnenden Standardisierungen des Denkens, Fühlens und Handelns oft mit einer Ausgrenzung des Anderen einher. Der Kulturbegriff verleitet dazu, Kulturen zu stark als homogene Gemeinschaften wahrzunehmen und ihre interne Heterogenität zu vernachlässigen. Dem wirken neue Ansätze, die sich mit Inter-, Multi- und Transkulturalität beschäftigen, entgegen."

Der Kulturbegriff verleitet dazu, Kulturen zu stark als homogene Gemeinschaften wahrzunehmen und ihre interne Heterogenität zu vernachlässigen. Dem wirken neue Ansätze, die sich mit Inter-, Multi- und Transkulturalität beschäftigen, entgegen.

Ich habe mal markiert. Also unmissverständlicher kann man doch nicht sagen, dass man moralischen Mängeln abhelfen möchte. Das heißt, Kultur soll nicht so beschrieben werden, wie sie wahrgenommen WIRD, sondern wie sie wahrgenommen werden SOLL. Das ist ja gut, wenn es so deutlich und ohne großes nebelkerziges Herumreden ausgesprochen wird. Das Sollen soll das Bewusstsein bestimmen, das ist das, was ich als säkulare Theologie bezeichne.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(15 Nov 2017, 16:03)

Der Kulturbegriff verleitet dazu, Kulturen zu stark als homogene Gemeinschaften wahrzunehmen und ihre interne Heterogenität zu vernachlässigen. Dem wirken neue Ansätze, die sich mit Inter-, Multi- und Transkulturalität beschäftigen, entgegen.

Ich habe mal markiert. Also unmissverständlicher kann man doch nicht sagen, dass man moralischen Mängeln abhelfen möchte. Das heißt, Kultur soll nicht so beschrieben werden, wie sie wahrgenommen WIRD, sondern wie sie wahrgenommen werden SOLL. Das ist ja gut, wenn es so deutlich und ohne großes nebelkerziges Herumreden ausgesprochen wird. Das Sollen soll das Bewusstsein bestimmen, das ist das, was ich als säkulare Theologie bezeichne.
Nochmal: Das ist schlicht eine Beschreibung/Analyse des Vorgefundenen. Und fasst im Übrigen auch gut zusammen, was hier oft diskutiert wird von einigen. Ein Kulturbegriff, der ausgrenzt, ist einfach nicht akzeptabel für aufgeklärte Menschen. Und um es mal auf eine praktische nachvollziehbare Ebene herunterzubrechen: Ich hab es immer schon als bereichernd empfunden, mit einer bunten Truppe von Leuten aus aller Herren Länder zusammenzusitzen, gemeinsam zu musizieren und Theater zu spielen statt immer nur mit den eigenen Landsleuten. Keine Kultur ist besser als die andere oder gar "mehr wert" als die andere, so dass sich daraus sowas Irrationales wie etwa eine "Leitkultur" erklären ließe.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

Selina hat geschrieben:(17 Nov 2017, 10:16)

Nochmal: Das ist schlicht eine Beschreibung/Analyse des Vorgefundenen. Und fasst im Übrigen auch gut zusammen, was hier oft diskutiert wird von einigen. Ein Kulturbegriff, der ausgrenzt, ist einfach nicht akzeptabel für aufgeklärte Menschen. Und um es mal auf eine praktische nachvollziehbare Ebene herunterzubrechen: Ich hab es immer schon als bereichernd empfunden, mit einer lustigen bunten Truppe von Leuten aus aller Herren Länder zusammenzusitzen, gemeinsam zu musizieren und Theater zu spielen als immer nur mit den eigenen Landsleuten. Keine Kultur ist besser als die andere oder gar "mehr wert" als die andere, so dass sich daraus der Anspruch einer "Leitkultur" erklären ließe.
Es ist für einen wissenschaftlichen Kulturbegriff vollkommen irrelevant. Aufgabe einer Beschreibung des Phänomens ist die Wirklichkeit wie sie ist, nicht wie sie sein soll. Und Leitkultur, wie ich erklärt hatte, ist ein politischer (Kampf)Begriff und kein Kulturbegriff. Du möchtest dass Kultur das ist, was sie nach deiner Meinung sein soll oder die Gültigkeit des Begriffes davon abhängig machen, welche Folgen das hätte.

Ich stelle mal zur Erklärung zwei Links ein:

https://de.wikipedia.org/wiki/Humes_Gesetz
https://bookofbadarguments.com/de/

(Seite 10 z.B.)
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(17 Nov 2017, 10:25)

Es ist für einen wissenschaftlichen Kulturbegriff vollkommen irrelevant. Aufgabe einer Beschreibung des Phänomens ist die Wirklichkeit wie sie ist, nicht wie sie sein soll. Und Leitkultur, wie ich erklärt hatte, ist ein politischer (Kampf)Begriff und kein Kulturbegriff. Du möchtest dass Kultur das ist, was sie nach deiner Meinung sein soll oder die Gültigkeit des Begriffes davon abhängig machen, welche Folgen das hätte.

Ich stelle mal zur Erklärung zwei Links ein:

https://de.wikipedia.org/wiki/Humes_Gesetz
https://bookofbadarguments.com/de/

(Seite 10 z.B.)
Nö, die Realität ist einfach so, das hat nix mit irgendwelchen Wünsche von mir zu tun. Schau dich um an den Theatern, Hochschulen, in den Bibliotheken, Forschungseinrichtungen und Uni-Kliniken, dort geht es nun mal sehr gemischt zu und keiner denkt im Ernst daran, andere auszugrenzen oder sich selbst für etwas Besseres zu halten. Im Gegenteil: Ohne das Know-how aus dem Ausland würden wir manchmal ganz schön alt aussehen. Das ist einfach der Stand der Dinge. Das wird auch ein kleines Häufchen Neurechter nicht mehr ändern können. Zum Glück.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Der primäre und wesentliche und objektiv gegebene gesellschaftliche Trend weltweit besteht darin, Kulturzugehörigkeiten aufzulösen. Völlig unabhängig davon, wie man das subjektiv bewertet. Daran besteht doch überhaupt kein Zweifel. Von der Jazzmusik bis hin zum Hollywood-Kino, vom Pizza-Lokal bis hin zum Yoga-Zentrum in jedem Winkel der Erde. Und ebensowenig Zweifel besteht daran, dass der Kulturzugehörigkeitswahn der letzten 10,20 Jahre im wesentlichen eine Gegenreaktion darauf ist. Es gibt aus meiner Sicht nur eine angemessene Reaktion darauf: Gelassen, distanziert und gleichzeitg kritisch als unabhängiger Beobachter daneben zu stehen.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Provokateur »

schokoschendrezki hat geschrieben:(17 Nov 2017, 10:41)
Der primäre und wesentliche und objektiv gegebene gesellschaftliche Trend weltweit besteht darin, Kulturzugehörigkeiten aufzulösen. Völlig unabhängig davon, wie man das subjektiv bewertet.
Das ist die eurozentrische und amerikozentrische Sichtweise. Allerdings wird sich mit dem (zwangsläufigen) Fall der amerikanischen Hochkultur (wann der erfolgt, ist fraglich, dass ein solcher Fall erfolgt, ist einen anthropologische Konstante) auch wieder der Drang zu "eigenen" Kulturen verstärken. Dass eine Hochkultur sämtliche Subkulturen überstrahlt, ist ja nichts neues, das Prinzip ist altbekannt.
Harry riss sich die Augen aus dem Kopf und warf sie tief in den Wald. Voldemort schaute überrascht zu Harry, der nun nichts mehr sehen konnte.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

Selina hat geschrieben:(17 Nov 2017, 10:31)

Nö, die Realität ist einfach so, das hat nix mit irgendwelchen Wünsche von mir zu tun. Schau dich um an den Theatern, Hochschulen, in den Bibliotheken, Forschungseinrichtungen und Uni-Kliniken, dort geht es nun mal sehr gemischt zu und keiner denkt im Ernst daran, andere auszugrenzen oder sich selbst für etwas Besseres zu halten. Im Gegenteil: Ohne das Know-how aus dem Ausland würden wir manchmal ganz schön alt aussehen. Das ist einfach der Stand der Dinge. Das wird auch ein kleines Häufchen Neurechter nicht mehr ändern können. Zum Glück.
Ok, um auch mal ein sauschlechtes Argument in Frageform zu bringen: Die indigenen Völker Amazoniens, wo es nicht gemischt zugeht, wie ist das dort? Keine Kultur? Kein Kulturbegriff möglich?

Und noch einmal: Du machst die Realität, auf die du dich berufst, rein von dem abhängig, was sein soll (vielfalt, bunt etc.)

Falls man weiterkommen möchte: Nimm doch mal meine Definition von Bourdieu und erläutere, was daran falsch ist.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Provokateur hat geschrieben:(17 Nov 2017, 10:50)

Das ist die eurozentrische und amerikozentrische Sichtweise. Allerdings wird sich mit dem (zwangsläufigen) Fall der amerikanischen Hochkultur (wann der erfolgt, ist fraglich, dass ein solcher Fall erfolgt, ist einen anthropologische Konstante) auch wieder der Drang zu "eigenen" Kulturen verstärken. Dass eine Hochkultur sämtliche Subkulturen überstrahlt, ist ja nichts neues, das Prinzip ist altbekannt.
Der Fall der amerikanischen Hochkultur hat ja schon begonnen ... Aber an die Stelle der USA als Übermacht sind internationale Riesenkonzerne getreten. Ich würde es eher als naturgesetzlich bezeichnen, dass sich lange gültige scheinbare anthropologische "Konstanten" als dann doch variabel erweisen. Die globale Vernetzung von heute ist die neue Wirklichkeit. Die ist nicht "altbekannt". Die gabs noch nicht.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Provokateur »

schokoschendrezki hat geschrieben:(17 Nov 2017, 10:57)

Der Fall der amerikanischen Hochkultur hat ja schon begonnen ... Aber an die Stelle der USA als Übermacht sind internationale Riesenkonzerne getreten. Ich würde es eher als naturgesetzlich bezeichnen, dass sich lange gültige scheinbare anthropologische "Konstanten" als dann doch variabel erweisen. Die globale Vernetzung von heute ist die neue Wirklichkeit. Die ist nicht "altbekannt". Die gabs noch nicht.
Das mit der Vernetzung ist richtig. Fraglich ist, ob sich hier ein nivellierender Impact eines erstmalig erscheinenden Globalismus bemerkbar macht oder ob die Gegentendenz, das "Othering" (welches ja sowohl bei Einzelpersonen als auch bei Gruppen zu beobachten ist) hier den dominierenden Part einnehmen wird.

Ob die amerikanische Hochkultur schon fällt - das stelle ich in Frage. Eine Hochkultur dominiert über mehrere Jahrhunderte. Amerika ist erst seit dem ersten Weltkrieg eine Weltmacht.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(17 Nov 2017, 10:53)

Ok, um auch mal ein sauschlechtes Argument in Frageform zu bringen: Die indigenen Völker Amazoniens, wo es nicht gemischt zugeht, wie ist das dort? Keine Kultur? Kein Kulturbegriff möglich?

Und noch einmal: Du machst die Realität, auf die du dich berufst, rein von dem abhängig, was sein soll (vielfalt, bunt etc.)

Falls man weiterkommen möchte: Nimm doch mal meine Definition von Bourdieu und erläutere, was daran falsch ist.
Ich weiß nicht. Für Bordieu ist Kultur ja "Kapital". Vor allem im Kampf um Aufstieg und Wohlstand. Das mag ja sogar stimmen. Aber welcher Anteil daran ist denn tatsächlich "volksbezogen". Was an logischem Denkvermögen, Kenntnissen in Java-Programmierung und so weiter ist auch nur irgendwie spezifisch für irgendeine Nation, Ethnie, Religion oder Weltregion.

Oder anders gefragt: Ist der wiederaufgelebte Rückbezug auf eine spezifische Kultur tatsächlich ein bewusstes kluges Ergreifen einer wirksamen Waffe oder nicht doch eher ein Ausdruck der Ohnmächtigkeit und der Flucht in die Vergangenheit angesichts der Globalisierung.

Ich würde auch noch mal dringend darauf hinweisen, dass zwischen "Kulturalismus" als "Rassismus ohne Rassen" und der schönen Buntheit des "Multikulturalismus" gar kein so wesentlicher Unterschied besteht. In beiden Fällen wird "Kultur" als essenziell und bestimmend gesehen. Wenn man schon das "Sein" anstelle des "Sollens" betont, würde ich mich als reales Zukunftsschicksal des Menschen eher auf ein "auf-sich-selbst-Gestelltsein" einrichten.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(17 Nov 2017, 10:41)

Der primäre und wesentliche und objektiv gegebene gesellschaftliche Trend weltweit besteht darin, Kulturzugehörigkeiten aufzulösen. Völlig unabhängig davon, wie man das subjektiv bewertet. Daran besteht doch überhaupt kein Zweifel. Von der Jazzmusik bis hin zum Hollywood-Kino, vom Pizza-Lokal bis hin zum Yoga-Zentrum in jedem Winkel der Erde. Und ebensowenig Zweifel besteht daran, dass der Kulturzugehörigkeitswahn der letzten 10,20 Jahre im wesentlichen eine Gegenreaktion darauf ist. Es gibt aus meiner Sicht nur eine angemessene Reaktion darauf: Gelassen, distanziert und gleichzeitg kritisch als unabhängiger Beobachter daneben zu stehen.
Genau. Du sagst es. Da sind vielfältige Prozesse schon so lange im Gange, als eine Art kulturelle Internationalisierung, die keiner aufhalten kann. Diese zunehmenden Verflechtungen auf vielen Gebieten zu beschreiben und zu diskutieren, fände ich zum Beispiel viel interessanter, als permanent so eine Nabelschau zu betreiben. "Kulturzugehörigkeitswahn", ja, das beschreibt es perfekt, was ich oben gemeint hatte.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

schokoschendrezki hat geschrieben:(17 Nov 2017, 11:37)

Wenn man schon das "Sein" anstelle des "Sollens" betont, würde ich mich als reales Zukunftsschicksal des Menschen eher auf ein "auf-sich-selbst-Gestelltsein" einrichten.
Das ist vermutlich die Klammer, die die Vertreter der Libertären und der ethischen Universalisten verbindet (Carolin Emcke ist hier die legitime Schwester von Ayn Rand) - wenn auch mit unterschiedlichen Interessenlagen, aber es läuft unterm Strich fürs Individuum hierauf hinaus. Aber daraus würde sich (woran ich ohnehin aus anthropologischer Skepsis heraus grundsätzlich zweifle) nur dann ein Frieden in der vollkommen Einfalt (kulturell) ergeben, wenn allgemeiner Wohlstand herrscht. Für mich reine Illusion. Die Möglichkeiten aus meiner Sicht sind ein Rückfall in die alten vorstaatlichen Clanstrukturen oder aber es gibt einen Egalitarismus, wie er beispielsweise in Margaret Atwoods "Der Report der Magd" beschrieben ist, wobei das digitale Zeitalter natürlich noch ganz andere Möglichkeiten der Totalitarität bietet.

Mir geht es beim Kulturbegriff nur darum, dass er helfen würde zu verstehen, wie man geworden ist, was man ist (die Gesellschaft in ihrer aktuellen Form, nicht der Einzelne). Aber sobald man die Realität eben unter diesen Sollensvorbehalt stellt, betreibt man Theologie oder Heilsgeschichte.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(17 Nov 2017, 12:30)

Das ist vermutlich die Klammer, die die Vertreter der Libertären und der ethischen Universalisten verbindet (Carolin Emcke ist hier die legitime Schwester von Ayn Rand) - wenn auch mit unterschiedlichen Interessenlagen, aber es läuft unterm Strich fürs Individuum hierauf hinaus. Aber daraus würde sich (woran ich ohnehin aus anthropologischer Skepsis heraus grundsätzlich zweifle) nur dann ein Frieden in der vollkommen Einfalt (kulturell) ergeben, wenn allgemeiner Wohlstand herrscht.
Die Separierungsbestrebungen etwa in Katalonien scheinen auf den ersten Blick eine Art Gemeinschaftsprojekt im Namen einer verbindenden Kultur und Sprache zu sein. Sie sind aber auch in nicht geringem Anteil eine Entsolidarisierung. Mit den etwas ärmeren Regionen Spaniens. Konsequent weitergedacht, wird sich diese Entsolidarisierung auch "innerkatalonisch" fortsetzen. Und in der Tendenz auf ein "auf-sich-selbst-Gestelltsein" wenn nicht vielleicht einzelner Individuen so doch - vielleicht ist der Ausdruck ja ganz richtig - einzelner Clans landen. Ich sage ja nicht, dass ich das uneingeschränkt positiv finde.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

schokoschendrezki hat geschrieben:(17 Nov 2017, 13:17)

Die Separierungsbestrebungen etwa in Katalonien scheinen auf den ersten Blick eine Art Gemeinschaftsprojekt im Namen einer verbindenden Kultur und Sprache zu sein. Sie sind aber auch in nicht geringem Anteil eine Entsolidarisierung. Mit den etwas ärmeren Regionen Spaniens. Konsequent weitergedacht, wird sich diese Entsolidarisierung auch "innerkatalonisch" fortsetzen.
Ja, den ökonomischen Aspekt sehe ich ebenso. Nüchtern betrachtet war halt "interessant", dass es trotz Berufung auf Kultur und Sprache sehr "unausgrenzerisch" gegen Nicht-Katalanisches war (kein Vergleich zu anderen nationalistischen Strömungen). Und die weitere nüchterne Botschaft ist: Sezession ist nur mit Gewalt durchzusetzen. Menke und Garcia Düttmann haben das schön formuliert:
die Demokratie kann nur dann eine lebendige sein, wenn sie ihren Ort auch außerhalb der Verfassung hat, dort, von wo aus allein Anstöße zu Verfassungsänderungen kommen können. So problematisch der Bezug zwischen einem Innen und einem Außen der Verfassung in der Demokratie sein mag, wenn sie sich gegen antidemokratische Tendenzen und bloße Willkür schützen will, so klar ist, dass ein Legalismus, der den Bezug auf die Demokratie jenseits der Verfassung einfach leugnet, sie bereits preisgegeben und Naturwüchsigkeit an die Stelle von Geschichte gesetzt hat.
(Quelle: http://www.zeit.de/2017/44/spanien-kata ... tie-europa

Aber die Entsolidarisierung wird sich in größeren oder kleineren Einheiten ohnehin fortsetzen. Wie könnte es auch anders sein, wenn jede Gruppenzugehörigkeit immer schon unter Generalverdacht gestellt wird?
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(17 Nov 2017, 13:50)
Aber die Entsolidarisierung wird sich in größeren oder kleineren Einheiten ohnehin fortsetzen. Wie könnte es auch anders sein, wenn jede Gruppenzugehörigkeit immer schon unter Generalverdacht gestellt wird?
Den Fingerzeig habe ich wohl verstanden ... :) Aber die Kausalrichtung ist umgekehrt. Gruppen werden, noch bevor man ihnen misstrauisch begegnet, immer schon vor einen ideologischen Karren gespannt: Vor dem Misstrauen gegenüber "Klassenbewusstsein" steht die Erfahrung des realen Sozialismus. Vor dem Misstrauen gegenüber Religionszugehörigkeit stehen Mittelalter, Inquisition und später die Ehe zwischen der protestantischen Ethik und dem Geist des Kapitalismus. Vor dem Misstrauen gegenüber Nationenzugehörigkeit steht der Nationalismus samt seinen Auswüchsen. Irgendwann ist Schluss und die Ablehnung von Gruppenzugehörigkeit könnte sich noch als sozusagen vorgreifende Inanspruchnahme und Besetzung der individualistischen Position erweisen, die (noch) mit humanistischem Inhalt ausgefüllt werden kann, bevor sie von der rabiaten Ökonomisierung ausgefüllt wird.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

schokoschendrezki hat geschrieben:(17 Nov 2017, 15:25)

Den Fingerzeig habe ich wohl verstanden ... :) Aber die Kausalrichtung ist umgekehrt. Gruppen werden, noch bevor man ihnen misstrauisch begegnet, immer schon vor einen ideologischen Karren gespannt: Vor dem Misstrauen gegenüber "Klassenbewusstsein" steht die Erfahrung des realen Sozialismus. Vor dem Misstrauen gegenüber Religionszugehörigkeit stehen Mittelalter, Inquisition und später die Ehe zwischen der protestantischen Ethik und dem Geist des Kapitalismus. Vor dem Misstrauen gegenüber Nationenzugehörigkeit steht der Nationalismus samt seinen Auswüchsen. Irgendwann ist Schluss und die Ablehnung von Gruppenzugehörigkeit könnte sich noch als sozusagen vorgreifende Inanspruchnahme und Besetzung der individualistischen Position erweisen, die (noch) mit humanistischem Inhalt ausgefüllt werden kann, bevor sie von der rabiaten Ökonomisierung ausgefüllt wird.
Mhm, ich würde das nicht rundum als vor ideologischen Karren spannen bezeichnen. Gruppen sind erst einmal schlicht eine anthropologische Geschichte, oder nicht? Das menschliche Erfolgsmodell basiert ja auf Kooperation (die Tomasello als Ursprung für die Moral setzt). Und im innersten Zirkel braucht man für die hierzu erforderliche Loyalität (mir gefällt dieser Begriff Michael Walzers besser als Moral) wenig ideologiefähige Beschreibung. Je weiter wir uns nach außen bewegen in dieser konzentrischen Anordnung, desto dichter werden die Beschreibungen (nach Walzers Modell), und je dichter die Beschreibungen desto stärker spielen Machtfragen (und damit Ideologiefragen) für die Durchsetzung/Erzwingung von Loyalität eine Rolle. Aber umgekehrt scheint es mir auch so, als würde die Ausmerzung von Gruppenzugehörigkeit aufgrund des Umstands ihrer Abgrenzungsbedürfnisse nicht nur alle Loyalitäten auflösen, sondern auch das größte Kapital zerstören, das erfolgreiche Gesellschaften/Gruppen aufweisen, nämlich das Vertrauen. Was man auch daran ablesen kann, dass Vertreter von sehr universalistischen Modellen eine umfassende Verrechtlichung von gesellschaftlichen Beziehungen anstreben, wobei, wie Rorty vor 25 Jahren schon festgestellt hat mit Blick auf seine Gesellschaft, nur noch Identitätspolitik betrieben wird, aber die sozialen, die ökonomischen Aspekte außen vor bleiben. Was kein Wunder ist angesichts derjenigen, die da zugange sind. Würde man Marx alte Lumpenproletariatsdefinition aufgreifen und modifizieren, müsste man diese Identitätspolitiker dem oberen Lumpenproletariat zuordnen. :D

Was die Ausfüllung individualistischer Positionen mit humanistischen Inhalten angeht, so hab ich mir neulich mal notiert: Einem Gedanken der Aufklärung zufolge ist der Mensch von Natur aus dumm und roh, aber erziehbar. Man braucht, selbst als möglicher Zweifler oder notorischer Pessimist, diese Vorstellung nicht in Bausch und Bogen zu verdammen, sie nicht grundsätzlich als Ammenmärchen abtun. Jedoch ließe sich die rein behavioristische Pointe der Hoffnung präzisieren und wieder auf ihre anthropologische Ebene stellen, indem man »erziehbar« durch »korrumpierbar« ersetzt.

Nach dem Ende des Wohlstands kehrt der Mensch wieder zu seinen Ursprüngen zurück.

Dann wird also entleert werden :D
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

Selina hat geschrieben:(17 Nov 2017, 11:49)

"Kulturzugehörigkeitswahn", ja, das beschreibt es perfekt, was ich oben gemeint hatte.
Bevor du überhaupt Mama oder Papa denken kannst, gehörst du schon zu einer Kultur. Alles, was du wirst, insbesondere in der Zeit in der sich dein Gehirn entwickelt, ist immer schon kulturell vermittelt, bevor es Gegenstand deines Nachdenkens werden kann. Ob Händeschütteln oder Rentenversicherung, ob Geschwindigkeitsbegrenzung oder Minirock, verganes Essen oder Rauchen, Weintrinken oder Robbenessen, du bewegst dich immer in einem ganz bestimmten kulturellen Horizont. Dass der nicht hermetisch abgeriegelt ist in einer von Mobilität geprägten Welt, ist dabei eine Binsenweisheit.

Dein Kulturbegriff ist ein vollkommen reduktionistischer, ein normativer, ein heilsgeschichtlicher. Er muss nicht empirisch belegt werden, sondern geglaubt werden. Aus genau diesem Grund hat sich die Kirche gegen Aufklärung und Wissenschaft gewehrt. Sie wusste, dass ihre naturrechtliche und normengestützte Weltsicht nicht zu halten war.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(17 Nov 2017, 18:28)

Bevor du überhaupt Mama oder Papa denken kannst, gehörst du schon zu einer Kultur. Alles, was du wirst, insbesondere in der Zeit in der sich dein Gehirn entwickelt, ist immer schon kulturell vermittelt, bevor es Gegenstand deines Nachdenkens werden kann. Ob Händeschütteln oder Rentenversicherung, ob Geschwindigkeitsbegrenzung oder Minirock, verganes Essen oder Rauchen, Weintrinken oder Robbenessen, du bewegst dich immer in einem ganz bestimmten kulturellen Horizont. Dass der nicht hermetisch abgeriegelt ist in einer von Mobilität geprägten Welt, ist dabei eine Binsenweisheit.

Dein Kulturbegriff ist ein vollkommen reduktionistischer, ein normativer, ein heilsgeschichtlicher. Er muss nicht empirisch belegt werden, sondern geglaubt werden. Aus genau diesem Grund hat sich die Kirche gegen Aufklärung und Wissenschaft gewehrt. Sie wusste, dass ihre naturrechtliche und normengestützte Weltsicht nicht zu halten war.
Meine Intentionen sind ganz andere. Selbstverständlich leben wir immer in bestimmten kulturellen Zusammenhängen, lernen oft in Gruppen (Elternhaus, Geschwister, Schulklasse, Seminar an der Hochschule etcpp), das ist ne Binse. Ich finde halt nur, dass diese Diskussion, die seit einigen Jahren über Kulturen und den "Kampf der Kulturen" geführt werden, immer auch gleichzeitig etwas mit Abgrenzung und Zensuren-Verteilen (um im Schulbild zu bleiben) zu tun haben. Hier kann man es seit Wochen nachlesen. Aber die verschiedenen Kulturen sind nun mal, wie sie sind, sie durchdringen sich global immer mehr und wenns gut läuft, befruchten sie auch einander. Und es gibt auch eine bestimmte "Kultur des Kapitals", die künstliche Grenzen errichtet, zwischen Arm und Reich, zwischen Leuten mit und ohne Chancen, zwischen Regionen mit Prosperität und abgehängten dahindämmernden Regionen usw.usf. Diese scheinbar kulturellen Widersprüche sind in Wahrheit also zutiefst ökonomische, die mit der jetzigen Form des Kapitalismus zu tun haben. Mit einem der vielen Kulturbegriffe kannst du diese Prozesse nicht adäquat beschreiben.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

Selina hat geschrieben:(17 Nov 2017, 18:48)

Meine Intentionen sind ganz andere. Selbstverständlich leben wir immer in bestimmten kulturellen Zusammenhängen, lernen oft in Gruppen (Elternhaus, Geschwister, Schulklasse, Seminar an der Hochschule etcpp), das ist ne Binse. Ich finde halt nur, dass diese Diskussion, die seit einigen Jahren über Kulturen und den "Kampf der Kulturen" geführt werden, immer auch gleichzeitig etwas mit Abgrenzung und Zensuren-Verteilen (um im Schulbild zu bleiben) zu tun haben. Hier kann man es seit Wochen nachlesen. Aber die verschiedenen Kulturen sind nun mal, wie sie sind, sie durchdringen sich global immer mehr und wenns gut läuft, befruchten sie auch einander. Und es gibt auch eine bestimmte "Kultur des Kapitals", die künstliche Grenzen errichtet, zwischen Arm und Reich, zwischen Leuten mit und ohne Chancen, zwischen Regionen mit Prosperität und abgehängten dahindämmernden Regionen usw.usf. Diese scheinbar kulturellen Widersprüche sind in Wahrheit also zutiefst ökonomische, die mit der jetzigen Form des Kapitalismus zu tun haben. Mit einem der vielen Kulturbegriffe kannst du diese Prozesse nicht adäquat beschreiben.
Nein, Begriffe sind nicht die Sache selbst, da stimme ich zu. Es gibt Tomaten und das Wort Tomate. Zum Kampf der Kulturen hatte ich auch schon geschrieben - Huntington hatte civilisation und nicht culture gesagt, aber leider machen wir im Deutschen die Differenzierung nicht analog zum Englischen. "Eine Kultur des Kapitals" gibt es auch nicht, das ist eine politische Metapher, mit der auf einen bestimmten, innerhalb der kulturellen Institutionen ablaufenden Prozess verwiesen wird. Und Prozesse des Abgrenzens und der Zensuren (sprich: des moralischen Urteilens) gibt es in allen Kulturen. Und um mein Anliegen noch einmal klar zu machen: Eigentlich möchte ich den Begriff der Kultur vor dem Zugriff des Politischen retten bzw. ihn nicht darauf reduzieren. Und alle, vom Nationalisten über den Liberalen bis zum Genderisten und Kommunisten, sind scharf darauf, zur Durchsetzung ihrer politischen Interessen Zugriff auf den Kulturbegriff zu bekommen. Aber Kultur ist viel mehr - sofern man sich nicht die Losung "Das Private ist politisch" zu eigen macht. Politik ist ein Teilbereich der Kultur.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(17 Nov 2017, 19:36)

Nein, Begriffe sind nicht die Sache selbst, da stimme ich zu. Es gibt Tomaten und das Wort Tomate. Zum Kampf der Kulturen hatte ich auch schon geschrieben - Huntington hatte civilisation und nicht culture gesagt, aber leider machen wir im Deutschen die Differenzierung nicht analog zum Englischen. "Eine Kultur des Kapitals" gibt es auch nicht, das ist eine politische Metapher, mit der auf einen bestimmten, innerhalb der kulturellen Institutionen ablaufenden Prozess verwiesen wird. Und Prozesse des Abgrenzens und der Zensuren (sprich: des moralischen Urteilens) gibt es in allen Kulturen. Und um mein Anliegen noch einmal klar zu machen: Eigentlich möchte ich den Begriff der Kultur vor dem Zugriff des Politischen retten bzw. ihn nicht darauf reduzieren. Und alle, vom Nationalisten über den Liberalen bis zum Genderisten und Kommunisten, sind scharf darauf, zur Durchsetzung ihrer politischen Interessen Zugriff auf den Kulturbegriff zu bekommen. Aber Kultur ist viel mehr - sofern man sich nicht die Losung "Das Private ist politisch" zu eigen macht. Politik ist ein Teilbereich der Kultur.
Das ist schon klar, dass es keine "Kultur des Kapitals" gibt, hier dienen die Anführungszeichen, die ich setzte, der Ironisierung. Wenn schon, dann müsste es "Unkultur des Kapitals" heißen :D Die Aussage "Politik ist ein Teilbereich der Kultur" kann man so und so bewerten. Nimmst du den weiteren Kulturbegriff, könnte man sie gelten lassen. Der engere Kulturbegriff schließt dagegen die Politik nicht mit ein.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von unity in diversity »

Selina hat geschrieben:(17 Nov 2017, 20:02)

Das ist schon klar, dass es keine "Kultur des Kapitals" gibt, hier dienen die Anführungszeichen, die ich setzte, der Ironisierung. Wenn schon, dann müsste es "Unkultur des Kapitals" heißen :D Die Aussage "Politik ist ein Teilbereich der Kultur" kann man so und so bewerten. Nimmst du den weiteren Kulturbegriff, könnte man sie gelten lassen. Der engere Kulturbegriff schließt dagegen die Politik nicht mit ein.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

Selina hat geschrieben:(17 Nov 2017, 20:02)

Das ist schon klar, dass es keine "Kultur des Kapitals" gibt, hier dienen die Anführungszeichen, die ich setzte, der Ironisierung. Wenn schon, dann müsste es "Unkultur des Kapitals" heißen :D Die Aussage "Politik ist ein Teilbereich der Kultur" kann man so und so bewerten. Nimmst du den weiteren Kulturbegriff, könnte man sie gelten lassen. Der engere Kulturbegriff schließt dagegen die Politik nicht mit ein.
Den engeren Kulturbegriff in dem Sinne gibt es nicht. Alles Handeln, alle Institutionen sind Teil der Kultur. Es gibt kein "Außen" der Kultur. Unser GG in seinen Maximen ist ebenso ein Ausdruck der Kultur wie die Art, wie wir einander im Leben jenseits des Politischen begegnen und uns die hand geben zur Begrüßung oder dabei die Hände vorm Körper falten. Und "Unkultur" ist ein moralisches Urteil auf Basis deiner Moral/Wertvorstellungen. Das ist erneut so ein Beispiel, wo etwas, was (nicht) sein soll, angeblich (nicht) ist. Das ist wieder Theologie, säkulare halt.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(17 Nov 2017, 21:56)

Den engeren Kulturbegriff in dem Sinne gibt es nicht. Alles Handeln, alle Institutionen sind Teil der Kultur. Es gibt kein "Außen" der Kultur. Unser GG in seinen Maximen ist ebenso ein Ausdruck der Kultur wie die Art, wie wir einander im Leben jenseits des Politischen begegnen und uns die hand geben zur Begrüßung oder dabei die Hände vorm Körper falten. Und "Unkultur" ist ein moralisches Urteil auf Basis deiner Moral/Wertvorstellungen. Das ist erneut so ein Beispiel, wo etwas, was (nicht) sein soll, angeblich (nicht) ist. Das ist wieder Theologie, säkulare halt.
Naja, da biste schon etwas frei in der Interpretation meiner Worte. Ich finde einfach, du überbetonst die Rolle der Kultur.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von PeterK »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(17 Nov 2017, 21:56) Alles Handeln, alle Institutionen sind Teil der Kultur.
Das ist - bezogen auf das Handeln - falsch.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

Selina hat geschrieben:(17 Nov 2017, 22:55)

Naja, da biste schon etwas frei in der Interpretation meiner Worte. Ich finde einfach, du überbetonst die Rolle der Kultur.
Kannst du mal ein Beispiel für menschliches Handeln geben, das außerhalb eines kulturellen Kontextes vollzogen werden kann?
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

PeterK hat geschrieben:(17 Nov 2017, 23:05)

Das ist - bezogen auf das Handeln - falsch.
Dann lässt sich das begründen. Alles, was falsch ist, ist falsch aus einem Grund.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(18 Nov 2017, 00:40)

Kannst du mal ein Beispiel für menschliches Handeln geben, das außerhalb eines kulturellen Kontextes vollzogen werden kann?
Alles menschliche Handeln hat selbstverständlich auch etwas mit Kultur im weiteren Sinne zu tun. Mein Ansatz ist nur ein anderer: Ich glaube nicht, dass die Kultur alleine über den Fortschritt oder Rückschritt in einer Gesellschaft entscheidet, sondern dass dafür viele Faktoren zusammenkommen müssen. Beispiel: In Verhältnissen, wo die Leute keine Zeit mehr haben, ihre Arbeitskraft zu reproduzieren, werden sie "auf Verschleiß gefahren". In Verhältnissen, wo sie sich quasi arm arbeiten, nutzt ihnen die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kultur gar nichts. Höchstens für den Moment, wo man ihnen einredet, sie seien in dieser oder jener "kulturellen" Gruppe oder Verbindung stark und selbstbewusst und könnten mit ihr auch politisch und damit schließlich auch ökonomisch und sozial etwas für sich erreichen, erfüllt diese Kultur-Bezogenheit mal einen kurzlebigen Zweck. Bis die Leute dann merken, dass sie da irgendjemandem mächtig auf den Leim gegangen sind. Weil sich nichts ändert für sie, sich ihr Leben nicht verbessert. Im Gegenteil.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Selina hat geschrieben:(17 Nov 2017, 22:55)

Naja, da biste schon etwas frei in der Interpretation meiner Worte. Ich finde einfach, du überbetonst die Rolle der Kultur.
ich beobachte eure Diskussion schon ein Weilchen. Mein Eindruck. Du verlierst in der Diskussion. Nicht weil du Unrecht hast, sondern weil du dich einfach nicht auf das einlässt, was andere sagen ... er hingegen schon ...

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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

3x schwarzer Kater hat geschrieben:(18 Nov 2017, 01:12)

ich beobachte eure Diskussion schon ein Weilchen. Mein Eindruck. Du verlierst in der Diskussion. Nicht weil du Unrecht hast, sondern weil du dich einfach nicht auf das einlässt, was andere sagen ... er hingegen schon ...

Meine Meinung ....
Ja, so etwas kann durchaus vorkommen bei stark divergierenden Ansichten, dass der Eindruck entsteht, man rede aneinander vorbei oder einer ließe sich nicht genügend auf den anderen ein. Das gibt es an anderen Stellen im Forum ebenfalls. Wie ist denn deine Meinung zum Thema? Welchen der verschiedenen Kulturbegriffe bevorzugst du und warum?
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Selina hat geschrieben:(18 Nov 2017, 08:19)

Ja, so etwas kann durchaus vorkommen bei stark divergierenden Ansichten,
Sich den Kulturbegriff deskriptiv oder normativ zu nähern sind ja keine divergierenden Ansichten sondern nur verschiedene Sichtweisen auf ein und das selbe Thema. Durchaus auch sehr hilfreich seine eigene Einstellung zu dem Thema zu reflektieren. Er hat das ja erkannt und dir auch erklärt. Das wäre ja mal was, was man einfach so annehmen könnte und von da aus auch mal weiterdiskutieren könnte, wenn man einfach mal darüber nachdenkt.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

3x schwarzer Kater hat geschrieben:(18 Nov 2017, 08:48)

Sich den Kulturbegriff deskriptiv oder normativ zu nähern sind ja keine divergierenden Ansichten sondern nur verschiedene Sichtweisen auf ein und das selbe Thema. Durchaus auch sehr hilfreich seine eigene Einstellung zu dem Thema zu reflektieren. Er hat das ja erkannt und dir auch erklärt. Das wäre ja mal was, was man einfach so annehmen könnte und von da aus auch mal weiterdiskutieren könnte, wenn man einfach mal darüber nachdenkt.
Ich gehe einfach von einer Beschreibung des Ist-Zustandes aus. Das ist dann wohl eher "deskriptiv". Das "normative Annähern" ans Thema wird mir nur immer unterstellt; ich widersprach da schon mehrfach. Da existiert halt überall eine große Vielfalt an ausländischen Einflüssen und Gegebenheiten, die nicht mehr wegzudenken sind aus unserem Leben. Kulturen verschmelzen und vermischen sich. Und das überall rund um den Globus. Das ist nunmal objektiv so und hat nichts damit zu tun, was sich der eine oder andere zum Thema so denkt. Schau dir die Universitäten, Kliniken, künstlerischen Einrichtungen und Institute an, dort ist die Internationalisierung schon lange an der Tagesordnung. Ich glaube nicht, dass dort einer wieder zurück will in die 50er oder 60er Jahre. Aber du hast meine Frage nicht beantwortet: Welchen Kulturbegriff bevorzugst du selbst?
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(18 Nov 2017, 01:03)

Alles menschliche Handeln hat selbstverständlich auch etwas mit Kultur im weiteren Sinne zu tun. Mein Ansatz ist nur ein anderer: Ich glaube nicht, dass die Kultur alleine über den Fortschritt oder Rückschritt in einer Gesellschaft entscheidet, sondern dass dafür viele Faktoren zusammenkommen müssen. Beispiel: In Verhältnissen, wo die Leute keine Zeit mehr haben, ihre Arbeitskraft zu reproduzieren, werden sie "auf Verschleiß gefahren". In Verhältnissen, wo sie sich quasi arm arbeiten, nutzt ihnen die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kultur gar nichts. Höchstens für den Moment, wo man ihnen einredet, sie seien in dieser oder jener "kulturellen" Gruppe oder Verbindung stark und selbstbewusst und könnten mit ihr auch politisch und damit schließlich auch ökonomisch und sozial etwas für sich erreichen, erfüllt diese Kultur-Bezogenheit mal einen kurzlebigen Zweck. Bis die Leute dann merken, dass sie da irgendjemandem mächtig auf den Leim gegangen sind. Weil sich nichts ändert für sie, sich ihr Leben nicht verbessert. Im Gegenteil.
Alles was du beschreibst IST Kultur. Ist Bestandteil einer ganz bestimmten Kultur.
Du machst nur immer wieder den gleichen Fehler - du wertest, du unterliegst immer wieder dem Sein-Sollen-Fehlschluss.
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

Nein, ich werte nicht. Ich beschreibe. Aber selbstverständlich beschreibe ich die Verhältnisse und Gegebenheiten auf eine andere Art und Weise, als das etwa sehr konservative oder gar rechtspopulistische Menschen tun. Einen völlig neutralen Kulturbegriff, der nichts mit den jeweils herrschenden Verhältnissen zu tun hat, gibt es nicht. Je nach Sozialisation, Interessenlage und je nach sozialer Stellung wird jeder den Kulturbegriff anders erläutern. Fast nichts ist so stark interpretierbar wie der Kulturbegriff. Daher stürzen sich ja Leute jeglicher Couleur so intensiv und voller Begeisterung auf diesen Begriff. Im Moment ist er allerdings eines der Lieblingsthemen der Neuen Rechten. Warum? Weil man mit dem Kulturbegriff Ab- und Ausgrenzung betreiben kann. Interessant ist die folgende Beschreibung eines ganz bestimmten Kulturverständnisses. Nur zur Verdeutlichung:

Zitat:

Die AfD bekennt sich zur deutschen Leitkultur. Diese fußt auf den Werten des Christentums, der Antike, des Humanismus und der Aufklärung. Sie umfasst neben der deutschen Sprache auch unsere Bräuche und Traditionen, Geistes- und Kulturgeschichte. Damit eng verbunden sind unser liberaler Rechtsstaat, unsere Wertschätzung von Bildung, Kunst und Wissenschaft sowie die soziale Marktwirtschaft als Ausdruck menschlicher Kreativität und Schaffenskraft. Die Ideologie des Multikulturalismus gefährdet alle diese kulturellen Errungenschaften. „Multi-Kultur“ ist Nicht-Kultur. Sie löst die Gemeinschaft auf und befördert die Entstehung von Parallelgesellschaften. Dauerhafte existierende Parallelgesellschaften führen sehr oft zu innenpolitischen Konflikten und können letztlich sogar den Zerfall eines Staates bewirken. Die AfD wird nicht zulassen, dass Deutschland aus falsch verstandener Toleranz sein kulturelles Gesicht verliert.

https://www.afd.de/wp-content/uploads/s ... 210717.pdf
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Selina hat geschrieben:(18 Nov 2017, 09:25)

Ich gehe einfach von einer Beschreibung des Ist-Zustandes aus. Das ist dann wohl eher "deskriptiv".
Den beurteilst du aber und das geht ja primär über eine rein deskriptive Betrachtung hinaus.
Aber du hast meine Frage nicht beantwortet: Welchen Kulturbegriff bevorzugst du selbst?
.

Das steht auch nicht zur Debatte. Ich bin auch nur zufällig hier reingekommen. Mich interessiert die Diskussion wenig. Zumindest nicht in der Art wie sie hier diskutiert wird oder wie sie der Threaderöffner ins Spiel gebracht hat.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(18 Nov 2017, 10:00)

Nein, ich werte nicht. Ich beschreibe. Aber selbstverständlich beschreibe ich die Verhältnisse und Gegebenheiten auf eine andere Art und Weise, als das etwa sehr konservative oder gar rechtspopulistische Menschen tun. Einen völlig neutralen Kulturbegriff, der nichts mit den jeweils herrschenden Verhältnissen zu tun hat, gibt es nicht.

Doch du wertest, du beschreibst nicht. Du begehst nicht nur Sein-Sollen-Fehlschlüsse, sondern auch informelle und du greifst immer wieder auf Argumentum ad hominem zurück - "das sagen rechtspopulistische Menschen (wobei DU festlegst, wer rechtspopulistisch ist) und was die sagen, das muss falsch sein"
Es gibt sehr wohl einen neutralen Kulturbegriff und genau diesen Kulturbegriff benutze ich und habe ich versucht diesen zu erläutern und diesen Kulturbegriff benutzt der User Sextus Ironicus und versucht ihn dir zu erläutern.
Du gehst mit keiner Silbe darauf ein, sondern leierst dein Mantra runter und bedienst dich dabei aller schlechten Argumente, deren sich man nur bedienen kann.
Es gibt nichts außerhalb von Kultur! Das, was du angeblich beschreibst, die "herrschenden Verhältnisse" sind Bestandteil einer Kultur und zwar einer ganz bestimmten. "Herrschende Verhältnisse existieren nicht azßerhalb von Kultur und bestimmen diese auch nicht, sondern sind Bestandteil dieser Kultur und haben sich IN dieser Kultur überhaupt erst entwickelt.
Niemand hat bestritten, dass Kulturen externe Einflüsse aufnehmen und miteinander wechselwirken, aber Kulturen vermischen sich nicht, sie werden zu keinem Einheitsbrei, sondern behalten immer ihre Spezifica, die auf unterschiedlichen Usprüngen und Wurzeln basieren.
Wir sprechen hier darüber was Kultur ist, also kannst du dein Strohmannargument mit der "Leitkultur" mal langsam in die Tonne treten.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Dark Angel »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(17 Nov 2017, 19:36)
Aber Kultur ist viel mehr - sofern man sich nicht die Losung "Das Private ist politisch" zu eigen macht. Politik ist ein Teilbereich der Kultur.
Genau diese Losung hat Userin Selina verinnerlicht und aus dieser Perspektive heraus "diskutiert" sie.
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

Selina hat geschrieben:(17 Nov 2017, 18:48)

Meine Intentionen sind ganz andere. Selbstverständlich leben wir immer in bestimmten kulturellen Zusammenhängen, lernen oft in Gruppen (Elternhaus, Geschwister, Schulklasse, Seminar an der Hochschule etcpp), das ist ne Binse. Ich finde halt nur, dass diese Diskussion, die seit einigen Jahren über Kulturen und den "Kampf der Kulturen" geführt werden, immer auch gleichzeitig etwas mit Abgrenzung und Zensuren-Verteilen (um im Schulbild zu bleiben) zu tun haben.
Selbstverständlich haben Kulturen immer etwas mit "Abgrenzung" zu tun - woher würdest du den Plural nehmen, wenn das nicht so wäre? Ich hatte es schon einmal erwähnt: Am Anfang aller Erkenntnis steht die Einsicht, dass etwas dieses und nicht jenes ist (Liessmann).
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Billie Holiday »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(18 Nov 2017, 10:59)

Selbstverständlich haben Kulturen immer etwas mit "Abgrenzung" zu tun - woher würdest du den Plural nehmen, wenn das nicht so wäre? Ich hatte es schon einmal erwähnt: Am Anfang aller Erkenntnis steht die Einsicht, dass etwas dieses und nicht jenes ist (Liessmann).
Mit monokulturellen Parallelgesellschaften innerhalb Deutschlands, die Einheimische ausgrenzen, hat sie übrigens keinerlei Probleme. :cool:
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unity in diversity
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von unity in diversity »

Billie Holiday hat geschrieben:(18 Nov 2017, 11:04)

Mit monokulturellen Parallelgesellschaften innerhalb Deutschlands, die Einheimische ausgrenzen, hat sie übrigens keinerlei Probleme. :cool:
Das ist die angewandte Form von Samuel Huntingtons "Kampf der Kulturen".
Vor allem Linksliberale fallen leicht auf die invasive Standortpolitik Dritter herein.
Für jedes Problem gibt es 2 Lösungsansätze:
Den Falschen und den Unsrigen.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von PeterK »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(18 Nov 2017, 00:41)
Dann lässt sich das begründen. Alles, was falsch ist, ist falsch aus einem Grund.
Korrekt: Viele Handlungsweisen des Menschen entspringen der Natur, nicht der Kultur ;).
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

PeterK hat geschrieben:(18 Nov 2017, 11:26)

Korrekt: Viele Handlungsweisen des Menschen entspringen der Natur, nicht der Kultur ;).
Aber Ihre Bedeutung ergibt sich ggf. nur aus dem kulturellen Kontext.

Doch um meinen Ausgangssatz zu verbessern: Ich ersetze "Handeln" durch "Interaktion", damit wir das Kopfkratzen nicht kulturell aufladen müssen. ;)
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von think twice »

Billie Holiday hat geschrieben:(18 Nov 2017, 11:04)

Mit monokulturellen Parallelgesellschaften innerhalb Deutschlands, die Einheimische ausgrenzen, hat sie übrigens keinerlei Probleme. :cool:
Och, fuehlst du dich von den Libanesen-Clans ausgegrenzt? :(
Duldsamkeit heißt nicht, dass ich auch billige, was ich dulde.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

Solange ein Kulturbegriff den emanzipatorischen, freien und liberalen Ansatz von Kultur beschreibt, können sich halt die meisten Menschen mit ihm identifizieren. Weil dieser Kulturbegriff ihren Alltagserfahrungen entspricht. Sobald aber eine "gewisse Homogenität im Volk" (Götz Kubitschek) gefordert wird und im Mittelpunkt aller kulturellen Bestrebungen der Schutz des "Eigenen" vor dem "Fremden" steht, dann sträuben sich eben vielen die Nackenhaare. Und das zurecht. Und wenn dann noch als Krönung die Kultur so etwas wie die "nationale, deutsche Identität" zum Ausdruck bringen soll, wie ich es auch schon las, dann wirds einfach nur noch albern.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von unity in diversity »

Selina hat geschrieben:(18 Nov 2017, 12:36)

Solange ein Kulturbegriff den emanzipatorischen, freien und liberalen Ansatz von Kultur beschreibt, können sich halt die meisten Menschen mit ihm identifizieren. Weil dieser Kulturbegriff ihren Alltagserfahrungen entspricht. Sobald aber eine "gewisse Homogenität im Volk" (Götz Kubitschek) gefordert wird und im Mittelpunkt aller kulturellen Bestrebungen der Schutz des "Eigenen" vor dem "Fremden" steht, dann sträuben sich eben vielen die Nackenhaare. Und das zurecht. Und wenn dann noch als Krönung die Kultur so etwas wie die "nationale, deutsche Identität" zum Ausdruck bringen soll, wie ich es auch schon las, dann wirds einfach nur noch albern.
In einer offenen Zivilgesellschaft, kann es sein, daß sich verschiedene Kulturen überlagern.
Daraus ergeben sich Anknüpfungspunkte, Differenzen, oder gar Ausschlüsse.
Kultur ist dann eventuell, wie man damit umgeht?
Für jedes Problem gibt es 2 Lösungsansätze:
Den Falschen und den Unsrigen.
Aus den USA.
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Selina
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

unity in diversity hat geschrieben:(18 Nov 2017, 12:47)

In einer offenen Zivilgesellschaft, kann es sein, daß sich verschiedene Kulturen überlagern.
Daraus ergeben sich Anknüpfungspunkte, Differenzen, oder gar Ausschlüsse.
Kultur ist dann eventuell, wie man damit umgeht?
Ja, damit kann ich leben.
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