Was ist eigentlich "Kultur"?

Moderator: Moderatoren Forum 8

Benutzeravatar
Billie Holiday
Vorstand
Beiträge: 31358
Registriert: Mi 11. Jun 2008, 11:45
user title: Mein Glas ist halbvoll.
Wohnort: Schleswig-Holstein, meerumschlungen

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Billie Holiday »

Keoma hat geschrieben:(09 Sep 2017, 15:17)

Broder darf, der hat meine Erlaubnis.
In kleinen Dingen bist Du großzügig. :cool:
„Wer mich beleidigt, bestimme ich.“ (Klaus Kinski)

„Just because you’re offended, doesn’t mean you’re right.“ (Ricky Gervais)
Benutzeravatar
schelm
Beiträge: 19764
Registriert: Sa 22. Aug 2009, 00:29
user title: Je suis Köterrasse
Wohnort: Thüringen

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schelm »

Perdedor hat geschrieben:(08 Sep 2017, 19:36)

Inwiefern? Die Musik, die ich gerne höre, ist nicht von meinen Eltern gemacht. Genaugenommen haben diese sogar einen ganz anderen Geschmack.
Manche meiner Hobbies sind fernöstlichen Ursprungs und wurden nicht von meinen Eltern verfolgt.
Sicherlich teile ich auch einiges mit meinen Eltern, allerdings gleichzeitig mit unverwandten Menschen aus aller Welt.
Auch in Anbetracht meiner obigen Einwände ergeben deine bisherigen Ausführungen zum Begriff "Kultur" für mich noch kein klares Bild.
Bestimmte Dinge teilen oder von ihnen kulturell geprägt sein sind zwei paar Schuhe. Du kannst etwas intensiver teilen als jemand der davon kulturell geprägt wurde, ohne es wirklich zu erfassen, nachzuempfinden. Im Prinzip erinnert mich deine Aussage an Jurassic Park, der Vorwurf der Paläontologin : Sie haben die Pflanzen ausgesucht, weil sie hübsch aussehen (...)

Um es am Beispiel zu verdeutlichen : Selbst wenn du Weihnachten ablehnen würdest, es dich nicht interessiert, du dich für ferner davon als jeder andere Bewohner des Planeten hältst, so bist du als Mitteleuropäer um Lichtjahre näher daran durch einen winzigen Moment sich nicht entziehender und verstehender Andacht, als jeder davon kulturferne, spontan Mitfeiernde, weil die Lichter so schön bunt sind, die Musik ihm gefällt etc.

Ähnlich ging es mir bei einer Zahntempel - Zeremonie in Kandy, Sri Lanka. Wunderschön anzusehn, die geschmückten Elefanten, die rhythmischen Trommeln etc. Trotzdem ist es mir nicht möglich in die Seele dieser Dinge einzudringen, ohne von dieser Kultur geprägt zu sein, im Gegensatz zu jedem Einheimischen dort, auch wenn ihm im Einzelfall die Zeremonie nicht interessiert.
Denk ich an D in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht, Heinrich Heine.
Benutzeravatar
unity in diversity
Beiträge: 10327
Registriert: So 21. Dez 2014, 09:18
user title: Links oben, unten rechts
Wohnort: Deutschland drunter & drüber

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von unity in diversity »

Billie Holiday hat geschrieben:(09 Sep 2017, 15:28)

Aha, und wie unterscheidet die sich so von anderen?
Also ich bin auch durch mein ganzes Umfeld geprägt, kann nicht behaupten, dass mein Alltag sich besonders unterscheidet von anderen.
Das ist richtig. Man lebt ja auf keiner Insel.
Es gibt Menschen, an denen ich vorbeigehe und von allein käme ich nicht auf die Idee, Kontakt zu suchen.
Es kann aber sein, daß ich mich spontan irgendwo dazusetze, wenn mir die Gruppe sympathisch vorkommt. Das ist anregend und ich habe mich selten getäuscht.
Menschen, deren Leben von ihrer Religion bzw. einer festgefügten Weltanschauung bestimmt wird, finden keinen Zugang zu mir. Mit denen kann ich nichts anfangen. Ich mache das auch deutlich, wenn es sein muß. Ich umgebe mich gern mit Menschen, aber nicht mit allen.
Neugier ist ja ein Merkmal, mit dem alle Menschen leben, oder Aufgeschlossenheit. Damit erschließt man sich andere Kulturen, aber wie schnell, möchte ich entscheiden.
Für jedes Problem gibt es 2 Lösungsansätze:
Den Falschen und den Unsrigen.
Aus den USA.
Benutzeravatar
Perdedor
Beiträge: 3462
Registriert: Do 5. Jun 2008, 23:08

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Perdedor »

Zunder hat geschrieben: Musik gehört zweifellos zur Kultur. Egal welche Musik - sie ist immer in eine Kultur eingebettet.
Die Frage wäre dann:
Gehört die Musik die ICH höre dann ggf nicht mehr zu meiner Kultur?
Und weiter gedacht: Gehört die Musik, welche die Menschen eines Kulturkreises hören ggf nicht zu ihrem Kulturkreis?
Zunder hat geschrieben: Musik gehört zur Kultur, bestimmte Musik gehört zu einer bestimmten Kultur.
Da besteht kein Widerspruch.
D.h. du vertrittst die rein historische Sichtweise?
Zur französischen Kultur gehört, was Franzosen in der Verangenheit hervorgebracht haben. Und wenn alle heutigen Franzosen eine andere Musik hören (rein hypothetisch) existiert die französische Kultur zwar weiter, wird aber nicht mehr gelebt? Die heutigen Franzosen sind dann Begründer der französischen Kultur 2.0?

@schelm: Diskussionswürdiger Beitrag. Werde aufgrund Zeitmangels evtl später darauf eingehen.
Arbeit. Leben. Zukunft.
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Zunder hat geschrieben:(09 Sep 2017, 14:43)
Musik gehört zur Kultur, bestimmte Musik gehört zu einer bestimmten Kultur.
Da besteht kein Widerspruch.
Eine solche Zuordnung ist bereits bei der vielleicht nach Klassik wichtigsten Rubrik, dem Jazz nicht mehr möglich. In ihm verbinden sich sowohl ursprünglich afrikanische Elemente wie auch europäische oder europäisierte, "kreolische" insbesondere. Und im weiteren wirkte er wieder von Nordamerika zurück nach Europa und Afrika. Und das ist nicht einfach ein Neben- sondern ein Hauptaspekt dieser Richtung.

Es gibt platterdings immer Teile von Kultur die Menschengruppen gemeinsam haben. Ganz abstrakt gesagt. So wie zwei Menschen gemeinsame Vorfahren haben können. Damit ist aber noch lange nicht gesagt, dass aus einer gemeinsamen Kultur zwangsläufig eine verbindende Kultur wird. "Verbindend" im Sinne auch von "bindender Zugehörigkeit".

Der entscheidende Punkt für mich ist, dass eine Unterschiedsakzeptanz auf individueller Ebene aus einer kulturalistisichen Sicht eben von vorhherein nicht möglich ist. "Kulturalismus", eine kulturelle Zugehörigkeit als essentiell anzusehen, ist schlicht und einfach der Rassismus von heute. Und eines der größten Missverständnisse besteht darin, "Multikulturalismus" nun als dem gegenüberstehend zu denken. Multikulturalismus ist genauso kulturalistisch. Dass er das Miteinander von Kulturen für möglich und sogar wünschenswert ansieht, ändert ja nix daran, dass er kulturelle Zugehörigkeiten ebenso als essentiell und nur eingeschränkt überwindbar ansieht.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
syna
Beiträge: 847
Registriert: Fr 30. Okt 2015, 08:04

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von syna »

schokoschendrezki hat geschrieben:(11 Sep 2017, 14:41)
"Kulturalismus", eine kulturelle Zugehörigkeit als essentiell anzusehen,
ist schlicht und einfach der Rassismus von heute.
Vielleicht sollte man das hier nochmal betonen.

Denn die Definition von Kultur, die der Threaderöffner ja
hören wollte, lautet immer noch:
Kultur ist all das, was von einer Spezies, die über
Bewusstsein verfügt, z.b. dem Menschen, bewusst erschaffen
oder erdacht wird.
Wenn Du eine Sandburg baust, ist das Kultur.
Wenn Dein Nachbar eine Sandburg baut, ist das genauso Kultur.
Wenn Du Musik machst, Gedichte schreibst, Romane verfasst,
Geschichten erzählst, Wanderwege ausprobierst oder seltsame
Feste feierst: All das ist Kultur!

Natürlich kann man Einteilungen und Abgrenzungen der
verschiedenen Bereiche der Kultur beobachten und denken.
Aber all diese Kulturbereiche begegnen sich, vermischen
sich und bereichern sich gegenseitig tagtäglich.
--~~/§&%"$!\~~--
Benutzeravatar
Zunder
Beiträge: 7443
Registriert: Mi 4. Jun 2008, 15:00

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Zunder »

Perdedor hat geschrieben:(10 Sep 2017, 22:16)

Die Frage wäre dann:
Gehört die Musik die ICH höre dann ggf nicht mehr zu meiner Kultur?
Du hast eine eigene Kultur? Respekt!
Perdedor hat geschrieben:(10 Sep 2017, 22:16)
Und weiter gedacht: Gehört die Musik, welche die Menschen eines Kulturkreises hören ggf nicht zu ihrem Kulturkreis?
Könnte sein, ja.
Wäre das schlimm?
Perdedor hat geschrieben:(10 Sep 2017, 22:16)
Die Frage wäre dann:
D.h. du vertrittst die rein historische Sichtweise?
Zur französischen Kultur gehört, was Franzosen in der Verangenheit hervorgebracht haben. Und wenn alle heutigen Franzosen eine andere Musik hören (rein hypothetisch) existiert die französische Kultur zwar weiter, wird aber nicht mehr gelebt? Die heutigen Franzosen sind dann Begründer der französischen Kultur 2.0?
Hast du eigentlich verstanden, worum es geht?

Dieser Satz:
"Rein gedankliches Beispiel: Alle Menschen einer Gesellschaft hören und machen ausschließlich klassische Musik."
stammt von dir.

Dieser:
"Ich sehe in deinem Beitrag einen Widerspruch zwischen der Behauptung der Existenz einer spezifischen Kultur und der Behauptung der Irrelevanz des konkreten Inhalts der Musik- und Hobbypraktik."
auch.

Es geht um ein FORMALES Spielchen. Du behauptest einen Widerspruch in der Argumentation von Bleibtreu. Ich sage, da ist keiner.

Der konkrete Inhalt einer Musik ist für die Zugehörigkeit zu einer Kultur irrelevant, weil jede Musik zu einer Kultur gehört - auf einer abstrakten, idealisierten, formalen Ebene, die mit den realen Verhältnissen eher nichts zu tun hat.
Daß insbesondere Musik sich in der Realität nicht auf einen bestimmten Kulturkreis eingrenzen läßt, möchte ich hier nochmals betonen. Das scheint ein bißchen problematisch zu sein.
Benutzeravatar
Zunder
Beiträge: 7443
Registriert: Mi 4. Jun 2008, 15:00

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Zunder »

schokoschendrezki hat geschrieben:(11 Sep 2017, 14:41)
Eine solche Zuordnung ist bereits bei der vielleicht nach Klassik wichtigsten Rubrik, dem Jazz nicht mehr möglich. In ihm verbinden sich sowohl ursprünglich afrikanische Elemente wie auch europäische oder europäisierte, "kreolische" insbesondere. Und im weiteren wirkte er wieder von Nordamerika zurück nach Europa und Afrika. Und das ist nicht einfach ein Neben- sondern ein Hauptaspekt dieser Richtung.
Ach was!
Die "wichtigste" Musik ist übrigens die Rockmusik. Die geht rund um den Globus und nimmt Einflüsse auf, da kann der Jazz nicht mithalten.

In meinem Beitrag ging es übrigens einzig um den von Perdedor behaupteten Widerspruch in der Argumentation von Bleibtreu. Um Musik ging es eher nicht. Deswegen habe ich eigens noch darauf hingewiesen, weil mir die entsprechenden Reflexe durchaus geläufig sind.

"Und bevor wieder einige hyperventilieren:
Innerhalb einer Kultur sind sehr viele verschiedene Musikrichtungen möglich, die ihrerseits nicht auf eine bestimmte Kultur beschränkt sind."

schokoschendrezki hat geschrieben:(11 Sep 2017, 14:41)
Es gibt platterdings immer Teile von Kultur die Menschengruppen gemeinsam haben. Ganz abstrakt gesagt. So wie zwei Menschen gemeinsame Vorfahren haben können. Damit ist aber noch lange nicht gesagt, dass aus einer gemeinsamen Kultur zwangsläufig eine verbindende Kultur wird. "Verbindend" im Sinne auch von "bindender Zugehörigkeit".
Ich glaube, du bist im falschen Strang.

Aber ich kann dir ein Beispiel geben, was Menschen in Hamburg, Berlin, Dresden, Frankfurt, Köln, Stuttgart und München eventuell miteinander verbinden könnte:
der Anspruch auf Hartz IV, wenn sie ihr Hab und Gut versoffen, verhurt, verspielt oder verspekuliert haben.
In einem solchen Fall stünde der deutsche Arzt dem deutschen Obdachlosen vermutlich näher als dem polnischen Arzt.
schokoschendrezki hat geschrieben:(11 Sep 2017, 14:41)
Der entscheidende Punkt für mich ist, dass eine Unterschiedsakzeptanz auf individueller Ebene aus einer kulturalistisichen Sicht eben von vorhherein nicht möglich ist. "Kulturalismus", eine kulturelle Zugehörigkeit als essentiell anzusehen, ist schlicht und einfach der Rassismus von heute. Und eines der größten Missverständnisse besteht darin, "Multikulturalismus" nun als dem gegenüberstehend zu denken. Multikulturalismus ist genauso kulturalistisch. Dass er das Miteinander von Kulturen für möglich und sogar wünschenswert ansieht, ändert ja nix daran, dass er kulturelle Zugehörigkeiten ebenso als essentiell und nur eingeschränkt überwindbar ansieht.
Vielleicht schaffst du es ja noch irgendwann zwischen Kultur und Kulturalismus zu unterscheiden. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Glaubst du im Ernst, daß es eine Form von Kulturalismus darstellt, wenn Katholiken ihre Fronleichnam-Prozession zelebrieren und Muslime das Fastenbrechen?
Warum verzehren Juden eigentlich nicht den Leib Christi? Aus kulturalistischen Gründen? Oder aus kulturellen?
Benutzeravatar
Bleibtreu
Beiträge: 8825
Registriert: Mi 27. Feb 2013, 11:58
user title: freigeist
Wohnort: TelAviv / Paris

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Bleibtreu »

Danke Zunder - ich hab die Hoffnung aufgegeben, dass die Beiden das noch kapieren. So schwer ist das doch wirklich nicht zu verstehen. :D
• Wer fuer alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein!
https://www.shabak.gov.il/english/Pages/index.html#=1
Concordia - Integritas - Industria
Senexx

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Senexx »

Es ist keine Frage des Kapierens, sondern des Wahrhabenwollens. Sie stören sich an dem Gedanken, dass Deutsche eine Kultur haben könnten.
Benutzeravatar
Keoma
Beiträge: 18417
Registriert: Mi 25. Jun 2008, 13:27
user title: Drum Legend
Wohnort: Österreich

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Keoma »

Senexx hat geschrieben:(12 Sep 2017, 05:56)

Es ist keine Frage des Kapierens, sondern des Wahrhabenwollens. Sie stören sich an dem Gedanken, dass Deutsche eine Kultur haben könnten.
Eine gemeinsame Kultur ist ja auch irgendwie Nazi.
Das ist manchen Naziwitterer schon viel zu völkisch gedacht, und möglicherweise ist einem dann noch die eigene Kultur - man ja gar nicht hat - lieber als eine andere, huch!
Das geht ja gar nicht.
Der Gescheitere gibt nach!
Eine traurige Wahrheit, sie begründet die Weltherrschaft der Dummheit.

Marie von Ebner-Eschenbach
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

syna hat geschrieben:(12 Sep 2017, 00:11)

Vielleicht sollte man das hier nochmal betonen.

Denn die Definition von Kultur, die der Threaderöffner ja
hören wollte, lautet immer noch:



Wenn Du eine Sandburg baust, ist das Kultur.
Wenn Dein Nachbar eine Sandburg baut, ist das genauso Kultur.
Wenn Du Musik machst, Gedichte schreibst, Romane verfasst,
Geschichten erzählst, Wanderwege ausprobierst oder seltsame
Feste feierst: All das ist Kultur!

Natürlich kann man Einteilungen und Abgrenzungen der
verschiedenen Bereiche der Kultur beobachten und denken.
Aber all diese Kulturbereiche begegnen sich, vermischen
sich und bereichern sich gegenseitig tagtäglich.
Ja und? Ich habe in meinem Beitrag nicht versucht, darzulegen, was "Kultur" sondern was "Kulturalismus" ist: Eine gegebene bestimmte Art und Weise der Kulturschöpfung im Ganzen als essenziell für den Menschen anzusehen. Und "im Ganzen" bedeutet: Über das, was in den Gesellschaftsverträgen in Form von Verfasungsrecht, Gewaltenteilung, Pressefreiheit usw. vereinbart ist, hinaus.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Zunder hat geschrieben:(12 Sep 2017, 01:51)
Glaubst du im Ernst, daß es eine Form von Kulturalismus darstellt, wenn Katholiken ihre Fronleichnam-Prozession zelebrieren und Muslime das Fastenbrechen?
Warum verzehren Juden eigentlich nicht den Leib Christi? Aus kulturalistischen Gründen? Oder aus kulturellen?
Ich habe nix dergleichen behauptet! Eine Form von Kulturalismus liegt zum Beispiel dann vor, wenn das "christliche Abendland" als politischer Kampfbegriff missbraucht wird, indem verlangt wird, Deutschland habe sich als Teil ebendieser Chimäre zu verstehen.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Senexx hat geschrieben:(12 Sep 2017, 05:56)

Es ist keine Frage des Kapierens, sondern des Wahrhabenwollens. Sie stören sich an dem Gedanken, dass Deutsche eine Kultur haben könnten.
Und wenn damit gemeint ist, dass eine "verbindende" Kultur auch zu einer "verbindlichen" Kultur zu werden hat: Mit vollem Recht!
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
Ein Terraner
Beiträge: 14308
Registriert: Sa 7. Mai 2016, 19:48
Wohnort: München

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Ein Terraner »

Senexx hat geschrieben:(12 Sep 2017, 05:56)

dass Deutsche eine Kultur haben könnten.
Wo ihr seit 3 Wochen nicht schafft diese zu definieren. :thumbup: :D
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Zunder hat geschrieben:(12 Sep 2017, 01:51)
Ach was!
Die "wichtigste" Musik ist übrigens die Rockmusik. Die geht rund um den Globus und nimmt Einflüsse auf, da kann der Jazz nicht mithalten.
Rockmusik ist ihrerseits im Wesentlichen aus Rhythm & Blues und dieser im Wesentlichen aus den auf Rhytmusgruppe + Sänger reduzierten Jazz-BigBands gegen Ende des 2. WKs hervorgegangen.
Und sie ist vor allem noch exemplarischer dafür, dass
Zunder hat geschrieben: Egal welche Musik - sie ist immer in eine Kultur eingebettet.
eben nicht stimmt. Was Du ja selbst mit
Der grundsätzlich grenzüberschreitende Charakter der Musik
bestätigst, auch wenn Du meinst, dass dies
beiseite gelassen werden
kann. Kann es natürlich nicht. Sowohl mit Jazz als auch später mit seinen Nachfolgegenres wie Pop, Rock etc. setzte eine Entwicklung ein, die - so exakt der Titel etlicher entsprechender Fachbücher - als "Globalisierung der Musik" (Exemplarisch: http://www.swisseduc.ch/allgemeinbildun ... kultur.pdf) - bezeichnet wird. Eigentlich eine Trivialfeststellung. Diese Aufsprengung der "Einbettung" ist ein zentrales und charakteristisches Merkmal der Entwicklungen seit mindestens hundert Jahren und kann nicht einfach "beiseite" gelassen werden.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
JJazzGold
Beiträge: 52578
Registriert: Mo 25. Mai 2009, 01:34
user title: L'État, c'est moi

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von JJazzGold »

Zunder hat geschrieben:(12 Sep 2017, 01:51)

Ach was!
Die "wichtigste" Musik ist übrigens die Rockmusik. Die geht rund um den Globus und nimmt Einflüsse auf, da kann der Jazz nicht mithalten.
Da bin ich völlig anderer Meinung; Jazz hatte kulturell einen markanteren, umfassenderen gesellschaftlichen Einfluss durch die Ver- und Einbindung von zuvor als isoliert betrachtete Kulturen, als es später die Rockmusik aufwies.
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
Alexander Freiherr von Humboldt
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

JJazzGold hat geschrieben:(12 Sep 2017, 10:46)

Da bin ich völlig anderer Meinung; Jazz hatte kulturell einen markanteren, umfassenderen gesellschaftlichen Einfluss durch die Ver- und Einbindung von zuvor als isoliert betrachtete Kulturen, als es später die Rockmusik aufwies.
Ich würde das musikalisch gar nicht so sehr auftrennen. Leute wie Louis Jordan waren in den 40ern Noch-Jazzer und setzten mit TIteln wie "Caldonia" oder "Let the Good Times Roll" gleichzeitig frühe Standards für spätere Rock-Evergreens.

Rock und Pop als globale Jugendkultur ist freilich nochmal eine anderes Phänomen. Das aber ganz bestimmt nicht für irgendeine "Einbettungs"-These spricht.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
Antonius
Beiträge: 4740
Registriert: Mo 9. Jun 2008, 23:57
user title: SURSUM CORDA
Wohnort: BRD

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Antonius »

Dark Angel hat geschrieben:(08 Sep 2017, 10:03)
Wie wäre es damit:
Kultur = das komplexe Ganze, die Gesamtheit des kummulierten Wissens, der Fähigkeiten, Fertigkeiten, Glaubensvorstellungen und Ethik/Moral (Gesetze) die Menschen als Teil der Gesellschaft in sozialem Lernen erworben haben
Dem könnte ich mich anschließen.
Man erkennt, daß "Kultur" durchaus etwas Unterschiedliches umfaßt in den verschiedenen Regionen dieser Welt.
SAPERE AUDE - Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.
Immanuel Kant (1724-1804)
Benutzeravatar
JJazzGold
Beiträge: 52578
Registriert: Mo 25. Mai 2009, 01:34
user title: L'État, c'est moi

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von JJazzGold »

schokoschendrezki hat geschrieben:(12 Sep 2017, 10:56)

Ich würde das musikalisch gar nicht so sehr auftrennen. Leute wie Louis Jordan waren in den 40ern Noch-Jazzer und setzten mit TIteln wie "Caldonia" oder "Let the Good Times Roll" gleichzeitig frühe Standards für spätere Rock-Evergreens.

Rock und Pop als globale Jugendkultur ist freilich nochmal eine anderes Phänomen. Das aber ganz bestimmt nicht für irgendeine "Einbettungs"-These spricht.
Sicher gab es später fließende Übergänge, nichts desto trotz betrachte ich Jazz als Wegbereiter zur kulturellen Einbindung, während Rock eher eine verbindende Dagegen Eigendynamik entwickelte. Auch eine kulturelle Entwicklung, aber meines Erachtens gesamtgesellschaftlich in der Anlage eher trennend, statt verbindend.
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
Alexander Freiherr von Humboldt
Benutzeravatar
Alexyessin
Ehrenpräsident
Beiträge: 91425
Registriert: Do 17. Nov 2011, 22:16
user title: Phönix
Wohnort: wo´s Herzal is

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Alexyessin »

JJazzGold hat geschrieben:(12 Sep 2017, 11:15)

Sicher gab es später fließende Übergänge, nichts desto trotz betrachte ich Jazz als Wegbereiter zur kulturellen Einbindung, während Rock eher eine verbindende Dagegen Eigendynamik entwickelte. Auch eine kulturelle Entwicklung, aber meines Erachtens gesamtgesellschaftlich in der Anlage eher trennend, statt verbindend.
Der Rock kam aus dem Rythm ´n Blues, welcher eben aus dem Blues kommt. Der Jazz war für die Emotion zu "hochgstocha" ( es gibt bayrische Wörter für die ich keine deutsche Übersetzung hab.... ).
Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin kein Nazi, aber...
Baier is ma ned so - Baier sei is a Lebenseinstellung
Mia glangt das i woas das i kennt wenn i woin dadat
Shellsort
Beiträge: 65
Registriert: Fr 28. Jul 2017, 19:54

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Shellsort »

Ich versuche mich hier auch mal:
Kultur sind die Wurzeln der Geisteswissenschaften, der Schönen Künste, und der allgemeinen Freizeitbeschäftigungen einer Gemeinschaft, definiert über einen Menschlich-mortalen Zeitraum.
Meine Fragen sind nur Fragen, und gegen niemanden gerichtet.
Auch wenn sie blöd klingen...
Benutzeravatar
syna
Beiträge: 847
Registriert: Fr 30. Okt 2015, 08:04

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von syna »

Shellsort hat geschrieben:(12 Sep 2017, 16:38)Kultur sind die Wurzeln der Geisteswissenschaften ...
Nur die Wurzeln?
Was ist mit den Geisteswissenschaften selbst? Sind die keine Kultur?
Was ist denn mit den Naturwissenschaften? Sind die keine Kultur?

Shellsort hat geschrieben:(12 Sep 2017, 16:38)Kultur sind die Wurzeln der Schönen Künste ...
Was ist mit den unschönen Künsten?
Gehören sie nicht zu Kultur?

Shellsort hat geschrieben:(12 Sep 2017, 16:38)Kultur sind die Wurzeln der allgemeinen Freizeitbeschäftigungen einer Gemeinschaft ...
Ahh, wenn nun der Robinson Crusoe - außerhalb jeder Gemeinschaft -
auf einer einsamen Insel eine seltsame Figur formt - wie ein Bildhauer -
ist das dann keine Kultur?
Shellsort hat geschrieben:(12 Sep 2017, 16:38)Kultur sind ... definiert über einen Menschlich-mortalen Zeitraum.
Nur über einen menschlichen Zeitraum?
D.h. also, der Kölner Dom, der ja über viele Jahrhunderte gebaut wurde
und erst erst jüngst fertiggestellt wurde, ist keine Kultur? Da er ja in einer
längeren Zeit als der eines einzigen Menschenlebens gebaut wurde?
Der ist dann also keine Kultur?

Vielleicht solltest Du Deine Definition noch etwas erweitern?
Oder verallgemeinern?
:rolleyes:
--~~/§&%"$!\~~--
Senexx

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Senexx »

Shellsort hat geschrieben:(12 Sep 2017, 16:38)

Ich versuche mich hier auch mal:
Kultur sind die Wurzeln der Geisteswissenschaften, der Schönen Künste, und der allgemeinen Freizeitbeschäftigungen einer Gemeinschaft, definiert über einen Menschlich-mortalen Zeitraum.
Wissenschaft und Technik hat nichts mit Kultur zu tun?
Benutzeravatar
Perdedor
Beiträge: 3462
Registriert: Do 5. Jun 2008, 23:08

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Perdedor »

Zunder hat geschrieben: Perdedor hat geschrieben:
Zur französischen Kultur gehört, was Franzosen in der Verangenheit hervorgebracht haben. Und wenn alle heutigen Franzosen eine andere Musik hören (rein hypothetisch) existiert die französische Kultur zwar weiter, wird aber nicht mehr gelebt? Die heutigen Franzosen sind dann Begründer der französischen Kultur 2.0? ?

Hast du eigentlich verstanden, worum es geht?

Dieser Satz:
"Rein gedankliches Beispiel: Alle Menschen einer Gesellschaft hören und machen ausschließlich klassische Musik."
stammt von dir.

Dieser:
"Ich sehe in deinem Beitrag einen Widerspruch zwischen der Behauptung der Existenz einer spezifischen Kultur und der Behauptung der Irrelevanz des konkreten Inhalts der Musik- und Hobbypraktik."
auch.

Es geht um ein FORMALES Spielchen. Du behauptest einen Widerspruch in der Argumentation von Bleibtreu. Ich sage, da ist keiner.
Ich wollte zunächst einige grundlegende Sachen klären um Missverständnisse zu vermeiden. Kommen wir nun also zum Punkt.
Bei der historischen Definition der Kultur gibt es kein Problem. Diese kann durchaus spezifisch sein, ohne zu sagen zu müssen, was Deutsche heute so tun.
Das Problem entsteht dann durch den im Eingangsposting formulierten Satz:
"...die deutschen hätten keine Kultur abgesehen von ihrer Sprache..."
(indirekt von Özoguz)
und der Verneinung ihrer Aussage.
Es geht um das "haben" einer Kultur ("die Deutschen haben").
Man kann "die deutsche Kultur" so definieren wie du. Aber das ist dann nicht die Kultur, welche die Deutschen haben. Du sagts selber, dass ich keine eigene Kultur hätte ("Du hast eine eigene Kultur? Respekt!"). Und was soll das haben überhaupt bedeuten? In dem "formalen Spielchen" haben wir festgestellt, dass die Lebensweise der Deutschen ggf gar nicht dem deutschen Kulturkreis entspricht ("Gehört die Musik, welche die Menschen eines Kulturkreises hören ggf nicht zu ihrem Kulturkreis?" - "Könnte sein, ja."). Dann haben die Deutschen also nicht die deutsche Kultur (es sei denn du verstehst unter den Deutschen lediglich die, welche die Kultur in der Vergangenheit selbst geschaffen haben, und nicht alle heute lebenden Deutschen).

Wenn man also, wie im Eingangsbeitrag davon spricht eine Kultur zu haben, bezieht man sich auf die tatsächliche Lebensweise und nicht auf eine historische Definition. Und wenn nun eine Lebensweise ("Musik- und Hobbypraktik") spezifisch sein soll, muss ihr natürlich ein konkreter Inhalt zugeordnet werden (WELCHE Musik wird gehört).

Bleibtreus Aufmerksamkeitsspanne reichte leider nicht aus, um die Problematik herausarbeiten zu können (es ist unklar, was manche überhaupt in einem Diskussionsforum wollen).
Zuletzt geändert von Perdedor am Di 12. Sep 2017, 21:00, insgesamt 3-mal geändert.
Arbeit. Leben. Zukunft.
Benutzeravatar
syna
Beiträge: 847
Registriert: Fr 30. Okt 2015, 08:04

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von syna »

schokoschendrezki hat geschrieben:(12 Sep 2017, 09:00)

Ja und? Ich habe in meinem Beitrag nicht versucht, darzulegen, was "Kultur" sondern was "Kulturalismus" ist: Eine gegebene bestimmte Art und Weise der Kulturschöpfung im Ganzen als essenziell für den Menschen anzusehen. Und "im Ganzen" bedeutet: Über das, was in den Gesellschaftsverträgen in Form von Verfasungsrecht, Gewaltenteilung, Pressefreiheit usw. vereinbart ist, hinaus.
Haja - ich stimme Dir ja voll und ganz zu.

Ich finde den Begriff "Kulturalismus" nur etwas ungeschickt gewählt.
Auch bei Wikipedia sieht man ja, dass dieser Begriff recht divergent
verwendet wird. Man weiß erstmal nicht, was genau Du mit dem Begriff
meinst. Du erklärst es zwar, aber es wird trotzdem nicht wirklich klar.
Deine Definition bleibt nämlich schwammig. Wie wär's, wenn Du direkt
von "kulturellem Rassismus" redest?

Das ist offenbar auch das, was so mancher hier unterschwellig erwartet,
wenn es um Kultur geht. Ich hoffe aber immer noch, dass ich mich mit
dieser Einschätzung irre.
--~~/§&%"$!\~~--
Shellsort
Beiträge: 65
Registriert: Fr 28. Jul 2017, 19:54

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Shellsort »

Hier die Erklärung:
Mit "Wurzeln" meine ich, dass alles was gerade aktuell ist, modern, nicht zur Kultur gehört. Kultur wurde ausschließlich in der Vergangenheit produziert.
Ein Gedicht das jemand heute schreibt ist zwar Kunst, aber nicht Teil der Kultur.
Es wird in 20 Jahren, wenn es Populär war (als Teil der Gemeinschaft) vielleicht Kultur sein.
Desweiteren definiere ich die aktuelle Kultur durch den Zeitraum den die Älteste Generation in dieser Gemeinschaft mit ihrem Alter plus ihr Mortalitätsalter erzeugt. (also ungefähr 70 Jahre * 2 gibt 140 Jahre aktuell.)
Was ist mit den unschönen Künsten?
Gehören sie nicht zu Kultur?
Was verstehst du unter unschönen Künsten? Wenn du die Bad-Art Museen meinst, dann gehören diese in die Rubrik der sog. "Komischen Kunst" und damit durchaus auch zu den Schönen Künsten.
Ahh, wenn nun der Robinson Crusoe - außerhalb jeder Gemeinschaft -
auf einer einsamen Insel eine seltsame Figur formt - wie ein Bildhauer -
ist das dann keine Kultur?
Nein. Der Ausdruck geistigen Verfalls eines langsam verrückt werdenden ist für mich keine Kultur.
Nur über einen menschlichen Zeitraum?
D.h. also, der Kölner Dom, der ja über viele Jahrhunderte gebaut wurde
und erst erst jüngst fertiggestellt wurde, ist keine Kultur? Da er ja in einer
längeren Zeit als der eines einzigen Menschenlebens gebaut wurde?
Der ist dann also keine Kultur?
Alles nach diesen 140 Jahren wäre dann historische Kultur. Also praktisch nicht relevant außer für die entsprechenden Fachbereiche(Historik, Archäologie, altertümliche Linguistik usw.)

Ich hoffe ich konnte etwas besser klar machen was ich sagen wollte, vielleicht hilfst du mir ja eine Bessere Formulierung zu finden?
Meine Fragen sind nur Fragen, und gegen niemanden gerichtet.
Auch wenn sie blöd klingen...
Benutzeravatar
Ein Terraner
Beiträge: 14308
Registriert: Sa 7. Mai 2016, 19:48
Wohnort: München

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Ein Terraner »

Shellsort hat geschrieben:(12 Sep 2017, 21:09)

Alles nach diesen 140 Jahren wäre dann historische Kultur.
Ich wäre für 95 Jahre.
Benutzeravatar
syna
Beiträge: 847
Registriert: Fr 30. Okt 2015, 08:04

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von syna »

Ahh, wenn nun der Robinson Crusoe - außerhalb jeder Gemeinschaft -
auf einer einsamen Insel eine seltsame Figur formt - wie ein Bildhauer -
ist das dann keine Kultur?
Shellsort hat geschrieben:(12 Sep 2017, 21:09)
Nein. Der Ausdruck geistigen Verfalls eines langsam verrückt werdenden ist für mich keine Kultur.
Nun, wenn Du Rembrandt oder Beethoven in ihren jeweils letzten
Lebensjahren angetroffen hättest, dann hättest Du bei ihnen
auch den Eindruck von einem "langsam verrückt Werdenden".

Wo ziehst Du die Grenze? Produzieren die "ein bißchen
verückt Werdenden" Kultur? Und "die ganz verrückt Werdenden"
dagegen nicht?

Was ist dann "bißchen" und was ist "ganz" verrückt?
Wie definierst Du "verrückt"?
:?:
--~~/§&%"$!\~~--
Shellsort
Beiträge: 65
Registriert: Fr 28. Jul 2017, 19:54

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Shellsort »

syna hat geschrieben:(12 Sep 2017, 21:30)


Wie definierst Du "verrückt"?
Die Frage ist, wie Definiert man Kunst.
Und meiner Meinung nach entspircht das Kratzen von Bildern in eine Steinwand eines langsam Sterbenden Gefangenen, der seit Wochen niemanden gesehen hat, und dessen Psyche langsam zerfällt eben nicht als Kunst, sondern als aufrechterhaltungsmaßnahme des Körpers. Wie essen, trinken und aufs Klo gehen. Und ich denke auch du empfindest einen "Morgenschiß" nicht als Kunst.
Kunst muss freiwillig entstehen. Nicht um die Psyche aufrecht zu erhalten.
Meine Fragen sind nur Fragen, und gegen niemanden gerichtet.
Auch wenn sie blöd klingen...
Benutzeravatar
Zunder
Beiträge: 7443
Registriert: Mi 4. Jun 2008, 15:00

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Zunder »

JJazzGold hat geschrieben:(12 Sep 2017, 10:46)

Da bin ich völlig anderer Meinung; Jazz hatte kulturell einen markanteren, umfassenderen gesellschaftlichen Einfluss durch die Ver- und Einbindung von zuvor als isoliert betrachtete Kulturen, als es später die Rockmusik aufwies.
Unter "Rockmusik" verstehe ich - wie vermutlich die meisten, die sich damit ein bißchen beschäftigt haben - die populäre Musik, die sich ab Mitte der 60er Jahre zuerst in England aus dem unmittelbaren Vorläufer "Beatmusik" unter dem Einfluß verschiedener Musikrichtungen entwickelt hat.

Es waren vor allem die Zugpferde Beatles und Rolling Stones, die das von ihnen selbst maßgeblich zu verantwortende "Beat"-Geschrammel in eine etwas anspruchsvollere Richtung gelenkt haben. Der Übergang begann etwa 1965 mit "Satisfaction" von den Stones, mit dem die Ansprüche an die Sexualität etwas hochgeschraubt wurden (na ja?!), mit "I Feel Fine" von den Beatles (Nov. '64), mit dem die Ansprüche an die Experimentierfreude innerhalb der populären Musik erweitert wurden (eine Rückkopplung als Intro hatte damals keiner) und "Yesterday" von ....... äh...... ehrlicherweise Paul McCartney und George Martin, das als kammermusikalische Nummer den Anspruch der Popmusik deutlich Richtung Klassik verschob.
Diese Übergangsphase war 1967 mit "Sergeant Pepper" abgeschlossen. Danach war alles anders als 1965.

Es waren zuerst und vor allem die Beatles und die Rolling Stones, die die Rockmusik nicht nur rund um den Globus trugen, sondern auch durch alle gesellschaftlichen Schichten - zu einer Zeit als der Jazz in Europa von schwarzen Rollkragenpullover tragenden Möchte-Gern-Existenzialisten in Hinterzimmerclubs gehört wurde, was außer den selbsternannten intellektuellen Eliten keine Sau interessierte.

Damals war das Jugendkultur, heute - bzw. gestern - spielten die Stones im Olympiastadion. Mittlerweile müßte das Alte-Säcke-Kultur sein. Ist es aber nicht.
Diese Kultur geht nicht nur rund um den Globus und durch alle Schichten, sie geht auch durch alle Altersklassen. Für welche Musik gilt das sonst noch?

(Der Ursprung dieser globalen Musikkultur liegt übrigens eindeutig im anglo-amerikanischen Raum, von dem aus alle Grenzen, Zäune und Mauern überwunden wurden. - Mit dieser Bemerkung meine ich nicht dich.)
Benutzeravatar
Zunder
Beiträge: 7443
Registriert: Mi 4. Jun 2008, 15:00

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Zunder »

schokoschendrezki hat geschrieben:(12 Sep 2017, 10:24)

Rockmusik ist ihrerseits im Wesentlichen aus Rhythm & Blues und dieser im Wesentlichen aus den auf Rhytmusgruppe + Sänger reduzierten Jazz-BigBands gegen Ende des 2. WKs hervorgegangen.
Das ist falsch.
schokoschendrezki hat geschrieben:(12 Sep 2017, 10:24)

Und sie ist vor allem noch exemplarischer dafür, dass

eben nicht stimmt.
Natürlich ist Musik immer in eine Kultur eingebettet.
Lies einfach mal deine eigenen Beiträge:

In ihm verbinden sich sowohl ursprünglich afrikanische Elemente wie auch europäische oder europäisierte, "kreolische" insbesondere.
http://www.politik-forum.eu/viewtopic.p ... 7#p3998467

Du selbst ordnest doch kulturelle Elemente nach geographischen und ethnischen Kategorien ein. Oder verstehst du nicht, was du schreibst?
schokoschendrezki hat geschrieben:(12 Sep 2017, 10:24)
Was Du ja selbst mit

Code: Alles auswählen

Der grundsätzlich grenzüberschreitende Charakter der Musik
bestätigst, auch wenn Du meinst, dass dies

Code: Alles auswählen

beiseite gelassen werden
kann. Kann es natürlich nicht.
(Anmerkung: Die code-Funktion habe ich gewählt, weil in der quote-Funktion das Zitat nicht angezeigt wird.)

Geschrieben habe ich:
"Der grundsätzlich grenzüberschreitende Charakter der Musik kann für diese Frage beiseite gelassen werden, weil es hier nur um den angeblichen Widerspruch im Beitrag von Bleibtreu geht."

Was du betreibst, ist schlicht und einfach Zitatfälschung. Wahrscheinlich hast du das nötig.
schokoschendrezki hat geschrieben:(12 Sep 2017, 10:24)
Sowohl mit Jazz als auch später mit seinen Nachfolgegenres wie Pop, Rock etc. setzte eine Entwicklung ein, die - so exakt der Titel etlicher entsprechender Fachbücher - als "Globalisierung der Musik" (Exemplarisch: http://www.swisseduc.ch/allgemeinbildun ... kultur.pdf) - bezeichnet wird. Eigentlich eine Trivialfeststellung. Diese Aufsprengung der "Einbettung" ist ein zentrales und charakteristisches Merkmal der Entwicklungen seit mindestens hundert Jahren und kann nicht einfach "beiseite" gelassen werden.
Die "Aufsprengung" der Einbettung ist nichts anderes als die Grenzüberschreitung, auf die ich hingewiesen habe.
Anders als du glaubst lassen sich Grenzen nur überschreiten oder "aufsprengen", wenn sie tatsächlich bestehen.
Eine Kultur, die nirgends eingebettet ist, kann keine Grenzen überschreiten. Wenn etwas nirgendwo drin ist, kann es auch nirgendwo raus.
Benutzeravatar
Zunder
Beiträge: 7443
Registriert: Mi 4. Jun 2008, 15:00

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Zunder »

Perdedor hat geschrieben:(12 Sep 2017, 20:57)

Ich wollte zunächst einige grundlegende Sachen klären um Missverständnisse zu vermeiden. Kommen wir nun also zum Punkt.
Bei der historischen Definition der Kultur gibt es kein Problem. Diese kann durchaus spezifisch sein, ohne zu sagen zu müssen, was Deutsche heute so tun.
Das Problem entsteht dann durch den im Eingangsposting formulierten Satz:
"...die deutschen hätten keine Kultur abgesehen von ihrer Sprache..."
(indirekt von Özoguz)
und der Verneinung ihrer Aussage.
Es geht um das "haben" einer Kultur ("die Deutschen haben").
Das hat Özoguz nicht gesagt. Darauf wurde schon im 2. Beitrag hingewiesen.
Perdedor hat geschrieben:(12 Sep 2017, 20:57)
Man kann "die deutsche Kultur" so definieren wie du. Aber das ist dann nicht die Kultur, welche die Deutschen haben. Du sagts selber, dass ich keine eigene Kultur hätte ("Du hast eine eigene Kultur? Respekt!").
Ich habe nicht gesagt, daß du keine Kultur hast, sondern meinen Respekt für deinen Besitz einer Kultur bekundet.
Ergibt sich aus dem Zitat.

Du hast geschrieben;
"Gehört die Musik die ICH höre dann ggf nicht mehr zu meiner Kultur?"

"Meiner" ist ein Possessivpronomen, auf deutsch "besitzanzeigendes Fürwort".
Wenn du behauptest, eine Kultur zu haben, und mir fälschlicherweise unterstellst, ich hätte gesagt, daß du keine Kultur hast, finde ich das ein bißchen komisch.
Perdedor hat geschrieben:(12 Sep 2017, 20:57)
Und was soll das haben überhaupt bedeuten? In dem "formalen Spielchen" haben wir festgestellt, dass die Lebensweise der Deutschen ggf gar nicht dem deutschen Kulturkreis entspricht ("Gehört die Musik, welche die Menschen eines Kulturkreises hören ggf nicht zu ihrem Kulturkreis?" - "Könnte sein, ja."). Dann haben die Deutschen also nicht die deutsche Kultur (es sei denn du verstehst unter den Deutschen lediglich die, welche die Kultur in der Vergangenheit selbst geschaffen haben, und nicht alle heute lebenden Deutschen).
Ich gehe nicht davon aus, daß jeder Deutsche eine deutsche Kultur hat. Im Gegenteil gehe ich davon aus, daß unangenehm viele Deutsche allgemein ein ziemlich kulturfreies Leben führen.

Die von Özoguz aufgeworfene Frage dreht sich überhaupt nicht darum, ob Deutsche eine Kultur haben, sondern ob es eine deutsche Kultur gibt.
Wenn du glaubst, daß die Existenz einer deutsche Kultur davon abhängt, ob jeder einzelne Deutsche jeden einzelnen Aspekt dieser Kultur lebt, legst du ein totalitäres Gesellschaftsmodell zugrunde, an dessen Durchsetzung schon Hitler und Stalin gescheitert sind.
Senexx

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Senexx »

Die Diskussion über Rockmusik vs. Jazz bzw. deren jeweilige Genese ist abseitig. Ebenso über Özoguz und ihren Angriff auf die Deutschen.
Benutzeravatar
JJazzGold
Beiträge: 52578
Registriert: Mo 25. Mai 2009, 01:34
user title: L'État, c'est moi

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von JJazzGold »

Zunder hat geschrieben:(13 Sep 2017, 01:52)

Unter "Rockmusik" verstehe ich - wie vermutlich die meisten, die sich damit ein bißchen beschäftigt haben - die populäre Musik, die sich ab Mitte der 60er Jahre zuerst in England aus dem unmittelbaren Vorläufer "Beatmusik" unter dem Einfluß verschiedener Musikrichtungen entwickelt hat.

Es waren vor allem die Zugpferde Beatles und Rolling Stones, die das von ihnen selbst maßgeblich zu verantwortende "Beat"-Geschrammel in eine etwas anspruchsvollere Richtung gelenkt haben. Der Übergang begann etwa 1965 mit "Satisfaction" von den Stones, mit dem die Ansprüche an die Sexualität etwas hochgeschraubt wurden (na ja?!), mit "I Feel Fine" von den Beatles (Nov. '64), mit dem die Ansprüche an die Experimentierfreude innerhalb der populären Musik erweitert wurden (eine Rückkopplung als Intro hatte damals keiner) und "Yesterday" von ....... äh...... ehrlicherweise Paul McCartney und George Martin, das als kammermusikalische Nummer den Anspruch der Popmusik deutlich Richtung Klassik verschob.
Diese Übergangsphase war 1967 mit "Sergeant Pepper" abgeschlossen. Danach war alles anders als 1965.

Es waren zuerst und vor allem die Beatles und die Rolling Stones, die die Rockmusik nicht nur rund um den Globus trugen, sondern auch durch alle gesellschaftlichen Schichten - zu einer Zeit als der Jazz in Europa von schwarzen Rollkragenpullover tragenden Möchte-Gern-Existenzialisten in Hinterzimmerclubs gehört wurde, was außer den selbsternannten intellektuellen Eliten keine Sau interessierte.

Damals war das Jugendkultur, heute - bzw. gestern - spielten die Stones im Olympiastadion. Mittlerweile müßte das Alte-Säcke-Kultur sein. Ist es aber nicht.
Diese Kultur geht nicht nur rund um den Globus und durch alle Schichten, sie geht auch durch alle Altersklassen. Für welche Musik gilt das sonst noch?

(Der Ursprung dieser globalen Musikkultur liegt übrigens eindeutig im anglo-amerikanischen Raum, von dem aus alle Grenzen, Zäune und Mauern überwunden wurden. - Mit dieser Bemerkung meine ich nicht dich.)

Morgen Zunder und auch Alex,

vielleicht hätte ich den “markanten gesellschaftlichen kulturellen Einfluss“ des Jazz weiter ausführen sollen.

Jazz ist die Verbindung und Vermischung von bis dato strikt getrennter musikalischer Kultur, von schwarz und weiß, er hob musikalisch Schranken auf, von minder und maximaler menschlicher Wertigkeit, nicht umsonst ist Jazz bis heute die von Rassisten meist gehasste Musikrichtung, er verband nicht nur über den Pazifik, sondern auch über den Atlantik.

Als Jazz seinen rasanten globalen Siegeszug antrat, er war keinesfalls auf dunkle Eckkneipen mit existenzialistisch anmutendem Publikumbeschränkt ;), war er die musikalische Begleiter eines neuen Zeitalters und bewirkte eine Welle weltweiter Amerikanisierung.


Dagegen war Rock der musikalische Ausdruck eines Konflikts der Generationen, des Dagegen, ziehe ich Rockgrößen wie Janis Joplin und Jimmy Hendrix in die Betrachtung ein, nicht weniger global populär und nicht weniger global amerikanisierend, stellt aber für mich in der musikalischen Betrachtung kein so gravierend markanter Schritt musikalischer ethnisch kultureller Verbindung dar, wie es der Jazz war, sondern eher eine gesellschaftlich musikalische Weiterentwicklung, des auf Jazz beruhenden Bruchs mit gesellschaftlicher Bigotterie, dar.


Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
Alexander Freiherr von Humboldt
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Zunder hat geschrieben:(13 Sep 2017, 02:20)
Natürlich ist Musik immer in eine Kultur eingebettet.
Lies einfach mal deine eigenen Beiträge:

In ihm verbinden sich sowohl ursprünglich afrikanische Elemente wie auch europäische oder europäisierte, "kreolische" insbesondere.
http://www.politik-forum.eu/viewtopic.p ... 7#p3998467

Du selbst ordnest doch kulturelle Elemente nach geographischen und ethnischen Kategorien ein. Oder verstehst du nicht, was du schreibst?
Na sicher. In der Übergangsphase der ursprünglichen Wurzeln (Rhythm & Blues bzw. eigentlich Jazz, der ebenso auch die Elternrolle für Skiffle (http://roxikon.de/begriffe/skiffle/) spielte) zu Rock und Pop als globalisierte Kulturphänomene. In der sie dann keineswegs in regionale oder nationale Kulturem mehr "eingebettet" sind. Allenfalls in einigen sich traditionalistisch gebenden Subgenres. Wenn wir diesen ganz grundsätzlichen historischen Bruch nicht verstehen, verstehen wir überhaupt nicht mehr, was gegenwärtig, was im 20., 21. Jahrhundert eigentlich passiert.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Zunder hat geschrieben:(13 Sep 2017, 01:52)

Unter "Rockmusik" verstehe ich - wie vermutlich die meisten, die sich damit ein bißchen beschäftigt haben - die populäre Musik, die sich ab Mitte der 60er Jahre zuerst in England aus dem unmittelbaren Vorläufer "Beatmusik" unter dem Einfluß verschiedener Musikrichtungen entwickelt hat.
Das ist rein sachlich so falsch wie eins plus eins = drei.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

JJazzGold hat geschrieben:(13 Sep 2017, 08:20)
Dagegen war Rock der musikalische Ausdruck eines Konflikts der Generationen, des Dagegen, ziehe ich Rockgrößen wie Janis Joplin und Jimmy Hendrix in die Betrachtung ein, nicht weniger global populär und nicht weniger global amerikanisierend, stellt aber für mich in der musikalischen Betrachtung kein so gravierend markanter Schritt musikalischer ethnisch kultureller Verbindung dar, wie es der Jazz war, sondern eher eine gesellschaftlich musikalische Weiterentwicklung, des auf Jazz beruhenden Bruchs mit gesellschaftlicher Bigotterie, dar.


[/color]
Ja. Als soziokulturelle und (inzwischen) globalisierte Phänomene - und darauf kommts in diesem Thread auch an! - ist das sicher richtig. Rein musikalisch betrachtet basiert Rockmusik so gut wie vollständig auf Elementen, die der Jazz hervorgebracht hat. Ist also nahezu vollständig amerikanisch. Britische Idole wie Beatles oder Stones waren in ihrer Frühphase vor allem von Skiffle beeinflusst, der aber seinerseits auch hundertprozentig afro-amerikanischen Urpsrungs ist und Leute wie McCartney oder Lennon haben sich als Jugendliche und junge Leute vor allem mit Platten aus den USA versorgt. Auch Punk ist keineswegs eine originär britische Angelegenheit sondern entstand - noch einige Jahre vor Sex Pistols, The Clash & Co - aus New York rund um die Szene im CBGB-Club.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

syna hat geschrieben:(12 Sep 2017, 20:59)

Haja - ich stimme Dir ja voll und ganz zu.

Ich finde den Begriff "Kulturalismus" nur etwas ungeschickt gewählt.
Auch bei Wikipedia sieht man ja, dass dieser Begriff recht divergent
verwendet wird. Man weiß erstmal nicht, was genau Du mit dem Begriff
meinst. Du erklärst es zwar, aber es wird trotzdem nicht wirklich klar.
Deine Definition bleibt nämlich schwammig. Wie wär's, wenn Du direkt
von "kulturellem Rassismus" redest?

Das ist offenbar auch das, was so mancher hier unterschwellig erwartet,
wenn es um Kultur geht. Ich hoffe aber immer noch, dass ich mich mit
dieser Einschätzung irre.
Ja. Das sind schon ein paar interessante und wichtige Gedanken. Aber diese Überbetonung von kultureller Zugehörigkeit und diese erstaunliche Renaissance von Religionen, Nationalkulturen usw. ... sowohl in Regionen wie dem Nahen Osten und dann auch in Europa ... Das ist alles so jungen Datums, dass es (mir zumindest) schwerfällt, das richtig einzuordnen und zu benennen.

Nur einige schnappschussartige Beispiele:

- Noch bis Ende der 80er gab es in Jugoslawien zwar eine Gliederung in nationale Teilregionen wie Serbien, Montenegro usw. aber dennoch ein weitestgehend friedliches Miteinander einschließlich "gemischter Ehen" usw. Nur kurze Zeit später einen Bürgerkrieg, in welchem sich die verschiedenen Nationsangehörigen gegenseitig umbrachten.

- Noch in den 70ern liefen in Kairo, Teheran, Bagdad, Algier usw. junge Frauen in Miniröcken wie selbstverständlich neben vollverschleierten strengen Muslima herum. Heute völlig undenkbar.

- Noch in den 80ern waren in der Sowjetunion und den Ostblockstaaten die historisch gewachsenen nationalen Religionen eine gesellschaftliche Randerscheinung. Heute ist die russisch-orthodoxe Kirche in Russland überpräsent und in Ländern wie Ungarn gehen die Leute zumindest in ländlichen Regionen nahezu geschlossen Sonntags in die Kirche.

Und jetzt geht es auch langsam in Mitteleuropa los! Abendland, Nationalkultur, Deutsche Traditionen. Noch in den 90ern war anstelle dessen die Telekom-Aktie das ganz große Ding. Die Masse interessierte sich nicht für Regionaltrachten sondern für Börsenkurse. Und auch weniger für die Kultur des Christentums und eher schon für das Higgs-Boson als "Gottesteilchen".

Was ist das? Bitte: Was zum Teufel ist das?
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
schokoschendrezki
Beiträge: 19263
Registriert: Mi 15. Sep 2010, 16:17
user title: wurzelloser Kosmopolit
Wohnort: Berlin
Kontaktdaten:

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Zunder hat geschrieben:(13 Sep 2017, 01:52)
Es waren vor allem die Zugpferde Beatles und Rolling Stones, die das von ihnen selbst maßgeblich zu verantwortende "Beat"-Geschrammel in eine etwas anspruchsvollere Richtung gelenkt haben. Der Übergang begann etwa 1965 mit "Satisfaction" von den Stones, mit dem die Ansprüche an die Sexualität etwas hochgeschraubt wurden (na ja?!), mit "I Feel Fine" von den Beatles (Nov. '64), mit dem die Ansprüche an die Experimentierfreude innerhalb der populären Musik erweitert wurden (eine Rückkopplung als Intro hatte damals keiner) und "Yesterday" von ....... äh...... ehrlicherweise Paul McCartney und George Martin, das als kammermusikalische Nummer den Anspruch der Popmusik deutlich Richtung Klassik verschob.
Diese Übergangsphase war 1967 mit "Sergeant Pepper" abgeschlossen. Danach war alles anders als 1965.
Dieser beschriebene Übergang von der Rolle des reinen Unterhaltungsmusikers, der von Plattenfirmen bezahlt wurde und Konzerte gab zu einem eigenständigen Künstler, der etwas aussagen wollte ... der einen individuellen, personalen Stil entwickelte usw. war 1965 längst vollzogen. Und zwar vor allem beginnend mit dem 63 aufgenommenen und 64 veröffentlichten "The Times They Are a-Changin’" und den unmittelbar folgenden Alben von Bob Dylan.

Und diese angemaßte Rolle der Beatles wurde 1968- und zwar völlig zurecht! - mit dem Cover von Frank Zappas "We're Only In It For The Money" beißend ironisch auf die Schippe genommen.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
Benutzeravatar
Jekyll
Beiträge: 10537
Registriert: Di 31. Aug 2010, 17:35
user title: Je suis Jekyll

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Jekyll »

Provokateur hat geschrieben:(08 Sep 2017, 10:34)

Man könnte auch den "oppositionellen Entwurf" anstellen:

Kultur ist alles, was nicht Natur ist.
So ähnlich sehe ich das auch. Entweder die Natur dominiert über uns, oder wir über sie.
Sie schufen eine Wüste und nannten es...Frieden.
Senexx

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Senexx »

Jekyll hat geschrieben:(13 Sep 2017, 19:40)

So ähnlich sehe ich das auch. Entweder die Natur dominiert über uns, oder wir über sie.
Demnach haben die auf Barbuda oder den Florida Keys keine Kultur.
Benutzeravatar
Perdedor
Beiträge: 3462
Registriert: Do 5. Jun 2008, 23:08

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Perdedor »

Zunder hat geschrieben: Das hat Özoguz nicht gesagt.
Aber im Eingangsbeitrag und in vielen diesbezüglichen Debatten.
Zunder hat geschrieben: Wenn du behauptest, eine Kultur zu haben, und mir fälschlicherweise unterstellst, ich hätte gesagt, daß du keine Kultur hast, finde ich das ein bißchen komisch.
Bei einem "Respekt" mit Ausrufezeichen ging ich natürlich von Ironie aus.
Wenn dem nicht so ist, lasse ich mich natürlich gerne von dir respektieren. ;)
Zunder hat geschrieben: Ich gehe nicht davon aus, daß jeder Deutsche eine deutsche Kultur hat.
Ok. Dann sind wir uns einig.
Zunder hat geschrieben: Wenn du glaubst, daß die Existenz einer deutsche Kultur davon abhängt, ob jeder einzelne Deutsche jeden einzelnen Aspekt dieser Kultur lebt, legst du ein totalitäres Gesellschaftsmodell zugrunde, an dessen Durchsetzung schon Hitler und Stalin gescheitert sind.
Ich glaube überhaupt nichts, sondern habe einige Debatten über Özoguz Äußerung (richtig oder falsch interpretiert) verfolgt und allzu häufig kommt dort eben genau dieser Gedankengang vor: Der Deutsche habe eine deutsche Kultur und daher passten diejenigen ohne deutsche Kultur nicht hierher (siehe die Sache mit dem "entsorgen").
Wie du mir aber zustimmst ist es problemlos möglich Deutscher ohne deutsche Kultur zu sein (bzw welche mit nur sehr geringer Übereinstimmung).
Arbeit. Leben. Zukunft.
Senexx

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Senexx »

Perdedor hat geschrieben:(13 Sep 2017, 22:09)
Wie du mir aber zustimmst ist es problemlos möglich Deutscher ohne deutsche Kultur zu sein (bzw welche mit nur sehr geringer Übereinstimmung).
Ja, man kann die deutsche Staatsbürgerschaft haben, ohne deutsche Kultur. Wie zum Beispiel Frau Özoguz.

Aber das ist ist hier nicht das Thema.

Die Frage lautete: Was ist Kultur? Gemeint war nicht, ob z.B. Musik Bestandteil einer Kultur ist, sondern was wir unter Kultur verstehen.
Benutzeravatar
Bleibtreu
Beiträge: 8825
Registriert: Mi 27. Feb 2013, 11:58
user title: freigeist
Wohnort: TelAviv / Paris

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Bleibtreu »

Perdedor hat geschrieben:(13 Sep 2017, 22:09)

[...] Ich glaube überhaupt nichts, sondern habe einige Debatten über Özoguz Äußerung (richtig oder falsch interpretiert) verfolgt und allzu häufig kommt dort eben genau dieser Gedankengang vor: Der Deutsche habe eine deutsche Kultur und daher passten diejenigen ohne deutsche Kultur nicht hierher (siehe die Sache mit dem "entsorgen").
Wie du mir aber zustimmst ist es problemlos möglich Deutscher ohne deutsche Kultur zu sein (bzw welche mit nur sehr geringer Übereinstimmung).
Dann wuerden auch alle nichtdeutschen Europaer nicht zur deutschen Kultur passen. Du kannst doch nicht ernsthaft glauben, dass Zunder derart bekloppt drauf ist? Hier ist nicht die Frage, wer passt zu wem oder sind alle Deutschen auch deutsch genug, sondern WAS ist Kultur ueberhaupt. Das Thema deutsche Kultur wird in einem anderen Strang behandelt. Und auch das bedeutet nicht automatisch, dass man gegen nichtdeutsche Kulturen ist oder sie per se fuer "schlechter" oder "unpassend" haelt. Diese ueberbordende Hysterie von MultiKultis und deren Gegnern amuesiert nur noch. :D

[Hervorhebung im Zitat von mir]
• Wer fuer alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein!
https://www.shabak.gov.il/english/Pages/index.html#=1
Concordia - Integritas - Industria
Senexx

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Senexx »

Bleibtreu hat geschrieben:(13 Sep 2017, 22:30)

Und auch das bedeutet nicht automatisch, dass man gegen nichtdeutsche Kulturen ist oder sie per se fuer "schlechter" oder "unpassend" haelt. Diese ueberbordende Hysterie von MultiKultis und deren Gegnern amuesiert nur noch.
Niemand, zumindest niemand von Verstand, würde auf die Idee kommen, die deutsche Kultur sei zum Beispiel der französischen oder italienischen überlegen. Und niemand würde wahrscheinlich auf die Idee kommen, es gäbe keine italienische Kultur.

Nur manche Deutsche oder solche mit deutschem Pass kommen auf die Idee zu sagen, es gäbe keine deutsche Kultur außer halb der Sprache.
Benutzeravatar
Perdedor
Beiträge: 3462
Registriert: Do 5. Jun 2008, 23:08

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Perdedor »

Bleibtreu hat geschrieben: Hier ist nicht die Frage, wer passt zu wem oder sind alle Deutschen auch deutsch genug, sondern WAS ist Kultur ueberhaupt.
Ja, und Zunder verwendet hier eine andere Definition als viele (nicht alle) der Özoguz-Kritiker, welche davon ausgehen, dass man als in Deutschland aufgewachsener Deutscher automatisch eine große Übereinstimmung mit der deutschen Kultur haben müsse. Es geht hier nicht um die Wertung, sondern um die grundsätzliche Frage, wie man Menschen Kulturen zuordnet. Das ist für die Definition relevant.
Zuletzt geändert von Perdedor am Mi 13. Sep 2017, 22:52, insgesamt 1-mal geändert.
Arbeit. Leben. Zukunft.
Senexx

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Senexx »

Perdedor hat geschrieben:(13 Sep 2017, 22:50)

als in Deutschland aufgewachsener Deutscher
Was ist das denn genau?

Ist Frau Özoguz eine in Deutschland aufgewachsene Deutsche?
Benutzeravatar
Perdedor
Beiträge: 3462
Registriert: Do 5. Jun 2008, 23:08

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Perdedor »

Senexx hat geschrieben:(13 Sep 2017, 22:52)

Was ist das denn genau?
Was ist daran unverständlich?
Arbeit. Leben. Zukunft.
Senexx

Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Senexx »

Perdedor hat geschrieben:(13 Sep 2017, 22:52)

Was ist daran unverständlich?
Können Sie den Begriff nicht erklären?
Antworten