Was ist eigentlich "Kultur"?

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Dark Angel
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Dark Angel »

schokoschendrezki hat geschrieben:(20 Nov 2017, 16:47)

Nein. Genau so ist es. Ich schreibe aus eigener Erfahrung. Und kann mich dabei auf kluge Köpfe berufen:

Eine der tiefliegendsten Erkenntnisse der letzten paar hundert Jahre. Genau so ist es. Und es ist nicht beruhigend sondern bestürzend in seiner einfachen, schlichten Wahrheit.
Eigene Erfahrung - kluge Köpfe?
Ändert nichts daran, dass das was du von dir gibst dumm und arrogant ist!
Dass Frauen in Deutschland erst seit etwa 100 Jahren auch Zugang zu "Höherer Bildung" (Universitäten) haben hat nichts mit Selbstunterordnung zu tun, sondern war fremdbestimmt!
Dass Frauen bis vor etwa 100 Jahren vom passiven und aktiven Wahlrecht ausgeschlossen waren, hat nichts mit Selbstunterordnung zu tun, sondern mit Fremdbestimmung.
Wenn sich Frauen gemäß religiöser Bekleidungsvorschriften in der Öffentlichkeit vollständig zu verhüllen haben bzw mindestens Kopftuch tragen müssen, hat das nichts mit Selbstbestimmung zu tun, sondern mit Fremdbestimmung.
Wenn Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung mit der Todesstrafe rechnen müssen, hat das nichts mit Selbstunterordnung, sondern mit Fremdbestimmung zu tun.
Wenn Menschen wegen einer kritischen Meinungsäußerung damit rechnen müssen, zur Zwangsarbeit verurteilt zu werden, hat das nichts mit Selbstunterordnung, sondern mit Fremdbestimmung zu tun.

Deine dämliche Arroganz, mit der du behauptest, es gäbe keine Fremdbestimmung, ist einzig der Tatsache geschuldet, dass du in einer Kultur aufgewachsen bist und durch geprägt wurdest, die dir individuelle Freiheiten gewährt, die aufgeklärt ist und zu deren wichtigsten Merkmalen, die Ideen des Humanismus gehören.
Die sind aber nicht für alle Zeiten in Stein gemeißelt, die müssen bewahrt und erhalten werden und das funktioniert NICHT, wenn kultureller Beliebigkeit das Wort geredet wird.
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Dark Angel hat geschrieben:(20 Nov 2017, 17:06)

Eigene Erfahrung - kluge Köpfe?
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Dass Frauen bis vor etwa 100 Jahren vom passiven und aktiven Wahlrecht ausgeschlossen waren, hat nichts mit Selbstunterordnung zu tun, sondern mit Fremdbestimmung.
Wenn sich Frauen gemäß religiöser Bekleidungsvorschriften in der Öffentlichkeit vollständig zu verhüllen haben bzw mindestens Kopftuch tragen müssen, hat das nichts mit Selbstbestimmung zu tun, sondern mit Fremdbestimmung.
Wenn Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung mit der Todesstrafe rechnen müssen, hat das nichts mit Selbstunterordnung, sondern mit Fremdbestimmung zu tun.
Wenn Menschen wegen einer kritischen Meinungsäußerung damit rechnen müssen, zur Zwangsarbeit verurteilt zu werden, hat das nichts mit Selbstunterordnung, sondern mit Fremdbestimmung zu tun.

Deine dämliche Arroganz, mit der du behauptest, es gäbe keine Fremdbestimmung, ist einzig der Tatsache geschuldet, dass du in einer Kultur aufgewachsen bist und durch geprägt wurdest, die dir individuelle Freiheiten gewährt, die aufgeklärt ist und zu deren wichtigsten Merkmalen, die Ideen des Humanismus gehören.
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Ich bin in einer Kultur aufgewachsen, die mir restriktiv und unter Androhung von Sanktionen bis hin zu Gefängnisstrafen individuelle Freiheit verwehrt hat.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

Dark Angel hat geschrieben:(20 Nov 2017, 17:06)

Eigene Erfahrung - kluge Köpfe?
Ändert nichts daran, dass das was du von dir gibst dumm und arrogant ist!
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(20 Nov 2017, 17:03)

Ich seh's von der anderen Seite, oder besser gesagt: Über den Umweg über andere "Seiten" sprich über die Menschenbilder anderer Kulturen.

Dein Lebensmodell, das du über den Komparativ von "sinnvoll" darstellst, weist einfach auf einen funktionalen Vorteil hin, der wiederum nur zu einem stabileren Gesamtmodell führen soll. Aber für den "Sinn" gelten die gleichen Annahmen wie für Kultur, wobei "Sinn" dann im Gegensatz zu "Kultur" doch ein metaphysisches Konstrukt ist, wenn man es nicht materiell dahingehend versteht, dass Sinn nichts anderes ist als das, was einem im Leben begegnet, zu meistern. Das beginnt also ganz profan damit, dass sich Sinngefühle nicht einstellen, wenn man ein Ticket für 3 Euro am Fahrkartenautomaten ziehen möchte, aber der anzeigt, dass er kein Wechselgeld ausgibt und einem deshalb der 50er in der Hand nichts nützt. Spätestens wenn die Zugtüren sich schließen, und niemand einem den 50er gewechselt hat, man zu spät zum Vortellungsgespräch kommt, ist die kurzfristige materielle Sinnfrage negativ beantwortet. :D

Ich habe die Bemerkung vom "Warum" des Universums gesehen. Wenn sie sinnvoll zu stellen wäre, wäre sie auch nach ihrer endgültigen Beantwortung nicht geschlossen. Denn wenn dann noch etwas wäre, wäre es nichts mehr außer einem lähmenden Stillstand, dröhnend angefüllt mit der Frage, warum man es unbedingt wissen wollte. Oder aber, was wahrscheinlicher ist, das reine Nichts. Denn so, wie es keinen Anfang in der Zeit gibt, weil er schon in der Zeit läge (Blumenberg), so kann es auch keine letzte Antwort auf die Warum-Frage geben. Denn so lange sie in der Zeit läge, wäre es nicht die letzte. Und ohne Zeit wären wir nicht. :) Was alle Kulturfragen lösen würde.
Ja .... Das Universum ist das einzige Ding, das logischerweise nicht von außen betrachtbar und deshalb einer wissenschaftlichen Untersuchung nicht zugänglich ist. Die Warum-Frage kann man dennoch stellen. Oder gibts da Denkverbote?

Ich kann mit oder ohne gültiges Ticket die S-Bahn benutzen. Und das entsprechende Risiko, ohne Ticket erwischt zu werden, versuchen abzuschätzen. Absolut niemand außer ich selbst darf im Falle dieses Erwischens beschuldigt werden.

Eine ganz andere Frage ist die, ob ein diktatorisches oder auch autokratisches System Menschen zwangsläufig fremdbestimmen kann. Ich sage: nein. Niemals! Sonst könnte man sich auch von Ikea-Werbung fremdbestimmt fühlen. Ist man aber nicht. Jeder Mensch hat immer und überall und unter allen Bedingungen, selbst noch in der Todeszelle kurz vor der Hinrichtung absolut die freie Wahl. Absolut die freie Wahl!
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

schokoschendrezki hat geschrieben:(20 Nov 2017, 17:27)

Ja .... Das Universum ist das einzige Ding, das logischerweise nicht von außen betrachtbar und deshalb einer wissenschaftlichen Untersuchung nicht zugänglich ist. Die Warum-Frage kann man dennoch stellen. Oder gibts da Denkverbote?

Ich kann mit oder ohne gültiges Ticket die S-Bahn benutzen. Und das entsprechende Risiko, ohne Ticket erwischt zu werden, versuchen abzuschätzen. Absolut niemand außer ich selbst darf im Falle dieses Erwischens beschuldigt werden.

Eine ganz andere Frage ist die, ob ein diktatorisches oder auch autokratisches System Menschen zwangsläufig fremdbestimmen kann. Ich sage: nein. Niemals! Sonst könnte man sich auch von Ikea-Werbung fremdbestimmt fühlen. Ist man aber nicht. Jeder Mensch hat immer und überall und unter allen Bedingungen, selbst noch in der Todeszelle kurz vor der Hinrichtung absolut die freie Wahl. Absolut die freie Wahl!
Dieses "Fremdbestimmen" ist als Begriff negativ konnotiert. In den östlichen Philosophien ist der Sachverhalt freundlicher ausgedrückt: Bedingtes Entstehen, Entstehen in Abhängigkeit. Diese Ausdrücke sind ohne den Kontext der Zwanges, den "Fremdbestimmung" hat. Es ist auch ein durch den Filter der Politik "versauter" Begriff. Und Entstehen in Abhängigkeit bildet für mich die Abhängigkeit von den kulturellen Prozessen ganz gut ab, und Thomas Fuchs' Diktum vom "Gehirn als Beziehungsorgan" weist auch in diese Richtung.
… habe ich mich sorgsam bemüht, menschliche Tätigkeiten nicht zu verlachen, nicht zu beklagen und auch nicht zu verdammen, sondern zu begreifen. (Spinoza)
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(20 Nov 2017, 17:40)

Dieses "Fremdbestimmen" ist als Begriff negativ konnotiert. In den östlichen Philosophien ist der Sachverhalt freundlicher ausgedrückt: Bedingtes Entstehen, Entstehen in Abhängigkeit. Diese Ausdrücke sind ohne den Kontext der Zwanges, den "Fremdbestimmung" hat. Es ist auch ein durch den Filter der Politik "versauter" Begriff. Und Entstehen in Abhängigkeit bildet für mich die Abhängigkeit von den kulturellen Prozessen ganz gut ab, und Thomas Fuchs' Diktum vom "Gehirn als Beziehungsorgan" weist auch in diese Richtung.
"Entstehen in Abhängigkeit" ist an sich eigentlich eine Trivialität. Ohne Lunge gibts keinen Sauerstoff. Und jedes "Ich will keine Lunge haben!" führt da nicht weiter. Ist es denn aber nicht trotzdem völlig klar, dass das Eingeständnis der Fremdbestimmtheit in einem autoritären System ein Eingeständnis der eigenen Widerstandsunfähigkeit ist? Ein Eingeständnis der Unfähigkeit, sich aus sozialen Eingebundenheiten im Namen und im Interesse der eigenen Selbstentfaltung zu lösen. Ja. Das ist ganz normaler bürgerlicher Individualismus und selbstbezogener Chauvinismus und Ignoranz gegenüber Gemeinschaftssinn. Ich habe absolut kein Problem damit.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

schokoschendrezki hat geschrieben:(20 Nov 2017, 17:52)

"Entstehen in Abhängigkeit" ist an sich eigentlich eine Trivialität. Ohne Lunge gibts keinen Sauerstoff. Und jedes "Ich will keine Lunge haben!" führt da nicht weiter. Ist es denn aber nicht trotzdem völlig klar, dass das Eingeständnis der Fremdbestimmtheit in einem autoritären System ein Eingeständnis der eigenen Widerstandsunfähigkeit ist? Ein Eingeständnis der Unfähigkeit, sich aus sozialen Eingebundenheiten im Namen und im Interesse der eigenen Selbstentfaltung zu lösen. Ja. Das ist ganz normaler bürgerlicher Individualismus und selbstbezogener Chauvinismus und Ignoranz gegenüber Gemeinschaftssinn. Ich habe absolut kein Problem damit.
Dann sollte man auch nicht in die Politik eingreifen, denn Politik ist die öffentliche, nicht die private Sache. Richard Rorty hat ja die Vorlage dafür geliefert: private Selbstvervollkommung und öffentliche Solidarität sind zwei unterschiedliche Bereiche - weshalb er Leute wie Derrida, Nietzsche, Nabokov oder Heidegger mit ihren Ansichten im Hinblick auf die öffentliche Sache als bestenfalls naiv bezeichnete. Und Sartre hat hier übrigens leuchtende Negativbeispile für die wilde Vermengung geliefert, im berücjtigten Vorwort zu Franz Fanon ebenso wie beim Besuch in Stammheim.

Zu deiner Frage: Nein. Wie ich sagte, du reduzierst den Begriff der "Fremdbestimmtheit" auf den reinen Zwang, aber darum geht es selbst hier unter rein westlichen Vorzeichen nicht. Ich hatte das im anderen Kulturthread schon einmal geschrieben: Um eine Erfindung oder eine Entdeckung zu machen, muss in einer Gesellschaft ein bestimmtes Maß an Wissen vorhanden sein, Neugier muss gefördert statt wie beispielsweise in China durch normativ vorgegebene Hierarchien zu behindern und es müssen die entsprechenden Institutionen der Wissensvermittlung vorhanden sein. Das ist immer schon kulturell und völlig unabhängig vom Individuum geregelt. Und noch einmal: Das Maß deines/r "ganz normalen bürgerlichen Individualismus' und selbstbezogenen Chauvinismus' und Ignoranz gegenüber Gemeinschaftssinn" bestimmt sich wesentlich in Abgrenzung gegenüber dem Sozialen in Abhängigkeit von den soziokulturellen Gegebenheiten. Deine individuelle Revolte ist vollkommen von dem bestimmt, wogegen du revoltierst.
Zuletzt geändert von Sextus Ironicus am Mo 20. Nov 2017, 22:17, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(20 Nov 2017, 17:19)

Wie willst du jemals einen anderen User dazu bringen, auch nur eine halbe Minute über deine Worte nachzudenken, wenn du ihn so übel beschimpfst? Kleines Einmaleins der Kommunikation: Freundlichkeit, Gelassenheit, Augenhöhe.
Sorry, aber dein "kleines Einmaleins der Kommunikation" und deine Ermahnungen kannst du dir dahin schieben, wo die Sonne nicht hinscheint. Ich bin kein kleines Kind, dem man mit erhobenen Zeigefinger erklärt, wie es sich zu benehmen hat.
Das kannst du mit deinen Enkeln machen.
Ansonsten kehre erstmal vor deiner eigenen Türe, da hast du genug zu tun, deine eigenen Defizite aufzuarbeiten. :dead:
Es zwingt dich (und Schoko) niemand, auf meine Beiträge einzugehen.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

Dark Angel hat geschrieben:(20 Nov 2017, 19:07)

Sorry, aber dein "kleines Einmaleins der Kommunikation" und deine Ermahnungen kannst du dir dahin schieben, wo die Sonne nicht hinscheint. Ich bin kein kleines Kind, dem man mit erhobenen Zeigefinger erklärt, wie es sich zu benehmen hat.
Das kannst du mit deinen Enkeln machen.
Ansonsten kehre erstmal vor deiner eigenen Türe, da hast du genug zu tun, deine eigenen Defizite aufzuarbeiten. :dead:
Es zwingt dich (und Schoko) niemand, auf meine Beiträge einzugehen.
Das ist also die "Kultur", die du vor "fremden Einflüssen" schützen willst? Na prost Mahlzeit.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von PeterK »

Dark Angel hat geschrieben:(20 Nov 2017, 19:07)
Ich bin kein kleines Kind, dem man mit erhobenen Zeigefinger erklärt, wie es sich zu benehmen hat.
Dem Thread-Titel zufolge ist das Thema hier "Was ist eigentlich Kultur?".

Dass Du Dich wie ein schlecht erzogenes Kind benimmst, ist IMO nicht Thema des Threads. Dementsprechend solltest Du Dein Problem hier auch nicht zu thematisieren versuchen.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(20 Nov 2017, 21:55)

Das ist also die "Kultur", die du vor "fremden Einflüssen" schützen willst? Na prost Mahlzeit.
Ohne irgendwelche Falschbehauptungen und Unterstellungen geht's bei dir nicht? gelle
Aber andere darüber belehren (wollen) wie sie eine Diskussion zu führen haben.
Ich habe nirgendwo etwas darüber geschrieben, dass ich Kultur vor fremden Einflüssen schützen will, sondern immer (wieder):

Kulturen unterscheiden sich voneinander, sie nehmen externe Einflüsse auf und wechselwirken miteinander. Allerdings erfolgt die Aufnahme externer Einflüsse immer freiwillig und kann nicht erzwungen oder angeordnet werden.

Diese immer wieder gemachte Aussage straft deine obige Behauptung Lügen bzw führt sie ad absurdum.
Es ist nicht meine Schuld, wenn du nicht willens bist, dich inhaltlich mit Geschriebenem auseinander zu setzen, es dir stattdessen so zurecht biegst, wie es dir grade in den Kram passt.

Übrigens: deine komische "Warum-Frage" habe ich auch beantwortet und zwar auf Seite 16 dieses Threads:

"weil mich die Begriffststutzigkeit einiger User hier im Forum nervt, die den Unterschied zwischen "dekriptiv" und "normativ" nicht auf die Reihe kriegen und sich aller nur möglichen schlechten Argumente bedienen."
"irgendwann muss man sich doch mal inhaltlich mit den Antworten auseinander setzen und reflektieren, wo der (eigene) Fehler liegt."


Diese Antworten hast du ignoriert und stattdessen auf Seite 17 dieses Threads weiterhin, fälschlich behauptet, ich hätte deine Frage nicht beantwortet.
Aber anderen erklären wollen, wie sie zu diskutieren haben ...
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Dark Angel »

PeterK hat geschrieben:(20 Nov 2017, 22:14)

Dem Thread-Titel zufolge ist das Thema hier "Was ist eigentlich Kultur?".

Dass Du Dich wie ein schlecht erzogenes Kind benimmst, ist IMO nicht Thema des Threads. Dementsprechend solltest Du Dein Problem hier auch nicht zu thematisieren versuchen.
Was ist Kultur habe ich bereits auf Seite 1 dieses Threads geschrieben:

"Kultur = das komplexe Ganze, die Gesamtheit des kummulierten Wissens, der Fähigkeiten, Fertigkeiten, Glaubensvorstellungen und Ethik/Moral (Gesetze) die Menschen als Teil [einer] Gesellschaft in sozialem Lernen erworben haben"

Diese Definition beschreibt, was Kultur ist. Es ist nicht meine Schuld, wenn User nicht in der Lage sind, den Unterschied zwischen dekriptiv und normativ zu unterscheiden und stattdessen einen (extrem) eingeschränkten normativen Kulturbegriff verwenden.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Bleibtreu »

PeterK hat geschrieben:(20 Nov 2017, 22:14)

Dem Thread-Titel zufolge ist das Thema hier "Was ist eigentlich Kultur?"
Meine Guete - Der Witz hat noch gefehlt! :x

Dann lies mal die gestrigen Beitraege von Selina & Schoko und halt denen deinen Vortrag. Beide haben nach Einwuerfen von mir mehrfach vehement erklaert, dass sie sich NICHT an das StrangThema halten und hier nach eigenem Gusto diskutieren wollen, weil ihnen das vorgegebene Thema angeblich zu simpel ist und sich gleichzeitig geweigert fuer ihre WunschDiskussion einen eigenen Strang zu eroeffnen. Sich also klar und deutlich GEGEN die bisherigen ModeratorenAnweisungen von MdW beim Thema zu bleiben + gegen die ebenso unmissverstaendlichen ForenRegeln gestellt. Hier macht doch jeder nur noch was er will. :dead:
• Wer fuer alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein!
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

Bleibtreu hat geschrieben:(21 Nov 2017, 08:16)

Meine Guete - Der Witz hat noch gefehlt! :x

Dann lies mal die gestrigen Beitraege von Selina & Schoko und halt denen deinen Vortrag. Beide haben nach Einwuerfen von mir mehrfach vehement erklaert, dass sie sich NICHT an das StrangThema halten und hier nach eigenem Gusto diskutieren wollen, weil ihnen das vorgegebene Thema angeblich zu simpel ist und sich gleichzeitig geweigert fuer ihre WunschDiskussion einen eigenen Strang zu eroeffnen. Sich also klar und deutlich GEGEN die bisherigen ModeratorenAnweisungen von MdW beim Thema zu bleiben + gegen die ebenso unmissverstaendlichen ForenRegeln gestellt. Hier macht doch jeder nur noch was er will. :dead:
Hier geht es um solche Formulierungen von Dark Angel wie "Ändert nichts daran, dass das was du von dir gibst dumm und arrogant ist!", "Deine dämliche Arroganz, mit der du behauptest...", "dämlicher und arroganter gehts wirklich nicht" und viele weitere solche und ähnliche Ver­bal­in­ju­rien, die man tagaus und tagein bei Angel lesen kann. Das hat mit Kultur des Meinungsstreits nichts mehr zu tun. Und gerade, weil es hier um die alles einbeziehende und übergreifende, angeblich vor "fremden Einflüssen" zu schützende Kultur geht, sollte man ein Minimum davon auch selbst verinnerlicht haben. Weil du "Selina & Schoko" erwähntest: Du wirst weder bei schokoschendrezki noch bei mir solche Unflätigkeiten und verbalen Entgleisungen finden. Und ob diese Diskussion, die über die einfache Definition des Kulturbegriffes hinaus geht, nun noch hierher gehört oder bereits in einen neuen Thread, das ist halt die Frage. Ich sage eben, dass die mit dem Kulturbegriff zusammenhängenden Fragen, zum Beispiel, warum er gerade jetzt so vehement und vorrangig vor anderen existenziellen Themen diskutiert wird, schon haargenau hierher passen. Beteilige dich doch einfach an der Diskussion, statt hier den Schiedsrichter zu spielen.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Bleibtreu »

Die bisherigen ModerationsAnweisungen von MdW und das vorgegebene Thema sind EINDEUTIG - ebenso die ForenRegeln!

Wenn es euch Beiden nach einem anderen Thema geluestet, koennt ihr jederzeit einen Strang dazu eroeffnen, wenn angeblich ein so hoher Bedarf bei euch danach besteht. Da dies aber keiner von euch tut, scheint der Bedarf mitnichten zu bestehen. Es ist schlicht unverschaemt, was ihr euch hier leistet - ENDE! :dead:
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https://www.shabak.gov.il/english/Pages/index.html#=1
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Dark Angel »

Selina hat geschrieben:(21 Nov 2017, 08:51)

Hier geht es um solche Formulierungen von Dark Angel wie "Ändert nichts daran, dass das was du von dir gibst dumm und arrogant ist!", "Deine dämliche Arroganz, mit der du behauptest...", "dämlicher und arroganter gehts wirklich nicht" und viele weitere solche und ähnliche Ver­bal­in­ju­rien, die man tagaus und tagein bei Angel lesen kann. Das hat mit Kultur des Meinungsstreits nichts mehr zu tun. Und gerade, weil es hier um die alles einbeziehende und übergreifende, angeblich vor "fremden Einflüssen" zu schützende Kultur geht, sollte man ein Minimum davon auch selbst verinnerlicht haben. Weil du "Selina & Schoko" erwähntest: Du wirst weder bei schokoschendrezki noch bei mir solche Unflätigkeiten und verbalen Entgleisungen finden. Und ob diese Diskussion, die über die einfache Definition des Kulturbegriffes hinaus geht, nun noch hierher gehört oder bereits in einen neuen Thread, das ist halt die Frage. Ich sage eben, dass die mit dem Kulturbegriff zusammenhängenden Fragen, zum Beispiel, warum er gerade jetzt so vehement und vorrangig vor anderen existenziellen Themen diskutiert wird, schon haargenau hierher passen. Beteilige dich doch einfach an der Diskussion, statt hier den Schiedsrichter zu spielen.
Und schon wieder Ablenkungsmanöver und Unterstellungen. :mad:
Das Thema des Threads lautet: "Was ist eigentlich Kultur"
Das bedeutet es geht um eine Definition für Kultur - was Kultur ist, was sie ausmacht und ggf was zu Kultur alles (dazu) gehört.

Das Thema des Threads lautet NICHT - immer noch nicht - "Was ist ein Kulturbegriff?", lautet NICHT "wie wird der Kulturbegriff definiert?", lautet NICHT "welche Kulturbegriffe gibt es?"
Und noch weniger lautet das Thema des Threads "wie schützt man (eine) Kultur vor äußeren Einflüssen?"

Streng genommen ist das, was ihr beide - du und Schoko - macht, Threadschredderei und Spammerei, weil Ausweichen auf Nebenkriegsschauplätze, arbeiten mit Unterstellungen und bedienen/benutzen schlechter Argumente.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

Selina hat geschrieben:(21 Nov 2017, 08:51)

Ich sage eben, dass die mit dem Kulturbegriff zusammenhängenden Fragen, zum Beispiel, warum er gerade jetzt so vehement und vorrangig vor anderen existenziellen Themen diskutiert wird, schon haargenau hierher passen. Beteilige dich doch einfach an der Diskussion, statt hier den Schiedsrichter zu spielen.
Gut, dann senfe ich da auch etwas dazu: Die Frage, weswegen X diskutiert wird, ist für die Frage, was X ist, völlig irrelevant. Wenn es ein "existenzielles Thema" ist, warum das diskutiert wird, dann erfordert es dringend einen Thread, denn hier hat es nichts verloren. Andernfalls gibt es nur zwei Möglichkeiten: Es besteht ein Interesse, das Thema einfach zu hintertreiben, oder es fehlen die Voraussetzungen, das Thema zu begreifen.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von BlueMonday »

schokoschendrezki hat geschrieben:(20 Nov 2017, 15:02)

Nach Sartre: Nicht mal das geht irgendwie. Die Erfahrung habe ich zwar glücklicherweise nicht machen müssen. Aber ich verstehe perfekt, was mit seiner Existenzialismus-Philosophie eigentlich gemeint ist. Immer und überall vollkommen frei zu sein, ist nicht einfach eine erfreulich-erstaunliche Tatsache sondern ein zuweilen schwer zu ertragendes Schicksal. Eine Hineingeworfenheit. Eine anthropologische Grundkonstante.
Ja, letztlich lebt jeder unter vorgefundenen Bedingungen, Umständen. Wie er diese bewertet, wie er mit diesen umgeht, wie er handelt, das ist immer "selbstbestimmt". Der Radikalste wohl, der das bewusst gemacht hat, war Max Stirner (praktisch der radikalidealistische Gegenspieler zu Marx' Materialismus): "Mir geht nichts über Mich." "Mir gehört die Welt. " usw.
Und je mächtiger ein Mensch ist, desto mehr bestimmt er die Bedingungen und Umstände, in denen er lebt. Andersfalls sind die Umstände eben von anderen bestimmt, fremdbestimmt.

Wenn man sich Zwang als gesteigerste Form der Fremdbestimmung vergegenwärtigt, dann geht es ja den Zwingenden darum, in den Handlungsraum des anderen einzudringen, ihn dazu zu drängen, sich anders zu entscheiden, aber - es verbleibt ja immer eine wenn auch eingeengte Wahlsituation. "Geld oder Leben", damit zwingt der Räuber ... aber wenn einem das eigene Leben nichts wert ist, dann kann man auch damit nicht bedroht und gezwungen werden, dann riskiert man es, schießt zurück und wendet den Zwang ab. D.h. wer wenig zu verlieren hat oder gar nichts, ist ein Mensch, den man praktisch zu nichts zwingen kann. Das ganze gesellschaftliche Leben besteht aus diesem gegenseitigen Vordiewahlstellen. Kommunikation von möglichen Kosten letztlich. Bis hinein in die Ehe, Familie, Beziehung: Wenn du nicht dieses und jenes tust oder unterlässt, dann...

Anders gesagt: man kann in jeder Situation den Grad der Fremdbestimmung selbst verringern ... wenn man dazu das Bewusstsein hat.

Das ist ja eine durchaus erfeuliche Botschaft. Und was man dazu wohl noch braucht, ist Gelassenheit:
"God, grant me the serenity to accept the things I cannot change,
Courage to change the things I can,
And wisdom to know the difference."
https://de.wikipedia.org/wiki/Gelassenheitsgebet

Das geht vielen ab. Insbesonderne auch in politischen Foren. Man spricht über Dinge, die man kaum bis gar nicht ändern kann, sieht sich vor einem Gebirge aus "Fremdbestimmung", das Frustniveau steigt, ersatzweise liefert man sich dann Gefechte mit anderen Forenteilnehmern, um wenigstens irgendwas zu gewinnen. Aber man macht sich hingegen selten Gedanken über Dinge, die man wirklich in der Hand haben könnte. Die Weisheit zu unterscheiden fehlt.
ensure that citizens are informed that the vaccination is not mandatory and that no one is under political, social or other pressure to be vaccinated if they do not wish to do so;
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

BlueMonday hat geschrieben:(21 Nov 2017, 11:25)



Wenn man sich Zwang als gesteigerste Form der Fremdbestimmung vergegenwärtigt, dann geht es ja den Zwingenden darum, in den Handlungsraum des anderen einzudringen, ihn dazu zu drängen, sich anders zu entscheiden, aber - es verbleibt ja immer eine wenn auch eingeengte Wahlsituation. "
Das mag richtig oder falsch sein - aber jeder verhält sich entsprechend dem, was ihm im Horizont seiner Kultur vermittelt wurde. Handlungsfreiheit und Wahlfreiheit - beide Begriffe sind nur unter Rückbezug auf die eigene Kultur und die dort geltenden Normen, Regeln, Sitten etc. zu verstehen.
… habe ich mich sorgsam bemüht, menschliche Tätigkeiten nicht zu verlachen, nicht zu beklagen und auch nicht zu verdammen, sondern zu begreifen. (Spinoza)
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von BlueMonday »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(21 Nov 2017, 13:01)

Das mag richtig oder falsch sein - aber jeder verhält sich entsprechend dem, was ihm im Horizont seiner Kultur vermittelt wurde. Handlungsfreiheit und Wahlfreiheit - beide Begriffe sind nur unter Rückbezug auf die eigene Kultur und die dort geltenden Normen, Regeln, Sitten etc. zu verstehen.
Nun, es ist ja nicht zuerst die Sitte oder Norm oder Sprache da, sondern chronologisch unvermeidlich gibt es eine Zeit ohne diese Sitte, die sich letztlich aus einer Vielzahl von Einzelentscheidungen und Wertungen erst entfaltet.
Die Norm oder Sitte ... bis hin zur Kodifizierung/Gesetzgebung ist allenfalls für eine Verfestigung oder Konservierung von etwas verantwortlich, dessen eigentlicher Gehalt aber nicht durch dieses Konservieren und Festhalten erklärt werden kann.
Der gehaltvolle Keim für jede Kreation oder Veränderung des Bestehenden muss von "außerhalb" dieser Kultur oder Sitte kommen.

Dazu gibt es von Thomas Schelling das Konzept des "Fokalpunktes". Einfach gesagt geht es da um Koordinierung ohne direkte Kommunikationsmöglichkeit.
Und das ist ja nun immer der eigentlich Ausgangspunkt. Eine Sprache gibt es noch nicht zu Beginn. Auch keine Sitten, keine Regel, Gebräuche. Die Sprache, die Sprachkultur kann nicht die eigentliche Ursache ihrer selbst sein. Jegliche soziale Struktur muss also ohne Sprache/Kultur beginnen. Und wo soll der Keim dafür liegen? Doch nur in den einzelnen Akteuren. In ihrer ähnlichen *inneren* Struktur, die eben nicht kulturell geprägt sein kann, weil ... es zu diesem frühen Zeitpunkt noch keine Kultur/Sprache/äußere Struktur gibt. Also: die innere Ähnlichkeit ist der Ausgangspunkt. Diese führt dann bspw. zu einer ähnlichen Perzeption der Umwelt. Die ähnlichen Augen sehen Ähnlches in der vorgefundenen Umwelt ... den Wahrnehmenden fallen die gleichen Besonderheiten in der Umwelt auf. Also bspw. eine Erhebung in der sonst flachen Landschaft, ein Berg, ein Fels ... Der eine deutet auf diesen "Fokalpunkt", in der Hoffnung oder Erwartung, dass der Mensch neben ihm ihn auch wahrnimmt als etwas Besonderes, und dass der Fingerzeig von ihm durch den anderen als solcher gedeutet wird. Dann wird vielleicht irgendein - besonderer - Laut dazu erzeugt... das erste "Wort" entsteht. Und dies ohne zuvor bereits eine Sprache zur Verfügung zu haben. Das ist das Erstaunliche. Letztlich entsteht die Koordination über diese Perturbationen in der Umwelt, auf die gemeinsam geblickt wird, und man eine Erwartung dahingehend entwickelt, dass diese Besonderheit dem anderen ebenso auffällt. Und dass der andere wiederum auch so über einen selbst denkt... Und dies kann man hoffen, wenn man den anderen als ein ähnliches Wesen erkennt, das vermutlich innerlich ähnlich tickt wie man selbst.

Kurz gesagt: der Keim der Gesellschaft liegt im Einzelnen

Ergänzung:
Ein Fokalpunkt ist eine Erwartung einer Person "of what the other expects him to expect to be expected to do." (Thomas Schelling, "The Strategy of Conflict")
So ein Fokalpunkt ist im Grunde der kleinste Teil einer Kultur. Ein Kulturpartikel
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

BlueMonday hat geschrieben:(21 Nov 2017, 13:51)

Nun, es ist ja nicht zuerst die Sitte oder Norm oder Sprache da, sondern chronologisch unvermeidlich gibt es eine Zeit ohne diese Sitte, die sich letztlich aus einer Vielzahl von Einzelentscheidungen und Wertungen erst entfaltet.
Das war mein Hinweis in einer anderen Antwort: "Einen Anfang der Zeit können wir nicht denken. Er läge schon in der Zeit." (Hans Blumenberg). Und jeder von uns, der geboren wird, kann keinen ersten (bewussten) Gedanken außerhalb dessen haben, was uns vermittelt wurde. Und diese Vermittlung geschieht in einem kulturellen Horizont.

BlueMonday hat geschrieben:(21 Nov 2017, 13:51)
Die Norm oder Sitte ... bis hin zur Kodifizierung/Gesetzgebung ist allenfalls für eine Verfestigung oder Konservierung von etwas verantwortlich, dessen eigentlicher Gehalt aber nicht durch dieses Konservieren und Festhalten erklärt werden kann.
Der gehaltvolle Keim für jede Kreation oder Veränderung des Bestehenden muss von "außerhalb" dieser Kultur oder Sitte kommen.
Das wäre dann eine Art göttliche Kraft.
BlueMonday hat geschrieben:(21 Nov 2017, 13:51)

Dazu gibt es von Thomas Schelling das Konzept des "Fokalpunktes". Einfach gesagt geht es da um Koordinierung ohne direkte Kommunikationsmöglichkeit.
Und das ist ja nun immer der eigentlich Ausgangspunkt. Eine Sprache gibt es noch nicht zu Beginn. Auch keine Sitten, keine Regel, Gebräuche. Die Sprache, die Sprachkultur kann nicht die eigentliche Ursache ihrer selbst sein. Jegliche soziale Struktur muss also ohne Sprache/Kultur beginnen.
Ganz schwierig für mich hier. Es gibt ja viele Diskussionen über die Forschungen über unsere nächsten Verwandten, und genau so viel Kritik, ob wir nicht dabei womöglich irgendwelche menschlichen, vor allem psychische Kriterien auf diese Gruppen von Schimpansen, Gorillas oder Bonobos projizieren. Um den Beginn vor die Sprache oder die Kultur zu legen, müssten wir vor den Anfang der Zeit blicken (können) aus meiner Sicht.
BlueMonday hat geschrieben:(21 Nov 2017, 13:51)
Und wo soll der Keim dafür liegen? Doch nur in den einzelnen Akteuren. In ihrer ähnlichen *inneren* Struktur, die eben nicht kulturell geprägt sein kann, weil ... es zu diesem frühen Zeitpunkt noch keine Kultur/Sprache/äußere Struktur gibt. Also: die innere Ähnlichkeit ist der Ausgangspunkt. Diese führt dann bspw. zu einer ähnlichen Perzeption der Umwelt. Die ähnlichen Augen sehen Ähnlches in der vorgefundenen Umwelt ... den Wahrnehmenden fallen die gleichen Besonderheiten in der Umwelt auf. Also bspw. eine Erhebung in der sonst flachen Landschaft, ein Berg, ein Fels ... Der eine deutet auf diesen "Fokalpunkt", in der Hoffnung oder Erwartung, dass der Mensch neben ihm ihn auch wahrnimmt als etwas Besonderes, und dass der Fingerzeig von ihm durch den anderen als solcher gedeutet wird. Dann wird vielleicht irgendein - besonderer - Laut dazu erzeugt... das erste "Wort" entsteht. Und dies ohne zuvor bereits eine Sprache zur Verfügung zu haben. Das ist das Erstaunliche. Letztlich entsteht die Koordination über diese Perturbationen in der Umwelt, auf die gemeinsam geblickt wird, und man eine Erwartung dahingehend entwickelt, dass diese Besonderheit dem anderen ebenso auffällt. Und dass der andere wiederum auch so über einen selbst denkt... Und dies kann man hoffen, wenn man den anderen als ein ähnliches Wesen erkennt, das vermutlich innerlich ähnlich tickt wie man selbst.

Kurz gesagt: der Keim der Gesellschaft liegt im Einzelnen
Letzteres würde ich vehement bestreiten. Der Einzelne erkennt sich als solcher (also in Abgrenzung vom anderen) immer in Abhängigkeit vom anderen. Ich hatte schon oben irgendwo Kapsar Hauser erwähnt. Im Extremfall würde sich ein von jedem sozialen Kontakt von Anfang an abgeschnittenes menschliches Wesen (unter der Bedingung, dass es überhaupt überlebt, eben zu nichts entwickelt haben und gar keine Vorstellung von sich als Einzelnem haben. Die gewinnt er erst innerhalb des Sozialen, und das wiederum weist eben ganz bestimmte, beziehungs- oder interaktionsabhängige Prägungen auf. Mir sind diese subjektzentrierten Modelle oft zu unpsychologisch, weil sie von erwachsenen, längst geprägten Hirninhabern ausgehen.

Das drastischste Beipiel einer modernen Kultur, die diese Beziehungen des Subjekts am ausgeprägtesten sprachlich ausprägen, ist Japan. Wenn bei uns jemand auf sich Bezug nimmt im Gespräch mit anderen, sagt er ich. In Japan gibt es dafür (wenn ich mich recht entsinne) 11 Begriffe, die allesamt mit "ich" in andere Sprachen übersetzt werden. Je nachdem, mit wem ich spreche, nehme ich mit ganz bestimmten, von Hierrchien geprägten Begriffen auf mich Bezug. Das heißt: entscheidend bin nicht ich, sondern die Art der Beziehung bestimmt das von der jeweiligen Person zu verwendende Personalpronomen. Und das ist immer schon da für jedes Kind, von hier ab beginnt ein individuelles Leben. Das Soziale ist also vor ihm da. (Und Stirner mag da noch so laut mit den Zähnen knirschen, in Japan hätte er sein Buch nicht geschrieben.)
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

BlueMonday hat geschrieben:(21 Nov 2017, 11:25)
Das ist ja eine durchaus erfeuliche Botschaft. Und was man dazu wohl noch braucht, ist Gelassenheit:
"God, grant me the serenity to accept the things I cannot change,
Courage to change the things I can,
And wisdom to know the difference."
https://de.wikipedia.org/wiki/Gelassenheitsgebet

Das geht vielen ab. Insbesonderne auch in politischen Foren. Man spricht über Dinge, die man kaum bis gar nicht ändern kann, sieht sich vor einem Gebirge aus "Fremdbestimmung", das Frustniveau steigt, ersatzweise liefert man sich dann Gefechte mit anderen Forenteilnehmern, um wenigstens irgendwas zu gewinnen. Aber man macht sich hingegen selten Gedanken über Dinge, die man wirklich in der Hand haben könnte. Die Weisheit zu unterscheiden fehlt.
Ja. Das ist schon richtig. Glücklicherweise müsste der liebe Gott, wenns ihn gibt, meinen Vorrat an Gelassenheit nur gern noch ein wenig ergänzen. Ich hab' schon einiges davon. Die existenzialisistische Geworfenheit, die Verurteilung zur Freiheit, die Abwesenheit jeglicher Art von Fremdbestimmung bleibt dennoch. Gelassenheit ist die eine Möglichkeit, damit umzugehen. Sie betrifft wesentlich das eigene Wohlergehen. Anderen zu versuchen zu erklären, dass selbst die Todeszelle keine Fremdbestimmung und nicht im mindesten eine Freiheitseinschränkung ist, die andere, eher philantropische.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(20 Nov 2017, 18:39)
Zu deiner Frage: Nein. Wie ich sagte, du reduzierst den Begriff der "Fremdbestimmtheit" auf den reinen Zwang, aber darum geht es selbst hier unter rein westlichen Vorzeichen nicht. Ich hatte das im anderen Kulturthread schon einmal geschrieben: Um eine Erfindung oder eine Entdeckung zu machen, muss in einer Gesellschaft ein bestimmtes Maß an Wissen vorhanden sein, Neugier muss gefördert statt wie beispielsweise in China durch normativ vorgegebene Hierarchien zu behindern und es müssen die entsprechenden Institutionen der Wissensvermittlung vorhanden sein. Das ist immer schon kulturell und völlig unabhängig vom Individuum geregelt. Und noch einmal: Das Maß deines/r "ganz normalen bürgerlichen Individualismus' und selbstbezogenen Chauvinismus' und Ignoranz gegenüber Gemeinschaftssinn" bestimmt sich wesentlich in Abgrenzung gegenüber dem Sozialen in Abhängigkeit von den soziokulturellen Gegebenheiten. Deine individuelle Revolte ist vollkommen von dem bestimmt, wogegen du revoltierst.
Nun. Das sehe ich verständlicherweise anders. Und den offensichtlichsten Widerspruch sehe ich in der Ansicht, das hierarchische Gesellschaftssystem in China könne auch nur irgendwie die Neugier eines Neugierigen unterdrücken. Nie, niemals. Neugier muss keineswegs befördert werden und kann keineswegs auch nur irgendwie unterdrückt werden. Das ist meine persönliche und wirklich authentische Erfahrung aus einigen Dekaden DDR-Gesellschaft.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Bleibtreu hat geschrieben:(21 Nov 2017, 08:16)

Meine Guete - Der Witz hat noch gefehlt! :x

Dann lies mal die gestrigen Beitraege von Selina & Schoko und halt denen deinen Vortrag. Beide haben nach Einwuerfen von mir mehrfach vehement erklaert, dass sie sich NICHT an das StrangThema halten und hier nach eigenem Gusto diskutieren wollen, weil ihnen das vorgegebene Thema angeblich zu simpel ist und sich gleichzeitig geweigert fuer ihre WunschDiskussion einen eigenen Strang zu eroeffnen. Sich also klar und deutlich GEGEN die bisherigen ModeratorenAnweisungen von MdW beim Thema zu bleiben + gegen die ebenso unmissverstaendlichen ForenRegeln gestellt. Hier macht doch jeder nur noch was er will. :dead:
Das mag sogar nicht ganz unberechtigt sein. Also gut. Eine von gefühlt tausend aktuellen Aussagen bezüglich "Kultur" aus einem einfach zufällig ausgewählten Medium (Mitteldeutscher Rundfunk in dem Fall):
Solidarität mit Menschen, die in Europa Schutz vor Hunger und Krieg suchen, lehnt er [Viktor Orbán, gegenwärtiger ungarischer Ministerpräsident] mit dem Argument ab, diese würden die Kultur Europas verändern. Eine solche Solidarität käme der Selbstaufgabe gleich. Inwieweit die Abschottung Europas durch Zäune und Stacheldraht die europäische Kultur verändert, diskutierte er aber nicht.
Gegenwärtig herrscht weltweit nicht - wie von D.A. etwas weiter oben ausgesagt - kulturelle gegenseitige Beeinflussung sondern Abschottung. Slawo-Mazedonier wollen - unter Bezugnahme von "kultureller Eigenständigkeit" - nix mit albanischen Mazedoniern zu tun haben. Ukrainer nicht mit Russen, Israelis nichts mit Arabern, burmesische Buddhisten nichts mit burmesischen Moslems usw. usf. Die Reihe lässt sich endlos fortsetzen. Und immer im Namen von "Kultur". Deshalb mein Vorschlag. Ganz direkt und ohne Umweg auf "Kultur" bezogen: Die demonstrative Selbstverpflichtung, sozusagen als freiwilliges Innehalten und Nachdenken: Für ein Jahr die Worte "Kultur" und "Werte" nicht mehr in den Mund zu nehmen. Und das sage ich, der sich seit langer Zeit mit dem Versuch der Erzeugung von Kunst als wichtigem Teil von "Kultur" widmet. Ich weiß nur noch nicht recht, wie eine solche Protest-Aktion zu organisieren ist.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Dark Angel hat geschrieben:(20 Nov 2017, 17:06)

Eigene Erfahrung - kluge Köpfe?
Ändert nichts daran, dass das was du von dir gibst dumm und arrogant ist!
Dass Frauen in Deutschland erst seit etwa 100 Jahren auch Zugang zu "Höherer Bildung" (Universitäten) haben hat nichts mit Selbstunterordnung zu tun, sondern war fremdbestimmt!
Dass Frauen bis vor etwa 100 Jahren vom passiven und aktiven Wahlrecht ausgeschlossen waren, hat nichts mit Selbstunterordnung zu tun, sondern mit Fremdbestimmung.
Wenn sich Frauen gemäß religiöser Bekleidungsvorschriften in der Öffentlichkeit vollständig zu verhüllen haben bzw mindestens Kopftuch tragen müssen, hat das nichts mit Selbstbestimmung zu tun, sondern mit Fremdbestimmung.
Wenn Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung mit der Todesstrafe rechnen müssen, hat das nichts mit Selbstunterordnung, sondern mit Fremdbestimmung zu tun.
Wenn Menschen wegen einer kritischen Meinungsäußerung damit rechnen müssen, zur Zwangsarbeit verurteilt zu werden, hat das nichts mit Selbstunterordnung, sondern mit Fremdbestimmung zu tun.

Deine dämliche Arroganz, mit der du behauptest, es gäbe keine Fremdbestimmung, ist einzig der Tatsache geschuldet, dass du in einer Kultur aufgewachsen bist und durch geprägt wurdest, die dir individuelle Freiheiten gewährt, die aufgeklärt ist und zu deren wichtigsten Merkmalen, die Ideen des Humanismus gehören.
Die sind aber nicht für alle Zeiten in Stein gemeißelt, die müssen bewahrt und erhalten werden und das funktioniert NICHT, wenn kultureller Beliebigkeit das Wort geredet wird.
Ich behaupte ja nicht, dass es nicht unangenehm, unterdrückerisch bis zuweilen mörderisch zugeht bei der Beschränkung der Handlungsfreiheit und des selbstbestimmten Handelns von Menschen. "Fremdbestimmung" gibt es dennoch nicht. Niemand kann einen anderen Menschen fremdbestimmen, der sich nicht fremdbestimmen lassen will.

Und das zweite Wichtige ist: Diese Tatsache ist nicht etwa eine Gnade sondern ein sehr schwer zu bewältigendes Schicksal. Denn es gibt keine Ausflucht. Es gibt nichts abzuwälzen. Du selbst und niemand sonst ist verantwortlich für Dich.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

schokoschendrezki hat geschrieben:(22 Nov 2017, 07:06)

Das mag sogar nicht ganz unberechtigt sein. Also gut. Eine von gefühlt tausend aktuellen Aussagen bezüglich "Kultur" aus einem einfach zufällig ausgewählten Medium (Mitteldeutscher Rundfunk in dem Fall):

Gegenwärtig herrscht weltweit nicht - wie von D.A. etwas weiter oben ausgesagt - kulturelle gegenseitige Beeinflussung sondern Abschottung. Slawo-Mazedonier wollen - unter Bezugnahme von "kultureller Eigenständigkeit" - nix mit albanischen Mazedoniern zu tun haben. Ukrainer nicht mit Russen, Israelis nichts mit Arabern, burmesische Buddhisten nichts mit burmesischen Moslems usw. usf. Die Reihe lässt sich endlos fortsetzen. Und immer im Namen von "Kultur". Deshalb mein Vorschlag. Ganz direkt und ohne Umweg auf "Kultur" bezogen: Die demonstrative Selbstverpflichtung, sozusagen als freiwilliges Innehalten und Nachdenken: Für ein Jahr die Worte "Kultur" und "Werte" nicht mehr in den Mund zu nehmen. Und das sage ich, der sich seit langer Zeit mit dem Versuch der Erzeugung von Kunst als wichtigem Teil von "Kultur" widmet. Ich weiß nur noch nicht recht, wie eine solche Protest-Aktion zu organisieren ist.
Vielleicht wäre es mal eine coole Sache, parallel zur Vermeidung der Begriffe Kultur und Werte auch jeden Form von "Anti-Ismen" zu vermeiden und seine Kreativität darauf zu richten, etwas zu schaffen. Andernfalls bestätigst du mich: Noch deine Revolte ist vollständig an das gebunden, wogegen du revoltierst.

Beim Verzicht auf Werte wäre ich völlig dabei. Und Kritiker wie Wolfgang Ullrich in "Wahre Meisterwerte" weisen auf das Spaltpotenzial von "Werten" hin, die sowieso immer nur im Plural auftauchen und von denen nun wirklich keiner weiß, was sie sind und in den Zwanziger Jahren im vrgangenen Jahrhundert in Mode kamen. Bei Kultur sehe ich das anders. "Werte" sind eine Politveranstaltung, Kultur dagegen ist der riesige Raum, in dem über Werte diskutiert wird. Es sind also zwei unterschiedliche Dinge.
schokoschendrezki hat geschrieben:(22 Nov 2017, 07:06)
Und den offensichtlichsten Widerspruch sehe ich in der Ansicht, das hierarchische Gesellschaftssystem in China könne auch nur irgendwie die Neugier eines Neugierigen unterdrücken.
Ich habe auch nicht gesagt, dass Neugier als solche unterdrückt würde. Aber die Art und Weise, wie sie in der Breite, in der Summe der Menschen gelebt werden kann, entscheidet maßgeblich darüber, wie erfolgreich eine Gesellschaft ist. China kupfert sehr erfolgreich alles ab, aber ihre konfuzianisch ausgerichtetes Gesellschaftssystem bremst Menschen eben darin aus, Neugier so zu leben, wie das beispielsweise in Deutchland möglich ist. Es fehlt der radikale Subjektivismus, die absolute Selbstermächtigung des Individuums, die ein Ergebnis unserer Kultur, unseres Menschenbildes ist.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(22 Nov 2017, 07:44)
Ich habe auch nicht gesagt, dass Neugier als solche unterdrückt würde. Aber die Art und Weise, wie sie in der Breite, in der Summe der Menschen gelebt werden kann, entscheidet maßgeblich darüber, wie erfolgreich eine Gesellschaft ist. China kupfert sehr erfolgreich alles ab, aber ihre konfuzianisch ausgerichtetes Gesellschaftssystem bremst Menschen eben darin aus, Neugier so zu leben, wie das beispielsweise in Deutchland möglich ist. Es fehlt der radikale Subjektivismus, die absolute Selbstermächtigung des Individuums, die ein Ergebnis unserer Kultur, unseres Menschenbildes ist.
Das geht jetzt natürlich in eine eher direkt politische Diskussion zu einem direkt politischen konkreten Thema. Ich bin in zwei Richtungen vorsichtig und skeptisch: Ich müsste schon wenigstens eine gewisse Zeit in China gelebt und gearbeitet habem, um die sozialen, ökonomischen, sozialpsychologischen Gegebenheiten wenistens einigermaßen authentisch beurteilen zu können. Hab' ich aber nicht. Auf der anderen Seite: Ich höre seit vielleicht 25 Jahren (ungefähr seit dem Massaker in Peking) diese Mär von der Kurzlebigkeit, Unnachhaltigkeit, von dem bevorstehenden Scheitern, von der Unkreativität, der bloßen Billigproduktion, dem reinen ausgelagerten Produktionsstandort ohne Entwicklungskapazitäten China ... und noch immer wird dieses Märchen durch die Realität widerlegt. (DAAD: "Nachdem sich China zunächst als „Werkbank der Welt“ einen Namen gemacht hat, richtete sich in den letzten Jahren der Fokus auf den Aufbau einer Innovationsgesellschaft, um so zu einer „Denkfabrik“ und zu einem Exporteur von Spitzentechnologien zu werden."). Vorsicht!
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

schokoschendrezki hat geschrieben:(22 Nov 2017, 08:07)

Das geht jetzt natürlich in eine eher direkt politische Diskussion zu einem direkt politischen konkreten Thema. Ich bin in zwei Richtungen vorsichtig und skeptisch: Ich müsste schon wenigstens eine gewisse Zeit in China gelebt und gearbeitet habem, um die sozialen, ökonomischen, sozialpsychologischen Gegebenheiten wenistens einigermaßen authentisch beurteilen zu können. Hab' ich aber nicht. Auf der anderen Seite: Ich höre seit vielleicht 25 Jahren (ungefähr seit dem Massaker in Peking) diese Mär von der Kurzlebigkeit, Unnachhaltigkeit, von dem bevorstehenden Scheitern, von der Unkreativität, der bloßen Billigproduktion, dem reinen ausgelagerten Produktionsstandort ohne Entwicklungskapazitäten China ... und noch immer wird dieses Märchen durch die Realität widerlegt. (DAAD: "Nachdem sich China zunächst als „Werkbank der Welt“ einen Namen gemacht hat, richtete sich in den letzten Jahren der Fokus auf den Aufbau einer Innovationsgesellschaft, um so zu einer „Denkfabrik“ und zu einem Exporteur von Spitzentechnologien zu werden."). Vorsicht!
Nein,das führt nicht notwendigerweise in eine politische Diskussion. Das passiert erst, wenn man die festgestellten Unterschiede "politisiert", also für politische Zwecke nutzbar machen möchte. Die chinesische Kultur hat von jeher andere Prioritäten, seit die Konfuzianer (der Daoismus war eine Art Protestbewegung gegen den Konfuzianismus) sich durchgesetzt haben. Bei den Chinesen hat der radikale Individualismus, wie du ihn vertrittst, nie Fuß gefasst. Das festzustellen ist vielleicht eine ideengeschichtliche Diskussion, aber keine politische. Dass China im Wandel ist, ist unbestritten, aber es wird aus unserer Kultur nur das übernehmen, was zu ihren Zwecken passt. Ob das gelingt oder nicht ist dabei erst einmal unerheblich. Zusammengefasst: Kulturelle Unterschiede sind faktisch und beschreibbar. Im vorherrschenden Empörismus wird das Deskriptive aber gerne moralisch gedeutet.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Bleibtreu »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(22 Nov 2017, 12:52)
[...] Zusammengefasst: Kulturelle Unterschiede sind faktisch und beschreibbar. Im vorherrschenden Empörismus wird das Deskriptive aber gerne moralisch gedeutet.
Sehr schoenes Fazit - dem ich vollumfaenglich zustimme! :thumbup:
• Wer fuer alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein!
https://www.shabak.gov.il/english/Pages/index.html#=1
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(22 Nov 2017, 12:52)

Nein,das führt nicht notwendigerweise in eine politische Diskussion. Das passiert erst, wenn man die festgestellten Unterschiede "politisiert", also für politische Zwecke nutzbar machen möchte. Die chinesische Kultur hat von jeher andere Prioritäten, seit die Konfuzianer (der Daoismus war eine Art Protestbewegung gegen den Konfuzianismus) sich durchgesetzt haben. Bei den Chinesen hat der radikale Individualismus, wie du ihn vertrittst, nie Fuß gefasst. Das festzustellen ist vielleicht eine ideengeschichtliche Diskussion, aber keine politische. Dass China im Wandel ist, ist unbestritten, aber es wird aus unserer Kultur nur das übernehmen, was zu ihren Zwecken passt. Ob das gelingt oder nicht ist dabei erst einmal unerheblich. Zusammengefasst: Kulturelle Unterschiede sind faktisch und beschreibbar. Im vorherrschenden Empörismus wird das Deskriptive aber gerne moralisch gedeutet.
"Empörismus" gibts eine ganze Menge. Leider. Aber wer Kulturalismus ablehnt und eben nicht als essenziell und letztlich als funktionales Äquivalent von "Rasse" sieht, empört sich keineswegs sondern bezieht kein pro- oder kontra- gegenüber irgendeiner "Kultur" sondern eine "nicht"-Stellung. Man konnte das Ende der großen chinesischen Seefahrtsentdeckungen im 15. Jahrhundert ebensowenig aus irgendeiner "Kultur" ableiten wie in der Gegenwart den kometenhaften technologischen Aufstieg Chinas. Deskriptiv kann ich durchaus feststellen, dass ein Ball auf der Spitze einer Pyramide ruht. Wohin er rollen wird, weiß ich dennoch nicht.

Eine echte Kritik ohne "Empörismus" an kulturalistischen Weltsichten sieht so aus wie etwa die Einleitung zur Buchkritik an einem der vielen Bücher zur chinesischen Geschichte (in der ZEIT):
Chinas 5.000-jährige Geschichte – es schreibt sich so leicht dahin. Die Floskel geht zumeist einher mit einer Verbeugung vor der Kontinuität einer unvergleichlichen Kultur, die aus der Frühzeit bis in die Gegenwart reicht und die gerade eine neue, verblüffende Vitalität entfaltet. Beispiellos!

Nichts daran ist falsch, gewiss nicht die Bewunderung für die Leistungen der jahrtausendealten chinesischen Kultur. Falsch ist allein die Floskel selber, das schnell dahingesagte oder -geschriebene Wort. Denn sie blendet allzu leicht das Komplexe und Ambivalente aus. Nun sind es aber gerade die Brüche, die Abstürze und Neuanfänge, die den Reichtum der Geschichte ausmachen. Eine Geschichtsschreibung, die Diskontinuitäten negiert, wird zur Ideologie. In diesem Fall heißt das: Es gibt das "ewige China" nicht, hat es nie gegeben.
Das Buch, um das es geht (Kai Vogelsang: Geschichte Chinas) gipfelt in der aus zahlllosen Einzelbeispielen belegten radikalen und kulturalismuskritischen These: "›China‹ und die ›Chinesen‹ sind Geschöpfe der Geschichtsschreibung." Sie existieren lediglich in den Köpfen der Geschichtsschreiber. Das reale China ist - wie er ganz richtig schreibt - ein Reich ohne Mitte - dessen Name eben nur gleichlautend ist mit der Fiktion von Kulturalisten von einem "Reich der Mitte".

Allein schon der moderne chinesische Film und die sogenannte sechste Generation von Regisseuren liegt diametral , 90 Grad entgegen deiner Auffassung, Individualismus hätte in China "nie Fuß gefasst". Als eine "Generation von Individualisten" werden diese Regissseure allgemein, international und übereinstimmend bezeichnet. Diese allgemeinen, beschönigend als "deskriptiv" bezeichneten Standard-Aussagen ... sie stimmen allesamt nicht.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Wir haben schon in einem anderen Thread dieses Beharren aufs Deskriptive. Schön und gut und eigentlich auch kein Problem. Schreib' einen Reisebericht aus China. Vielleicht auch mit Bildern. Oder den Abriss irgendeiner Geschichtsepoche. Das Problem ist: So lesenswert all dies ist oder wäre, so wenig ist es verallgmeinerbar. Und damit nicht dem zugänglich, was man "Wissenschaft" nennt. Prognosen sind nicht machbar und demzufolge auch keine Validierungen.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

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schokoschendrezki hat geschrieben:(22 Nov 2017, 15:23)

Wir haben schon in einem anderen Thread dieses Beharren aufs Deskriptive.
Ja, hab ich gesehen. Es wird so ein bisschen die Kunst gepflegt, über Abseits zu philosophieren, ohne zu wissen, was Fußball ist. Aber hey! Abseits ist wirklich fies!
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

schokoschendrezki hat geschrieben:(22 Nov 2017, 13:54)

Als eine "Generation von Individualisten" werden diese Regissseure allgemein, international und übereinstimmend bezeichnet. Diese allgemeinen, beschönigend als "deskriptiv" bezeichneten Standard-Aussagen ... sie stimmen allesamt nicht.
Deng Xiaoping hatte nach dem blutigen Ausgang auf dem Tiananmenplatz und den Vorwürfen des Westens sinngemäß gesagt, dass eine Millionen Menschenleben in China keine große Sachen seien. Und dass der Westen seine Werte in einzelnen chinesischen Regisseuren erkennt oder erkennen und hervorheben möchte, ist ganz normal, ändert aber nichts daran, dass China nun einmal anders tickt. Und Chinas soziales Punktesystem, das man nun eingeführt hat und praktisch übers Handy funktioniert (ein paar Strafpunkte, und schwupps kann man nirgends mehr hinfahren, weil alles nur übers Handy funktioniert und entsprechend eben zentral deaktiviert wird) ist auch kein Ausdruck einer Bewegung der Individualisten.

War auch nur ein Beispiel. Was den Kulturalismus angeht, so war das von Anfang an ein Strohmann. Der Frage nach dem Was oder Wie der Kultur, nach dem Begriff der Kultur, ist etwas anderes. Kulturwissenschaften oder Kulturanthropologie haben nichts mit Kulturalismus zu tun. Aber wie gesagt, Kulturalismus ist ein reiner Strohmann. Ich kann mich nicht erinnern, wo ich das Thema aufgebracht oder Äußerungen in diese Richtung getan hätte.

Und was deine Einstellung zur Fremdbestimmung angeht: Du bist nicht drauf eingegangen, wie ein Mensch aus sich selbst heraus zu etwas werden könnte (das Beispiel des völlig kontaktlos aufwachsenden Säuglings).
… habe ich mich sorgsam bemüht, menschliche Tätigkeiten nicht zu verlachen, nicht zu beklagen und auch nicht zu verdammen, sondern zu begreifen. (Spinoza)
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

Nachtrag @ schokoschendrezki

Übrigens habe ich gerade noch mal ein bisschen in "Das Sein und das Nichts" geblättert, und Herr Sartre, auf den du dich in deiner Freiheit und Verantwortung berufst, beginnt sein Kapitel "Moralische Perspektiven" mit der bemerkenswerten Festellung: »Die Ontologie könnte selbst keine moralischen Vorschriften formulieren. Sie beschäftigt sich allein mit dem, was ist, und es ist nicht möglich, aus ihren Indikativen Imperative abzuleiten.« Zumindest hierin bleibt er Realist.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(22 Nov 2017, 23:47)
War auch nur ein Beispiel. Was den Kulturalismus angeht, so war das von Anfang an ein Strohmann. Der Frage nach dem Was oder Wie der Kultur, nach dem Begriff der Kultur, ist etwas anderes. Kulturwissenschaften oder Kulturanthropologie haben nichts mit Kulturalismus zu tun. Aber wie gesagt, Kulturalismus ist ein reiner Strohmann. Ich kann mich nicht erinnern, wo ich das Thema aufgebracht oder Äußerungen in diese Richtung getan hätte.
Der eigentliche Punkt ist: "Kulturanthropologie" als verlegenheitsgeleitete Neuschöpfung für "Ethnologie" und davor für "Völkerkunde" befindet sich seit etwa einem halben Jahrhundert in der Krise. Die "Krise der Ethnologie" ist selbst ein feststehender wissenschaftlicher Begriff und Gegenstand von gefühlt 981 entsprechenden Veröffentlichungen nur in jüngerer Zeit. Ethnologie, Völkerkunde, Kulturanthropologie, vergleichende Kulturwissenschaften etc. pp. stehen seit gut 50 Jahren vor der Notwendigkeit eines Memorandums. Einer grundlegenden Nachdenkenspause. Einer Totalrevision sämtlicher Grundannahmen einschließlich der Möglichkeit der endgültigen Beendingung als seriöse Wissenschaftsdisziplin im Zeitalter nun auch beschleunigter Globalisierung. So wie der Marxismus nach dem Ende des sogenannten realen Sozialismus oder wie Bereiche der Ökonomie nach den jüngsten Finanzkrisen. Nur eben nicht so sehr, weil sie ideologisch verbohrt sind sondern weil sie schlicht und einfach falsche Aussagen machen. Weil sie am laufenden Band 1+1=3-Behauptungen aufstellen.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Das beste Beispiel für die völlige Offensichtlichkeit dieser "Krise der Ethnologie" ist die völlig berechtigte Kritik an einer Organisation wie der "Gesellschaft für bedrohte Völker" von linker Seite aus. Sie wird schon mal als "Völkische Gesellschaft für bedrohte Völker" bezeichnet. Richtig.
In der Kritik steht besonders das Grundkonzept der GfbV, ethnische Kollektive („Völker“ und „Volksgruppen“) in den absoluten Mittelpunkt ihrer Arbeit zu stellen und nicht Individuen und ihre Einzelschicksale. Dass diese Kollektividentitäten vollkommen konstruiert und teilweise erzwungen (z.B. durch Diskriminierung) sind, wird von der GfbV nicht erwähnt und wohl auch nicht angenommen. So werden Menschen von der GfbV auf Kollektividentitäten zurückgeworfen, anstatt Ihnen zu helfen sich gegen diese zu emanzipieren.
(eisberg.blogsport.de) Wort für Wort Hundertfünfzig Prozent meine Ansicht. Und absolut im Zentrum politischer Diskussion. Genau gegen diese Konstruierte Priorisierung von Kollektividentitäten muss der politische Widerstand organisiert werden.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(22 Nov 2017, 23:47)

Deng Xiaoping hatte nach dem blutigen Ausgang auf dem Tiananmenplatz und den Vorwürfen des Westens sinngemäß gesagt, dass eine Millionen Menschenleben in China keine große Sachen seien. Und dass der Westen seine Werte in einzelnen chinesischen Regisseuren erkennt oder erkennen und hervorheben möchte, ist ganz normal, ändert aber nichts daran, dass China nun einmal anders tickt. Und Chinas soziales Punktesystem, das man nun eingeführt hat und praktisch übers Handy funktioniert (ein paar Strafpunkte, und schwupps kann man nirgends mehr hinfahren, weil alles nur übers Handy funktioniert und entsprechend eben zentral deaktiviert wird) ist auch kein Ausdruck einer Bewegung der Individualisten.
Tatsachen wie diese sind mir bekannt. Und ich habe auch nicht die geringste Absicht, sie zu beschönigen. Nur: Sie haben absolut nix mit irgendeinem von Kulturanthropologen imaginisierten "China" als Erzählung und vollkommen falscher Begrifflichkeit sondern mit dem realen China zu tun. Mit dem ökonomischen Aufstieg eines Landes, in welchem noch vor zirka 50 Jahren die verheerendste Hungerkatastrophe der Menschheitsgeschichte stattfand. Vollkommen verständlich, dass Menschen diese Entwicklung als positiv wahrnehmen und dummerweise und leider staatliche Überwachung befürworten. Nix, absolut gar nix hat das mit "Kultur" zu tun. Es geht einfach nicht. Es ist einfach systemisch, logisch, wissenschaftlich vollkommen falsch, "Kultur" als ursächlich anzunehmen. Oder auch nur als überhaupt existent.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

schokoschendrezki hat geschrieben:(23 Nov 2017, 08:28)

Das beste Beispiel für die völlige Offensichtlichkeit dieser "Krise der Ethnologie" ist die völlig berechtigte Kritik an einer Organisation wie der "Gesellschaft für bedrohte Völker" von linker Seite aus. Sie wird schon mal als "Völkische Gesellschaft für bedrohte Völker" bezeichnet. Richtig.

(eisberg.blogsport.de) Wort für Wort Hundertfünfzig Prozent meine Ansicht. Und absolut im Zentrum politischer Diskussion. Genau gegen diese Konstruierte Priorisierung von Kollektividentitäten muss der politische Widerstand organisiert werden.
Politischer Widerstand sagt ja schon: Es geht um Politik und nicht um Wissenchaft. Und die Erwähnung der Disziplinen war nichts als ein Hinweis darauf, dass zwischen politischen Bewegungen (Kulturalismus) und Kultur zu unterscheiden ist.

Wenn ich das Zitat lese, auf dessen Basis die Kritik erfolgt, dann erkennt man die absolute Ahnungslosigkeit darüber, wie Kultur, wie Gesellschaften funktionieren. Im Grunde ist die Idee, "Individuen und ihre Einzelschicksale" in den Mittelpunkt zu stellen, ein Kulminationspunkt von Ansätzen aus dem Umfeld von identiy politics, eine Art Autistisierung des Individuums. Es ist nichts als das Asoziale in ein universalethisch verbrämtes Mäntelchen theologischen Konstruktivismus verpackt. Es war ja Foucaults Idee, das Individuum de facto in den Staatsrang zu versetzen, sodass mit jeder Ohrfeige, die einem verpasst wird, der Staat geohrfeigt wird. In der Folge solcher Konzepte wird übersehen, dass ein solche Gesellschaft von Autisten sich nur dadurch im Innenverhältnis garantieren kann, wenn jede einzelne menschliche Beziehung erst politisiert wird (wie im Zitat zu sehen), und anschließend verrechtlicht wird, also der Politik wieder entzogen wird, da Politik theoretisch ja von Mehrheitsentscheidungen getragen wird. Keine menschliche Beziehung wäre mehr ungeregelt- dass das im Namen der Selbstbestimmung geschieht, ist das ironische i-Tüpfelchen auf der Sache.

Nach außen hin wäre so ein Staat nicht mehr überlebensfähig, denn Gruppen leben auch immer davon, dass im schlimmsten Fall ihre Mitglieder über ihre Einzelinteressen hinaus bereit sind, Opfer zu bringen für die Gruppe. Eine "Gesellschaft" von radikalen Individuen ist dazu nicht mehr in der Lage, sie kann sich nach außen nicht mehr behaupten, ihren Fortbestand nach außen nicht aus sich selbst heraus sichern.

So, und noch einen launigen Gedanken zur Fremdbestimmung. Wer in diesem Lande nicht schwarz arbeitet, wird seinen Steuersatz nicht selbst bestimmen. Dieser richtet sich nach den Maßgaben der erforderlichen Einnahmen, die sich wiederum u.a. danach, wie viel wohlfahrtsstaatliche Umverteilung gewünscht wird. Das wiederum hängt an den vorherrschenden ethischen Vorstellungen, die ihrerseits auf bestimmten Ideen und Wertvorstellungen basieren. Lässt man großzügig die mangelnden Mitbestimmungsmöglichkeiten in Deutschland auße Acht, könnte man bestenfalls sagen: Du kannst natürlich indirekt mitbestimmen, wie hoch der Steuersatz ist, aber eine Wahlmöglichkeit hast du nicht. Du drückst deine Steuern völlig fremdbestimmt ab (und noch die Steueroptimierung, die Selbstständige betreiben können, bezieht sich auf den real existierenden Steuersatz). Und schließlich als Abschlussbemerkung zu einem Satz von dir: Die übelste Form von Fremdbestimmung ist die Vergewaltigung. Spätestens da würde dein Gedanken, wer sich fremdbestimmen lasse gebe dazu auch immer irgendwie seine Einwilligung, etwas makaber. Doch letzteres nur am Rande - meine Behauptung bleibt: In allem, was wir tun, sind wir auf unsere Kultur bezogen. Auch in der negativen Freiheit bleibt immer der kulturell bestimmte Bezugspunkt vorhanden. Sie kann sich nicht nach nichts bemessen.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(23 Nov 2017, 08:28)

Das beste Beispiel für die völlige Offensichtlichkeit dieser "Krise der Ethnologie" ist die völlig berechtigte Kritik an einer Organisation wie der "Gesellschaft für bedrohte Völker" von linker Seite aus. Sie wird schon mal als "Völkische Gesellschaft für bedrohte Völker" bezeichnet. Richtig.

(eisberg.blogsport.de) Wort für Wort Hundertfünfzig Prozent meine Ansicht. Und absolut im Zentrum politischer Diskussion. Genau gegen diese Konstruierte Priorisierung von Kollektividentitäten muss der politische Widerstand organisiert werden.
Ich kann gut nachvollziehen, was du meinst. Schaut man sich aber neben aller sicher berechtigten Kritik an, wofür sich diese "Gesellschaft für bedrohte Völker" einsetzt, dann frage ich mich schon: Wer soll dann stattdessen solche solidarischen Leistungen erbringen? Wer oder was könnte an die Stelle treten? Wie kann man etwa den Aborigines helfen, wo jeder weiß, wie erbärmlich rassistisch sie immer noch verfolgt werden? Was ist mit all den anderen verfolgten, unterdrückten und echte Not leidenden Menschen? Ich kenne die Kritik an solchen NGOs. Wer aber soll anstelle von denen helfen? Die Staaten kümmern sich doch nicht um ihre Leute. Sicher ist der Aufbau demokratischer Strukturen (und das möglichst von innen heraus und aus eigener Kraft) in den Ländern, wo es Menschen am schlechtesten geht, wünschenswert. Aber was ist in der langen Zeit, wo das nicht passiert? Oder auch die andere Geschichte: Was ist mit zeitweiligen Zusammenschlüssen wie etwa Occupy, um bestimmten Ziele zu erreichen? Oder die Friedensbewegung, die zwar völlig zerstritten ist, aber doch trotzdem in Teilen noch vorhanden ist und auch Aktionen plant? Oder die Vereine gegen Rassismus und Nationalismus, die sich mit dem Erstarken der Neuen Rechten als Gegenpol gegründet haben, lehnst du die alle auch ab? Ich frage mich generell, ob Individualismus alleine immer etwas bringt. So sehr ich mich natürlich auch gegen alles Kulturalistische und Völkische wehre und so sehr ich dieses nationalistische Volks-Geraune auch ablehne, aber kann der Individualismus die einzige Alternative dazu sein?
Zuletzt geändert von Selina am Do 23. Nov 2017, 09:12, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Uffzach »

Habt ihr eigentlich mittlerweile eine spezifisch deutsche Kultur identifizieren können? :D
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

@Sextus Ironicus: Nur, dass die angeblichen "Autisten" ganz hervorragend und locker und leicht mit der modernen Welt zurechtkommen. Java, SQL und Go programmieren, Englisch und noch sonstwas sprechen, souverän aus all dem, was als "Kultur" bezeichnet wird für sich selbst und nach ihren eigenen Prioritäten als Individuen und nicht als Kollektivmitglieder zu sondieren wissen und ... sagen wir einfach mal: Fröhlich das Leben genießen.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

schokoschendrezki hat geschrieben:(23 Nov 2017, 09:18)

@Sextus Ironicus: Nur, dass die angeblichen "Autisten" ganz hervorragend und locker und leicht mit der modernen Welt zurechtkommen. Java, SQL und Go programmieren, Englisch und noch sonstwas sprechen, souverän aus all dem, was als "Kultur" bezeichnet wird für sich selbst und nach ihren eigenen Prioritäten als Individuen und nicht als Kollektivmitglieder zu sondieren wissen und ... sagen wir einfach mal: Fröhlich das Leben genießen.
Ja, das ist in der Sache sehr schön ausgedrückt und nennt diejenigen, um die es geht: Die Wohlständigen.

Aber, um das noch einmal auf einen Gedanken von mir zurückzuführen: Glaubst du, dass ein Staat wie Israel mit ein paar Millionen solcher bindungsbefreiter Wohlständigen überleben könnte?
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von unity in diversity »

Uffzach hat geschrieben:(23 Nov 2017, 09:11)

Habt ihr eigentlich mittlerweile eine spezifisch deutsche Kultur identifizieren können? :D
Die kann man sehen, wenn im Supermarkt eine zweite Kasse aufmacht.
Für jedes Problem gibt es 2 Lösungsansätze:
Den Falschen und den Unsrigen.
Aus den USA.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Selina hat geschrieben:(23 Nov 2017, 09:09)

Ich kann gut nachvollziehen, was du meinst. Schaut man sich aber neben aller sicher berechtigten Kritik an, wofür sich diese "Gesellschaft für bedrohte Völker" einsetzt, dann frage ich mich schon: Wer soll dann stattdessen solche solidarischen Leistungen erbringen? Wer oder was könnte an die Stelle treten? Wie kann man etwa den Aborigines helfen, wo jeder weiß, wie erbärmlich rassistisch sie immer noch verfolgt werden? Was ist mit all den anderen verfolgten, unterdrückten und echte Not leidenden Menschen? Ich kenne die Kritik an solchen NGOs. Wer aber soll anstelle von denen helfen? Die Staaten kümmern sich doch nicht um ihre Leute. Sicher ist der Aufbau demokratischer Strukturen (und das möglichst von innen heraus und aus eigener Kraft) in den Ländern, wo es Menschen am schlechtesten geht, wünschenswert. Aber was ist in der langen Zeit, wo das nicht passiert? Oder auch die andere Geschichte: Was ist mit zeitweiligen Zusammenschlüssen wie etwa Occupy, um bestimmten Ziele zu erreichen? Oder die Friedensbewegung, die zwar völlig zerstritten ist, aber doch trotzdem in Teilen noch vorhanden ist und auch Aktionen plant? Oder die Vereine gegen Rassismus und Nationalismus, die sich mit dem Erstarken der Neuen Rechten als Gegenpol gegründet haben, lehnst du die alle auch ab? Ich frage mich generell, ob Individualismus alleine immer etwas bringt. So sehr ich mich natürlich auch gegen alles Kulturalistische und Völkische wehre und so sehr ich dieses nationalistische Volks-Geraune auch ablehne, aber kann der Individualismus die einzige Alternative dazu sein?
Die Wahrheit ist, dass all diese Aktionen von NGOs praktisch vollkommen überlagert werden können durch reale Entwicklungen. Ich traue der angeblichen Menschenfreundlichkeit einfach nicht. Menschenfreundlichkeit bedeutet für mich ganz konkret, misstrauisch zu sein. Die Aktionen von solchen Organisationen zu hinterfragen. Rainer Hank, ein Wirtschafts-Journalist bei der FASZ brachte es neulich auf den (sehr sehr provokativen) Punkt: "Wir brauchen mehr Kinderarbeit!". Vermutlich nicht deine Position. Aber ich glaube zu verstehen, was gemeint ist. Nicht auf die völlig scheinheilige Position von Firmen wie "Trigema" einzugehen. Ganz nüchtern und realistisch zu sehen, dass Bangladesh ein noch in der 70er, 80er Jahren ärmstes und von Hunger bedrohtestes Land der Erde war und dass die Investitionen von Textilfirmen diesem Land eine Chance zum Aufstieg bringen. "Niemals bei Trigema" kaufen setze ich diesem "niemals bei Billigproduzenten kaufen" entgegen. Noch krasser ist der Gegensatz und die Scheinheiligkeit beim Image von Firmen wie Apple, Microsoft und ganz besonders Ikea. Ich mache da nicht mit. Und ich misstraue eben auch Organisationen wie der Gesellschaft für bedrohte Völker. SIe wollen mir im EIgeninteresse weismachen, dass sie sich für Gutmenschentum einsetzen. Aber ich will nicht der dumme Idiot sein.

Und ich will vor allem auch nicht der Herrenmensch sein, der durch Kauf von sogenannten fair produzierten Gütern Menschen, die gerade eben ein gewisses Existenzminimum erlangten im Namen von angeblicher Humanität ins Elend zurückstoßen.
Zuletzt geändert von schokoschendrezki am Do 23. Nov 2017, 10:54, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(23 Nov 2017, 09:23)
Ja, das ist in der Sache sehr schön ausgedrückt und nennt diejenigen, um die es geht: Die Wohlständigen.
Das ist sehr schön ironisch ausgedrückt. :) Die sogenannten "Wohlständigen" befinden sich, wenn mans genauer sich anschaut, aber auch in einer Krise. Sie kommen mit der modernen, globalisierten, digitalisierten Welt zurecht. Sie haben ihr Einkommen und ihre Sicherheit. Gut. Aber das ist nur äußerlich. Genauer betrachtet siehts wesentlich problematischer aus. Das Zurechtkommen überdeckt nur die verbreitete Entfremdetheit. Das bedeutet jedoch nicht, dass dieses Zurechtkommen nicht dennoch eine vergleichsweise komfortable Situation ermöglicht und dass die Betroffenen dies nicht auch wüssten. Und es beduetet vor allem nicht, dass die Hinwendung zu einer "Kultur" im Sinne einer Kollektivität oder gar Nation eine Lösung dafür wäre.
Aber, um das noch einmal auf einen Gedanken von mir zurückzuführen: Glaubst du, dass ein Staat wie Israel mit ein paar Millionen solcher bindungsbefreiter Wohlständigen überleben könnte?
Das ist eine sehr interessante Frage. Das große ganz aktuelle Problem in Israel besteht wohl eher im Umgang mit den Ultraorthodoxen. Miltiärdienstverweigerung. Bewusst gewählte Arbeitslosigkeit. Und sie wachsen einfach an Anzahl. Die wirkliche Frage ist, ob ein Staat wie Israel, der auf Hochtechnologie angewiesen ist, mit dieser massiv wachsenden Anzahl von Modernisierungsverweigerern überleben kann. Das Thema ist hochbrisant und hochaktuell.
Zuletzt geändert von schokoschendrezki am Do 23. Nov 2017, 10:17, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

schokoschendrezki hat geschrieben:(23 Nov 2017, 09:50)

Das ist eine sehr interessante Frage. Das große ganz aktuelle Problem in Israel besteht im Umgang mit den Ultraorthodoxen. Miltiärdienstverweigerung. Bewusst gewählte Arbeitslosigkeit. Und sie wachsen einfach an Anzahl. Die wirkliche Frage ist, ob ein Staat wie Israel, der auf Hochtechnologie angewiesen ist, mit dieser massiv wachsenden Anzahl von Modernisierungsverweigerern überleben kann. Das Thema ist hochbrisant und hochaktuell.
Das war aber alles nicht meine Frage. Es geht darum, wie ein angeblich kulturfreies "Gemeinwesen" (die Hobbes-Übersetzungen geben civitas heute so wieder), wenn es nicht auf Södner zurückgreifen möchte, die aus anderen Gründen ihr Leben riskieren, sich nach außen verteidigen möchte, wenn innen eine vollkommene Bindungslosigkeit herrscht.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(23 Nov 2017, 10:01)

Das war aber alles nicht meine Frage. Es geht darum, wie ein angeblich kulturfreies "Gemeinwesen" (die Hobbes-Übersetzungen geben civitas heute so wieder), wenn es nicht auf Södner zurückgreifen möchte, die aus anderen Gründen ihr Leben riskieren, sich nach außen verteidigen möchte, wenn innen eine vollkommene Bindungslosigkeit herrscht.
Um Gottes willen! "Kulturbindungsfrei" bedeutet doch noch nicht "Kulturfrei". Ganz im Gegenteil. Aus meiner SIcht ist Zugang zu dem Teil von Kultur (und ich bin mir sehr wohl bewusst, dass der nur ein Teil von "Kultur" ist), den man mit "Kunst" bezeichnet ... dass der Zugang dazu überhaupt nur mit Bindungsfreiheit zu erlangen ist.
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Sextus Ironicus »

schokoschendrezki hat geschrieben:(23 Nov 2017, 10:05)

Um Gottes willen! "Kulturbindungsfrei" bedeutet doch noch nicht "Kulturfrei". Ganz im Gegenteil. Aus meiner SIcht ist Zugang zu dem Teil von Kultur (und ich bin mir sehr wohl bewusst, dass der nur ein Teil von "Kultur" ist), den man mit "Kunst" bezeichnet ... dass der Zugang dazu überhaupt nur mit Bindungsfreiheit zu erlangen ist.
Also, dann lass mich nochmal fragen. du sagtest etwas weiter oben:
Es ist einfach systemisch, logisch, wissenschaftlich vollkommen falsch, "Kultur" als ursächlich anzunehmen. Oder auch nur als überhaupt existent.
Irgendwie bekomme ich (und das ist ironiefrei gemeint), die beiden Dinge jetzt nicht zusammen. Kultur oder nicht Kultur? Oder worauf bezog sich "existent"?
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von Bleibtreu »

Uffzach hat geschrieben:(23 Nov 2017, 09:11)

Habt ihr eigentlich mittlerweile eine spezifisch deutsche Kultur identifizieren können? :D
Du bist im falschen Strang. Wenn du verstanden hast, was Kultur bedeutet & alles umfasst, kannst du darauf aufbauend auch nachvollziehen, was spezifisch fuer Deutschland gilt. Zur deutschen Kultur geht es dann hier lang ==> Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Und falls dir tatsaechlich nichts dazu einfaellt, was deutschlandweit uebergreifend gilt, dann denk mal ueber die ErinnerungsKultur Deutschlands zu den NaziVerbrechen nach. Diese Form der ErinnerungsKultur ist spezifisch fuer Deutschland. Frankreich, UK, Polen, Tuerkei, Russland, Libanon, USA etc pp haben eine jeweils signifikant andere ErinnerungsKultur an die NazenVerbrechen.

Kultur ist alles, was nicht von der Natur erschaffen wurde. Also auch das RechtsWesen, das Schul/Bildungswesen, Gesundheitswesen, Geschichte, Wirtschaft, Wissenschaft, Oekologie, der Stellenwert von Frauen, Juden oder HomoSexuellen innerhalb der Gesellschaft, etc pp. Denk nur mal an die typisch deutsche Fuelle an SteuerGesetzen und Regelungen oder die FDGO. Aus ALL diesen unterschiedlichen Teilen setzt sich dann eine ganz spezifische Kultur zusammen, die du in keinem anderen Land in dieser Zusammensetzung findest. Das Thema ist also im Grunde simpel, wenn man es rein faktisch beschreibend betrachtet, ohne ideologische, politische oder wertende Brille. :)
• Wer fuer alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein!
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Re: Was ist eigentlich "Kultur"?

Beitrag von schokoschendrezki »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(23 Nov 2017, 10:22)

Also, dann lass mich nochmal fragen. du sagtest etwas weiter oben:



Irgendwie bekomme ich (und das ist ironiefrei gemeint), die beiden Dinge jetzt nicht zusammen. Kultur oder nicht Kultur? Oder worauf bezog sich "existent"?
Ja. Das war schon etwas uneindeutig ausgedrückt. Was daran liegt, dass der Begriff "Kultur" eben auch ambivalent und uneindeutig ist. Es reicht ein ganz einfacher Verweis auf den ganz einfachen Wikipedia-Artikel:
Der Begriff kann sich auf eine Gruppe von Menschen beziehen, denen eine bestimmte Kultur zugesprochen wird, oder auf das, was allen Menschen als Menschen zukommt, insofern Kultur sie beispielsweise vom Tier unterscheidet.
Nicht das, was allen Menschen zukommbar ist, ist das Problem sondern das, was Gruppen von Menschen angeblich zusprechbar ist.
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