schokoschendrezki hat geschrieben:(24 Nov 2017, 11:18)
Die "Philosophie des Weins", übersetzt von Skirecki, ist auf Deutsch erschienen und auch jetzt aktuell (z.B. bei amazon) erhältlich ... und eine "Weinmeditiation" ist jetzt, Ende November, in der Zeit des Dunkels auch mal fällig ...
Ja, und mit dem kann man auch schön über Kultur nachdenken, denn der Wein hat, nach einem Wort Ernst Jüngers, Europa mehr verändert als das Schwert.
Natürlich gibt es Abstinenzler. Béla Hamvas nennt sie in seiner Philosophie des Weins die "Pietisten", ein Menschenschlag, der bei ihm anders als die Atheisten, die dumm und unwissend und beschränkt und einfältig sind, nicht gut bis ganz schlecht wegkommt. Es sind Hyperventilierer des Korrekten, die in dieses Schema passen, die Trinken höchstens als einen Akt des Wertepraktizierens begreifen
Es ist ein merkwürdiges Büchlein eines noch merkwürdigeren Mannes, eines Mystikers der Sinne, für den Gott noch im Schinken steckt und dessen Schrift unter dem Motto Franz von Baaders steht, nach dem jedes Denken mit den Sinnen beginnen muss. Und so geht er sein Thema an, bei dem am Ende zwei übrig bleiben, Gott und der Wein.
Er führt uns durch eine Metaphysik des Weines, erzählt wie ein Mystiker aus der Welt des Weingenusses, in herrlicher und vollkommen kitschfreier Sprache, direkt, fröhlich, unbeschwert, ein sinnliches Gebet, bei dem selbst der hartgesottenste Atheist und Nihilist nicht umhin kann, angesichts der vielen Fress- und Trinkgelagedarstellungen starke metaphysische Gelüste zu entwickeln. In seinem kurzen eschatologischen Exkurs nennt er ihn angesichts des Sündenfalls die Brücke zwischen dem ersten und dem letzten Tag.
Nebenher bekommen alle ihr Fett weg, die Atheisten, die Puritaner, die Pietisten (ganz schlimm), die Szientisten, der abstrakte Mensch mit seiner Wissenschaft, Moral, seinen Gesetzen, seinem Staat. Der abstrakte Mensch, der keine Liebe kennt, sondern nur Sexualtriebe, der nicht arbeitet, sondern produziert, der kein Fleisch, keine Kartoffeln, Pflaumen, Birnen, Butterbrote und Honig isst, sondern Kalorien, Vitamine, Kohlenhydrate und Eiweiß zu sich nimmt und keinen Wein trinkt, sondern Alkohol.
Ein wundervoller mystischer Parforceritt durch die metaphysische Welt des Weins, der Anpielungen auf auf eine Vielzahl mystischer Texte, ebenso wie auf Romane enthält, in dem die Bibel und die Upanischaden oder Zhuangzi ebenso vertreten sind wie Rabelais und D.H. Lawrence, Epikur oder James Joyce usw.
Und ich habe selten oder nie in meinem Leben so schallend gelacht bei einer Philosophie-Lektüre, die ein reiner Spaß war. Den Erlösungsgedanken auf eine solch sinnlich-fröhliche Weise mit dem Wein zu verknüpfen hat ein gewaltiges Moment der Versuchung zur Aussöhnung mit Gott und/oder dem Sein.
Der Text ist übrigens um so bemerkenswerter, wenn man die Entstehungsgeschichte dazu liest.
So, nach diesem Stückchen Weinkultur wieder zurück zum Begriff der Kultur.
… habe ich mich sorgsam bemüht, menschliche Tätigkeiten nicht zu verlachen, nicht zu beklagen und auch nicht zu verdammen, sondern zu begreifen. (Spinoza)