Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

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Sextus Ironicus
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Sextus Ironicus »

schokoschendrezki hat geschrieben:(17 Dec 2017, 17:55)

:p Jetzt musste ich wirklich ein wenig lachen angesichts dieser Besessenheit vom Gehirnlichen. Beziehungsweise angesichts dieser naiven Annahme, jemand könnte glauben, ohne Gehirn gehts auch ... Der Mensch hat Kulturtechniken entwickelt, mit denen er dauernd Bewusstseinsinhalte externalisiert. Von der Papyrusrolle bis zum Internet. Und sie damit biologischen Gegegebenheiten entzieht. Was einmal als Text festgehalten ist, hat nichts, aber auch gar nichts mehr mit biologischen Gegebenheiten zu tun. Und auch die Weiterführung von Diskursen kommt - wenn sie nicht einfach spontane Spinnereien sind - an dem Bezug auf gegebene Texte nicht vorbei.
Um eine Papyrusrolle zu lesen, muss ich sehen, ebenso, wenn ich ins Internet gehe - oder ich muss mir den Inhalt vorlesen lassen. Um nur bei den einfachsten biologischen Voraussetzungen zu bleiben. Und da beim Lesen wiederum das Verstehen von Zeichen eine Rolle spielt, ist auch da die Biologie wieder ganz dick dabei. Was externalisiert wird, endet im Nirwana, wenn nicht einer da ist, der versucht, die Botschaft zu entschlüsseln. Ohne Biologie ginge das nur, wenn man von einem von jeder Substanz unabhängigen Geist ausginge.
… habe ich mich sorgsam bemüht, menschliche Tätigkeiten nicht zu verlachen, nicht zu beklagen und auch nicht zu verdammen, sondern zu begreifen. (Spinoza)
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Re:

Beitrag von Sextus Ironicus »

schokoschendrezki hat geschrieben:(17 Dec 2017, 18:04)

Alle Achtung. Das ist ja immerhin eine kultivierte, weil nicht persönlich diffamierende Argumentation. Aber das mit den "therapeutisch orientierten Philosophiezirkeln" .. ob das wirklich stimmt? Ich bin noch nicht dazu gekommen, mir dieses Sonderheft der Zeitschrift "Philosophie" zum Thema Existenzialismus zu Gemüte zu führen. Aber ich habe stark den Verdacht, dass dieses existenzialistische Denken grad' eine Renaissance erfährt. Mal sehen.
Das "Therapeutische" ist natürlich eine kleine aber durchaus freundschaftliche rhetorische Spitze. Man kann es auch ein bisschen theoretischer sagen: Michael Hampe unterscheidet in seinem "Die Lehren der Philosophie" zwischen maieutischer und akademischer Philosophie. In letzterer spielt der Existenzialismus keine Rolle mehr, im anderen Bereich mag im Zeitalter der Gesellschaft der Singularitäten der als Sinnverlust empfundene Überdruss am Werten und/oder an der aufs rein Narzisstische reduzierten Existenz zu einem Versuch der Revitalisierung des Existenzialismus führen. Aber ich würde dann darauf wetten, dass der mit allen ontologischen Aussagen sparsamere und in seiner gesellschaftlichen Ausrichtung humanere Camus Sartre anders als in den ideologischen Fünfzigern und Sechzigern ausstechen wird. Denn Sartres Engagementforderung führt den Einzelnen letztlich doch wieder auf Umwegen ins Ideologisch-Kollektive, während Camus da keine Ambitionen hatte. Insofern sind Camus Bücher heute durchaus noch lesbar, während Sartre den Dogmatikern zuzurechnen ist (aus meiner Sicht jedenfalls).
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Zunder
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Zunder »

schokoschendrezki hat geschrieben:(17 Dec 2017, 09:59)

Es geht darum, dass es völlig legitim und intellektuell achtbar ist, die Positionen des Existenzialismus abzulehnen oder auch als irrelevant anzusehen. Aber eine geistig-philosophische Strömung, die derart nachhaltig die ganze zweite Hälfte des letzten Jahrhunderts beeinflusste und die gerade heute wiederentdeckt wird als "Quatsch" zu bezeichnen ... das geht eben nicht. Was Du schreibst bestätigt nur noch einmal was ich schon weiter oben geschrieben habe: Dass der Freiheitsbegriff ambivalent ist. Die Unterscheidbarkeit von "Willensfreiheit" und "Handlungsfreiheit" steht zum Beispiel dafür. Die Aufklärung prägte die Vorstellung von Freiheit als "Grundrecht". Deine Formulierung "reale Freiheit" suggeriert, dass es eigentlich nur eine einzige Auslegung dafür gibt und alle anderen irreal sind. Sartre gibt zu - ich finde momentan die Quelle nicht - dass die Handlungsfreiheit, zum Beispiel in diktatorischen Sysemen extrem eingeschränkt sein kann, dass es aber praktisch keine Situation gebe, in der der Mensch von seiner Verurteilung zur Entscheidungsfreiheit befreit sei. Und das schließt selbstverständlich auch die Situation ein, in der Todeszelle zu sitzen.
Mir geht es nicht um die Diskussion über den Existentialismus, sondern um die Phrasendrescherei. Einen Satz herauszugreifen und zu einer pseudo-philosophischen Parole zu verhunzen, hat nichts mit dem Existentialismus Sartres zu tun. Deswegen habe ich den Satz im Zusammenhang zitiert. Die Mühe des Abtippens hätte ich mir offensichtlich auch sparen können.

In der zitierten Stelle geht es nicht um einen bestimmten oder einen ambivalenten Freiheitsbegriff, sondern um gar keinen Freiheitsbegriff. Es geht um die Bedingung für die Freiheit - nach Sartre. Wenn es, wie Sartre behauptet, keine außerpersönliche Legitimation gibt, kann der Mensch sein Handeln eben nur durch sich selbst begründen und rechtfertigen. Das ist alles. Über die konkrete, praktische, angewandte, reale Freiheit ist damit nichts gesagt. Darauf hinzuweisen suggeriert nichts, sondern weist auf den Unterschied zwischen Möglichkeit und Wirklichkeit hin. Mir zu unterstellen, ich würde damit eine "einzige Auslegung" suggerieren wollen, ist entweder eine vorsätzlich falsche Darstellung oder einfach nur Dummheit.

In der Todeszelle gibt es nichts zu entscheiden. Dein Verweis auf die Erzählung "Die Mauer" war einfach nur Käse. Einfach mal lesen.

Interessanter ist allerdings die Schrift "Ist der Existentialismus ein Humanismus?", aus der der zitierte Satz stammt.

Sartre behauptet, daß ein Arbeiter, der in eine christliche Gewerkschaft eintritt, nicht nur sich selbst bescheidet, sonder anzeigt: "ich will für alle Selbstbescheidung üben, folglich hat mein Schritt die ganze Menschheit gebunden."

Gleich anschließend verpflichtet, wer heiratet, "die ganze Menschheit auf den Weg der Monogamie".

Ich finde das sehr beeindruckend, wie ohne jegliche Begründung die individuelle Entscheidung eines einzelnen Menschen zur Menschheitsfrage aufgeblasen wird. Das ist Religion und sonst gar nichts. Sartre rekurriert damit ja nicht auf den kategorischen Imperativ, wie einige Interpreten behaupten, weil er nicht eine verbindende Idee aufgreift wie Kant, sondern mit der Identität von Mensch und Menschheit ganz tief in die Traditionskiste greift.

"Whoever destroys a soul, it is considered as if he destroyed an entire world. And whoever saves a life, it is considered as if he saved an entire world."
Jerusalem Talmud, Sanhedrin 4:1 (22a)
http://talmud.faithweb.com/articles/schindler.html

Diese Identität findet sich auch im Koran, bezeichnenderweise in Bezug auf die Juden:

Sure 5 : 32
“Aus diesem Grunde haben Wir den Kindern Isrāʾīls vorgeschrieben : Wer ein menschliches Wesen tötet, ohne (daß es) einen Mord (begangen) oder auf der Erde Unheil gestiftet (hat), so ist es, als ob er alle Menschen getötet hätte. Und wer es am Leben erhält, so ist es, als ob er alle Menschen am Leben erhält."


Ob im mutmaßlichen Neo-Existentialismus diese Gleichsetzung vollzogen wird, wage ich zu bezweifeln.
Vermutlich wird es sich um einen "Existentialismus" für Leute handeln, die die Hülle für ihr iPhone so auswählen, daß das Apple-Logo sichtbar bleibt.
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Zunder
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Zunder »

Hatice Akyün, deren "Herz deutsch" und deren "Seele türkisch" ist:

"Warum gehen diese Leute nie nach einem Anschlag gegen islamistischen Terror auf die Straße? Es ist nicht nur menschenverachtend, wie sie mitten in Deutschland Juden den Tod wünschen und Israel von der Karte löschen wollen. Es ist hoffentlich auch strafrechtlich relevant. Ich finde es unerträglich, wie sie unsere demokratischen Grundwerte, also Versammlungs- und Meinungsfreiheit missbrauchen, um ihre perfiden Überzeugungen zu verbreiten.
Für uns in Deutschland ist die Schule umso wichtiger als Ort der Aufklärung und Demokratievermittlung.
Denn nur, wenn man die Geschichte seines Landes kennt, kann eine neue Generation von Staatsbürgern heranwachsen, die sich ihrer Verantwortung für die Erinnerungskultur bewusst ist und ihr Handeln zum Besseren ableitet.
Ja, Demokratie muss Widerspruch, sogar Protest aushalten. Wer aber toleriert, was in Berlin passiert ist, macht sich mitschuldig an der Etablierung von Hass als Form der Auseinandersetzung."

https://www.facebook.com/BamS/https://w ... .com/BamS/

Es gibt keine Pflicht, an der deutschen Erinnerungskultur teilzuhaben. Man muß sie nicht einmal respektieren, wie öfter als genug gezeigt wird.
Aber man kann es. Auch mit Migrationshintergrund.
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Sextus Ironicus
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Sextus Ironicus »

Zunder hat geschrieben:(18 Dec 2017, 13:48)

Es gibt keine Pflicht, an der deutschen Erinnerungskultur teilzuhaben. Man muß sie nicht einmal respektieren, wie öfter als genug gezeigt wird.
Aber man kann es. Auch mit Migrationshintergrund.
Man kann eben nicht befehlen "Erinnere dich!"

Und so wie ein Mensch, der vielleicht seine Kindheit in England oder in der Türkei verbracht hat, bevor er hierher kam und Deutscher wurde, bei Günter Jauch in "Wer wird Millionär" sitzt und an der 200-Euro-Frage scheitert, weil er irgendeinen Kinderreim nicht kann oder versteht, so werden eben immer mehr Menschen mit anderen Erinnerungsmustern- und präferenzen hier aufwachsen und eine neue verbindende Kultur prägen.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Uffzach »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(18 Dec 2017, 14:31)

Man kann eben nicht befehlen "Erinnere dich!"
V.a. dann nicht, wenn es nichts zu erinnern gibt aufgrund später Geburt. :p

Sich an Narrative anderer zu erinnern und sich einzureden, man wär dabei gewesen und könnte sich erinnern, ist bloße Selbsttäuschung.

Deutschtümelei ist es, nichts anderes. Bloß negativ emotional unterlegt.

Deshalb ist es a priori auch nicht verbindend, denn man muss sich erst mental konditionieren, um auf solche Art deutsch zu tümeln.
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Sextus Ironicus
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Sextus Ironicus »

Uffzach hat geschrieben:(18 Dec 2017, 14:40)

V.a. dann nicht, wenn es nichts zu erinnern gibt aufgrund später Geburt. :p
Ein kollektives Gedächtnis umfasst immer alle, dafür ist niemand zu spät geboren, höchstens anderswo sozialisiert worden oder ideologisch verstockt.
… habe ich mich sorgsam bemüht, menschliche Tätigkeiten nicht zu verlachen, nicht zu beklagen und auch nicht zu verdammen, sondern zu begreifen. (Spinoza)
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von odiug »

Hier mal eine Doku zum Thema biologischer Determinismus am Beispiel des Rassenbegriffs.


Ein interessanter Aspekt in diesem Zusammenhang ist, während in den 70gern bis zu den 2000ern Basketball von Afro Amerikanern dominiert wurde, so war dies in den 30gern des 20sten Jahrhunderts ein jüdischer Sport.
Was die kulturelle Prägung für Talent aufzeigt.
Diskriminierte Minoritäten benutzen Sport als soziales Sprungbrett.
Ein Interview mit einem Genetiker macht auch klar, daß die Idee, Gene seien für etwas, also es gäbe ein Gen für diese oder jene Fähigkeit eines Menschen, ist nicht nur falsch, sondern in seiner Simplifizierung wissenschaftlicher Forschung auf diesem Gebiet sogar gefährlich falsch.



Wer die ganze Serie sehen möchte, kann das am unten angeführten Link tun, aber als Warnung möchte ich anfügen: nur öffnen mit gutem Antivierenschutz:
Solarmovie hat seine Tücken mit Popups und manche sind elend lästig und auch gefährlich.

http://solarmovie.net/watch/x0oe7YVv-ra ... ode-1.html
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Selina
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Selina »

Ich hatte immer gehofft, dass dieses so genannte "kollektive Gedächtnis" auch wirklich funktioniert und den scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg der Nationalisten verhindern kann. Das war offenbar ein Trugschluss.
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Uffzach »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(18 Dec 2017, 14:46)

Ein kollektives Gedächtnis umfasst immer alle, dafür ist niemand zu spät geboren, höchstens anderswo sozialisiert worden oder ideologisch verstockt.
Aha ... das kollektive Gedächtnis läuf auf einem kollektiven Gehirn, wa? :D
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Uffzach »

Selina hat geschrieben:(18 Dec 2017, 15:02)

Ich hatte immer gehofft, dass dieses so genannte "kollektive Gedächtnis" auch wirklich funktioniert und den scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg der Nationalisten verhindern kann. Das war offenbar ein Trugschluss.
Es gibt halt kein kollektives Gehirn, welches deine individuelle Deutschtümelei zu einer kollektiven machen würde. :p
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von odiug »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(17 Dec 2017, 19:11)

Um eine Papyrusrolle zu lesen, muss ich sehen, ebenso, wenn ich ins Internet gehe - oder ich muss mir den Inhalt vorlesen lassen. Um nur bei den einfachsten biologischen Voraussetzungen zu bleiben. Und da beim Lesen wiederum das Verstehen von Zeichen eine Rolle spielt, ist auch da die Biologie wieder ganz dick dabei. Was externalisiert wird, endet im Nirwana, wenn nicht einer da ist, der versucht, die Botschaft zu entschlüsseln. Ohne Biologie ginge das nur, wenn man von einem von jeder Substanz unabhängigen Geist ausginge.
Also manchmal muß ich mich wirklich über dich wundern :s
Da schreibst du Beiträge, die einem zum denken anregen und dann haust du so einen Kalauer raus, der mich an der Menschheit verzweifeln lässt :eek:
Daß der Mensch ein biologisches Wesen ist, ein Tier wenn man will, ist als Erkenntnis ebenso banal wie langweilig.
Ebenso wie die Feststellung, daß seine biologische Existenz Bedingung für sein Menschsein ist.
Aber seine Biologie erklärt nicht seine Menschlichkeit, sie ist nur die Voraussetzung dafür.
Wie Steine die Bedingung dafürsind, daß man eine Pyramide bauen kann.
Aber der Stein alleine erklärt die Pyramide nicht und die Biologie auch nicht den Menschen.
Zuletzt geändert von odiug am Mo 18. Dez 2017, 15:39, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Sextus Ironicus »

odiug hat geschrieben:(18 Dec 2017, 15:11)

Also manchmal muß ich mich wirklich über dich wundern :s
Da schreibst du Beiträge, die einem zum denken anregen und dann haust du so einen Kalauer raus, der mich an der Menschheit verzweifeln lässt :eek:
Daß der Mensch ein biologisches Wesen ist, ein Tier wenn man will, ist als Erkenntnis ebenso banal wie langweilig.
Ebenso wie die Feststellung, daß seine biologische Existenz Bedingung für sein Menschsein ist.
Naja, du hättest ja auch was schreiben können zur Idee, dass ein externalisierter Inhalt des Bewusstseins Gehirn und Biologie entzogen werde. Was soll man denn darauf anders antworten?
… habe ich mich sorgsam bemüht, menschliche Tätigkeiten nicht zu verlachen, nicht zu beklagen und auch nicht zu verdammen, sondern zu begreifen. (Spinoza)
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Sextus Ironicus »

Uffzach hat geschrieben:(18 Dec 2017, 15:04)

Aha ... das kollektive Gedächtnis läuf auf einem kollektiven Gehirn, wa? :D
Metaphern übernehmen eine wichtige Funktion in unserer Sprache. Manchmal etablieren sie sich sogar dauerhaft.
… habe ich mich sorgsam bemüht, menschliche Tätigkeiten nicht zu verlachen, nicht zu beklagen und auch nicht zu verdammen, sondern zu begreifen. (Spinoza)
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von odiug »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(18 Dec 2017, 15:16)

Naja, du hättest ja auch was schreiben können zur Idee, dass ein externalisierter Inhalt des Bewusstseins Gehirn und Biologie entzogen werde. Was soll man denn darauf anders antworten?
Ich will das nicht externalisieren ... ich glaube weder an eine Seele noch daran, daß wir von einem Geist beseelt wären, der sich in einem göttlichen verortet.
Nur die Erforschung der biologischen Funktionen eines Gehirns wird dir nicht offenbaren, woher dieser Drang nach der Erforschung des Gehirns kommt und was er überhaupt bezwecken soll.
Die neuralen Muster, die der Gedanke an den Begriff Freiheit auf deinem Gehirnscaner auslösen sagen nichts über den Begriff Freiheit aus, weder was er bedeutet, noch woher er kommt, noch wohin er führt.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Zunder »

Uffzach hat geschrieben:(18 Dec 2017, 14:40)

V.a. dann nicht, wenn es nichts zu erinnern gibt aufgrund später Geburt. :p

Sich an Narrative anderer zu erinnern und sich einzureden, man wär dabei gewesen und könnte sich erinnern, ist bloße Selbsttäuschung.
Erinnerungskultur bedeutet nicht, daß du dich an etwas erinnern sollst, sondern daß an etwas erinnert wird.
Wenn du glaubst, dich aus der Verantwortung stehlen zu können, weil du nicht dabei warst, dich folglich nicht daran erinnern kannst und somit nichts damit zu tun hast, stellst du dich auf eine Stufe mit Erdogans Handlangern.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Zunder »

Selina hat geschrieben:(18 Dec 2017, 15:02)

Ich hatte immer gehofft, dass dieses so genannte "kollektive Gedächtnis" auch wirklich funktioniert und den scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg der Nationalisten verhindern kann. Das war offenbar ein Trugschluss.
Vielleicht haben die Nationalisten soviel Erfolg, weil das kollektive Gedächtnis funktioniert.

Hatice Akyün hat übrigens gar nichts über Nazis geschrieben.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von BlueMonday »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(17 Dec 2017, 19:11)
Ohne Biologie ginge das nur, wenn man von einem von jeder Substanz unabhängigen Geist ausginge.
Wobei das Wort ja schon darauf hindeutet, dass es dabei um eine "Logie", also letztlich ein begriffliches System geht. Und da wären nun andere Begriffsysteme ja noch weitaus näher am Gegenstand als die Biologie, also namentlich die Chemie oder gar die Physik... und als Seitschritt die Epistemologie, Wissenschaftstheorie... Insofern sind dann Physiker wie Heisenberg bspw. näher am Rande und Ende der Sprache und damit auch näher an der Sprachkritik: http://www.quantum-cognition.de/texts/heis2.html

Und allesamt sind sie als Begriffssystem - gemacht. Im Nachhinein. Das ist es ja nun, was die Existentialisten u.a. - wenn vielleicht auch viel zu umständlich - sagen wollen, dass all dem die noch begrifflose und damit unbegriffene Existenz vorausgeht, das bloße, noch unbetrachtete, unsagbare Dasein.
Also das Dasein hängt nicht von der Biologie ab. "Da" war schon etwas lange lange vor der Biologie, sondern umgekehrt, die Biologie hängt davon ab, dass etwas Existierendes sich entsprechende biologische Begriffe macht.
ensure that citizens are informed that the vaccination is not mandatory and that no one is under political, social or other pressure to be vaccinated if they do not wish to do so;
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Uffzach »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(18 Dec 2017, 15:18)

Metaphern übernehmen eine wichtige Funktion in unserer Sprache. Manchmal etablieren sie sich sogar dauerhaft.
Wer Macht über die Sprache hat, der hat die Macht. Ich lehne deine Metapher als Unsinn ab. Es gibt kein kollektives Gedächtnis. Solche Metaphern sind sprachliche Werkzeuge der psychologischen Kollektivierung.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Uffzach »

Zunder hat geschrieben:(18 Dec 2017, 15:46)

Erinnerungskultur bedeutet nicht, daß du dich an etwas erinnern sollst, sondern daß an etwas erinnert wird.
Solche Ermahnungen von selbsternannten Mahnern brauche ich nicht.
Zunder hat geschrieben: Wenn du glaubst, dich aus der Verantwortung stehlen zu können, weil du nicht dabei warst, dich folglich nicht daran erinnern kannst und somit nichts damit zu tun hast, stellst du dich auf eine Stufe mit Erdogans Handlangern.
Ich habe deiner Deutschtümelei nichts zu tun.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Sextus Ironicus »

Uffzach hat geschrieben:(18 Dec 2017, 16:20)

Wer Macht über die Sprache hat, der hat die Macht. Ich lehne deine Metapher als Unsinn ab. Es gibt kein kollektives Gedächtnis. Solche Metaphern sind sprachliche Werkzeuge der psychologischen Kollektivierung.
Es ist nicht "meine" Metapher. Es ist die Beschreibung einer ganz bestimmten Haltung von Menschen zur Geschichte ihres Landes. Und wen das kollektive Gedächtnis ärgert, der wird versuchen, sich zu entziehen. Ist nur schwer, auszusteigen, und deine moralisch unterlegte Ablehnung des Begriffs (wegen "psychischer Kollektivierung") kann die Sache selbst nicht erledigen. So wie umgekehrt deine politischen Feinde auch bestimmten verbindenden Faktoren nicht wirklich entkommen, so sehr sie auch mit moralischen Argumenten dagegen ankämpfen.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Uffzach »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(18 Dec 2017, 16:37)

Es ist nicht "meine" Metapher. Es ist die Beschreibung einer ganz bestimmten Haltung von Menschen zur Geschichte ihres Landes.
Deutschtümelei gibt es, ja.
Sextus Ironicus hat geschrieben: Und wen das kollektive Gedächtnis ärgert, der wird versuchen, sich zu entziehen.
Es ist der Sprachgebrauch, der hier abgelehnt wird. Ein kollektive Gedächtnis ist so inexistent wie der Osterhase.
Sextus Ironicus hat geschrieben: Ist nur schwer, auszusteigen, und deine moralisch unterlegte Ablehnung des Begriffs (wegen "psychischer Kollektivierung") kann die Sache selbst nicht erledigen.

So wie umgekehrt deine politischen Feinde auch bestimmten verbindenden Faktoren nicht wirklich entkommen, so sehr sie auch mit moralischen Argumenten dagegen ankämpfen.
Du bist schon zu weit fortgeschritten in deiner Selbstkonditionierung. Fiktives erscheint dir bereits als wirklich wie deine Wortwahl zeigt. Ab einem bestimmten Punkt der Selbstkonditonierung nimmst du den Unsinn nicht mehr als Unsinn wahr. Pech für dich.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Dark Angel »

odiug hat geschrieben:(18 Dec 2017, 15:11)

Also manchmal muß ich mich wirklich über dich wundern :s
Da schreibst du Beiträge, die einem zum denken anregen und dann haust du so einen Kalauer raus, der mich an der Menschheit verzweifeln lässt :eek:
Daß der Mensch ein biologisches Wesen ist, ein Tier wenn man will, ist als Erkenntnis ebenso banal wie langweilig.
Ebenso wie die Feststellung, daß seine biologische Existenz Bedingung für sein Menschsein ist.
Aber seine Biologie erklärt nicht seine Menschlichkeit, sie ist nur die Voraussetzung dafür.
Wie Steine die Bedingung dafürsind, daß man eine Pyramide bauen kann.
Aber der Stein alleine erklärt die Pyramide nicht und die Biologie auch nicht den Menschen.
Doch tut sie! Mensch hat als einziger Primat ein großes komplexes Gehirn entwickelt - das ist Biologie - und es ist aufgrund seiner Kapazität und Leistungsfähigkeit Bedingung dafür, dass Mensch Bewusstsein und die Fähigkeit der Selbstrefektion enzwickeln konnte. Diese Fähigkeit der Selbstreflektion in Verbindung mit seinem - für Rudeltiere typischen - Sozialverhalten (Kooperation, Arbeitsteilung, Altruismus) - wieder Biologie - macht seine Menschlichkeit aus, liefert die Erklärung dafür.

Steine sind nicht die Bedingung dafür, Pysramiden bauen zu können, sondern das Wissen, was eine Pyramide ist (Imaginations- und Abstraktionsvermögen) und wie man sie baut.
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Sextus Ironicus »

Uffzach hat geschrieben:(18 Dec 2017, 16:43)

Deutschtümelei gibt es, ja.
Es ist der Sprachgebrauch, der hier abgelehnt wird. Ein kollektive Gedächtnis ist so inexistent wie der Osterhase.
Du bist schon zu weit fortgeschritten in deiner Selbstkonditionierung. Fiktives erscheint dir bereits als wirklich wie deine Wortwahl zeigt. Ab einem bestimmten Punkt der Selbstkonditonierung nimmst du den Unsinn nicht mehr als Unsinn wahr. Pech für dich.
Ach, noch so ein moralischer Krieger mit lauter ad hominem-Argumenten. Lassen wir das, wer sich als Maßstab alles Guten sieht, dem soll man weiterhin alles Gute wünschen, damit man sich wieder der Realität zuwenden kann. Gut, dass wir drüber gesprochen haben.
… habe ich mich sorgsam bemüht, menschliche Tätigkeiten nicht zu verlachen, nicht zu beklagen und auch nicht zu verdammen, sondern zu begreifen. (Spinoza)
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Uffzach »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(18 Dec 2017, 18:11)

Ach, noch so ein moralischer Krieger mit lauter ad hominem-Argumenten. Lassen wir das, wer sich als Maßstab alles Guten sieht, dem soll man weiterhin alles Gute wünschen, damit man sich wieder der Realität zuwenden kann. Gut, dass wir drüber gesprochen haben.
Was meine Worte mit Moral zu tun haben sollen, weiß ich nicht. Wo in meinen Worten ad hominem-Argumente zu finden sein sollten, weiß ich auch nicht. Du solltest dich mal kritisch mit deiner Wahrnehmung auseinandersetzen. Ich treffe meine Wortwahl auf der Basis rationaler Analyse und diese beruht auf der Wahrnehmung mittels der 5 Sinne. In diesem Sinne solltest du differenzieren zwischen meinen Worten, die du sehen kannst, und dem, was du dazudichtest. :cool:
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Sextus Ironicus »

Uffzach hat geschrieben:(18 Dec 2017, 18:17)

Was meine Worte mit Moral zu tun haben sollen, weiß ich nicht. Wo in meinen Worten ad hominem-Argumente zu finden sein sollten, weiß ich auch nicht. Du solltest dich mal kritisch mit deiner Wahrnehmung auseinandersetzen. Ich treffe meine Wortwahl auf der Basis rationaler Analyse und diese beruht auf der Wahrnehmung mittels der 5 Sinne. In diesem Sinne solltest du differenzieren zwischen meinen Worten, die du sehen kannst, und dem, was du dazudichtest. :cool:
Einer verlässt sich halt auf die fünf Sinne, der andere denkt auch noch. Aber ich glaube, das möchte ich jetzt nicht noch einmal weiter vertiefen, so tief hat meine Verbundenheit schon früher nicht gereicht. :D
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von odiug »

Dark Angel hat geschrieben:(18 Dec 2017, 17:38)

Doch tut sie! Mensch hat als einziger Primat ein großes komplexes Gehirn entwickelt - das ist Biologie - und es ist aufgrund seiner Kapazität und Leistungsfähigkeit Bedingung dafür, dass Mensch Bewusstsein und die Fähigkeit der Selbstrefektion enzwickeln konnte. Diese Fähigkeit der Selbstreflektion in Verbindung mit seinem - für Rudeltiere typischen - Sozialverhalten (Kooperation, Arbeitsteilung, Altruismus) - wieder Biologie - macht seine Menschlichkeit aus, liefert die Erklärung dafür.

Steine sind nicht die Bedingung dafür, Pysramiden bauen zu können, sondern das Wissen, was eine Pyramide ist (Imaginations- und Abstraktionsvermögen) und wie man sie baut.
Thank you for making unwittingly my point :p
Nenn mir doch bitte eine biologische Abstraktion.
Und dann noch ein bummer für dich: doch du brauchst Steine, auch für dein Abstraktions- und Imigationsvermögen.
Beide sind nicht nur nutzlos ohne die Dinge, an denen sie sich erproben, es gäbe sie auch nicht ohne die Dinge, an denen sie sich abarbeiten.
Aber weder ich, noch du müssen das Rad neu erfinden.
Ich bin dabei nicht auf meine Biologie angewiesen, sondern auf einen guten Lehrer und gute Bücher ... oder das, was man unter kollektiven Gedächtnis versteht und der Vermittlung desselben.
Und die Vermittlung dieses Wissens, bzw die Qualität dieser Vermittlung ist auch die Grundlage meiner Entscheidungen, die meine biologische Maschine Gehirn erarbeitet, jenseits von Instinkt und Reflex.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Dark Angel »

odiug hat geschrieben:(18 Dec 2017, 19:34)

Thank you for making unwittingly my point :p
Nenn mir doch bitte eine biologische Abstraktion.
Ohne leistungsfähiges Gehirn (Biologie) gibt es kein Abstraktionsvermögen, keine Abstraktionen - die entstehen IM Gehirn
odiug hat geschrieben:(18 Dec 2017, 19:34)Und dann noch ein bummer für dich: doch du brauchst Steine, auch für dein Abstraktions- und Imigationsvermögen.
Beide sind nicht nur nutzlos ohne die Dinge, an denen sie sich erproben, es gäbe sie auch nicht ohne die Dinge, an denen sie sich abarbeiten.
Nein ich brauche für mein Abstraktionsvermögen KEINE Steine! Was ich brauche ist die Imagination/die Vorstellung der geometrischen Figur "Pyramide" und die finde ich überall in der Natur - z.B. Abendsonne, die durch einen Spalt in der Wolkendecke scheint.
Dann muss das Ding berechnen können, erst dann kann ich bauen - und brauche ich immer noch keine Steine, sondern kann jedes Material nehmen, das mir zur Verfügung steht. Das können Sandsteinquader sein (Ägypten) oder Holz und luftgetrocknete Ziegel (Mexiko) oder einfache festgestampfte, mit Holz fixierte Sandaufschüttungen (Nazca) oder ein Gemenge aus Erde und Feldsteinen (Kanaren).
odiug hat geschrieben:(18 Dec 2017, 19:34)]Aber weder ich, noch du müssen das Rad neu erfinden.
Im Falle der Pyramiden schon. Wir wisssen nämlich nicht, WIE die Dinger gebaut wurden. :D

odiug hat geschrieben:(18 Dec 2017, 19:34)Ich bin dabei nicht auf meine Biologie angewiesen, sondern auf einen guten Lehrer und gute Bücher ... oder das, was man unter kollektiven Gedächtnis versteht und der Vermittlung desselben.
Ach du bist dabei nicht aud deine Biologie angewiesen? Na das ist ja mal ne geniale Idee - Wissensvermittlung und Wissensanwendung ohne auf Biologie (Gehirn) angewiesen zu sein.
Wirklich ganz toll!
odiug hat geschrieben:(18 Dec 2017, 19:34)Und die Vermittlung dieses Wissens, bzw die Qualität dieser Vermittlung ist auch die Grundlage meiner Entscheidungen, die meine biologische Maschine Gehirn erarbeitet, jenseits von Instinkt und Reflex.
Womit du dich aber ganz schrecklich im Irrtum befindest! Nichts - gar nichts passiert ohne angeborene "Instinkte" und Reflexe - wirklich gar nichts.
Nur weil du dir dieser "Instinkte" und Reflexe nicht permanent bewusst bist, bedeutet das noch lange nicht, dass dein Gehirn irgendetwas jeseits von "Instinkten" und Reflexen macht.
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von odiug »

Dark Angel hat geschrieben:(18 Dec 2017, 20:28)

Ohne leistungsfähiges Gehirn (Biologie) gibt es kein Abstraktionsvermögen, keine Abstraktionen - die entstehen IM Gehirn


Nein ich brauche für mein Abstraktionsvermögen KEINE Steine! Was ich brauche ist die Imagination/die Vorstellung der geometrischen Figur "Pyramide" und die finde ich überall in der Natur - z.B. Abendsonne, die durch einen Spalt in der Wolkendecke scheint.
Dann muss das Ding berechnen können, erst dann kann ich bauen - und brauche ich immer noch keine Steine, sondern kann jedes Material nehmen, das mir zur Verfügung steht. Das können Sandsteinquader sein (Ägypten) oder Holz und luftgetrocknete Ziegel (Mexiko) oder einfache festgestampfte, mit Holz fixierte Sandaufschüttungen (Nazca) oder ein Gemenge aus Erde und Feldsteinen (Kanaren).


Im Falle der Pyramiden schon. Wir wisssen nämlich nicht, WIE die Dinger gebaut wurden. :D



Ach du bist dabei nicht aud deine Biologie angewiesen? Na das ist ja mal ne geniale Idee - Wissensvermittlung und Wissensanwendung ohne auf Biologie (Gehirn) angewiesen zu sein.
Wirklich ganz toll!


Womit du dich aber ganz schrecklich im Irrtum befindest! Nichts - gar nichts passiert ohne angeborene "Instinkte" und Reflexe - wirklich gar nichts.
Nur weil du dir dieser "Instinkte" und Reflexe nicht permanent bewusst bist, bedeutet das noch lange nicht, dass dein Gehirn irgendetwas jeseits von "Instinkten" und Reflexen macht.
Und woran bildet sich dein Abstraktionsvermögen ?
An Platons Ideenbegriff :?:
Ist bereits im Gehirn genetisch angelegt, welche Ideen ich habe und welche nicht :?:
Wie denn :?: Wo denn :?: Was denn :?:
Und nur weil ich mein Gehirn zum Denken brauche, bestimmt mein Gehirn nicht, was ich denke.
Allein das man auf diesem Niveau hier diskutieren muß, ist schon lästig :rolleyes:
Es ist die Welt, in der ich lebe, die bestimmt was ich denke, nur daran bilden sich die Fähigkeiten meines Denkapparats heraus.
Und die Entscheidungen, in welcher Welt ich lebe, bestimmt durch Bildung und Umwelt, lassen mein Gehirn denken, was ich eben denke.
Und ja ... ich weiß wie man eine Pyramide baut ... vielleicht nicht in dem Ausmaß eines alten Ägypters ... aber im Prinzip ginge das .
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von schokoschendrezki »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(17 Dec 2017, 19:11)

Um eine Papyrusrolle zu lesen, muss ich sehen, ebenso, wenn ich ins Internet gehe - oder ich muss mir den Inhalt vorlesen lassen. Um nur bei den einfachsten biologischen Voraussetzungen zu bleiben. Und da beim Lesen wiederum das Verstehen von Zeichen eine Rolle spielt, ist auch da die Biologie wieder ganz dick dabei. Was externalisiert wird, endet im Nirwana, wenn nicht einer da ist, der versucht, die Botschaft zu entschlüsseln. Ohne Biologie ginge das nur, wenn man von einem von jeder Substanz unabhängigen Geist ausginge.
Es behauptet ja auch niemand, dass das ohne Biologie geht. Ich muss schließlich Augen haben, um zu sehen und zu lesen und Ohren, um zu hören. Aber sieh doch mal: Ich bin an die Logik des Aufgeschriebenen und Aufgezeichneten gebunden. Der Mensch entwickelt doch nicht immer wieder neu den Gedanken, dass die Winkelsumme in einem Dreieck 180 Grad beträgt. Der Mensch hat einen enormen Fundus an kulturellen Leistungen entwickelt, von denen ein großer Teil sich als kaum hinterfragbar erwiesen hat. Auch das Handeln eines einzelnen Menschen folgt nicht nur den Magnetfeldlinien seiner neuronalen Prozesse sondern sogar in weit höherem Maße den Magnetfeldlinien dessen, was kulturell externalisiert ist. Ich kann noch soviel von inneren Regungen geleitet der Meinung sein, die Sonne drehe sich um die Erde. Mein ganzes Handeln wird zu hundert Prozent von der festgehaltenen kulturellen Leistung geleitet, dass die Erde sich um die Sonne dreht. Dass diese Erkenntnis nicht von meiner Biologie vorgeschrieben wird, zeigt bereits die Tatsache, dass alle möglichen auch ganz anders gearteteten Menschen aufgrund des Studiums dieser Erkenntnisse zu der gleichen Meinung gelangen.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von schokoschendrezki »

Zunder hat geschrieben:(17 Dec 2017, 23:21)
Ob im mutmaßlichen Neo-Existentialismus diese Gleichsetzung vollzogen wird, wage ich zu bezweifeln.
Vermutlich wird es sich um einen "Existentialismus" für Leute handeln, die die Hülle für ihr iPhone so auswählen, daß das Apple-Logo sichtbar bleibt.
:p Also mal ehrlich, Zunder. Du solltest vielleicht aufpassen, dass die zunächst einmal vernünftige und durchaus akzeptabel-kritische Argumentation nicht immer wieder in völlig absúrde Spekulationen übergeht. Ist nicht das erstemal, dass ich diesen Eindruck habe. Es ist völlig richtig, so wie Du auch geschrieben hast, dass die aktuelle Existenzialismus-Renaissance eher mit sozialer Verantwortungswahrnehmung als mit Außenseitertum zu tun hat. Und das sehe ich auch völlig positiv. Ich habe absolut keine Ahnung, was diese veräußerlichte Markenpräsentation a la iPhone-Präsentation damit zu tun haben soll. Wirklich nicht. Ich würde sonst durchaus einsteigen in eine auch selbstkritische Diskussion zum Thema und zu meinen eigenen Beiträgen dazu.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Sextus Ironicus »

schokoschendrezki hat geschrieben:(18 Dec 2017, 22:38)

Es behauptet ja auch niemand, dass das ohne Biologie geht. Ich muss schließlich Augen haben, um zu sehen und zu lesen und Ohren, um zu hören. Aber sieh doch mal: Ich bin an die Logik des Aufgeschriebenen und Aufgezeichneten gebunden. Der Mensch entwickelt doch nicht immer wieder neu den Gedanken, dass die Winkelsumme in einem Dreieck 180 Grad beträgt. Der Mensch hat einen enormen Fundus an kulturellen Leistungen entwickelt, von denen ein großer Teil sich als kaum hinterfragbar erwiesen hat. Auch das Handeln eines einzelnen Menschen folgt nicht nur den Magnetfeldlinien seiner neuronalen Prozesse sondern sogar in weit höherem Maße den Magnetfeldlinien dessen, was kulturell externalisiert ist. Ich kann noch soviel von inneren Regungen geleitet der Meinung sein, die Sonne drehe sich um die Erde. Mein ganzes Handeln wird zu hundert Prozent von der festgehaltenen kulturellen Leistung geleitet, dass die Erde sich um die Sonne dreht. Dass diese Erkenntnis nicht von meiner Biologie vorgeschrieben wird, zeigt bereits die Tatsache, dass alle möglichen auch ganz anders gearteteten Menschen aufgrund des Studiums dieser Erkenntnisse zu der gleichen Meinung gelangen.
Also, ich hatte das gestern doch anhand des Zitats dargestellt: Es ist ein vollkommen ineinander greifender Prozess, und ich dachte, das wäre eigentlich soweit akzeptabel. Wir können theoretisch jede Regung bis zum Anfang der Menschheit zurückverfolgen: Schau dir Menschen an, wie unterschiedlich sie trauern. Die einen sind versteinert, die anderen kreischen, das sind einerseits natürlich irgendwelche Stoffe im Hirn, deren Ausschüttung man feststellen kann, aber dass sie ausgeschüttet werden, liegt wiederum daran, dass ein Mensch in einer bestimmten Gegend sozialisiert wurde, die solche Reaktionen weitergeben usw.

Vom Grund auf ist es nur so: Ich kann im Rahmen dessen, wie wir Erkenntnis und Begriffe verwenden, kein (normatives) Freiheitskonzept eines Philosophen vor die Biologie setzen. Wäre das möglich, müssten wir alle Erkenntnis, alle Sprache als sinnlos in die Tonne kloppen. Der Mensch als Wesen geht aller Freiheit voraus, ohne den Begriff des Menschen macht der Begriff der Freiheit aus meiner Sicht keinen Sinn. Für mich wäre das so, als würde man behaupten, man könne einen Anfang der Zeit denken, der nicht schon in der Zeit läge. Da mag man spekulieren, aber der Begriff des Menschen muss dem Begriff der Freiheit vorausgehen.
… habe ich mich sorgsam bemüht, menschliche Tätigkeiten nicht zu verlachen, nicht zu beklagen und auch nicht zu verdammen, sondern zu begreifen. (Spinoza)
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von schokoschendrezki »

Dark Angel hat geschrieben:(18 Dec 2017, 20:28)
Ohne leistungsfähiges Gehirn (Biologie) gibt es kein Abstraktionsvermögen, keine Abstraktionen - die entstehen IM Gehirn
Das Problem ist, so wie es User odiug auch mehrfach beschrieben hat, dass die Strukturebenen vermixt werden. Ohne Prozesse auf der Ebene von Quantenteilchen funktioniert auch kein Gehirn. Bringt es uns weiter, wenn wir das Phänomen "Dadaismus" aus den Gesetzen der Quantentheorie ableiten wollen?
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von schokoschendrezki »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(18 Dec 2017, 22:59)

Also, ich hatte das gestern doch anhand des Zitats dargestellt: Es ist ein vollkommen ineinander greifender Prozess, und ich dachte, das wäre eigentlich soweit akzeptabel. Wir können theoretisch jede Regung bis zum Anfang der Menschheit zurückverfolgen: Schau dir Menschen an, wie unterschiedlich sie trauern. Die einen sind versteinert, die anderen kreischen, das sind einerseits natürlich irgendwelche Stoffe im Hirn, deren Ausschüttung man feststellen kann, aber dass sie ausgeschüttet werden, liegt wiederum daran, dass ein Mensch in einer bestimmten Gegend sozialisiert wurde, die solche Reaktionen weitergeben usw.

Vom Grund auf ist es nur so: Ich kann im Rahmen dessen, wie wir Erkenntnis und Begriffe verwenden, kein (normatives) Freiheitskonzept eines Philosophen vor die Biologie setzen. Wäre das möglich, müssten wir alle Erkenntnis, alle Sprache als sinnlos in die Tonne kloppen. Der Mensch als Wesen geht aller Freiheit voraus, ohne den Begriff des Menschen macht der Begriff der Freiheit aus meiner Sicht keinen Sinn. Für mich wäre das so, als würde man behaupten, man könne einen Anfang der Zeit denken, der nicht schon in der Zeit läge. Da mag man spekulieren, aber der Begriff des Menschen muss dem Begriff der Freiheit vorausgehen.
Die Erkenntnis, dass sich die Erde um die Sonne dreht, ist ja auch nicht das Ergebnis eines "Freiheitskonzepts". Sondern das Ergebnis dessen, dass sich indivuelle Menschen immer wieder gefragt haben, wie die Veränderungen des nächtlichen Sternhimmels zu erklären sind. Insbesondere Seefahrer. Man hat sich immer wieder an
Widersprüchen gerieben und am Ende setzte sich aus all diesen Reibungen ein allgemein akzeptieres Weltbild zusammen. Das wird irgendwann den Kindern in der Schule beigegracht. Und damit wachsen sie auf. Dieses heliozentrische Weltbild ist überhaupt nicht rückführbar auf eine biologisch determinierte Entscheidung. Sondern nur auf diesen Erkenntnisdiskurs. Die unterschiedlichen Arten zu Trauern sind nochmal etwas ganz anderes.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von schokoschendrezki »

Zunder hat geschrieben:(17 Dec 2017, 23:21)

Mir geht es nicht um die Diskussion über den Existentialismus, sondern um die Phrasendrescherei. Einen Satz herauszugreifen und zu einer pseudo-philosophischen Parole zu verhunzen, hat nichts mit dem Existentialismus Sartres zu tun. Deswegen habe ich den Satz im Zusammenhang zitiert. Die Mühe des Abtippens hätte ich mir offensichtlich auch sparen können.
...
Ob im mutmaßlichen Neo-Existentialismus diese Gleichsetzung vollzogen wird, wage ich zu bezweifeln.
Vermutlich wird es sich um einen "Existentialismus" für Leute handeln, die die Hülle für ihr iPhone so auswählen, daß das Apple-Logo sichtbar bleibt.
Versteh' doch mal. Man kann auf Beiträge wie diesen nicht vernünftig antworten, Bei der Entgegnung auf die Bezugnahme auf "Le mur " wäre das noch möglich gewesen. Ja richtig . Ich habe das Buch nicht gelesen. Sondern nur Zusammenfassungen. Und der Inhalt, obwohl von Tod handelnd, hat nur sehr entfernt etwas mit Sartres These von der Nichtabwählbarkeit von Freiheit zu tun ... Man kann aber schlicht und einfach nicht antworten auf Beiträge, die sich dann weiter steigern und irgendwo beim Talmud und beim iPhone landen. Ich wäre sehr interessiert an einem Dialog mit jemandem, der so wie Du, offensichtlich am Thema interessiert ist, aber so geht das irgendwie nicht.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von odiug »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(18 Dec 2017, 22:59)

Also, ich hatte das gestern doch anhand des Zitats dargestellt: Es ist ein vollkommen ineinander greifender Prozess, und ich dachte, das wäre eigentlich soweit akzeptabel. Wir können theoretisch jede Regung bis zum Anfang der Menschheit zurückverfolgen: Schau dir Menschen an, wie unterschiedlich sie trauern. Die einen sind versteinert, die anderen kreischen, das sind einerseits natürlich irgendwelche Stoffe im Hirn, deren Ausschüttung man feststellen kann, aber dass sie ausgeschüttet werden, liegt wiederum daran, dass ein Mensch in einer bestimmten Gegend sozialisiert wurde, die solche Reaktionen weitergeben usw.

Vom Grund auf ist es nur so: Ich kann im Rahmen dessen, wie wir Erkenntnis und Begriffe verwenden, kein (normatives) Freiheitskonzept eines Philosophen vor die Biologie setzen. Wäre das möglich, müssten wir alle Erkenntnis, alle Sprache als sinnlos in die Tonne kloppen. Der Mensch als Wesen geht aller Freiheit voraus, ohne den Begriff des Menschen macht der Begriff der Freiheit aus meiner Sicht keinen Sinn. Für mich wäre das so, als würde man behaupten, man könne einen Anfang der Zeit denken, der nicht schon in der Zeit läge. Da mag man spekulieren, aber der Begriff des Menschen muss dem Begriff der Freiheit vorausgehen.
Ja natürlich.
Der Mensch ist immer das Maß der Dinge, auch in seinen biologischer Limitiertheit.
Er kann diese nicht überwinden, aber erweitern innerhalb dessen, was die Welt ihm vorgibt.
Das sagt, der Mensch ist eben nicht allein auf seine biologische Existenz zu reduzieren, auch wenn diese immer erst einmal Voraussetzung für sein Sein ist.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Sextus Ironicus »

odiug hat geschrieben:(19 Dec 2017, 00:41)

Ja natürlich.
Der Mensch ist immer das Maß der Dinge, auch in seinen biologischer Limitiertheit.
Er kann diese nicht überwinden, aber erweitern innerhalb dessen, was die Welt ihm vorgibt.
Das sagt, der Mensch ist eben nicht allein auf seine biologische Existenz zu reduzieren, auch wenn diese immer erst einmal Voraussetzung für sein Sein ist.
Man kann die Plastizität des Gehirns nicht hoch genug einschätzen. Das macht schließlich den Erfolg unserer Spezies aus.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von schokoschendrezki »

Es gibt übrigens einen neuen ganz speziellen Forschungszweig zum Thema: "Kulturelle Neurowissenschaft". Dabei gehts allerdings, wenn ich die Beschreibungen richtig verstanden habe, eher um die umgekehrte Richtung: Wie wird das menschliche Gehirn durch die umgebende Kultur beeinflusst. Und es wird, wiederum nach eher flüchtiger Durchsicht, zwischen "independenten", eher westlich angesiedelten Kulturgemeinschaften und "interdependenten", eher östlich-asiatischen Kulturgemeinschaften unterschieden. Was wiederum auf die in diesem Thread heftig diskutierten Gegensätze zwischen Kosmopolitismus und Kommunitarismus bzw. den westlichen Trend hin zu einer Gesellschaft der Singularitäten hinweist. http://www.spektrum.de/magazin/kulturel ... ur/1405155
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Sextus Ironicus »

schokoschendrezki hat geschrieben:(19 Dec 2017, 08:32)

Es gibt übrigens einen neuen ganz speziellen Forschungszweig zum Thema: "Kulturelle Neurowissenschaft". Dabei gehts allerdings, wenn ich die Beschreibungen richtig verstanden habe, eher um die umgekehrte Richtung: Wie wird das menschliche Gehirn durch die umgebende Kultur beeinflusst. Und es wird, wiederum nach eher flüchtiger Durchsicht, zwischen "independenten", eher westlich angesiedelten Kulturgemeinschaften und "interdependenten", eher östlich-asiatischen Kulturgemeinschaften unterschieden. Was wiederum auf die in diesem Thread heftig diskutierten Gegensätze zwischen Kosmopolitismus und Kommunitarismus bzw. den westlichen Trend hin zu einer Gesellschaft der Singularitäten hinweist. http://www.spektrum.de/magazin/kulturel ... ur/1405155
Das ist nichts Neues. Menschen im Osten (Asien) nehmen ganz "anders" wahr, und es gibt auch interkulturelle Untersuchungen, dass es zum Beispiel bei Westlern und Ostlern an der gleichen Stelle blinkt, wenn man den einen bilder von sich selbst und den anderen Bilder ihrer Mutter zeigt. Solche Muster sind bekannt, das ist nichts Neues. Und dass bestimmte Emotionen in unterschiedlichen Kulturen anders ausgeprägt sind, ist doch auch ganz normale Erkenntnis.

Kosmopolitismus und Kommutarismus sehe ich übrigens nicht als Gegensätze in dieser Hinsicht. Das sind nun wirklich ideologische Konstanten.
… habe ich mich sorgsam bemüht, menschliche Tätigkeiten nicht zu verlachen, nicht zu beklagen und auch nicht zu verdammen, sondern zu begreifen. (Spinoza)
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von odiug »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(19 Dec 2017, 08:13)

Man kann die Plastizität des Gehirns nicht hoch genug einschätzen. Das macht schließlich den Erfolg unserer Spezies aus.
Aber das Gehirn bleibt ein Ding dieser Welt.
Da gebe ich dir schon recht.
Es ist weder beseelt noch von einem göttlichen Geist behaust.
Da bin ich auch der deiner Meinung, wenn ich sie denn verstanden habe.
Als Ding dieser Welt misst es sich auch an dieser Welt, bewährt sich an ihr, arbeitet sich an ihr ab.
Das gesagt, ist der Mensch dennoch in der Lage, die Welt zu transzendieren.
Er ist eben nicht auf das gegebene allein beschränkt, er kann die Welt auch verändern.
Der Mensch arbeitet sich an der Welt ab indem er sie verändert, das ist seine Freiheit.
Daran misst sich seine Freiheit, sowohl in Tat als auch im Gedanken.
Allerdings, und da gebe ich dir wieder recht, immer beschränkt auf diese, besser seine Welt.

Die Freiheit an der Wahl zwischen Käsekuchen und Kirschtorte zu messen, verfehlt den Begriff Freiheit.
Freiheit ist weder noch.
Freiheit ist, eine Schokoladentorte zu Backen, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat, denn mein Name ist Sacher :thumbup:
Wenn ich aber den Menschen nur auf seine biologische Masse, seine Gene, auf sein naturwissenschaftlich Messbares reduziere, dann verliert er seine Freiheit, sein Menschsein.
Er wird zum Rudeltier eines Dark Angel ... das halt durch seine Gene bestimmt ist und gar nicht anders kann, als es eben tut.
Selbstbestimmung, Freiheit, Verantwortung sind dann nichts anderes als neuronale Reflexe, denen der Mensch ausgeliefert ist, sie bleiben eine Illusion.
Zu ende gedacht, wäre auch der IS Mörder nur Spielball seiner Veranlagung und vor keinem Gericht dafür zur Verantwortung zu ziehen.
Das kann es doch nicht sein ... :eek:
Und selbst wenn mich der Rudelzwang überwindet und ich dem evolutionären Erbe erliege, so habe ich immer noch die Wahl zwischen den Pfadfindern und der NSU Mörderbande, der freiwilligen Feuerwehr Freital oder der IS Mörderbande ... selbst im Erzgebirge.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Dark Angel »

odiug hat geschrieben:(18 Dec 2017, 20:47)

Und woran bildet sich dein Abstraktionsvermögen ?
An Platons Ideenbegriff :?:
Ist bereits im Gehirn genetisch angelegt, welche Ideen ich habe und welche nicht :?:
Wie denn :?: Wo denn :?: Was denn :?:
Biologie beschränkt sich nicht nur auf genetische Determination - wie oft denn noch?
Aber JA - die Fähigkeit zu denken, zu abstrahieren, Problemlösungen zu entwickeln etc IST angeboren, IST biologisch bedingt. Dazu braucht man ein großes, komplexes, leistungsfähiges Gehirn. Von nüscht, kommt nämlich nüscht.
odiug hat geschrieben:(18 Dec 2017, 20:47)]Und nur weil ich mein Gehirn zum Denken brauche, bestimmt mein Gehirn nicht, was ich denke.
Doch, dein Gehirn bestimmt WAS du denkst, WIE du denkst und dass du überhaupt denken kannst, es bestimmt WIE du Erfahrungen/Wissen spreicherst, verarbeitest und abrufen kannst.
Nochmal: ohne dein Gehirn bist du gar nichts - nichts weiter als eine leere tote Hülle!
odiug hat geschrieben:(18 Dec 2017, 20:47)]Allein das man auf diesem Niveau hier diskutieren muß, ist schon lästig :rolleyes:
Es ist die Welt, in der ich lebe, die bestimmt was ich denke, nur daran bilden sich die Fähigkeiten meines Denkapparats heraus.
Und die Entscheidungen, in welcher Welt ich lebe, bestimmt durch Bildung und Umwelt, lassen mein Gehirn denken, was ich eben denke.
Nein "die Welt" bestimmt gar nix!
odiug hat geschrieben:(18 Dec 2017, 20:47)Und ja ... ich weiß wie man eine Pyramide baut ... vielleicht nicht in dem Ausmaß eines alten Ägypters ... aber im Prinzip ginge das .
Ändert nichts an der Tatsachen - gar nichts - dass wir NICHT wissen, wie die Ägypter ihre Pyramiden gebaut haben!
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Dark Angel »

odiug hat geschrieben:(19 Dec 2017, 00:41)

Ja natürlich.
Der Mensch ist immer das Maß der Dinge, auch in seinen biologischer Limitiertheit.
Er kann diese nicht überwinden, aber erweitern innerhalb dessen, was die Welt ihm vorgibt.
Das sagt, der Mensch ist eben nicht allein auf seine biologische Existenz zu reduzieren, auch wenn diese immer erst einmal Voraussetzung für sein Sein ist.
Der Mensch ist eben nicht das Maß der Dinge. Solche Sichtweise nennt sich Anthropozentrismus!
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.

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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von schokoschendrezki »

Die Sachertorte widerspiegelt perfekt die Situation auf dem Höhepunkt des Biedermeiers in den 1830er Jahren im K.u.K.-Österreich-Ungarn. Der damals erst 16-jährige Franz Sacher, der im Hause Metternich aus einer Notsituation die erste später nach ihm benannte Sachertorte schuf, befand sich in Wien in einem damaligen absoluten Weltmachtzentrum. Feste Schokolade nicht als Getränk auf der einen Seite war in Europa zu der Zeit ein absolutes Novum und nur zahlungskräftigsten Häusern vorbehalten. Aprikosen/Marillen als zweiter wesentlicher Bestandteil der Sachertorte auf der anderen Seite wurden vor allem in der ungarischen Tiefebene angebaut, dem zweiten Teil der Doppelmonarchie. Es mag im Gehirn des Konditorlehrlings Franz Sacher den einen oder anderen neuronalen Blitz für diese Kreation gegeben haben, aber determiniert wurde die Sache doch eher von den historischen Gegebenheiten. Ich empfehle (naja, was denn auch sonst ...) Philharmonikergasse 4, Cafe Sacher. Guten Appetit!
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Selina »

schokoschendrezki hat geschrieben:(19 Dec 2017, 11:10)

Die Sachertorte widerspiegelt perfekt die Situation auf dem Höhepunkt des Biedermeiers in den 1830er Jahren im K.u.K.-Österreich-Ungarn. Der damals erst 16-jährige Franz Sacher, der im Hause Metternich aus einer Notsituation die erste später nach ihm benannte Sachertorte schuf, befand sich in Wien in einem damaligen absoluten Weltmachtzentrum. Feste Schokolade nicht als Getränk auf der einen Seite war in Europa zu der Zeit ein absolutes Novum und nur zahlungskräftigsten Häusern vorbehalten. Aprikosen/Marillen als zweiter wesentlicher Bestandteil der Sachertorte auf der anderen Seite wurden vor allem in der ungarischen Tiefebene angebaut, dem zweiten Teil der Doppelmonarchie. Es mag im Gehirn des Konditorlehrlings Franz Sacher den einen oder anderen neuronalen Blitz für diese Kreation gegeben haben, aber determiniert wurde die Sache doch eher von den historischen Gegebenheiten. Ich empfehle (naja, was denn auch sonst ...) Philharmonikergasse 4, Cafe Sacher. Guten Appetit!
:D :thumbup:

Mein Gehirn versucht mir gerade was zu sagen... pssssst... aaaaaah jaaaaaa: "Lecker... hmmjammjamm. Muss dahin." Ok, Gehirn, danke, hab verstanden :D
Drüben im Walde kängt ein Guruh - Warte nur balde kängurst auch du. Joachim Ringelnatz
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von odiug »

Dark Angel hat geschrieben:(19 Dec 2017, 11:01)

Biologie beschränkt sich nicht nur auf genetische Determination - wie oft denn noch?
Aber JA - die Fähigkeit zu denken, zu abstrahieren, Problemlösungen zu entwickeln etc IST angeboren, IST biologisch bedingt. Dazu braucht man ein großes, komplexes, leistungsfähiges Gehirn. Von nüscht, kommt nämlich nüscht.


Doch, dein Gehirn bestimmt WAS du denkst, WIE du denkst und dass du überhaupt denken kannst, es bestimmt WIE du Erfahrungen/Wissen spreicherst, verarbeitest und abrufen kannst.
Nochmal: ohne dein Gehirn bist du gar nichts - nichts weiter als eine leere tote Hülle!


Nein "die Welt" bestimmt gar nix!


Ändert nichts an der Tatsachen - gar nichts - dass wir NICHT wissen, wie die Ägypter ihre Pyramiden gebaut haben!

Dein Glaube an die Allmacht der Naturwissenschaften wird dich am Ende so ahnungslos dastehen lassen, wie den Pfaffen in der leeren Kirche :p
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Dark Angel »

odiug hat geschrieben:(19 Dec 2017, 09:20)

Aber das Gehirn bleibt ein Ding dieser Welt.
Da gebe ich dir schon recht.
Es ist weder beseelt noch von einem göttlichen Geist behaust.
Da bin ich auch der deiner Meinung, wenn ich sie denn verstanden habe.
Als Ding dieser Welt misst es sich auch an dieser Welt, bewährt sich an ihr, arbeitet sich an ihr ab.

Der Mensch arbeitet sich an der Welt ab indem er sie verändert, das ist seine Freiheit.
Daran misst sich seine Freiheit, sowohl in Tat als auch im Gedanken.
Allerdings, und da gebe ich dir wieder recht, immer beschränkt auf diese, besser seine Welt.
Doch der Mensch ist auf das "Gegebene" beschränkt, er kann "die Welt" nicht transzendieren.
Mensch kann nur innerhalb bestimmter Grenzen "die Welt" verändern und diese Grenzen werden von seiner Biologie und den physikalischen Gesetzen vorgegeben.
odiug hat geschrieben:(19 Dec 2017, 09:20)
Freiheit ist, eine Schokoladentorte zu Backen, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat, denn mein Name ist Sacher :thumbup:
Wenn ich aber den Menschen nur auf seine biologische Masse, seine Gene, auf sein naturwissenschaftlich Messbares reduziere, dann verliert er seine Freiheit, sein Menschsein.
Der Mensch ist aber nur seine "biologische Masse" - ist durch seine Gene determiniert und durch Anpassungsleistungen an seine Umweltbedingungen bedingt.
odiug hat geschrieben:(19 Dec 2017, 09:20)
Er wird zum Rudeltier eines Dark Angel ... das halt durch seine Gene bestimmt ist und gar nicht anders kann, als es eben tut.
Selbstbestimmung, Freiheit, Verantwortung sind dann nichts anderes als neuronale Reflexe, denen der Mensch ausgeliefert ist, sie bleiben eine Illusion.
Er wird nicht zum Rudeltier - er IST ein Rudeltier. Allein - als Einzelindividuum - ist der Mensch NICHT überlebensfähig!
Und zum gefühlten Tausendsten Male: Menschen sind durch ihre Gene determiniert und (biologische) Anpassungleistungen an Umweltbedingungen bedingt ==> nennt sich Evolution.
Mensch kann sich nicht über seine Biologie erheben oder von ihr abkoppeln.
Alles was er tut basiert auf neuralen Reflexen - sogar das "Über sich selbst nachdenken", das Fragen nach einem Sinn, das Schaffen von Kultur.
Kulturelle Einflüsse auf menschliches Verhalten sind im Grunde nichts weiter als Rückkopplungen.
odiug hat geschrieben:(19 Dec 2017, 09:20)
Zu ende gedacht, wäre auch der IS Mörder nur Spielball seiner Veranlagung und vor keinem Gericht dafür zur Verantwortung zu ziehen.
Das kann es doch nicht sein ... :eek:
Das ist eben nicht zu Ende gedacht, sondern zu kurz gedacht, weil du immer wieder die Anpassungsleistung an Umweltbedingungen als biologische Bedingtheit ausblendest und weil du kulturelle Rückkopplungsefekte (kulturelle Prägungen) ausblendest.
odiug hat geschrieben:(19 Dec 2017, 09:20)Und selbst wenn mich der Rudelzwang überwindet und ich dem evolutionären Erbe erliege, so habe ich immer noch die Wahl zwischen den Pfadfindern und der NSU Mörderbande, der freiwilligen Feuerwehr Freital oder der IS Mörderbande ... selbst im Erzgebirge.
Es gibt keinen "Rudelzwang" - das ist noch so eine Falschinterpretation deinerseits!
Rudeltier sein bedeutet nichts anderes als auf Kooperation, Arbeitsteilung mit anderen Individuen der gleichen Art angewiesen zu sein, sowie auf die Solidarität der Einzelindividuen der Art (des Rudels) untereinander.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Dark Angel »

odiug hat geschrieben:(19 Dec 2017, 12:11)

Dein Glaube an die Allmacht der Naturwissenschaften wird dich am Ende so ahnungslos dastehen lassen, wie den Pfaffen in der leeren Kirche :p
Das hat nix mit "Allmacht der Naturwissenschaften" zu tun, sondern lediglich damit, dass der Biologie (der Natur) das Primat zukommt, dass sie das Fundament dafür bildet, dass Mensch überhaupt Kultur schaffen kann, dass er über sich selbst nachdenken und Sinnfragen stellen kann, dass er aus seinen Erfahrungen lernen, auf diesen aufbauend sein Wissen erweitern und weiter geben kann.
Eines stimmt natürlich (wie bereits zitiert und verlinkt), die Naturwissenschaften können zunehmend mehr Erklärungen liefern als die Geisteswissenschaften..
Die Frage(n) "was bedeutet Menschsein?", "was macht Menschsein überhaupt aus?" kann bisher niemand beantworten, am allerwenigsten die Philosophen.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Selina »

odiug hat geschrieben:(19 Dec 2017, 12:11)

Dein Glaube an die Allmacht der Naturwissenschaften wird dich am Ende so ahnungslos dastehen lassen, wie den Pfaffen in der leeren Kirche :p
Ja. Ich bin nur noch nicht so ganz hinter das Motiv gestiegen, die Naturwissenschaften (vor allem die Biologie) so zu verabsolutieren. Die spielen im Ensemble der Wissenschaften natürlich ihre feste, nicht diskutable Rolle neben den Geisteswissenschaften. Streitet keiner ab. Sie aber so zu präferieren, so einseitig, das halte ich für nicht richtig. Biologisches und Soziales (im weitesten Sinne, Umfeld, Arbeit, Hobbies, Familie, Kollegen, Freunde) gehören nun mal bei der näheren Betrachtung des Menschen (auf interessante Weise) fest zusammen. Das haben wir hier ja als kleinsten gemeinsamen Nenner in mühseliger Kleinarbeit schon mal festgehalten ;) Vielleicht sollten wir (möglicherweise in einem Extra-Thread) mal direkt über Inhalt und Methoden des "biologischen Determinismus" sprechen, der ja zum Beispiel bei Sarrazin eine große Rolle spielt.
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von Sextus Ironicus »

Dark Angel hat geschrieben:(19 Dec 2017, 12:26)

Das hat nix mit "Allmacht der Naturwissenschaften" zu tun, sondern lediglich damit, dass der Biologie (der Natur) das Primat zukommt, dass sie das Fundament dafür bildet, dass Mensch überhaupt Kultur schaffen kann, dass er über sich selbst nachdenken und Sinnfragen stellen kann, dass er aus seinen Erfahrungen lernen, auf diesen aufbauend sein Wissen erweitern und weiter geben kann.
Eines stimmt natürlich (wie bereits zitiert und verlinkt), die Naturwissenschaften können zunehmend mehr Erklärungen liefern als die Geisteswissenschaften..
Die Frage(n) "was bedeutet Menschsein?", "was macht Menschsein überhaupt aus?" kann bisher niemand beantworten, am allerwenigsten die Philosophen.
Das würde ich jetzt so nicht stehen lassen, ebensowenig wie den Satz "das Gehirn bestimmt". Denn damit stoßen wir auch auf bestimmte grammatische und semantische Eigenheiten unserer Sprache. Schon "mein Gehirn" schafft doch eine Subjekt-Objekt-Beziehung, die das Gehirn zu einem aktiven Subjekt und "mich" (wer ist das dann) zu einem passiven Objekt macht. In diesem Bild sind die Grenzen unserer Sprache zu sehen, und deshalb haben seinerzeit auch eliminative Materialisten (die Churchlands, Dennett, der frühe Rorty) ihre Hoffnung auf eine von solchen Bedeutungen freie wissenschaftliche Sprache geäußert. Aber das ist nun einmal sinnlos. Erkennt man an, das wir die Biologie nicht transzendieren können, muss man auch die Grenzen der Sprache (die ihre Verwendung entsprechend ihrer Regeln ist) anerkennen. Dann ist aber klar, dass mit der Vokabel "bestimmt" immer ein Verhältnis zwischen zwei Akteuren beschrieben wird, was aber sinnlos wird, wenn damit zwischen einem "mir" und dessen Gehirn zu unterscheiden wäre. Und Singer und Roth, die immer mit dem "du bist dein Gehirn" unterwegs waren, haben in Diskussionen mit Philosophen immer alt ausgesehen. Wenn wir darüber sprechen, was "Menschsein" bedeutet, dann sehen wir nicht von den biologischen Grundlagen und den uns gesteckten Grenzen ab, aber wir sprechen nun einmal nicht über das Feuern von Neuronen, sondern über unser Verhältnis und unsere Beziehungen zu Mitmenschen. Und jede Antwort, die wir hier geben, ist ein Stück Entlastung von der Totalität der Welt. Wir kommen aus der Höhle nicht raus, wir wechseln nur die Räume. Um rauszukommen, müssten wir die menschliche Biologie transzendieren können. Aber das schaffen nicht einmal die Naturwissenschaften.
… habe ich mich sorgsam bemüht, menschliche Tätigkeiten nicht zu verlachen, nicht zu beklagen und auch nicht zu verdammen, sondern zu begreifen. (Spinoza)
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Re: Gibt es eine verbindende Deutsche Kultur?

Beitrag von BlueMonday »

schokoschendrezki hat geschrieben:(18 Dec 2017, 22:38)

Es behauptet ja auch niemand, dass das ohne Biologie geht. Ich muss schließlich Augen haben, um zu sehen und zu lesen und Ohren, um zu hören.
Niemand wäre zuviel gesagt. Also ich würde schon behaupten, dass es zahlreiche Menschen bisher gab, die gänzlich ohne "Biologie" gelebt und irgendwann wieder gestorben sind.
Offenbar kleben hier manche noch an einem unbewussten Begriffsrealismus, was nach hunderten Jahren Nominalismus, Idealismus, Kant, Nietzsche usw. durchaus erstaunt. Ich meine den eklatanten Unterschied zwischen dem Begriff und dem Ding an und für sich, das man mit dem Begriff allenfalls äußerlich umfasst, eben umgreift, dessen Existenz man hinter dem Begriff aber nur annehmen kann (als reine metaphysische Spekulation). Man bleibt mit dem Begriff also immer bei einer Äuerlichkeit, hat mit einer Wahrnehmungsgrenze zu tun, die nicht zu überspringen("transzendieren") ist. Und es gibt sicher kein Ding an sich, das "Biologie" wäre. Es ist ein rein menschengemachtes Begriffssystem und nur als solches hat es eine Existenz: als Idee und Vorstellung von einer "belebten Welt", eine Systematisierung dieser Welt, eine Taxonomie und Erklärungsmuster.. Und als solches ist es kein Begriffssysten, das von allen Menschen gemacht, geteilt oder angewandt wird. Von daher kann ein Mensch ganz vorzüglich ohne Biologie leben, so wie ein Mensch ohne Lesen und Schreiben zu können existieren kann, oder ohne den christlichen Glauben usw. usf.

Und so es ist nun ausnahmlos mit allen Begriffen. Was ist ein "Gehirn"? Alles, was wir darüber sagen können, ist nur Begriff und Name und nicht das Ding selbst.
Man könnte dann sagen, ein Gehirn besteht aus "grauer Substanz" und "weißer Substanz", Nervenzellen, Zellkernen, Dendriten, man kann den verschiedenen Arealen Namen geben... irgendwann kommt man zu den Elementen, zur Chemie, chemische Verbindungen, Eiweiße, vor allem viel Wasser, und der Physiker dröselt die Molekülketten weiter auf in Atome, Atomkerne, Protonen Elektronen, Quarks, Strings, das vermeintlich so Stofflich-Feste, die "Materie", besteht mehr und mehr aus leeren Zwischenräumen und hier und da ein Potential, das man messen oder wahrnehmen könnte, das zuvor so Gewisse und Augenscheinliche zerschwimmt bei naher und immer näherer Betrachtung... und immer hat man nur Begriffe in der Hand, benannte Vorstellungen...

Und das wäre ja wohl ein zeitgemäßer und redlicher wissenschaftlicher Ansatz, dass immer klar ist, dass man nicht über die Dinge an sich spricht, sondern eigentlich über Daten und Messungen und dass zu diesen Daten erklärende, begreifende Theorie treten muss, als nachträglich gemachtes System. Und da geht es dann zum einen vielleicht um "Viabilität", also dass das Ganze lebbar/passend, praktisch nutzbar ist und dazu auch in sich konsistent/nicht widersprüchlich ist. Aber spätestens seit Gödel sollte klar sein, dass man selbst auf der Ebene des Systems nicht vollständig sein kann, dass immer etwas offenbleiben muss.
ensure that citizens are informed that the vaccination is not mandatory and that no one is under political, social or other pressure to be vaccinated if they do not wish to do so;
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