Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

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frems
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Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von frems »

In seinem Buch »Schantall, tu ma die Omma winken!« scheitert ein Sozialarbeiter damit, die Working-Class-Familie Pröllmann zu kultivieren. Ihre Welt scheint ein Schadensfall, den es zu beheben gilt. Nichts bei den Pröllmanns hat Wert, nichts gilt es zu schützen, nichts anzuerkennen. Sie machen alles falsch: rauchen, sind zu dick und haben ein zu intensives Verhältnis zu Sexualität. Und sie sind arm. Das Buch wirkt wie der Versuch, die Stern-Reportage von Walter Wüllenweber (2004) in einen Roman zu übersetzen. Wüllenweber hatte sich mit den Problemen der vermeintlichen Unterschicht in Essen-Katernberg beschäftigt und seinen Protagonisten durchaus Sympathie entgegengebracht. Bei Twilfer hingegen ist die Verachtung kaum kaschiert.

Alles, was gesellschaftliche Ächtung erfährt, wird dem (Sub-)Proletariat zugeschrieben. Sie arbeiten in Industrien, die man am liebsten nicht mehr im Land hätte. Sie bekommen viele Kinder, und die sind dann auch noch dumm. Urlaub machen sie an den falschen Orten, wo sie in Mengen auftreten, lärmen und sich schlecht benehmen. Der Klassenkampf wird von einer autoritär-ökologisch geprägten Mittel- und Oberschicht geführt. Der Neoprotestantismus duldet keinen Widerspruch, seine Waffe ist die Abwertung anderer Lebensweisen. Kulturkolonialismus! [...]

Die Zeiten, in denen Stadien auch als Orte von Exzessen Bedeutung hatten, gehen zu Ende. Glaubt man einem Anhänger des Alternativclubs Roter Stern Leipzig, ist das auch gut so. Der gibt es so zu Protokoll: »Für mich sind waschechte Proleten Typen, die am frühen Morgen gegen 7 Uhr auf Maloche stehen, sich jeden Tag die Titten von Seite eins in der Bild-Zeitung reinziehen und nach der Arbeit mal schnell über die Alte fleddern. Ich glaube, die können gar nicht anders, als deftig rumzuprollen und einem tristen Alltagstrott hinterher zu hecheln, auf der Suche nach dem vermeintlichen Glück, in Form von Autos, Einfamilienhäusern, Frau, Kind und dem obligaten deutschen Schäferhund.«

Tatsächlich stehen diese »Typen« oft morgens früh »auf Maloche« und wirken daran mit, den Wohlstand zu erarbeiten, den ihre Craft-Beer trinkenden Mitbürger durchaus schätzen. Doch auch die Zeit, da die Arbeiterklasse wirtschaftliche Bedeutung hatte, schwindet. [...]

Arbeiter –»Proll« – wurde in diesem Kulturkampf zum Schimpfwort. Wer sich so verhält, wie der es angeblich tut, wer sich nicht ökoautoritären Normen und Werten unterwirft, ist bestenfalls Objekt paternalistischen Handelns der Volkserzieher. Eigentlich ein Augenblick, um zu sagen: Ich bin Teil der Arbeiterklasse und stolz darauf.
http://www.kulturwest.de/kulturpolitik/ ... echterung/

Seht Ihr es tendenziell ähnlich wieder Autor, sprich, werden gewisse Verhaltensmuster heute eindeutiger verachtet und ganz klar sozialen Bevölkerungsgruppen zugeschrieben? Denkt man an den Hype um Sarrazin zurück, könnte man ja schon den Eindruck gewinnen, aber der Autor zielt mehr in Richtung der urbanen Mittelschicht ab, die stetig wächst mit all den positiven wie negativen Begleiterscheinungen, wie z.B. steigenden Mieten und Verdrängung der verachteten (?), ärmeren Bevölkerungsschichten.

* kleine Ergänzung aus aktuellem Anlass:
Das Maß der Überheblichkeit, ja der Verachtung des Bürgertums gegenüber jenen, die es als Unterschicht ansieht, war seit dem zweiten Weltkrieg nie so groß wie heute, zwischen beiden Welten gibt es kaum noch Kontakte, sogar die räumliche Trennung ist durch die Gentrifizierung ganze Stadtteile so radikal wie nie.

Das Versagen der Sozialdemokraten besteht auch darin, Teil dieses Klassenkampfes von oben zu sein, die Interessen ihrer Kernklientel verraten zu haben, wie Forsa-Chef Güllner es beschrieben hat.
http://www.ruhrbarone.de/oesterreich-da ... lte/125946
Labskaus!

Ob Mailand oder Madrid -- Hauptsache Europa.
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firlefanz11
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von firlefanz11 »

Ja, sehe ich ähnlich. Ist aber auch nicht verwunderlich... Mal ehrlich: Kann irgendjemand was positives and dne Verhaltensmustern der Prolos finden?
Am Rande des Wahnsinns stehen keine Geländer!
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JJazzGold
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von JJazzGold »

frems hat geschrieben:(26 Apr 2016, 00:52)

http://www.kulturwest.de/kulturpolitik/ ... echterung/

Seht Ihr es tendenziell ähnlich wieder Autor, sprich, werden gewisse Verhaltensmuster heute eindeutiger verachtet und ganz klar sozialen Bevölkerungsgruppen zugeschrieben? Denkt man an den Hype um Sarrazin zurück, könnte man ja schon den Eindruck gewinnen, aber der Autor zielt mehr in Richtung der urbanen Mittelschicht ab, die stetig wächst mit all den positiven wie negativen Begleiterscheinungen, wie z.B. steigenden Mieten und Verdrängung der verachteten (?), ärmeren Bevölkerungsschichten.

* kleine Ergänzung aus aktuellem Anlass:


http://www.ruhrbarone.de/oesterreich-da ... lte/125946
Ich fasse es ganz kurz zusammen, das Proletariat diente immer als scharfe Abgrenzung zur Mittelschicht. Jahrzehntelang gab es Bemühungen, sich vom Proletariat in die Mittelschicht hochzuarbeiten. Heute ist die Grenze nach unten durchlässiger geworden. Der untere Rand der Mittelschicht läuft heute umgekehrt leichter Gefahr ins Proletariat abzugleiten. Das ruft meines Erachtens u.a. die Verschärfung der Verachtung hervor.
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
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Provokateur
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Provokateur »

Ein richtiger Arbeiter ist ja etwas anderes als der "Proll". Der Proll ist an sich schon eher arbeitsscheu, Prollweibchen werden lieber dauerschwanger, als mal einen Finger krumm zu machen.
Harry riss sich die Augen aus dem Kopf und warf sie tief in den Wald. Voldemort schaute überrascht zu Harry, der nun nichts mehr sehen konnte.
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Wildermuth
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Wildermuth »

Provokateur hat geschrieben:(26 Apr 2016, 10:00)

Ein richtiger Arbeiter ist ja etwas anderes als der "Proll". Der Proll ist an sich schon eher arbeitsscheu, Prollweibchen werden lieber dauerschwanger, als mal einen Finger krumm zu machen.
Richtig. Der threadtitel ist irreführend.

Dass das leben als mehrfache mutter so geruhsam, höre ich hier zum ersten mal. Brauchen wir einen thread zur mütter- und kinderverachtung?
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Milady de Winter
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Milady de Winter »

Ich sehe das eher ambivalent. Das Wort "Unterschicht" wird meiner Beobachtung nach nicht einheitlich gebraucht. Manche setzen "Unterschicht" mit "Proleten" gleich. Das wiederum hat aber per se nichts mit dem finanziellen Status einer Person zu tun, denn sich wie ein "Prolet" zu benehmen ist vom Geldbeutel völlig unabhängig. Das gelingt auch vielen gut Betuchten.

Andere sehen in der "Unterschicht" diejenigen, die vom vermeintlichen Status her unter ihnen stehen. Das geht dann vom Arbeiter, der einfache Tätigkeiten verrichtet, bis hin zu denen, die gar nicht arbeiten. Also eher dauerhafte Transferleistungsbezieher.

Wieder andere sehen in der "Unterschicht" alle Kriterien vereint, die man sich selbst natürlich nicht zuschreibt: ungebildet, asozial, arm, faul.

Ein vermeintlich reicher "Prolet" würde sicher nicht der Unterschicht zugeordnet. Ergo wird das Wort "Unterschicht" weniger dem proletenhaften Auftreten als mehr dem Geldbeutel zugeordnet. Und das ist es, was mich persönlich schockiert. Denn von wenig bis gar keinem Einkommen wird in dem Moment automatisch auch auf den Bildungsstand, vor allem aber auf das Verhalten von Menschen geschlossen.

Es ist selbstredend eher die Regel als die Ausnahme, dass die Bildung direkten Einfluss auf die Beschäftigung hat. Aber reich gleich Niveau, arm gleich Prolet ist in meinen Augen eine völlig ignorante Betrachtungsweise.

Fazit: in meinen Augen ist das Wort "Unterschicht" ein oberflächlicher Begriff, der viel zu inflationär gebraucht wird, und mit dem man schlicht ausdrückt, dass jemand in allen Bereichen unter einem selbst steht. Egal, ob das stimmt oder nicht.
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Provokateur »

Wildermuth hat geschrieben:(26 Apr 2016, 10:04)
Dass das leben als mehrfache mutter so geruhsam, höre ich hier zum ersten mal.
Kommt darauf an, wie man es macht.

Beispiel, selber erlebt:
Mutter,ca. 20, mit Kind betritt die S-Bahn. Der Junge ist so vier Jahre alt, stellt viele Fragen ("Warum fährt die Bahn?", Warum sind da Wolken?"), die Antwort der Mutter auf alles "Jeremy, ess deinen Schicken Naggez!"...
Bestens war dann noch (das Zugklo war ungefähr drei Schritt entfernt) die Aussage der Mutter auf den Ausruf "Mama, ich muss aufs Klo!" - nämlich "Du has ne Windel an!"

Da war das Smartphone wohl wichtiger.

Das ist für mich Proll, und zwar richtig weit drin.

Meine Mutter hingegen hat vier Jungs großbekommen, alle in Lohn und Brot, alle erfolgreich. Das bedeutete aber auch, die Nachmittage nicht vor dem Fernseher zu verbringen, sondern zu kochen, Hausaufgaben zu erledigen und mit uns zu üben, damit die Noten stimmten. Und wenn die Noten mal nicht stimmten, gabs Kasalla, da wurde geübt von zwei Uhr Nachmittag bis neun, damit der Stoff auch saß.

Jeremy hingegen macht mit vier in die Hose, weil die Mama das so will. Er und seine bemitleidenswerten Geschwister (da kommen noch welche - Pille vergessen, Kondom fühlt sich doof an) werden dumm, weil die Mutter Erziehung nicht hinbekommt.
Harry riss sich die Augen aus dem Kopf und warf sie tief in den Wald. Voldemort schaute überrascht zu Harry, der nun nichts mehr sehen konnte.
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Milady de Winter
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Milady de Winter »

Wildermuth hat geschrieben:(26 Apr 2016, 10:04)

Richtig. Der threadtitel ist irreführend.

Dass das leben als mehrfache mutter so geruhsam, höre ich hier zum ersten mal. Brauchen wir einen thread zur mütter- und kinderverachtung?
Eltern werden ist nicht schwer, Eltern sein dagegen sehr. Darauf will Provo tendenziell hinaus. Und da gebe ich ihm recht. Mehrere Kinder in die Welt gesetzt zu haben ringt mir pauschal erst mal noch keinen Respekt ab. Für mich ist entscheidend, was dann mit diesen Kindern geschieht.
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Wildermuth
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Wildermuth »

Milady de Winter hat geschrieben:(26 Apr 2016, 11:23)

Eltern werden ist nicht schwer, Eltern sein dagegen sehr. Darauf will Provo tendenziell hinaus. Und da gebe ich ihm recht. Mehrere Kinder in die Welt gesetzt zu haben ringt mir pauschal erst mal noch keinen Respekt ab. Für mich ist entscheidend, was dann mit diesen Kindern geschieht.
Es geht mir auch nicht um respekt. Ausser vielleicht dem, den jeder mensch verdient hat, weil er mensch ist. Also, anstand.

Ich habe, auch bei provos beispielen, den deutlichen eindruck, selbst eine schlechte mutter hat mehr stress als die meisten berufstätigen in 40-stundenwoche mit gehalt, und rentenversicherung.

Es gab und gibt übrigens auch schlechte mütter in sehr bürgerlichen umfeld.
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Milady de Winter
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Milady de Winter »

Wildermuth hat geschrieben:(26 Apr 2016, 11:31)

Es geht mir auch nicht um respekt. Ausser vielleicht dem, den jeder mensch verdient hat, weil er mensch ist. Also, anstand.

Ich habe, auch bei provos beispielen, den deutlichen eindruck, selbst eine schlechte mutter hat mehr stress als die meisten berufstätigen in 40-stundenwoche mit gehalt, und rentenversicherung.

Es gab und gibt übrigens auch schlechte mütter in sehr bürgerlichen umfeld.
Dein erster Satz ist außen vor, ich behandle niemanden respektlos, solange er sich das nicht selbst verdient hat. Mir ging es nur um die Sache.

Deinen letzten Satz zweifle ich in keinster Weise an. Ich kenne genügend Beispiele. Auch hier greift in meinen Augen das, was ich oben schrieb: Liebe, Fürsorge und Erziehung sind nicht am Geldbeutel oder Status festzumachen.

Ich zweifle aber Deinen zweiten Satz an. Stress macht man sich zu einem großen Teil selbst. Und nicht selten entsteht er von innen - man hat sich selbst gegenüber einen Anspruch, dem man ggf. nicht gerecht wird. Diese Art Anspruch sehe ich bei dem speziellen Beispiel von Provo nicht. Ergo hat so eine Frau mit einem oder mehreren Kindern im Grunde keinen "Stress", sie ist bestenfalls "genervt", weil die Kids ihr Fragen stellen oder beschäftigt werden wollen. Diesem Generve entgeht man am besten, indem man die Kids mit Essen und Fernsehen ruhigstellt, um sie weitestgehend aus der eigenen Komfortzone fernzuhalten.
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denkmal
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von denkmal »

Proletarier war wohl im Industrialismus eine abwertende Bezeichnung der (Industrie)arbeiter durch die bürgerlichen Stände, die sich ja selbst als Mittelschicht wahrnahmen.
Positiv bewertet wurde der Proletarier einzig dann als Träger des Klassenkampfs - von den Klassenkampfproheten.

In neuerer Zeit, denke ich, rutschte die Bedeutung des Proleten eher in Richtung "Pöbel". Man sagt Prolet und meint Pöbel (wiki meint:
Mit dem Wort „Pöbel“ wird gewöhnlich ein Mangel an Kultur, Kultiviertheit, Intelligenz, Stil, Feingefühl oder „Sinn für Höheres“ unterstellt.
).

Unterschicht ist nach wie vor die Schicht mit der (in den Augen der anderen Schichten) geringsten gesellschaftlichen Bedeutung. Sie wird von diesen eher als Belastung (des Staates?) gesehen. Tragen in neoliberaler Weltanschauung nichts zum Erfolg der Gesellschaft bei, schmälern im Gegenteil den Erfolg oberer Schichten (oder 'Die leben auf Kosten der Gesellschaft').

Und so etwas in einer angeblich klassenlosen Gesellschaft. Aber es wird immer eine Unterschicht geben. Der gemeine Mensch braucht, scheint's, immer jemanden, der nicht so erfolgreich (auf welcher Skala auch immer) ist wie er selbst. Mir scheint nur die Abgrenzung immer deutlicher ans Tageslicht zu kommen.
Im Laufe ihres steinernen Daseins nehmen sogar manche Denkmäler menschliche Züge an.
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BingoBurner
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von BingoBurner »

firlefanz11 hat geschrieben:(26 Apr 2016, 09:47)

Ja, sehe ich ähnlich. Ist aber auch nicht verwunderlich... Mal ehrlich: Kann irgendjemand was positives and dne Verhaltensmustern der Prolos finden?

Ja, ein ziemlich ausgeprägtes Gemeinschafts und Zusammengehörigkeit -Gefühl innerhalb einer Gruppe.
Kommt natürlich drauf an wie man nun "Prolo" definiert.
Meine sportliche, steile Meta-These :

Fussball (Mannschaftssportarten) sind eher was für "Prolos".
Die Einzelkämpfer Sportarten ala Tennis, Golf, Formel 1, Schach, Pferdesport, Kampfsport und Tralala eher was für die "für die nicht Prolos.".

Mal in die Südkurve eines X-Vereines gehen. Das ist mehr als nur "Sozial-Romantik" an zutreffen.
Musst natürlich das richtige Trikot tragen, versteht sich.

Im Gegenzug werden "deine" neuen "Prolo"-Freunde, jeden anderem die Zähne einschlagen wenn es nur einer wagt dich schief anzuschauen.
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Keoma
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Keoma »

Prolls sind für mich z.B. die Blonde, die immer "ROOOOBERT!" kreischt oder die diversen Prinzen von Anhalt.
Der Gescheitere gibt nach!
Eine traurige Wahrheit, sie begründet die Weltherrschaft der Dummheit.

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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von schokoschendrezki »

In seinem Buch »Schantall, tu ma die Omma winken!« scheitert ein Sozialarbeiter damit, die Working-Class-Familie Pröllmann zu kultivieren. Ihre Welt scheint ein Schadensfall, den es zu beheben gilt. Nichts bei den Pröllmanns hat Wert, nichts gilt es zu schützen, nichts anzuerkennen. Sie machen alles falsch: rauchen, sind zu dick und haben ein zu intensives Verhältnis zu Sexualität. Und sie sind arm. Das Buch wirkt wie der Versuch, die Stern-Reportage von Walter Wüllenweber (2004) in einen Roman zu übersetzen. Wüllenweber hatte sich mit den Problemen der vermeintlichen Unterschicht in Essen-Katernberg beschäftigt und seinen Protagonisten durchaus Sympathie entgegengebracht. Bei Twilfer hingegen ist die Verachtung kaum kaschiert.
Wenn ich Sätze wie den Hervorgehobenen lese, fallen mir sofort die Appelle an Werte von Seiten der neuen europäischen Rechten ein. Nation, Tradition, Religion usw. Ein typisches Beispiel dafür wären da für mich (weil ich mich in der Region ganz gut auskenne) die ungarischen Jobbik ("Die Besseren" und gleichzeitig "Die Rechteren"). Bei denen handelt es sich eben gerade nicht um das, was man mit "Prolls" assoziiert. Sie kommen typischerweise aus dem (konservativen) akademischen Millieu (einschl. natürlich studentische Verbindungen) sowie aus (konservativen) Unternehmerkreisen. Und da muss ich sagen: Ehe ich mich mit einer Anti-Pröllmann-Haltung auf deren Seite gestellt sehe, will ich lieber selber ein Pröllmann sein ...
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von bakunicus »

Provokateur hat geschrieben:(26 Apr 2016, 10:00)

Ein richtiger Arbeiter ist ja etwas anderes als der "Proll". Der Proll ist an sich schon eher arbeitsscheu, Prollweibchen werden lieber dauerschwanger, als mal einen Finger krumm zu machen.
nicht im sinne von frems.
im sinne von frems sind alle steuerfinanzierten und grundgesetzgarantierten sozialleistungen "etatisten-nazis" ...

ich frag mich daher, was dieser faden aus dieser feder mal wieder soll ?
provospam, oder totalverblödete selbsthinterfragung ?
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bakunicus
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von bakunicus »

ich formuliere das auch gerne noch mal krasser ...

das pf.eu hat mit zahlreichen usern wie adam smith, blue monday, realist 2014, 3xk, john galt, frems, fazer und thomas I, und und und ... , ein proletariatsfeindliches potential, dass ich mich frage was dieser thread da noch neues bringen soll ?

was soll da überhaupt noch die frage sein ...
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Marmelada »

Das Buch »Schantall, tu ma die Omma winken!« habe ich gelesen und fand es sehr schlecht. Der Autor will krampfhaft witzig sein, tatsächlich prollt er selbst nur herum und das ganze ist nichts anderes als heftiges nach unten Treten. Hoffentlich ist der angebliche Hintergrund als Sozialarbeiter nur fiktiv (zB gibt es Beschreibungen des Urlaubs), denn es hilft diesen Leuten kein Stück weiter, von solch einem hohen Ross aus "betreut" zu werden. Damit stehe ich wohl nicht alleine, wenn man sich die mehrheitlich negativen Bewertungen ansieht.
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Billie Holiday »

BingoBurner hat geschrieben:(27 Apr 2016, 14:26)

.........

Im Gegenzug werden "deine" neuen "Prolo"-Freunde, jeden anderem die Zähne einschlagen wenn es nur einer wagt dich schief anzuschauen.

Glaub nicht, dass das aus Liebe geschieht. Man nimmt nur gern aus Langeweile jeden sich bietenden Anlass, um Stunk zu machen. :x

Dass Du schief angeschaut wirst, ist doch denen wurscht. Die wollen kloppen, zufällig wirst Du angeglotzt und das ist der gern genommene Anlass.
„Wer mich beleidigt, bestimme ich.“ (Klaus Kinski)

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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Billie Holiday »

Marmelada hat geschrieben:(27 Apr 2016, 15:19)

Das Buch »Schantall, tu ma die Omma winken!« habe ich gelesen und fand es sehr schlecht. Der Autor will krampfhaft witzig sein, tatsächlich prollt er selbst nur herum und das ganze ist nichts anderes als heftiges nach unten Treten. Hoffentlich ist der angebliche Hintergrund als Sozialarbeiter nur fiktiv (zB gibt es Beschreibungen des Urlaubs), denn es hilft diesen Leuten kein Stück weiter, von solch einem hohen Ross aus "betreut" zu werden. Damit stehe ich wohl nicht alleine, wenn man sich die mehrheitlich negativen Bewertungen ansieht.
Ich habs mir aus der Bücherei mitgenommen und fand, es ist eine Aneinanderreihung von Klischees und ausgedachten Geschichten mit einem winzigen wahren Kern.
Ich hab die Story nicht geglaubt.
„Wer mich beleidigt, bestimme ich.“ (Klaus Kinski)

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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von BingoBurner »

Billie Holiday hat geschrieben:(27 Apr 2016, 15:22)

Glaub nicht, dass das aus Liebe geschieht. Man nimmt nur gern aus Langeweile jeden sich bietenden Anlass, um Stunk zu machen. :x

Dass Du schief angeschaut wirst, ist doch denen wurscht. Die wollen kloppen, zufällig wirst Du angeglotzt und das ist der gern genommene Anlass.

Liebe ?
Ziemlich großes Wort.
Ich sprach von Zusammengehörigkeit.

In den oberen sozialen Schichten kennt man das unter "Hire&Fire", noop.
Du verlässt mich weil Sie 19 Jahre alt ist ? Nein, weil es nicht mehr passt, noop.
Was hat er was ich nicht habe ? Einen besseren Kontoauszug, noop.

Die Unterschicht lernt von der Oberschicht, you see.
Manchmal frage ich wer hier die "Prolos" sind.
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Wähler »

http://www.faz.net/aktuell/politik/inla ... ageIndex_2
FAZ 17 August 2011 Allensbach-Umfrage für die F.A.Z. - Produzieren wir eine Schicht sozialer Verlierer?
Die sozialen Schichten bewegen sich jedoch nicht nur in Bezug auf ihre materielle Lage auseinander, sondern auch in Bezug auf ihre Interessen, Lebensstile, Weltanschauungen und Alltagskultur. So ist beispielsweise die zunehmende Gesundheitsorientierung primär ein Oberschichtenphänomen.
Beunruhigend ist jedoch, dass insbesondere bei Jüngeren aus den unteren Sozialschichten das Interesse an Politik, Wirtschaft oder kulturellen Themen steil abgesunken ist.
Das Auseinanderdriften der sozialen Schichten ist keineswegs nur eine Frage der materiellen Ausstattung, sondern immer mehr auch der Entwicklung unterschiedlicher Kulturen. Ein besonders ernster Aspekt ist dabei, dass sich die Voraussetzungen, unter denen Kinder aufwachsen, die Impulse, Förderungen und Maximen für die Lebensführung, die sie erhalten, immer mehr unterscheiden.
Proletariat scheint mir ein veralteter Begriff zu sein. In der Diskussion um die Entstehung einer neuen Unterschicht in Deutschland wird auch gerne von Prekariat gesprochen oder von Vererbung der Armut.
Zeitungstexte bei Genios mit Bibliotheksausweis kostenlos: https://www.wiso-net.de/login?targetUrl=%2Fdosearch (Zugang auch bundesweit)
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Billie Holiday »

BingoBurner hat geschrieben:(27 Apr 2016, 16:02)

Liebe ?
Ziemlich großes Wort.
Ich sprach von Zusammengehörigkeit.

In den oberen sozialen Schichten kennt man das unter "Hire&Fire", noop.
Du verlässt mich weil Sie 19 Jahre alt ist ? Nein, weil es nicht mehr passt, noop.
Was hat er was ich nicht habe ? Einen besseren Kontoauszug, noop.

Die Unterschicht lernt von der Oberschicht, you see.
Manchmal frage ich wer hier die "Prolos" sind.
Ich bezweifle dieses riesige Zusammengehörigkeitsgefühl, freue mich aber, wenn ich im Irrtum bin. :)

Prolls gibt es in jeder Schicht, ein voller Geldbeutel macht doch keinen besseren Menschen, ebensowenig wie ein fast leerer Geldbeutel einen schlechten Menschen macht.

Ein Proll/Asi hat nichts mit einem Arbeiter aus den niedrigen Gehaltsklassen zu tun, ich habe große Wertschätzung für jeden, der sein Leben versucht selbst zu finanzieren und morgens früh aufsteht, um einen schlecht bezahlten, aber wichtigen Job zu machen und sich nicht von vorn herein auf Vater Staat besinnt.
Außerdem halte ich die Arbeit von Reinigungskräften, Müllmännern, Pflegekräften... für sehr wichtig. Im Leben würde ich nicht auf sie verächtlich blicken, auch nicht auf andere Berufe, die mies bezahlt werden und dem Beschäftigten kein luxuriöses Leben ermöglichen. Der Porschefahrer ist kein besserer Mensch. :x
„Wer mich beleidigt, bestimme ich.“ (Klaus Kinski)

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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von bakunicus »

Billie Holiday hat geschrieben:(27 Apr 2016, 16:17)

Ich bezweifle dieses riesige Zusammengehörigkeitsgefühl, freue mich aber, wenn ich im Irrtum bin. :)

Prolls gibt es in jeder Schicht, ein voller Geldbeutel macht doch keinen besseren Menschen, ebensowenig wie ein fast leerer Geldbeutel einen schlechten Menschen macht.

Ein Proll/Asi hat nichts mit einem Arbeiter aus den niedrigen Gehaltsklassen zu tun, ich habe große Wertschätzung für jeden, der sein Leben versucht selbst zu finanzieren und morgens früh aufsteht, um einen schlecht bezahlten, aber wichtigen Job zu machen und sich nicht von vorn herein auf Vater Staat besinnt.
Außerdem halte ich die Arbeit von Reinigungskräften, Müllmännern, Pflegekräften... für sehr wichtig. Im Leben würde ich nicht auf sie verächtlich blicken, auch nicht auf andere Berufe, die mies bezahlt werden und dem Beschäftigten kein luxuriöses Leben ermöglichen. Der Porschefahrer ist kein besserer Mensch. :x
mhh ... nicht schlecht.
das könnte ich fast genau so unterschreiben
leider meinen das weder duden noch frems so ...

das meinen nur wirklich freie geister und menschen ...
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Milady de Winter
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Milady de Winter »

Billie Holiday hat geschrieben:(27 Apr 2016, 16:17)

Der Porschefahrer ist kein besserer Mensch. :x
Zumindest nicht wegen seines Porsches.
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Billie Holiday
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Billie Holiday »

Milady de Winter hat geschrieben:(27 Apr 2016, 16:28)

Zumindest nicht wegen seines Porsches.
Nein, der Porsche hindert nicht daran, ein guter, empathischer, großzügiger Mensch zu sein.
Ich wollte auch nicht neidisch oder mißgünstig klingen, ich gönne jedem sein Steckenpferd.
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nichtkorrekt
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von nichtkorrekt »

Bei dem Buchtitel »Schantall, tu ma die Omma winken!« hab ich das Gefühl, dass hier ein wenig Dialektsprecher stigmatisiert werden. Natürlich gibt es Dialekte die einem näher sind und andere die einem weniger gefallen, aber als Schwabe wäre es irgendwie heuchlerisch andere wegen ihres Dialekts zu verspotten, aber genau das scheint hier etwas durchzudringen, oder täusche ich mich da?

Dass Arbeitslose stigmatisiert und als eine Art Untermensch gegenüber dem kosmopolitischen Weltbürger und Globalisierungsgewinner dargestellt werden, klingt finde ich auch in den Pegidathreads durch.
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Billie Holiday »

nichtkorrekt hat geschrieben:(27 Apr 2016, 17:36)

Bei dem Buchtitel »Schantall, tu ma die Omma winken!« hab ich das Gefühl, dass hier ein wenig Dialektsprecher stigmatisiert werden. Natürlich gibt es Dialekte die einem näher sind und andere die einem weniger gefallen, aber als Schwabe wäre es irgendwie heuchlerisch andere wegen ihres Dialekts zu verspotten, aber genau das scheint hier etwas durchzudringen, oder täusche ich mich da?

Dass Arbeitslose stigmatisiert und als eine Art Untermensch gegenüber dem kosmopolitischen Weltbürger und Globalisierungsgewinner dargestellt werden, klingt finde ich auch in den Pegidathreads durch.
Ist "tu ma winken" denn ein Dialekt? Ich halte das schlicht für falsches Deutsch. :?:
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von nichtkorrekt »

Billie Holiday hat geschrieben:(27 Apr 2016, 17:46)

Ist "tu ma winken" denn ein Dialekt? Ich halte das schlicht für falsches Deutsch. :?:
Ich denke schon, irgendwo im Ruhrpott oder so bestimmt, sondern würden sie ja nicht so reden, gerade diese "tu mal die Oma winken", sowas denkt sich ja kein Muttersprachler aus.
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von schokoschendrezki »

Marmelada hat geschrieben:(27 Apr 2016, 15:19)

Das Buch »Schantall, tu ma die Omma winken!« habe ich gelesen und fand es sehr schlecht. Der Autor will krampfhaft witzig sein, tatsächlich prollt er selbst nur herum und das ganze ist nichts anderes als heftiges nach unten Treten. Hoffentlich ist der angebliche Hintergrund als Sozialarbeiter nur fiktiv (zB gibt es Beschreibungen des Urlaubs), denn es hilft diesen Leuten kein Stück weiter, von solch einem hohen Ross aus "betreut" zu werden. Damit stehe ich wohl nicht alleine, wenn man sich die mehrheitlich negativen Bewertungen ansieht.
Bei einem Buchtitel wie diesem, bin ich mir eigentlich sicher, Kauf und Lesemissvergnügen sparen zu können ... Er ist noch phantasieloser und klischeehafter als das Millieu, das das Buch (vorgeblich) zu denunzieren versucht.
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von BingoBurner »

Billie Holiday hat geschrieben:(27 Apr 2016, 16:17)

Ich bezweifle dieses riesige Zusammengehörigkeitsgefühl, freue mich aber, wenn ich im Irrtum bin. :)

Prolls gibt es in jeder Schicht, ein voller Geldbeutel macht doch keinen besseren Menschen, ebensowenig wie ein fast leerer Geldbeutel einen schlechten Menschen macht.

Ein Proll/Asi hat nichts mit einem Arbeiter aus den niedrigen Gehaltsklassen zu tun, ich habe große Wertschätzung für jeden, der sein Leben versucht selbst zu finanzieren und morgens früh aufsteht, um einen schlecht bezahlten, aber wichtigen Job zu machen und sich nicht von vorn herein auf Vater Staat besinnt.
Außerdem halte ich die Arbeit von Reinigungskräften, Müllmännern, Pflegekräften... für sehr wichtig. Im Leben würde ich nicht auf sie verächtlich blicken, auch nicht auf andere Berufe, die mies bezahlt werden und dem Beschäftigten kein luxuriöses Leben ermöglichen. Der Porschefahrer ist kein besserer Mensch. :x
Drogenhandel, Menschenhandel, Prostitution, Schutzgelderpressung. Recht des Stärkeren.....
Nun, ich könnte ich mir eine Kutte anziehen und das als Motorradclub verkaufen. Wegen der Bruderschaft. Wegen der Zugehörigkeit.
Dann ist natürlich was faul. Gelinde gesagt.

Ich wehre mich aber gegen den Begriff "Prolo".
Und als Fussball-Fan ist man schon einiges gewohnt.

Ist aber letztlich Banane weil die Grenzen sowieso woanders gezogen werden.
Muss man sich halt nicht wundern wenn Menschen Islamisten, Aluhüte, Rechtsradikale werden wenn da nur ein :

"Außerdem halte ich die Arbeit von Reinigungskräften, Müllmännern, Pflegekräften... für sehr wichtig" kommt.

Sorry
Vielleicht sollten die Müllmänner mal 5 Wochen streiken ?

Wie wäre es dann mit Boni......?
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Flaschengeist »

Die Erfahrung zeigt es.

Die Verachtung gegen über dem Proletariat hält so lange an, bis man einen Arbeiter oder Handwerker braucht.

Ein Haus, eine Maschine usw. baut sich nicht von alleine. Und ein Auto repariert sich auch nicht von selbst.


Davon abgesehen, verdienen viele Arbeiter recht ordentlich.
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von nichtkorrekt »

Flaschengeist hat geschrieben:(27 Apr 2016, 21:01)

Die Erfahrung zeigt es.

Die Verachtung gegen über dem Proletariat hält so lange an, bis man einen Arbeiter oder Handwerker braucht.

Ein Haus, eine Maschine usw. baut sich nicht von alleine. Und ein Auto repariert sich auch nicht von selbst.


Davon abgesehen, verdienen viele Arbeiter recht ordentlich.
Ich halte den Begriff Proletarier oder Arbeiter sowieso für überkommen, der Malermeister dürfte wohlhabender sein als mancher Studierter und Automechaniker ist der Traumjob vieler männlicher Jugendlicher, ein Automechaniker dürfte auch mehr verdienen als ein Bürokaufmann und der klassische Bandarbeiter bei VW oder Daimler sowieso. Klassische Arbeiter stellen heute nicht mehr die "Unterschicht", sondern das Dienstleistungsgewerbe, von der Pflegekraft bis zum Burger-Brater, die man wiederum aber schlecht als "Arbeiter" betiteln kann, es sind Begriffe von vor 100 Jahren die Gesellschaftsschichten beschreiben die es in der Form garnicht mehr gibt, auch das könnte den Abstieg der Sozialdemokratie erklären.
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von BingoBurner »

Flaschengeist hat geschrieben:(27 Apr 2016, 21:01)

Die Erfahrung zeigt es.

Die Verachtung gegen über dem Proletariat hält so lange an, bis man einen Arbeiter oder Handwerker braucht.

Ein Haus, eine Maschine usw. baut sich nicht von alleine. Und ein Auto repariert sich auch nicht von selbst.


Davon abgesehen, verdienen viele Arbeiter recht ordentlich.
Wieso, sie haben ein warmes, ich respektiere was für die "Prolos" übrig.
Während sie was von, ich komme auch von unten und habe hart gearbeitet heucheln.
Zuletzt geändert von BingoBurner am Mi 27. Apr 2016, 22:32, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Boracay »

nichtkorrekt hat geschrieben: Ich halte den Begriff Proletarier oder Arbeiter sowieso für überkommen, der Malermeister dürfte wohlhabender sein als mancher Studierter und Automechaniker ist der Traumjob vieler männlicher Jugendlicher, ein Automechaniker dürfte auch mehr verdienen als ein Bürokaufmann und der klassische Bandarbeiter bei VW oder Daimler sowieso. Klassische Arbeiter stellen heute nicht mehr die "Unterschicht", sondern das Dienstleistungsgewerbe, von der Pflegekraft bis zum Burger-Brater, die man wiederum aber schlecht als "Arbeiter" betiteln kann, es sind Begriffe von vor 100 Jahren die Gesellschaftsschichten beschreiben die es in der Form garnicht mehr gibt, auch das könnte den Abstieg der Sozialdemokratie erklären.
Die Arbeiter stellen heute natürlich wiete die Unterschicht, auch wenn sich das heute allgemein nicht mehr in Einkommen ausdrückt. Die meisten Bandarbeiter haben einen niedrigen Bildungsabschluss, oft Migrationshintergrund, taufen ihre Kinder Chantal oder Justin, machen All-Inclusive Ferien, ernähren sich ungesunder oder machen Bodybuilding......
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Billie Holiday »

Boracay hat geschrieben:(27 Apr 2016, 22:32)

Die Arbeiter stellen heute natürlich wiete die Unterschicht, auch wenn sich das heute allgemein nicht mehr in Einkommen ausdrückt. Die meisten Bandarbeiter haben einen niedrigen Bildungsabschluss, oft Migrationshintergrund, taufen ihre Kinder Chantal oder Justin, machen All-Inclusive Ferien, ernähren sich ungesunder oder machen Bodybuilding......
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Alucard »

frems hat geschrieben:(26 Apr 2016, 00:52) Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?
Abends an der Supermarktkasse sehe ich mich regelmäßig von sauber gekleideten Menschen mit frisch geputzten Schuhen umgeben, während ich mit meinen farbbekleckerten Alltagsklamotten wie ein Paria erscheine, den man naserümpfend ignoriert. Zumal ich das Wechselgeld schon mal mit braungefärbten Fingern entgegennehme, weil ich als Restaurator auch mit Ölfarben, Beizen und Anilinfarben hantiere, die man nicht mal eben abwaschen kann. Jedenfalls sind diese sauber Angezogen meist kleine Angestellte, Rentner und Arbeitslose, die penibelst auf ihr Äußeres achten und entsprechend duften, während ich mir schon als Lehrling angewöhnt hatte, in meiner Arbeitskleidung nach Hause zu fahren. Früher fühlte ich mich allerdings noch eher akzeptiert, aber seitdem die Punks und alten Zausel auch in Kreuzberg aussterben und durch modebewusste Hipster ersetzt werden, ist es vorbei mit dem Laissez faire in Sachen äußere Erscheinung. Und manchmal fühle ich mich tatsächlich verachtet von Leuten, die keinen Pinsel richtig herum halten und keinen Nagel in die Wand hauen können, während ich mich an kostbarsten Kunstwerken zu schaffen mache, die diese Menschen in ihrer einmal unterstellten Kulturferne wahrscheinlich nie zu sehen bekommen. Aber egal, mit denen möchte ich auch nichts zu tun haben... >ß´)
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Wildermuth »

nichtkorrekt hat geschrieben:(27 Apr 2016, 17:54)

Ich denke schon, irgendwo im Ruhrpott oder so bestimmt, sondern würden sie ja nicht so reden, gerade diese "tu mal die Oma winken", sowas denkt sich ja kein Muttersprachler aus.
Wäre es ein dialekt, wäre es ja nicht mehr lustig, ausserdem hätte der autor dann eine heerschar beleidigter, übelnehmender trachtenvereine auf den zehen stehen.

Dass sich ein lehrer öffentlich gegen dialekte ausspricht, gibts schon lange nicht mehr. Es hat ja auch kein biologe was gegen tiere oder pflanzen.
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Billie Holiday »

Alucard hat geschrieben:(27 Apr 2016, 23:16)

Abends an der Supermarktkasse sehe ich mich regelmäßig von sauber gekleideten Menschen mit frisch geputzten Schuhen umgeben, während ich mit meinen farbbekleckerten Alltagsklamotten wie ein Paria erscheine, den man naserümpfend ignoriert. Zumal ich das Wechselgeld schon mal mit braungefärbten Fingern entgegennehme, weil ich als Restaurator auch mit Ölfarben, Beizen und Anilinfarben hantiere, die man nicht mal eben abwaschen kann. Jedenfalls sind diese sauber Angezogen meist kleine Angestellte, Rentner und Arbeitslose, die penibelst auf ihr Äußeres achten und entsprechend duften, während ich mir schon als Lehrling angewöhnt hatte, in meiner Arbeitskleidung nach Hause zu fahren. Früher fühlte ich mich allerdings noch eher akzeptiert, aber seitdem die Punks und alten Zausel auch in Kreuzberg aussterben und durch modebewusste Hipster ersetzt werden, ist es vorbei mit dem Laissez faire in Sachen äußere Erscheinung. Und manchmal fühle ich mich tatsächlich verachtet von Leuten, die keinen Pinsel richtig herum halten und keinen Nagel in die Wand hauen können, während ich mich an kostbarsten Kunstwerken zu schaffen mache, die diese Menschen in ihrer einmal unterstellten Kulturferne wahrscheinlich nie zu sehen bekommen. Aber egal, mit denen möchte ich auch nichts zu tun haben... >ß´)
Ach ja, sind die Berliner so bescheuert?

Ich habe hier noch nicht die Erfahrung gemacht, dass jemand, der nach Arbeit aussieht, verächtlich angeguckt wird.
Vor Jahren während meiner Ausbildung war ich auf dem Bau. Immer, wenn ich besonders dreckig war, Mörtel oder Rost der Bewehrungsmatten in den Klamotten hatte, hat der Busfahrer gelacht und mich umsonst mitgenommen. :)
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Wildermuth »

Billie Holiday hat geschrieben:(27 Apr 2016, 23:26)

Ach ja, sind die Berliner so bescheuert?

Ich habe hier noch nicht die Erfahrung gemacht, dass jemand, der nach Arbeit aussieht, verächtlich angeguckt wird.
Vor Jahren während meiner Ausbildung war ich auf dem Bau. Immer, wenn ich besonders dreckig war, Mörtel oder Rost der Bewehrungsmatten in den Klamotten hatte, hat der Busfahrer gelacht und mich umsonst mitgenommen. :)
Gerade in B würde ich das am wenigsten erwarten.
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Alucard »

Billie Holiday hat geschrieben:(27 Apr 2016, 23:26)

Ach ja, sind die Berliner so bescheuert?

Ich habe hier noch nicht die Erfahrung gemacht, dass jemand, der nach Arbeit aussieht, verächtlich angeguckt wird.
Vor Jahren während meiner Ausbildung war ich auf dem Bau. Immer, wenn ich besonders dreckig war, Mörtel oder Rost der Bewehrungsmatten in den Klamotten hatte, hat der Busfahrer gelacht und mich umsonst mitgenommen. :)
Von "den Berlinern" würde ich nicht unbedingt reden. Der genannte Supermarkt steht inmitten von sozialistischen Plattenbauten in direkter Nähe zum ehemaligen "antifaschistischen Schutzwall". Direkt angemacht wurde ich aber zuletzt Mitte der 80er, als ich in Kudamm-Nähe U-Bahn-fahrend von einer mit Einkaufstüten bepackten Dame der "besseren" Gesellschaft aufgefordert wurde, ich solle mir doch mal die Schuhe putzen. Ich fand´s lustig, zumal man damals in Kreuzberg noch unangenehm auffiel mit geputzten Schuhen. Heute eher nicht, im Gegenteil.. >x´(
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Marmelada
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Marmelada »

schokoschendrezki hat geschrieben:(27 Apr 2016, 20:21)

Bei einem Buchtitel wie diesem, bin ich mir eigentlich sicher, Kauf und Lesemissvergnügen sparen zu können ... Er ist noch phantasieloser und klischeehafter als das Millieu, das das Buch (vorgeblich) zu denunzieren versucht.
Gekauft hätte ich es auch nicht, aber ich hatte die Gelegenheit, es zu lesen. Der Titel ist gar nicht mal so unrealistisch. Im Gegenteil, bei Ansprachen von "Schantall-Kindern" höre ich sogar viel unschönere Ansagen, zumeist eben Geschimpfe. Zum Autor:

https://de.wikipedia.org/wiki/Kai_Twilfer
Kai Twilfer studierte Wirtschaftswissenschaften in Bochum. Während des Studiums gründete er eine Produktionsfirma für Werbefilme. Außerdem arbeitete er beim Westdeutschen Rundfunk. Im Jahr 2002 gründete er ein Großhandelsunternehmen für Regionalia aus dem Ruhrgebiet und ist Geschäftsführer der Industriekult-Verlags GmbH.[1]
Gut, so hat er mit seinem Machwerk alle Klischees eines eingebildeten, sozialdarwinistischen, unempathischen BWL/Werbefuffis erfüllt. Ein sehr schönes Eigentor.
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Provokateur »

Ich allerdings hatte bei der Lektüre meinen Spaß und habe auch vieles, was mir bei der Bundeswehr und außerhalb begegnet ist, wieder erkannt.
Harry riss sich die Augen aus dem Kopf und warf sie tief in den Wald. Voldemort schaute überrascht zu Harry, der nun nichts mehr sehen konnte.
twitter.com/Provokateur_Tom
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von steve1974 »

Flaschengeist hat geschrieben:(27 Apr 2016, 21:01)

Die Erfahrung zeigt es.

Die Verachtung gegen über dem Proletariat hält so lange an, bis man einen Arbeiter oder Handwerker braucht.

Ein Haus, eine Maschine usw. baut sich nicht von alleine. Und ein Auto repariert sich auch nicht von selbst.


Davon abgesehen, verdienen viele Arbeiter recht ordentlich.
-
Ich habe noch keinen der vielen hier im Hochhaus tätigen Handwerker gesehen,
der sich echt prollmäßig verhalten hätte .

( brennende Zigarette und Bierdose in der Hand, übelriechend, schmutzig, unrasiert,
Leute anpöbelnd, Oberarme demonstrativ frei und martialisch tätowiert, in Badelatschen und Jogginghose, möglicherweise auf dem Hemd irgendwelche Symbole der dunklen Welt,
dazu die Baseball - Kappe verkehrt herum auf wie ein ewiger Teenie ... etc. etc. )

Prolls allerdings kann man in fast allen Stadtteilen und auf allen S-Bahn-Linien
in HH im Überfluß sehen.
Hierbei sind dem Erscheinungsbild der Prolls keine altersmäßigen,
geschlechtsspezifischen, ethnischen oder nationalen Grenzen gesetzt.
Ich schätzte sie in HH zahlenmäßig - ganz grob - auf gut ein Viertel der Einwohner .
Der Clou :
Neulich war eine Gruppe angetrunkener Reisender in schwarzen Hosen und weißen
Hemden, sichtlich gut rasiert und gut gekleidet, im Metronom, ( RE Bremen - HH ),
wo eigentlich absolutes Alkoholverbot gilt, und grölte was das Zeug hielt ...

Ich könnte auch von so manchem Fahrer einer Oberklassen - Limousine berichten,
dessen Verhalten im Strassenverkehr dem Gehabe eines pubertierenden Prolls in nichts nachsteht.

Darüber hinaus halte ich das Anbringen von Deutschlandflaggen am Aussenspiegel und am
Kofferraumdeckel für sehr prollgrenzwertig, das Gegröhle nach einem Tor ebenso.
-
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von jellobiafra »

In Deutschland sind derzeitig die Babyboomer kulturell hegemonial und deren Lebensphilosophie ist ein latenter Sozialdarwinismus. Dadurch ist die Verachtung des "Proletariats"
in Deutschland tatsächlich gestiegen.

Das wird sich aber bald ändern, da die Babyboomer scheiße sind, noch tausendmal unerträglicher als die 68er, und die waren schon unter aller Sau.
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von HugoBettauer »

Das Proletariat war doch schon seit Auftreten eine verächtliche Art, das Leben zu fristen. Nicht schlimm, das zu sagen. Schlimm, dass es so ist.
pikant
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von pikant »

ich finde Arbeitnehmer haben unseren Respekt verdient!
HugoBettauer

Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von HugoBettauer »

Die Empirie zeigt, dass das kein allgemeines Empfinden ist.
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cleopatra
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von cleopatra »

Alucard hat geschrieben:(27 Apr 2016, 23:16)

Abends an der Supermarktkasse sehe ich mich regelmäßig von sauber gekleideten Menschen mit frisch geputzten Schuhen umgeben, während ich mit meinen farbbekleckerten Alltagsklamotten wie ein Paria erscheine, den man naserümpfend ignoriert. Zumal ich das Wechselgeld schon mal mit braungefärbten Fingern entgegennehme, weil ich als Restaurator auch mit Ölfarben, Beizen und Anilinfarben hantiere, die man nicht mal eben abwaschen kann. Jedenfalls sind diese sauber Angezogen meist kleine Angestellte, Rentner und Arbeitslose, die penibelst auf ihr Äußeres achten und entsprechend duften, während ich mir schon als Lehrling angewöhnt hatte, in meiner Arbeitskleidung nach Hause zu fahren. Früher fühlte ich mich allerdings noch eher akzeptiert, aber seitdem die Punks und alten Zausel auch in Kreuzberg aussterben und durch modebewusste Hipster ersetzt werden, ist es vorbei mit dem Laissez faire in Sachen äußere Erscheinung. Und manchmal fühle ich mich tatsächlich verachtet von Leuten, die keinen Pinsel richtig herum halten und keinen Nagel in die Wand hauen können, während ich mich an kostbarsten Kunstwerken zu schaffen mache, die diese Menschen in ihrer einmal unterstellten Kulturferne wahrscheinlich nie zu sehen bekommen. Aber egal, mit denen möchte ich auch nichts zu tun haben... >ß´)
Wäre ich die Kassiererin oder Nebenkundin, tät ich auch mit Stirnrunzeln auf deine eingesauten Klamotten sowie ungereinigten Finger schauen. Das ist schlicht unappetitlich in einem Supermarkt. Ich hoffe sehr, du pilgerst in dieser Montur nicht auch noch in einen Fresstempel und bist hochbeleigt, weil du komisch angeguckt wirst :D
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zollagent
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von zollagent »

Beim Goldenen M eher nicht. Aus dem Adlon würde er hinauskomplimentiert werden.
Wer an Absurditäten glaubt, wird Abscheulichkeiten begehen. (Voltaire)
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Re: Ist die Verachtung des "Proletariats" in Deutschland gestiegen?

Beitrag von Billie Holiday »

cleopatra hat geschrieben:(18 Jun 2016, 16:29)

Wäre ich die Kassiererin oder Nebenkundin, tät ich auch mit Stirnrunzeln auf deine eingesauten Klamotten sowie ungereinigten Finger schauen. Das ist schlicht unappetitlich in einem Supermarkt. Ich hoffe sehr, du pilgerst in dieser Montur nicht auch noch in einen Fresstempel und bist hochbeleigt, weil du komisch angeguckt wirst :D
Nicht unbedingt. Hier ist es üblich, dass der eine oder andere Handwerker in der Mittagspause oder nach Feierabend schnell was aus dem Laden holt. Niemand guckt hier abwertend auf jemanden, der augenscheinlich sein Geld mit körperlicher oder dreckiger Arbeit verdient.

Was ätzend ist, wenn jemand, der den ganzen Tag Zeit hat, kurz vor 22 Uhr seinen Großeinkauf macht, den lieben die Kassiererinnen, auch wenn dessen Hände vom Nichtstun schön sauber sind.
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