Ego-deflation

Moderator: Moderatoren Forum 8

Antworten
Isi

Ego-deflation

Beitrag von Isi »

Ein Professor Murken meint im Heft Geo kompakt, Glaube und Religion, S 56 unter der Überschrift "Spiritualität kann das Ich entlasten" folgendes:

Zitat:
Eigentlich ist es durchaus gesund, wenn ein Mensch über ein stabiles Selbstwertgefühl verfügt, wenn er überzeugt ist, vieles zu können und zu beherrschen. Aber zum Leben gehört es eben auch, Grenzen zu akzeptieren: Mitmenschen, Krankheit, Leid und Tod. Daher kann die Idee, ein kleines Rädchen in einem sinnvollen "überirdischen" Getriebe zu sein, das Ich entlasten. Es wird bescheidener, ruhiger; in religiösen Worten: demütiger.

Ich nenne das "Ego-deflation", im Gegensatz zur Ego-inflation unserer Zeit, in der viele Menschen unter Druck stehen, sich selbst wie eine Statue zu modellieren, immer noch toller, schöner, reicher zu werden - und bald unter diesen Anforderungen leiden.

Der Mann hat Recht, nur bin ich mir nicht sicher, ob das Phänomen der Ego-inflation wirklich am Abfall vom Glauben liegt, der ja nur eine Ersatzinstanz zu sonstigen Grenzsetzungen ist oder ob diese Ego-inflation eben auch daran liegt, dass es kaum mehr funktionierende pädagogische Konzepte gibt und wenn, dann sicher nicht für Erwachsene. Es ist wohl beides: Erziehungsverzicht in der Jugend und schamlose Zügellosigkeit bis ins hohe Alter: Demut und Sozialisation ist offensichtlich etwas für Weicheier, Gutmenschen und andere Warmduscher. Und zudem wäre eine Ego-deflation - bei vermiedener erzieherischer Pädagogik in der Kindheit - ersatzweise auch im Erwachsenenalter über andere Konzepte als Religion sicher effektiver zu erreichen. Nur, welche könnten das sein? Wie ermutigt man Erwachsene zum sozialem Umgang miteinander, wenn ihnen daraus nicht unbedingt ein Vorteil erwächst?
Benutzeravatar
Glueckmacher
Beiträge: 29
Registriert: So 16. Nov 2008, 02:29
user title: Im Dunkeln sehend

Re: Ego-deflation

Beitrag von Glueckmacher »

Ist mir jetzt schon fast peinlich auf einen für ein Forum recht alten Beitrag zu antworten, obwohl es offensichtlich niemand anderes kommentieren möchte. Ich tue es dennoch. Auch ohne persönlichen Vorteil. :)

Also effektiver im eigentlichen Wortsinn, kann es mit anderen Konzepten meiner Meinung nach nicht sein. Man könnte dadurch andere Menschen ansprechen als es mit der Religion möglich ist, doch das ist kein Zeichen von Effektivität.
Zusätzlich kann ich mir auch nicht vorstellen, dass ein anderes Konzept außerhalb jeglicher Religion effizienter wäre. Gerne möchte ich darauf hinweisen, dies als völlig wertfrei anzusehen. Effizient muss nicht automatisch gut im moralischen Sinne sein. Es muss noch nicht mal gut in irgendeinem Sinne sein.

Doch wenn man das beiseite lässt, gibt es durchaus Vorteile bei gutem sozialem Umgang mit den Mitmenschen. Auch ohne Androhung einer Hölle oder der Belohnung durch einen Himmel. Hierbei kann ich natürlich nur von mir reden. Obwohl es mich nicht abhält einen A.... als einen solchen zu betiteln, wenn ich der Meinung bin es ihm kundtun zu müssen, liebe ich Harmonie. Das muss keine Gleichschaltung bedingen, das heißt viel mehr vernünftig miteinander umzugehen. Geht natürlich nur, wenn das Gegenüber es zulässt. Doch wenn dem so ist, dann sehe ich genau den Vorteil darin, dass es mir gut geht; ich mich also gut fühle.
Was ich sagen möchte, es kommt immer darauf an was man als Vorteil erachtet.

Jeder von uns ist schon mal an eine Person geraten, der alle anderen Menschen und deren Gefühle gleichgültig sind. Der Charakter ist die Summe aller Erfahrungen plus angeblich noch einem unbekannten Anteil genetischer Eigenschaften. Damit eine solch egozentrische Person sich ändert, sind einfach viele entsprechende Erfahrungen notwendig.
Sollte man nun jeden in Behandlung schicken, der das Ich über das Du oder Wir stellt? Sicher nicht, denn dann wären wir alle in Behandlung. Doch ab wann beginnt die "Ich Inflation" also der übertriebene Egoismus?

Meiner Meinung nach ist die Lösung, ob Religion oder nicht, Regeln. Sieht jemand nicht die Vorteile eines sozialen Umganges, so muss er die Nachteile spüren bei einem asozialen Umgang. Und das ist es, worauf unsere Vorschriften/Regeln basieren.

Leider kann ich keine bessere Idee anbieten.

Grüße!
Hier stehe ich, ich kann nicht anders.
www.forum-slowenien.de
Antworten