Zitat:
Eigentlich ist es durchaus gesund, wenn ein Mensch über ein stabiles Selbstwertgefühl verfügt, wenn er überzeugt ist, vieles zu können und zu beherrschen. Aber zum Leben gehört es eben auch, Grenzen zu akzeptieren: Mitmenschen, Krankheit, Leid und Tod. Daher kann die Idee, ein kleines Rädchen in einem sinnvollen "überirdischen" Getriebe zu sein, das Ich entlasten. Es wird bescheidener, ruhiger; in religiösen Worten: demütiger.
Ich nenne das "Ego-deflation", im Gegensatz zur Ego-inflation unserer Zeit, in der viele Menschen unter Druck stehen, sich selbst wie eine Statue zu modellieren, immer noch toller, schöner, reicher zu werden - und bald unter diesen Anforderungen leiden.
Der Mann hat Recht, nur bin ich mir nicht sicher, ob das Phänomen der Ego-inflation wirklich am Abfall vom Glauben liegt, der ja nur eine Ersatzinstanz zu sonstigen Grenzsetzungen ist oder ob diese Ego-inflation eben auch daran liegt, dass es kaum mehr funktionierende pädagogische Konzepte gibt und wenn, dann sicher nicht für Erwachsene. Es ist wohl beides: Erziehungsverzicht in der Jugend und schamlose Zügellosigkeit bis ins hohe Alter: Demut und Sozialisation ist offensichtlich etwas für Weicheier, Gutmenschen und andere Warmduscher. Und zudem wäre eine Ego-deflation - bei vermiedener erzieherischer Pädagogik in der Kindheit - ersatzweise auch im Erwachsenenalter über andere Konzepte als Religion sicher effektiver zu erreichen. Nur, welche könnten das sein? Wie ermutigt man Erwachsene zum sozialem Umgang miteinander, wenn ihnen daraus nicht unbedingt ein Vorteil erwächst?