X3Q hat geschrieben:(03 Dec 2017, 14:34)
Die Kommerzialisierung des Gesundheitswesen hat ihre Schattenseiten, das will ich gar nicht abstreiten. Aber warum kann man die Studie zur Krebsporphylaxe durch Brokkolie nicht einsehen?
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Ach, guck doch selbst, du wirst ja bestimmt sowieso sagen, dass das alles total super und seriös ist, da ja Uni Heidelberg drüber steht:
https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/ ... 688.0.html
Und wenn ich dir vergleichbares auf der "Zentrum der Gesundheit" Seite verlinke, einem dubiosen Machwerk der Alternativmedizin, dann findest du das wohl unseriös:
https://www.zentrum-der-gesundheit.de/s ... bs-ia.html
Hier noch etwas:
https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/ ... 800.0.html
Und hier die Webseite einer Firma die die Studium finanziell unterstützt, und die rein zufällig Sprossen herstellt, welch Überraschung:
http://www.deitersundflorin.de/
Ich sag ehrlich, ich habe keine Ahnung wie ich das deuten soll, ich habe auch keine Ahnung ob die Studien wirklich so aussagekräftig sind, oder ob einfach nur die Studien die keine Wirkung zeigten untern Tisch gewandert sind und nur die erfolgreichen Studien herangezogen werden. Kannst ja alles nachprüfen.
Ich will damit nur zeigen wie sich die Grenzen verwischen, und wie aus einer Aussage, die vor kurzen bestimmt noch den Charakter einer "Hokuspokus Quacksalber Medizin" hatte (Brokolli bekämpft Krebs) plötzlich eine "total seriöse" Sache wird, nur weil eben "renommierte Kliniken" da Studien machen.
Genauso kannst du sehen, dass in den blauen Broschüren der "renommierten" Deutschen Krebsgesellschaft "Werbung" für die "ketogene Diät" gemacht wird. Kann ich auch nicht beurteilen was da dran ist, ich weiß nur, dass es Reihenweise Patienten gibt die nun diese Ernährungsform machen oder auf Kohlenhydrate verzichten weil sie in diesen "seriösen" Broschüren, die im Krankenhaud liegen, gelesen haben, dass "Krebszellen Zucker lieben".
Und wenn demnächst eine Studie gemacht wird dessen Resultat dann ist "Leute die vor dem Fernseher einschlafen haben weniger oft Krebs als Leute die das nicht tun", dann steht in solchen Broschüren dann "Erste Studien deuten darauf hin, dass Fernsehen gesund ist…"?
Naja, keine Ahnung. Aber wenn du das alles so super findest… Dann braucht sich ja niemand mehr um Medizin kümmern, läuft ja alles.
X3Q hat geschrieben:(03 Dec 2017, 14:34)
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Und jetzt zu deinem Tischler: Warum sollte man einer solchen Person, die nie auf einem Gebiet der Arbeit selber aktiv gearbeitet hat, die Verantwortung für ein Forschungsprogramm anvertrauen, bei dem es um Experimente an Patienten geht? Und woran willst du erkenen, daß der Forschungsantrag des Tischlers erfolgsversprechender als der von Prof. Dr. Dr. Dr. Dr. XYZ ist?
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Im Extremfall kannst du es vorher nicht erkennen. Was ist wenn: Allein der Tischler und der Dr. Dr. Professor sind intellektuell in der Lage das Problem zu erkennen. Niemand anderes ist in der Lage das alles zu begreifen. Was geschieht? Der Professor legt toll aussehenede Unterlagen auf den Tisch und sagt was er schon alles gemacht hat und kriegt den Auftrag. Aber: Wenn wir in der Lage wären den Tischler und den Professor unter perfekten Wettbewerbsbedingungen zu testen, mit einer Zeitmaschine wo sie exakt das gleiche Experiment an Patienten machen, dann würden wir sehen, dass der Tischler vielleicht mehr Erfolg hat.
Das Problem habe ich aber auch schon beschrieben: Die Wissenschaft hat dann seine Grenzen.
Wenn die Problemstellung heißt: "Heile die Weltbevölkerung von Masern", dann kann man nicht 20 Teams ran lassen und dann gucken welches Erfolg hat. Man muss vorher auswählen. Ich sage nicht, dass ich die perfekte Lösung für dieses Dilemma habe, ich sage nur, dass es ein Dilemma ist.
Das Dilemma sieht ungefähr so aus: Im Ernstfall X lässt man Leute ran die sich im Probefall Y bewiesen haben. Ich weiß aber nicht, dass diese Leute, die das Problem Y gelöst haben auch X lösen können. +
Warum wurden Franz Beckenbauer und Rudi Völler Teamchef? Sie hatten keine Trainerausbildung, hatten nichts vorzuweisen was sie dafür befähigt. Es gab hinderte Leute, die ein tolles Trainerzertifikat vorweisen konnten. Beckenbauer und Völler konnten dies nicht. Die Verantwortlichen (und die Öffentlichkeit..) haben sie trotzdem bevorzugt, weil sie davon ausgingen, dass diese unausgebildeten "Trainer" im Ernstfall erfolgreicher sein werden als alle ausgebildeten Trainer. Nun kann man sagen "Fußball ist ja nur ein Spiel, da kann man das mal ausprobieren". Aber man kann auch sagen: Fußball ist in Deutschland so wichtig, dass man die Prinzipien über den Haufen warf weil man davon ausging dass der "Retter" nicht von der Trainerschule kommt sondern einer ist der aus der Beobachtung heraus Erfahrung gesammelt hat und einfach die Persönlichkeit hat.
Auch hier wieder das Dilemma: Wir können nicht 100 Trainer nacheinander die WM 2002 betreuen lassen und dann wissenschaftlich auswerten welcher Trainer am erfolgreichsten war. Die WM 2002 fand nur einmal statt. Und dies wusste man. Und man wusste auch, dass es ganz viele Trainer gibt, die ein hervorragendes Zeugnis in der Trainerausbildung bekommen hatten. Trotzdem hat man Rudi Völler genommen.
Das selbe passiert inzwischen in der Medizin. Vor einigen Monaten hatte ich Kontakt zu einer Patientin. Sie berichtete mir, dass ihr Lungenfacharzt (der wahrscheinlich ganz viele Zertifikate hat) sie an der Lunge operieren will um zu gucken ob sie Lungenkrebs hat. Ich als Laie, der aber Beobachtungen in diesem Bereich gemacht hat und die Gesamtgeschichte der Patientin kannte, sagt ihr "Geh da lieber nicht hin, geh lieber zu folgender Klinik, ich wette mit dir die sagen dir etwas anderes". Und sieh da, die andere Klinik hat gesagt "Um Gottes Willen, sie müssen jetzt doch nicht an der Lunge operiert werden, wir wissen doch aus dem Gesamtzusammenhang was bei Ihnen los ist!". Sie hat sich also nicht vom hochdekorierten Lungenfacharzt an der Lunge operieren lassen und ich gehe mal davon aus, dass es richtig war, auch wenn ich es nie 100% beweisen kann, da dieser Fall so nur einmal geschieht.
Was ist also geschehen? Auch in diesem Fall hat die Patienten es also bevorzugt auf den Rat eines "Laien" zu hören und den Rat eines "Fachmannes" zu ignorieren bzw. zu hinterfragen. Der Lungenfacharzt war zwar viel umfassender ausgebildet als ich, hatte viel mehr vorzuweisen was die Behandlung von Sachen an der Lunge angeht. Trotzdem suchte die Patientin Rat bei mir weil sie offenbar davon ausging, dass meine spezielle Erfahrung oder vielleicht auch meine Persönlichkeit hilfreich sein wird in diesem speziellen Fall richtig zu handeln. Und wie es aussieht war es auch richtig, aber wir können es nicht 100% beweisen. Es ist theoretisch möglich, dass der Lungenfacharzt recht hatte und sich (zusätzlich zu den anderen Erkrankungen der Patientin) in der Lunge noch ein völlig neuer Lungenkrebs gebildet hat. Es deutet aber, auch nach Meinung der anderen Klinik, nichts darauf hin.
So: Wer ist jetzt deiner Meinung nach dafür geeignet diese Patientin, in diesem Spezialfall, zu behandeln, bzw. zu beraten? Der Fachmann für Lungenerkrankungen? Die Klinik die auf die anderen Erkrankungen spezialisiert ist, die auf die Lunge ausgestrahlt haben? Oder Ich, der zwar keine Ausbildung habe, aber einen fast gleichwertigen Fall erlebt habe und deshalb Erfahrungswerte habe, die weder die Klinik, noch der Facharzt hat, da so ein Fall sehr selten ist? Was sagt die Wissenschaft? Was sagt das System? In dem Moment wo sie in der Obhut des Lungendacharztes war, war er eigentlich der vom System auserkorene, um sie zu behandeln. Allein er hat eine umfassende Ausbildung über Lungenerkrankungen aller Art erhalten. Ich nicht, die andere Klinik, die eher andere Erkrankungen behandelt, auch nicht. Trotzdem hat die Patienten einen anderen Weg gewählt. Noch komplizierter wäre die Sache gewesen wenn die andere Klinik keine Meinun dazu gehabt hätte oder wenn sie bei der anderen Klinik keinen rechtzeitigen Termin bekommen hätte. Dann hätte die Patientin zwischen dem Rat des Lungenfacharztes und meinem Rat entscheiden müssen. Und nur weil es so eine wichtige Entscheidung war ist sie überhaupt auf die Idee gekommen so jemanden wie mich zu fragen.
Was ich zeigen will: Auch hier versagt die "wissenschaftliche Methode", versagt das "System", da der Einzelfall, der Spezialfall, nicht simulierbar ist. Die beste Lösung wäre gewesen, man multipliziert die Patientin, lässt eine vom Lungenfacharzt operieren, eine von mir, und eine nur von der anderen Klinik und guckt dann welche am längsten lebt und am wenigsten Nebenwirkungen hat. Das ist aber nicht möglich.
Aber du siehst auch hier: Gerade wenn eine Sache ähnlich wichtig ist wie die Fußballnationalmannschaft, also sehr wichtig, misstrauen die Entscheidungsträger dem System und sind bereit Laien ranzulassen, denen sie zutrauen diesen Spezialfall zu lösen. Im Fußballbund gab es zumindest halbwegs ein System für diesen Fall wo es Verantwortliche gab, die eine Entscheidung treffen konnten. In der Medizin wird diese Entscheidung völlig dem Patienten überlassen, der völlig auf sich alleine gestellt ist.
Was ist beim Fußballbund geschehen? Es gab zumindest noch eine Stelle die regulär darüber entscheiden konnte ob man einen Fachmann von der Trainerschule nimmt, oder einen "Laien" wie Völler. Sowas gibt es auch in der Politik. Nennt sich Politiker. Der gewählte Politiker entscheidet ob man im Ernstfall den "Fachleuten" vertraue oder seinem Bauchgefühl. In der Medizin ist dieser Fall nicht institutionalisiert. Die Einbindung von "wissenden Laien" ist zum Beispiel nicht im Medizinbetrieb vorgesehen. Bedeutet, dass die Patienten, vor allem die mit seltenen Erkrankungen, im Internet selber nach Rat suchen, wo niemand weiß ob sie an Quacksalber oder ehrlich helfende Leute geraten.
So, deiner Meinung nach ist das alles bei uns super gelöst. Meiner Meinung nach nicht. Die Patientin wäre, wenn sie mich nicht kontaktiert hätte, kurz vor einer anderen wichtigen Behandlung völlig unnötig an der Lunge operiert wurden. Sie hätte vielleicht sogar frische Narben in der Lunge gehabt und das was in der anderen Klinik vorgesehen war wäre dadurch unmöglich geworden. Nur dadurch, dass ein Laie eingeschaltet wurde, der darauf gedrängt hat vorher nochmal die andere Klinik zu besuchen (obwohl sie dort ständig abgewiesen wurde) hat sich alles geändert. Für dieses Zusammenspiel gibt es bei uns keinerlei System.
Ein anderer Patient, der nicht im Internet nachgeforscht hätte, hätte dem Kungenfacharzt vertrauen müssen, hätte sich operieren lassen und wäre danach zu der anderen Klinik gefahren die aus allen Wolken gefallen wäre.
Nun wirst du wieder sagen, ja solche einzelnen Sachen passieren halt, aber das System ist super. Nein, ist es nicht. Das ist der Normalfall. Es gibt den Medizinbetrieb, es gibt den Wissenschaftbetrieb. Beides funktioniert nach eigener Logik. Davor steht der Patient, er muss völlig auf sich alleine entscheiden ob er dem folgt was ein Mediziner sagt, oder ob er auf den Rat von "Laien" hört. Es gibt nicht mal eine Stelle oder Organisation, die ihm dabei hilft. Die Entscheidung im Einzelfall, läuft quasi chaotisch ab. Es gibt zum Beispiel niemanden der den Überblick hat. Lungenfacharzt und die andere Klinik haben quasi in diesem Fall völlig aneinander vorbeigearbeitet und völlig andere Strategien verfolgt. Es gab aber nur einen Patienten und nicht zwei. Diese eine Patientin konnte natürlich nicht zwei völlig unterschiedliche Strategien verfolgen sondern musste sich entscheiden. Beide Wege waren für sich gesehen "wissenschaftlich korrekt". Aber im Einzelfall musste sich die Patientin entscheiden. Eine Entscheidung die absolut nicht geordnet oder "planvoll" ablief sondern gekennzeichnet war von vielen Zufällen. Was wäre passiert wenn ich an dem Abend vor der geplanten Operation nicht zufällig in den Computer geschaut hätte. Sie wäre operiert wurden. Aber weil ich in den Computer schaute ist sie ohne Termin zur anderen Klinik gefahren wo der Oberarzt gesagt hat "Um Gottes Willen, Sie lassen sich jetzt nicht an der Lunge operieren! Wir wissen doch was da los ist!". Und das ist das tolle System? Oder wäre es nicht besser wenn es zum Beispiel übergeordnete Stellen oder Organisationen gibt, deren einzige Aufgabe es ist, den Überblick zu behalten?
Meine Meinung:
Wir haben vielleicht einige gute Wege gefunden grundsätzlich wissenschaftliche Aussagen zu formulieren (Wobei ich selbst das oft bezweifel). Wir haben aber keinerlei Weg gefunden im Einzelfall (für den es keine wissenschaflichen Aussagen gibt) eine Entscheidungsstruktur oder Hilfestellung zu entwickeln. Niemand wird je zu 100% beweisen können ob ich und die andere Klinik recht hatten oder ob vielleicht doch der Lungenfacharzt recht hatte und eine Probenentnahme unter Vollnarkose Erkenntnisse gebracht hätte die der Patientin geholfen hätten. Niemand wird je beweisen können dass die eine oder andere Vorgehensweise ihr Leben verlängert hätte. Trotzdem müssen für solche Einzelfälle Entscheidungen getroffen werden. Ist die Einbeziehung von "Laien", die zwar keine Fachausbildung haben, aber vielleicht einen Überblick oder spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten also eine Gefahr, die verhindert werden muss? Oder eine Rettung für viele?
Wie geht man vor wenn man eine Entscheidung für einen Einzelfall treffen muss, wo es unmöglich ist mit Hilfe von Wissenschaftlichen Methoden (Problem der nicht möglichen Reproduzierbarkeit im Einzelfall) die richtige Entscheidung herauszufinden? Darauf hat unser System keine Antwort. Die Folge ist, dass Patienten verzweifelt im Internet suchen und viele Entscheidungen von Zufällen geprägt sind und überhaupt nicht von Wissenschaft.
Wie ihr seht, habe ich jetzt auch ein Profilbild wo das Portrait eines großen politischen Denkers aus der Vergangenheit abgebildet ist. Damit ist jetzt jede meiner Aussagen wahr und absolut seriös.