Eine Forderung von 2010 ist was anderes als die Realität 2014. Daß es noch einzelne Diplom-Studiengänge gibt, hat ja niemand geleugnet. Sie wurden aber auch nie abgeschafft und nun wieder eingeführt wie Du es dargestellt hast. Schau Dir doch das Studienangebot der Hochschulen an, z.B. TU München:
https://www.tum.de/studium/studienangeb ... schluesse/
RWTH Aachen:
http://www.rwth-aachen.de/cms/root/Stud ... schluesse/
TU Berlin:
http://www.tu-berlin.de/?id=7001
TU Darmstadt:
http://www.tu-darmstadt.de/studieren/ab ... e_1.de.jsp
Davon, daß das Diplom "wieder das Maß aller Dinge" sei, kann da nirgends die Rede sein. An den meisten TUs gibt es gar keine Diplomstudiengänge mehr. Höchstens für einige Langzeitstudenten, aber ohne die Möglichkeit neuer Immatrikulationen. Eine geringfügige Ausnahme bildet lediglich die TU Dresden, die hauptsächlich Bachelor-/Masterstudiengänge anbietet, aber teilweise noch "Diplom" auf die Abschlüsse schreibt, wovon viele aber auch auslaufen:
http://tu-dresden.de/studium/angebot/st ... udientyp=1
Inhaltlich sind diese Studiengänge komplett im Sinne des Bologna-Systems. Siehe bspw. Verkehrsingenieurwesen. Seit 2010 ist dieser Studiengang modularisiert. Der ursprüngliche Diplomstudiengang läuft seitdem aus, während neue Studiengänge die Abschlüsse Bachelor und Master vergeben:
http://tu-dresden.de/die_tu_dresden/fak ... dip_mod_vi
Dein Link zur TU Dresden ist ja auch schon einige Jahre alt und sagt nur, daß man sich bis einschließlich 2010 für Diplomstudiengänge noch bewerben bzw. einschreiben kann. Danach folglich nicht. Und 2014 wurde da auch nichts geändert.
Da kommt nichts zurück. Glücklicherweise. Daß sich viele früher mit der Umstellung schwer taten und aus nostalgischen Gründen gerne alte Titel wieder vergeben wollten, ist ja bekannt. Das alte System will aber niemand zurück und kommt es ja auch nicht. Diese "Diplome" sind nur andere Namen für die Abschlüsse, keine inhaltlichen Änderungen. Vielleicht wird's anhand der TU Wien etwas deutlicher. Dort setzt man auch nur noch auf Bachelor- und Masterstudiengänge. Wer den Masterabschluß erreicht, wird auf seinem Zeugnis "Diplomingenieur" stehen haben mit dem Verweis, daß es sich um einen "Master of Science"-Abschluß handelt:
http://www.tuwien.ac.at/lehre/masterstudien/
* Kleine Ergänzung. Auch die damalige Forderung war viel mehr eher eine Prüfung, inwiefern es sinnvoll ist, den Namen -- und nicht die Struktur -- der Abschlüsse wieder zu ändern. Aus Deinem WELT-Artikel:
Der Diplomingenieur ist ein deutsches Qualitätsprodukt – und ein Auslaufmodell. Mit der Umstellung der Studiengänge auf das zweigliedrige Bachelor/Mastersystem wurde der Grad vor zehn Jahren abgeschafft. Die neun größten technischen Universitäten, die als sogenannte TU9 organisiert sind, wollen nun den "Dipl.-Ing." wieder verleihen.
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Einen solchen Schritt, der eine Abkehr vom Bologna-Prozess bedeuten würde, heißen allerdings die wenigsten gut. "Die TU9 will die Studienreform zum zweizügigen Bachelor/Master nicht antasten", sagte Schmachtenberg. Auch der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) stellt sich hinter die umstrittene Reform: "Wir sind dafür, dass Bachelor und Master erhalten bleiben", sagte VDI-Direktor Willi Fuchs, WELT ONLINE.
Fuchs plädiert vielmehr dafür, den "Dipl.-Ing." als Ergänzung, sowohl Bachelor- als auch Master-Absolventen zu verleihen. Dies könnte dazu beitragen den Bachelor als vollwertigen Abschluss auf dem Arbeitsmarkt noch stärker zu etablieren.
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Unter den gegebenen Haushaltsbedingungen hält es Wintermantel ohnehin für ausgeschlossen, dass eine Universität in einem Studienfach Diplom und Bachelor/Masterstudiengänge in gleich hoher Qualität anbieten kann.
Eine Rückkehr zu den alten Diplom-Studiengängen wird es nicht geben. Und ob es tatsächlich des Grads "Dipl.-Ing." bedarf, um auf dem Arbeitsmarkt Erfolg zu haben, steht ebenfalls in Frage. Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln hat Ende 2009 die Akzeptanz von Bachelor- und Master-Ingenieuren bei 1753 Unternehmen abgefragt. Die Studie räumt mit einigen Vorurteilen auf, unter anderem dem, dass mit einem Bachelor sowieso nichts anzufangen sei.
Sieht man sich das Studienangebot dieser Hochschulen an, stellt man auch schnell fest, daß nicht nur das modularisierte, zweistufige System erhalten blieb und keine Diplomstudiengänge mehr aufgenommen werden können, sondern auch, daß man die etablierten Abschlußnamen weiterhin nutzt und in der Regel nicht einen anderen Begriff raufklebt. Ist ja auch nachvollziehbar.