Smalltalk: Sind "Plutoide" wirklich notwendig ?

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ralfkannenberg
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Smalltalk: Sind "Plutoide" wirklich notwendig ?

Beitrag von ralfkannenberg »

Hallo zusammen,

vor einigen Tagen wurde ein neuer Typ Himmelskörper in unserem Sonnensystem definiert, nämlich Plutoide.

Man muss kein Wissenschaftler sein, um über dieses Thema mitreden zu können und deswegen möchte ich hier diesen Thread eröffnen, auch um ein paar Meinungen von Laien einzuholen.

Was ist der Hintergrund dieser Diskussionen ? Bis 1992 kannte man in unserem Sonnensystem 9 Planeten und zahlreiche Planetoiden, welche sich vor allem zwischen Mars und Jupiter aufhalten und deren grösster Vertreter Ceres immerhin knapp 1000 km Durchmesser hat, also rund 1/3 so gross wie unser Erdmond ist.

Mit verbesserten Beobachtungsmethoden gelangen zahlreiche Entdeckungen von Planetoiden, die viel weiter ausserhalb die Sonne umlaufen, die meisten von ihnen jenseits der Neptunbahn, Planetoiden, die vom Durchmesser problemlos mit den Top 10 der klassischen Planetoiden mithalten konnten und im Jahre 2002 wurde erstmals ein solcher Planetoid entdeckt, der sogar grösser als der bislang grösste Planetoid, Ceres, war, und zwar der Quaoar.

Der Quaoar war überdies halb so gross wie der Pluto; ein Jahr später gelang die Entdeckung zweier weiterer Planetoiden dieser Grössenordnung, nämlich des Orcus (etwa so gross wie Quaoar) und der Sedna, die 2/3 so gross wie der Pluto ist und auf einer unglaublich anmutenden Bahn die Sonne umkreist - ihr sonnennächster Punkt ist 2 1/2 mal "weiter draussen" als derjenige des Pluto und sie wird über 20mal weiter hinausgetragen als der Pluto.

Noch ein Jahr später, im Jahre 2005, wurde die Entdeckung gleich von drei so grossen Himmelskörper bekannt gegeben, zwei von ihnen rund 3/4 so gross wie der Pluto (2003 EL61 und 2005 FY9) und einer von ihnen, die Eris, sogar grösser als der Pluto.

Statt sich über die Entdeckung des 10.Planeten zu freuen, griffen nun aber Ängste um sich, dass es im äusseren Planetoidengürtel noch zahlreiche weitere Planten geben könnte und unser Sonnensystem bald zu viele Planeten besitzt.

Mühsam erarbeiten die offiziellen Stellen eine neue Planetendefinition, verwarfen diese wieder und erarbeiteten eine andere Planetendefinition, die zur Folge hatte, dass der Pluto seinen Planetenstatus verlor und die Eris erst gar keinen Planetenstatus erlangte.

Im Wesentlichen besagt diese neue Planetendefinition, dass ein Planet (1) keine Sonne sein darf (um Doppelsterne auszuschliessen) und dass er (2) direkt um eine Sonne wandern muss (um grosse Monde auszuschliessen - die beiden grössten Monde unseres Sonnensystems (Ganymed und Titan) sind grösser als der innerste Planet Merkur und der drittgrösste (Kallisto) ist nur minimal kleiner.

Das trifft neben Planeten auch auf Planetoiden und auf Kometen zu; nun braucht man also noch ein Kriterium, dass ein Planet genügend "gross" sein muss.

Ein sogenannter Zwergplanet ist also ein solcher Körper, der bis auf den rotationsbedingten Äquatorwulst weitgehend kugelförmig ist. Derzeit kennt man neben den grossen Planeten noch rund 60 weitere Planetoiden, auf die diese Beschreibung zutrifft, so dass man noch ein weiteres Kriterium eingeführt hat:

Ein Planet muss "in seinem Bereich" gravitativ dominant sein, d.h. der mit Abstand massereichste Körper sein. Das ist bei den grossen Planeten der Fall, nicht aber bei den klassischen Planetoiden und auch nicht bei den Planetoiden des äusseren Planetoidengürtels, deren beide massereichsten Vertreter ja der Pluto und die Eris sind.

Um nun dennoch die Bedeutung von Pluto und Eris herauszuheben wurde nun der Begriff des "Plutoiden" geschaffen; das sind Zwergplaneten des äusseren Planetoidengürtels.

Mit Ausnahme der Ceres sind also alle Zwergplaneten auch Plutoide.

Der Begriff des "Plutoid" ist übrigens nicht mit dem Begriff des "Plutino" zu verwechseln, der solche Planetoiden des äusseren Planetoidengürtels beschreibt, die in der Zeit, in der der Neptun dreimal um die Sonne läuft, selber zweimal um die Sonne laufen. Die anderen Typen des äusseren Planetoidengürtels sind "klassische transneptunische Planetoiden", deren Bahn eine Exzentrizität <= 0.4 haben, also eher kreisförmig sind, die "Scattered Disk Objekte", deren Bahn jenseits des Neptun verläuft und die eine Exzentrizität > 0.4 haben sowie die "Centauren", die innerhalb der Neptunbahn die Sonne umlaufen.


Soviel zu den Hintergründen - was haltet Ihr von der Degradierung des Pluto zu einem Zwergplaneten, von der Verweigerung des Planetenstatus für die Eris und nun von der neuen Kategorie "Plutoid" ?

Freundliche Grüsse, Ralf
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Trozki
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Re: Smalltalk: Sind "Plutoide" wirklich notwendig ?

Beitrag von Trozki »

Der arme Pluto... :(
Die Eris tut mir auch irgendwie leid,die kenn ich aber nicht so gut,wie den alten Kumpel
Pluto... 8)
Den frischgebackenen Zwergplaneten wird es aber freuen,daß sein Name die ganze neue
Kategorie der Zwergplaneten in Zukunft zieren darf! :thumbup:
garfield335

Re: Smalltalk: Sind "Plutoide" wirklich notwendig ?

Beitrag von garfield335 »

ralfkannenberg hat geschrieben:
Um nun dennoch die Bedeutung von Pluto und Eris herauszuheben wurde nun der Begriff des "Plutoiden" geschaffen; das sind Zwergplaneten des äusseren Planetoidengürtels.

Mit Ausnahme der Ceres sind also alle Zwergplaneten auch Plutoide.
Hallo Ralf,

Danke erst einmal für den sehr guten Beitrag,

Müssten nach der neuen Definition nicht auch die Asteoriden Pallas und Vesta zu den Zwergplaneten gezählt werden?
Damit hätte Ceres noch 2 kleine Brüder ;)
garfield335

Re: Smalltalk: Sind "Plutoide" wirklich notwendig ?

Beitrag von garfield335 »

ralfkannenberg hat geschrieben:
Soviel zu den Hintergründen - was haltet Ihr von der Degradierung des Pluto zu einem Zwergplaneten, von der Verweigerung des Planetenstatus für die Eris und nun von der neuen Kategorie "Plutoid" ?
Naja, das ist alles nur eine Definitionssache und das ist alles rein wilkürlich. Aber die derzeitige Definition gefällt mir nicht.

Zumal die Aussage, ein Planet müsste "gravitativ dominant" sein.

Ich weiss nicht genau, wie man sowas interpretieren sollte.Es ist wohl klar dass alle Objekte des Asteoritten-Gürtels gravitativ an den Jupiter gebunden sind, welcher verhindert, dass sie sich zu einem grösseren Klumpen zusammenfügen können.

Aber wie sieht es mit denen Objekten weit draussen unseres Sonnensystems aus? Sind die Gravitativ an irgendetwas gebunden? Es gibt doch da weit draussen keine Körper mehr von der Grösse eines klassischen Planeten mehr. Also ist da auch nichts, was deren Bahn signifikant stören könnte.


Mann sollte einfach, die Planeten anders klassifizieren. Am Besten nach ihrer Beschaffenheit, z.b.
1. Gesteinsplaneten
2. Gasplaneten
3. Eisplaneten.
eventuell, auch noch
4. Wasserplaneten, (die es theoretisch geben müsste, aber in unserem Sonnensystem nicht vorkommen)

und was es sonst noch so geben kann.

Ich finde es völlig falsch, die Planeten nach ihrer Grösse zu klassifizieren., ihre Beschaffenheit ist ein deutlich besseres Merkmal.
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MoOderSo
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Re: Smalltalk: Sind "Plutoide" wirklich notwendig ?

Beitrag von MoOderSo »

Garfield335 hat geschrieben:Mann sollte einfach, die Planeten anders klassifizieren. Am Besten nach ihrer Beschaffenheit, z.b.
1. Gesteinsplaneten
2. Gasplaneten
3. Eisplaneten.
eventuell, auch noch
4. Wasserplaneten, (die es theoretisch geben müsste, aber in unserem Sonnensystem nicht vorkommen)

und was es sonst noch so geben kann.

Ich finde es völlig falsch, die Planeten nach ihrer Grösse zu klassifizieren., ihre Beschaffenheit ist ein deutlich besseres Merkmal.
Dann müsstest du aber jedes Staubkorn im All als Planeten betiteln.
Das wäre doch auch nicht im Sinne des Erfinders, oder?

Zu 4.
Reine Wasserplaneten ohne festen Kern und ohne Atmosphäre zu finden halte ich für unmöglich. Wenn dann findet man entweder sowas wie den Jupitermond Europa mit fester Eiskruste oder eben sowas wie die Erde nur ohne Kontinente. Näher an der Sonne wäre ein Wasserplanet dann auch wieder ein Gasplanet.
Der Anarchist ist kein Feind der Ordnung. Er liebt die Ordnung so sehr, daß er ihre Karikatur nicht erträgt.
garfield335

Re: Smalltalk: Sind "Plutoide" wirklich notwendig ?

Beitrag von garfield335 »

MoOderSo hat geschrieben: Zu 4.
Reine Wasserplaneten ohne festen Kern und ohne Atmosphäre zu finden halte ich für unmöglich. Wenn dann findet man entweder sowas wie den Jupitermond Europa mit fester Eiskruste oder eben sowas wie die Erde nur ohne Kontinente. Näher an der Sonne wäre ein Wasserplanet dann auch wieder ein Gasplanet.
Damit sind Planeten gemeint, die einen weltumspannenden Ozean von 100-200km tiefe haben.
Nach der Theorie hätten solche Planeten etwa die 5-fache Erdmasse. Zu schwer um Gesteinsplanet zu sein, aber noch lange kein Gasriese.
Natürlich haben diese Planeten auch einen festen Kern...,
Und wären sie näher zur Sonne, würde aus ihnen wieder ein glühender Gesteinplanet werden (das Wasser verdampft), vorausgesetzt die Gezeitenkräfte zerreissen den Planeten nicht in Stücke.

Wahrscheinlich hat man sogar schon solch einen ausserhalb gefunden.

:offtopic:
petronius
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Re: Smalltalk: Sind "Plutoide" wirklich notwendig ?

Beitrag von petronius »

ralfkannenberg hat geschrieben: was haltet Ihr von der Degradierung des Pluto zu einem Zwergplaneten, von der Verweigerung des Planetenstatus für die Eris und nun von der neuen Kategorie "Plutoid" ?
wenn diese taxonomie hilft, übersicht zu schaffen, solls mir recht sein
quamquam ridentem dicere verum
quid vetat?
(horaz)
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Re: Smalltalk: Sind "Plutoide" wirklich notwendig ?

Beitrag von petronius »

Garfield335 hat geschrieben: Ich finde es völlig falsch, die Planeten nach ihrer Grösse zu klassifizieren., ihre Beschaffenheit ist ein deutlich besseres Merkmal
ich weiß nicht, ob planetarische schwerkraft so gar keine rolle spielen sollte bei der definition eines "planeten"
quamquam ridentem dicere verum
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ralfkannenberg
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Re: Smalltalk: Sind "Plutoide" wirklich notwendig ?

Beitrag von ralfkannenberg »

Garfield335 hat geschrieben:Müssten nach der neuen Definition nicht auch die Asteoriden Pallas und Vesta zu den Zwergplaneten gezählt werden?
Damit hätte Ceres noch 2 kleine Brüder ;)
Hallo Garfield,

nö, denn die sind nicht "rund"; Felsplanetoiden sind ab ca. 800 km Durchmesser rund und Eisplanetoiden ab ca, 400 km Durchmesser. Wobei rund jeweils mit dem Zusatz "bis auf den rotationsbedingten Äquatorwulst" zu verstehen ist.

Sowohl Pallas als auch Vesta sind Felsplanetoiden und sie haben somit mit knapp 600 km zu wenig Masse, um rund zu sein; bei den Hubble Space Teleskop-Bildern der Vesta kann man das auch deutlich erkennen: http://en.wikipedia.org/wiki/4_Vesta

Der Fachausdruck für dieses "Rundsein" ist übrigens hydrostatisches Gleichgewicht, d.h. der Planetoid wird aufgrund seiner eigenen Schwerkraft in eine Kugelform gepresst.


Freundliche Grüsse, Ralf
garfield335

Re: Smalltalk: Sind "Plutoide" wirklich notwendig ?

Beitrag von garfield335 »

petronius hat geschrieben:
ich weiß nicht, ob planetarische schwerkraft so gar keine rolle spielen sollte bei der definition eines "planeten"
Masse und Zusammensetzung sind nicht von einander unabhängig.
garfield335

Re: Smalltalk: Sind "Plutoide" wirklich notwendig ?

Beitrag von garfield335 »

ralfkannenberg hat geschrieben:
Hallo Garfield,

nö, denn die sind nicht "rund"; Felsplanetoiden sind ab ca. 800 km Durchmesser rund und Eisplanetoiden ab ca, 400 km Durchmesser. Wobei rund jeweils mit dem Zusatz "bis auf den rotationsbedingten Äquatorwulst" zu verstehen ist.

Sowohl Pallas als auch Vesta sind Felsplanetoiden und sie haben somit mit knapp 600 km zu wenig Masse, um rund zu sein; bei den Hubble Space Teleskop-Bildern der Vesta kann man das auch deutlich erkennen: http://en.wikipedia.org/wiki/4_Vesta

Der Fachausdruck für dieses "Rundsein" ist übrigens hydrostatisches Gleichgewicht, d.h. der Planetoid wird aufgrund seiner eigenen Schwerkraft in eine Kugelform gepresst.


Freundliche Grüsse, Ralf
Da bleibt wiederum die Frage, was man mit "Grenzobjekten" macht, wo man sich nicht sicher ist ob er im hydrostatischen Gleichgewicht ist, oder nicht.
Zum Beispiel einen Felsplaneten mit genau 800km Durchmesser :yawn:
petronius
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Re: Smalltalk: Sind "Plutoide" wirklich notwendig ?

Beitrag von petronius »

Garfield335 hat geschrieben:
Masse und Zusammensetzung sind nicht von einander unabhängig.
was wohl auch niemand bezweifelt
quamquam ridentem dicere verum
quid vetat?
(horaz)
ralfkannenberg
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Re: Smalltalk: Sind "Plutoide" wirklich notwendig ?

Beitrag von ralfkannenberg »

Garfield335 hat geschrieben:(...) ein Planet müsste "gravitativ dominant" sein.

Ich weiss nicht genau, wie man sowas interpretieren sollte.Es ist wohl klar dass alle Objekte des Asteoritten-Gürtels gravitativ an den Jupiter gebunden sind, welcher verhindert, dass sie sich zu einem grösseren Klumpen zusammenfügen können.

Aber wie sieht es mit denen Objekten weit draussen unseres Sonnensystems aus?
Hallo Garfield,

entschuldige, dass ich das etwas korrigieren muss: Es ist natürlich schon richtig, dass der Jupiter aufgrund seiner Masse die Körper im Planetoidengürtel stört und sicherlich auch wesentlichen Anteil daran hat, dass sich da kein grösserer Planet bilden konnte.

Aber im Planetoidengürtel ist auch gar nicht genügend Masse vorhanden, um einen Planeten zu bilden. Stark vereinfacht stellt man sich dei Planetenbildung ja so vor, dass zunächst einmal mehrere Protoplaneten entstehen, die sich alle in etwa auf derselben Umlaufbahn befinden und die regelmässig zusammenstossen. Diese Zusammenstösse sind aber wegen der gemeinsamen Umlaufbahn eher sanft, vielleicht sollte man sagen, dass es sich um "Zusammenlagerungen" handelt. Je grösser die zusammengelagerten Protoplaneten sind, desto mehr Masse haben sie, d.h. um so mehr Schwerkraft können sie auf andere Kleinkörper in ihrem Bereich auswirken und diese anziehen.

Dieser Prozess ist übrigens auch heute noch nicht abgeschlossen: Beispielsweise zieht auch unsere Erde noch täglich zahlreiche Kleinkörper an - meines Wissens über eine Tonne Material pro Tag; das sind die Sternschnuppen, da diese Kleinkörper ja in der Atmosphäre verglühen, ihre Masse aber dennoch zur Erde dazu kommt.

Dennoch gibt es auf der Erdbahn keine "grösseren" Kleinkörper mehr; anschaulich gesprochen ist der zweitgrösste Körper "im Bereich" der Erde, ein Planetoid mit 50 km Durchmesser; das Verhältnis des Durchmessers zwischen der Erde und diesem Planetoiden ist also ein Faktor 250. Ich vergleiche die Durchmesser, weil dann die Zahlen noch überschaubar sind; man müsste eigentlich die Massen vergleichen, diese hängen von der 3.Potenz des Radius ab.

Ähnlich verhält es sich beim Jupiter, hier ist der Faktor zum zweitgrössten, einem Trojaner mit knapp 400 km Durchmesser, rund 360.

Anders sieht das im Planetoidengürtel zwischen Mars und Jupiter aus; Ceres mit knapp 1000 km Durchmesser gefolgt von Pallas (610 km) und Vesta (530 km); das ist ein Faktor von weniger als 2 !


Gleiches gilt auch im äusseren Planetoidengürtel; Eris und Pluto sind etwa gleich gross und selbst wenn man das noch als "Zufall" deuten wollte - die sieben "Grossen" sind alle grösser als 1000 km im Durchmesser, d.h. auch hier liegt ein Faktor von ungefähr 2 vor ! Gewiss, auch deren Bahnen werden wesentlich vom Neptun beeinflusst !

Garfield335 hat geschrieben:Sind die Gravitativ an irgendetwas gebunden? Es gibt doch da weit draussen keine Körper mehr von der Grösse eines klassischen Planeten mehr. Also ist da auch nichts, was deren Bahn signifikant stören könnte.
Ja, von innen also an den Neptun. Zudem gibt es Spekulationen, dass es im Abstand von rund 150 AE - also fünffachem Neptunabstand einen erdgrossen Planetoiden mit der Masse des Mars geben könnte, der für die Bahnen einiger unverstandener Mitglieder des äusseren Planetoidengürtels verantwortlich wäre.

Hier spielt der Perihelabstand, also der sonnennächste Punkt eines Planetoiden, eine herausragende Rolle: Zwar kann ein Planetoid beim nahen Vorübergang an einem massereicheren Körper (z.B. Jupiter oder Saturn) weit hinausgeschleudert werden, aber er fällt wieder ungefähr in die Nähe seines ursprünglichen Perihels zurück. Entsprechend muss man sich diese Oort'sche Wolke, jenes weit draussen liegende Kometenreservoir, vorstellen: Zwar ist diese Oort'sche Wolke rund 50000 AE von der Sonne nentfernt, aber die Mitglieder haben keinesfalls Kreisbahnen, sondern sind hochexentrisch und kehren jedesmal bis zum Jupiter oder wenigstens Saturn zurück; es ist nur so, dass sie sich die meiste Zeit ihres Daseins in diesen grossen Entfernungen aufhalten.

Somit ist die äussere Grenze des äusseren Planetoidengürtels bei ungefähr 47 AE, also nur rund 1.5 fachem Neptunabstand zu vermuten; zwar können diese Planetoiden weit hinausgetragen werden, aber sie kehren wieder "zurück" und haben also Perihelwerte < 47 AE.

Zwei Ausnahmen sind bekannt: Die Sedna (Perihel 76 AE und immerhin fünftgrösstes bekanntes Mitglied mit 2/3. Pluto-Durchmesser) sowie "Buffy" (2004 XR190; Perihel 51 AE), der auch immerhin auf rund 700 km Durchmesser kommt; er läuft einfach rund 15 AE "zu weit draussen" um die Sonne. Irgendwie ist noch unklar, was diese beiden Zwergplaneten auf ein Perihel > 47 AE angehoben haben könnte.

Hier könnte dieser "Planetoid" mit Marsmasse also auch eine Erklärung liefern. Und da die letzte grosse Himmelsdurchmusterung nur bis ca. 120 AE herausreicht - selbst ein jupitergrosser Planetoid weiter draussen würde zwar problemlos gesehen, aber wegen seiner geringen Eigenbewegungen für einen unscheinbaren Hintergrundstern gehalten werden - könnte sich ein solch grosser (und auch genügend heller) Planetoid tatsächlich bis heute seiner Entdeckung entzogen haben.

Um sich vorzustellen, mit welchen Problemen sich die Entdecker von Sedna (derzeit 91 AE entfernt) und Eris (derzeit 97 AE entfernt) herumschlagen müssen, sei aus dem Entdeckungpaper zitiert; Eris = 2003 UB313:
2003 UB313 was discovered in data from 2003 October 21
obtained from our ongoing survey at the 48 inch (1.2 m) Samuel
Oschin Telescope at Palomar Observatory. At the time of discovery,
the object was moving 1".42 hr^(-1), slower than the cutoff
in our main survey (Trujillo & Brown 2003). Our survey
obtains three images over a 3 hr period. With typical image
quality of from 2" to 3", slower motions are clearly detectable,
but we installed a 1".5 hr^(-1) lower limit to our analysis to cut
down the copious false positives at the slow end. The discovery
of Sedna (Brown et al. 2004), with a motion of 1".75 hr^(-1),
however, suggested a need to efficiently search for distant objects
that would be moving at lower rates.
We have now reanalyzed all survey data with a second
(“slow”) detection scheme in addition to the standard (“fast”)
scheme. This slow scheme searches for motions between 1"
and 2" hr^(-1) between the first and third image of a triplet. When
a potential object is found, it checks for consistency using the
second image, but motion need not be detected between either
the first and second or second and third images. Finally, to
remove the large number of false positives generated by stationary
stars, all potential detections that are within 2" of a
cataloged USNO star are removed without examination. The
slow scheme generates 10 to 20 times more false positives than
the fast scheme, leading to approximately 1200 candidates every
month. These candidates are examined by eye and are
generally quickly rejected. On occasion we also make use of
the Skymorph database4 to determine that a potentially moving
candidate is, in fact, a stationary star. In the 2 years’ worth of
slow data examined to date, we have found only two real
objects: Sedna (previously also found in the fast scheme) and
2003 UB313.
The extreme brightness and slow motion of 2003 UB313
made it easy to identify it as a transient in archival data. The
object was identified in multiple images from the Skymorph
database and was eventually found in a 1989 plate from the
UK Schmidt Telescope at Siding Springs Observatory.

Freundliche Grüsse, Ralf
ralfkannenberg
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Re: Smalltalk: Sind "Plutoide" wirklich notwendig ?

Beitrag von ralfkannenberg »

Garfield335 hat geschrieben:Da bleibt wiederum die Frage, was man mit "Grenzobjekten" macht, wo man sich nicht sicher ist ob er im hydrostatischen Gleichgewicht ist, oder nicht.
Zum Beispiel einen Felsplaneten mit genau 800km Durchmesser :yawn:
Hallo Garfield,

na ja - so einen wird es in unserem Sonnensystem kaum geben ;)

Wohl aber Eisplanetoiden mit ungefähr 400 km, da gibt es einige.


Die IAU macht es sich da übrigens einfach - sie macht gar nichts: Selbst die 5 "Grossen" zwischen 1000 und 2000 km Durchmesser (2003 EL61, 2005 FY9, Sedna, Quaoar und Orcus) haben noch keinen Zwergplanetenstatus erhalten, und somit auch noch keinen Plutoid-Status. Bislang ist diese "Ehre" nur den beiden früheren Planeten Pluto und Eris zugekommen (beide rund 2400 km).

Ein Kriterium könnte ja sein, den Status quo zu nehmen und zu untersuchen, warum es in unserem Sonnensystem so ist: Wenn man sich die absoluten Grössen der Zwergplaneten in ein Diagramm einzeichnet, so ist es da ziemlich kontinuierlich, aber nach oben gibt es 7 klare Ausreisser, was jeder Laie problemlos man von blossem Auge sehen kann !


Anbei die aktuelle Liste der Planetoiden des äusseren Planetoidengürtels, die das hydrostaische Gleichgewicht erfüllen; die relevante absolute Helligkeit ist die letzte Ziffer und muss echt kleiner als 5.2 sein; ich habe in dieser Auflistung auch noch die vier nächstgrössten mit gleich 5.2 zugefügt; man beachte, dass die Umrechnung absolute Helligkeit -> Durchmesser mit grossen Unsicherheiten behaftet ist, da man ja nicht jedes individuelle Rückstrahlvermögen (= Albedo) kennt.

Wie auch immer, man sieht deutlich die 7 oberen Ausreisserwerte:

(136199) Eris 2003 UB313 -1.2
(134340) Pluto -0.7
(136472) 2005 FY9 -0.3
(136108) 2003 EL61 0.2
(90377) Sedna 2003 VB12 1.6
(90482) Orcus 2004 DW 2.3
(50000) Quaoar 2002 LM60 2.6
(28978) Ixion 2001 KX76 3.2
(55565) 2002 AW197 3.3
(55636) 2002 TX300 3.3
2007 UK126 3.5
(174567) 2003 MW12 3.6
(55637) 2002 UX25 3.6
2005 QU182 3.7
2002 MS4 3.7
2005 UQ513 3.7
(20000) Varuna 2000 WR106 3.7
2006 QH181 3.8
(84522) 2002 TC302 3.9
(145452) 2005 RN43 3.9
2003 AZ84 3.9
(145453) 2005 RR43 4.0
(90568) 2004 GV9 4.0
(120178) 2003 OP32 4.1
(42301) 2001 UR163 4.2
(84922) 2003 VS2 4.2
2003 UZ413 4.3
(145451) 2005 RM43 4.4
2003 QW90 4.4
(119951) 2002 KX14 4.4
(120347) 2004 SB60 4.4
2004 XR190 4.5
(120348) 2004 TY364 4.5
(19308) 1996 TO66 4.5
2007 JH43 4.6
2004 PR107 4.6
2002 KW14 4.6
(144897) 2004 UX10 4.6
(145480) 2005 TB190 4.7
(26375) 1999 DE9 4.7
(38628) Huya 2000 EB173 4.7
2001 QF298 4.7
(175113) 2004 PF115 4.7
2000 CN105 4.8
(24835) 1995 SM55 4.8
(19521) Chaos 1998 WH24 4.9
2007 JJ43 4.9
2003 QX113 4.9
2002 XV93 4.9
(47171) 1999 TC36 4.9
(120132) 2003 FY128 5.0
(82075) 2000 YW134 5.0
2004 PG115 5.0
2007 XV50 5.0
2002 CY248 5.0
(119979) 2002 WC19 5.1
(79360) 1997 CS29 5.1
1999 CD158 5.1
2005 CB79 5.1
2007 HV90 5.2
(26181) 1996 GQ21 5.2
2006 HH123 5.2
2007 JF43 5.2

Freundliche Grüsse, Ralf
garfield335

Re: Smalltalk: Sind "Plutoide" wirklich notwendig ?

Beitrag von garfield335 »

ralfkannenberg hat geschrieben: Ja, von innen also an den Neptun. Zudem gibt es Spekulationen, dass es im Abstand von rund 150 AE - also fünffachem Neptunabstand einen erdgrossen Planetoiden mit der Masse des Mars geben könnte, der für die Bahnen einiger unverstandener Mitglieder des äusseren Planetoidengürtels verantwortlich wäre.

Hier spielt der Perihelabstand, also der sonnennächste Punkt eines Planetoiden, eine herausragende Rolle: Zwar kann ein Planetoid beim nahen Vorübergang an einem massereicheren Körper (z.B. Jupiter oder Saturn) weit hinausgeschleudert werden, aber er fällt wieder ungefähr in die Nähe seines ursprünglichen Perihels zurück. Entsprechend muss man sich diese Oort'sche Wolke, jenes weit draussen liegende Kometenreservoir, vorstellen: Zwar ist diese Oort'sche Wolke rund 50000 AE von der Sonne nentfernt, aber die Mitglieder haben keinesfalls Kreisbahnen, sondern sind hochexentrisch und kehren jedesmal bis zum Jupiter oder wenigstens Saturn zurück; es ist nur so, dass sie sich die meiste Zeit ihres Daseins in diesen grossen Entfernungen aufhalten.

Somit ist die äussere Grenze des äusseren Planetoidengürtels bei ungefähr 47 AE, also nur rund 1.5 fachem Neptunabstand zu vermuten; zwar können diese Planetoiden weit hinausgetragen werden, aber sie kehren wieder "zurück" und haben also Perihelwerte < 47 AE.

Zwei Ausnahmen sind bekannt: Die Sedna (Perihel 76 AE und immerhin fünftgrösstes bekanntes Mitglied mit 2/3. Pluto-Durchmesser) sowie "Buffy" (2004 XR190; Perihel 51 AE), der auch immerhin auf rund 700 km Durchmesser kommt; er läuft einfach rund 15 AE "zu weit draussen" um die Sonne. Irgendwie ist noch unklar, was diese beiden Zwergplaneten auf ein Perihel > 47 AE angehoben haben könnte.

Hier könnte dieser "Planetoid" mit Marsmasse also auch eine Erklärung liefern. Und da die letzte grosse Himmelsdurchmusterung nur bis ca. 120 AE herausreicht - selbst ein jupitergrosser Planetoid weiter draussen würde zwar problemlos gesehen, aber wegen seiner geringen Eigenbewegungen für einen unscheinbaren Hintergrundstern gehalten werden - könnte sich ein solch grosser (und auch genügend heller) Planetoid tatsächlich bis heute seiner Entdeckung entzogen haben.
Was ich in diesem Zusammenhang nicht verstehe: Es gab schon desöfteren Vermutungen, es gäbe einen sogenannten Planeten X in unserem Sonnensystem, um damit Bahnstörungen zu erklären. Bisher hat man aber noch nie diesen Planeten gefunden. Wenn die Bahnstörungen so gravierend sind, und man sie sehr genau bestimmen kann, so könnte man auch den Bahn des fiktiven Planeten bestimmen, der sie verursacht.
Anscheinend ist dies aber nicht so einfach. Da denke ich halt mal: Es gibt diesen Planeten gar nicht, sonst hätte man ihn längst gefunden.

Und können Bahnstörungen, der äusseren Planeten nicht auch durch äussere Einflüsse möglich sein? äussere Einflüsse = extrasolare Einflüsse.... Beispielsweise die Gravitationskraft eines Sterns, der uns ab und zu etwas zu nahe kommt?
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Papaloooo
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Re: Smalltalk: Sind "Plutoide" wirklich notwendig ?

Beitrag von Papaloooo »

Der Begriff "Plutoide" scheint nicht notwendig gewesen zu sein,
dann nun 14 Jahre nach Threaderstellung kommt der Begriff nicht mehr vor.

Als erkannt wurde, dass Pluto eben kein Einzelfall ist und sich weiter draußen noch vieles ähnliches tummelt,
war ja das Dilemma, wollen wir stets das Planetensystem erweitern,
oder diese eben als etwas anderes als Planeten bezeichnen.

Pluto hinzu hatte ja nicht mal eine eigene Bahn, gravitativ unabhängige um die Sonne,
sondern hat eine Resonanz zum Neptun, dessen Bahn er ja auch noch kreuzt.
Wäre diese Resonanz nicht da, wäre er irgendwann entweder mit dem Neptun kollidiert,
oder durch ihn davonkatapultiert worden.

Inzwischen spricht man gemeinhin von transneptunischen Himmelskörpern (oder Objekten).

Wobei natürlich noch ein potentieller Planet 9 aussteht,
der möglicherweise die Ursache für die Bahnen vieler transneptunischen Objekten sein kann.
Wir sind doch hier nicht im Trollhouse!
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