Calvadorius hat geschrieben:(03 Dec 2018, 00:21)
hmm...
Die Profis im Schach glänzen durch außerordentliche Gedächtnisleistungen.
Die haben ungezählte "Eröffnungen" und "Stellungen" im Kopf, und erinnern die am Brett.
Die "er"-finden im Spiel nicht DEN genialen Zug (oder die außergewöhnliche Kombination).
Sondern versuchen zu exzerptieren, was in langen (auch computergestützten) Analysen während der Vorbereitung als bestmögliche Erwiderung auf eine mögliche Entwicklung folgen sollte.
Das ist nicht ganz richtig. Sicher spielt das Erinnerungsvermögen eine wesentliche Rolle, genauso wichtig sind aber auch Rechengeschwindigkeit, Wille, Kreativität, Gründlichkeit, Intuition, eine ausgewogene Mischung aus Optimismus und Vorsicht, sowie diverse weitere Eigenschaften mehr. Ein reiner Gedächtniskünstler hat nicht die Spur einer Chance.
Eher im Gegenteil. Bei verkürzter Bedenkzeit kommen diese Fähigkeiten oft zu kurz. Man muss eben oft eine Stellung länger auf sich wirken und immer wieder aus anderen Blickwinkeln analysieren, um dahinter zu kommen, worum es eigentlich geht. Hat man die Zeit nicht, sind Strategie und Taktik oberflächlich.Freilich haben die auch ein besonderes strategisches Talent und eine ausgeprägte Mustererkennung.
Und möglicherweise könnte genau eine Verkürzung der Bedenkzeit diese Fähigkeiten gegenüber der bloßen Erinnerungsfähigkeit präferieren.
Von mir selbst weiß ich es ganz genau: Es gibt für mich kaum eine schlechtere Vorbereitung auf eine Turnierpartie mit langer Bedenkzeit, als direkt vorher zahlreiche Blitzpartien zu spielen. Ich stumpfe dann ab und verliere den Willen, eine Stellung wirklich richtig zu verstehen und den besten Zug finden zu wollen. Ich gehe davon aus, dass es der Mehrheit der Vereinsspieler ähnlich geht. Ja, selbst die schachliche Qualität eines Caruana leidet erkennbar, wie man vor ein paar Tagen überdeutlich sehen konnte, unter Zeitknappheit, und das hatte sehr wenig mit "Erinnerungsfähigkeit" zu tun.