Schauspieler in exotischen Rollen

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imp
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Schauspieler in exotischen Rollen

Beitrag von imp »

Im klassischen Theater spielten früher oft Männer auch Frauenrollen, europäische Schauspieler stellten Afrikaner oder Asiaten dar. Dazu wurden sie teilweise stark geschminkt oder die Rollen als europäische Typen interpretiert. So ging es auch im Film zu. Über Jahrzehnte war es üblich, abweichend von historischer Vorlage oder Plausibilität die Hauptfiguren in Bibeldramen, Sandalenfilmen oder dergleichen mit hellhäutigen Stars zu besetzen.

Diese künstlerische Freiheit oder praktische Notwendigkeit nahm man hin. Der beliebte Schauspieler Marlon Brando spielte 1956 in der heiteren Besatzungsklamotte "Das kleine Teehaus" den japanischen Dolmetsch Sankini. Im selben Jahr spielte der damals sehr populäre Westerndarsteller John Wayne den Mongolenführer Temudschin, mit dem er wenig äußerliche Ähnlichkeit vorweisen konnte. Temudschin ist auch bekannt als Dschingis Khan.

Auch Nebenrollen und Komparsentätigkeiten wurden oft ahistorisch besetzt. Man denke an die Großaufgebote für Schlachten der Monumentalfilme, die oft in Nordafrika oder Kleinasien spielten. Auch die Parts der Eingeborenen oder Indianer wurden oft beliebig besetzt. Schwarze und Asiaten kamen nur vor, soweit sie im Plot benötigt wurden.

Heute gilt in manchen Kreisen eine solche Besetzung als anstößig. Man wirft teilweise den Schauspielern und Produzenten vor, die jeweiligen Völker ideell zu enteignen. Zugleich ist aber die Neuinterpretation von Geschichte und Geschichten en vogue, wenn es hilft, ein Figurenensemble einer politisch erwünschten Quote, einer Vermarktungserwartung oder einem Identifikationsbedürfnis anzupassen. Männerrollen werden für Frauen uminterpretiert (zB Battlestar Galactica, Ghost Busters), traditionell hellhäutige Rollen bewusst uminterpretiert - etwa die Hauptfigur des Musicals "Annie", dargestellt durch Quvenzhané Wallis oder Will Smith als Agent J in der Kinoadaption von Men in Black. David Oyelowo spielte sogar einen englischen König in einer Shakespear-Rolle. Auch diese Praxis stößt in einigen Kreisen auf Kritik. Dabei geht es teilweise um eine mangelnde Werktreue oder eine Kritik an der kommerziell motivierten Neuinterpretation im Sinne eines Zielgruppen-Marketings. Die fachliche Qualität der Darsteller wird in der Regel nicht in Frage gestellt, jedoch gibt es auch rassistisch motivierte Kritik an Neuinterpretationen.

Die britische Komödie Death at a Funeral von 2007 wurde 2010 mit einer überwiegend schwarzen Besetzung und einer nach USA versetzten Rahmenhandlung fast identisch nachempfunden.

Wie steht ihr zu solchen Uminterpretationen in die eine oder andere Richtung? Sollte Jesus - außerhalb satirischer Verfremdung - eine chinesische Frau sein dürfen? Darf ein hellhäutiger Europäer Martin Luther King darstellen? Stört es euch, wenn Mary Poppins von einem Mann gespielt wird? Findet ihr Werktreue bei Rollenbesetzung wichtig oder ist euch das egal, solange es Spaß macht? Gibt es Tabus?
Zuletzt geändert von imp am Sa 10. Nov 2018, 22:31, insgesamt 1-mal geändert.
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Milady de Winter
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Re: Schauspieler in exotischen Rollen

Beitrag von Milady de Winter »

Ich akzeptiere als Mary Poppins keinen anderen Darsteller als Julie Andrews, egal ob männlich oder weiblich.
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Uffhausen
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Re: Schauspieler in exotischen Rollen

Beitrag von Uffhausen »

Ich finde es in Filmen und Serien auch immer herzlich fragwürdig, wenn eine Rolle oder Figur, die bspw. ein Türke sein soll, nicht von einem türkischen Schauspieler besetzt wird, sondern bspw. von einem Deutschen, der einen entsprechend glaubwürdiges Äußeres besitzt, aber tatsächlich bspw. italienischer Herkunft ist.

Oder was in Hollywood wohl Gang und Gäbe ist - dass Schauspieler für eine Rolle bspw. massiv ab- oder zunehmen oder sich schnellstmöglich so und so viele Kilo Muckis antrainieren müssen, um bspw. eine Superheldenrolle spielen zu können usw. - gibt's denn tatsächlich so wenig Auswahl an Schauspielern? Gibt's denn in Hollywood keine fertigen dünnen, dicken oder muskelbepackten Darsteller?

Besonders den deutschen Film finde ich schlimm - im Grunde ständig die gleichen Schauspieler in den Hauptrollen. Ich kann keine Laus, keine Schweighöfers, keine Bleibtreus keine Fitz' und wie sie alle heißen, mehr sehen. Total verschissen haben sie mir bei der Neuverfilmung von "Das kalte Herz" - allein Moritz Bleibtreu als Holländer Michel! :mad2:
Gerade beim deutschen Film achtet man zu sehr auf Namen, wie ich finde - liegt das an den Machern, die befürchten, ohne bekannte Namen könnte der Film floppen, oder liegt das an den Zuschauern, die ein Film nicht interessiert, wenn keine bekannten Namen mitspielen?

Schlimm fand ich auch Florian David Fitz in "Vincent will Meer" - er hat da sie Hauptrolle eines an Tourette erkrankten jungen Mannes gespielt. In einem Interview erzählte er dann stolz, er sei für die Rolle wochenlang nicht ins Fitnessstudio gegangen, um "kränklicher" und somit glaubwürdiger auszusehen! Wahnsinns Leistung, wahnsinns Einstellung... :rolleyes:
Krass auch immer wieder, wenn superschlanke Schauspielerinnen in sogenannte "Fatsuits" schlüpfen müssen, damit sie eine "dicke" Frau darstellen können, die im Film dann als "fette Sau" beschimpft wird.
"Man kann auf seinem Standpunkt stehen, aber man sollte nicht darauf sitzen." Erich Kästner
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imp
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Re: Schauspieler in exotischen Rollen

Beitrag von imp »

Das Problem wird wohl sein, dass man alle wichtigen Zielgruppen mit Stars abdecken möchte, damit die Kasse klingelt. Zudem nerven dann die Quotenprediger eher einen anderen Kollegen.
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