Terroristen als Märtyrer ?

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Ebiker
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Terroristen als Märtyrer ?

Beitrag von Ebiker »

In Berlin scheint man ein Händchen für fehlverstandene Menschen zu haben. Nach der längst überfälligen Ausstellung über Drogendealer als aufopferungsvolle Streetworker findet jetzt im Haus Bethanien die Installation " Märtyrermuseum " statt. Gezeigt werden Menschen die für ihre Überzeugungen gestorben sind wie z.B. Sokrates, Martin Luther King oder Michael Kolbe. Aber auch die Attentäter Mohamed Atta, Ismael Omar Musstafei (Bataclan) und Dzhennet Abdurakhmanova ( Tschetschenien).

Es gänge darum die Beweggründe für das Handeln dieser Personen darzustellen.
Unsere Faszination für Held*innenfiguren ist kein neues Phänomen. Dennoch wundern wir uns nach wie vor, was Menschen dazu veranlasst, für eine Idee zu sterben. Sind die Märtyrer*innen von heute andere als früher? Und was bedeutet es, für seine Überzeugungen zu sterben? Die Ausstellung setzt sich mit den Taten, persönlichen Leben und Toden der Märtyrer*innen auseinander. Durch einen Audioguide wird das Publikum aufgefordert, die Ausstellung an Hand einer persönlichen Märtyrer*innengeschichte zu erlaufen und die persönlichen Hintergründe zu erfahren. Im Anschluss haben die Besucher*innen die Möglichkeit das Museum und die Ausstellungsstücke selbstständig zu besichtigen. [..]

Informativ und sachlich, würdigt die Ausstellung die Märtyrer*innen nicht, sondern beleuchtet unterschiedliche Aspekte, die Märtyrer*innen ausmachen und ermöglicht dem Publikum sich für einen Moment in sie hineinzuversetzen. Die Ausstellung wird von einem Diskursprogramm begleitet.
https://askhelmut.com/events/2017-11-30 ... ?locale=de

Aber ist es gerechtfertigt Menschen die im KZ für ihre Überzeugung gestorben sind auf einer Ebene darzustellen mit religiösen Massenmördern? Ist gar eine Radikalisierung bei Besuchern zu befürchten wenn die Beweggründe ihrer Taten haarklein dargestellt werden ?
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Tom Bombadil
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Re: Terroristen als Märtyrer ?

Beitrag von Tom Bombadil »

Man kann gar nicht so viel fressen wie man kotzen möchte. Und wir bezahlen den Dreck auch noch mit unseren Steuergeldern.
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shanti
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Re: Terroristen als Märtyrer ?

Beitrag von shanti »

Das Phänomen des Märtyrers bgegnet uns in Form des Selbstmordattentäters ja in den letzten Jahren leider immer wieder.
Für mich war so eine Handlungsweise zunächst tatsächlich unbegreiflich.
Umso notwendiger ist natürlich der Versuch, hier Beweggründe darzustellen um uns unsere Welt "begreifbar", verstehbar, zu machen. Ich bin da für Vergleiche, die nicht vom Traum von Paradiesjungfrauen handeln durchaus dankbar, weil ich mir unter dem Konzept der Paradiesjungfrau nicht wirklich etwas vorstellen kann. Ich kann mit einem Dietrich Bonhoefer eher mitdenken.
Also: ja natürlich, gerechtfertigt.
Allerdings: Bonhoefer, oder wie im Text zur Ausstellung "Jeanne D’Arc", waren das wirklich Märtyrer, oder wurden die nicht einfach ganz unfreiwillig abgeschlachtet?
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sünnerklaas
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Re: Terroristen als Märtyrer ?

Beitrag von sünnerklaas »

shanti hat geschrieben:(13 Dec 2017, 21:02)

Das Phänomen des Märtyrers bgegnet uns in Form des Selbstmordattentäters ja in den letzten Jahren leider immer wieder.
Für mich war so eine Handlungsweise zunächst tatsächlich unbegreiflich.
Umso notwendiger ist natürlich der Versuch, hier Beweggründe darzustellen um uns unsere Welt "begreifbar", verstehbar, zu machen. Ich bin da für Vergleiche, die nicht vom Traum von Paradiesjungfrauen handeln durchaus dankbar, weil ich mir unter dem Konzept der Paradiesjungfrau nicht wirklich etwas vorstellen kann. Ich kann mit einem Dietrich Bonhoefer eher mitdenken.
Also: ja natürlich, gerechtfertigt.
Allerdings: Bonhoefer, oder wie im Text zur Ausstellung "Jeanne D’Arc", waren das wirklich Märtyrer, oder wurden die nicht einfach ganz unfreiwillig abgeschlachtet?
Offenbar gab es einen versuchten Selbstmordanschlag auf das Willy-Brandt-Haus in Berlin:
An Heiligabend hat ein Fahrer sein Auto in das Foyer des Willy-Brandt-Hauses in Berlin gelenkt. In dem Fahrzeug befanden sich Benzinkanister und Brandbeschleuniger, das Landeskriminalamt ermittelt.
Quelle
Auch vor dem Konrad Adenauer-Haus fanden sich Gaskartuschen und Brandbeschleuniger (Quelle).

Auch wenn die Umstände der Tat noch im Dunkeln sind: in den sozialen Netzwerken wird der lebensmüde Täter inzwischen regelrecht gefeiert.
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Progressiver
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Re: Terroristen als Märtyrer ?

Beitrag von Progressiver »

shanti hat geschrieben:(13 Dec 2017, 21:02)

Das Phänomen des Märtyrers bgegnet uns in Form des Selbstmordattentäters ja in den letzten Jahren leider immer wieder.
Für mich war so eine Handlungsweise zunächst tatsächlich unbegreiflich.
Umso notwendiger ist natürlich der Versuch, hier Beweggründe darzustellen um uns unsere Welt "begreifbar", verstehbar, zu machen. Ich bin da für Vergleiche, die nicht vom Traum von Paradiesjungfrauen handeln durchaus dankbar, weil ich mir unter dem Konzept der Paradiesjungfrau nicht wirklich etwas vorstellen kann. Ich kann mit einem Dietrich Bonhoefer eher mitdenken.
Also: ja natürlich, gerechtfertigt.
Allerdings: Bonhoefer, oder wie im Text zur Ausstellung "Jeanne D’Arc", waren das wirklich Märtyrer, oder wurden die nicht einfach ganz unfreiwillig abgeschlachtet?
Kamikaze-Krieger sind keine Erfindung des Islam. Wenn die Amerikaner nicht die Atombombe auf Japan geworfen hätten, wären die Japaner fast alle den Weg des Kamikaze gegangen. Und selbst die eigentlich atheistischen Vietcong hatten ihre Selbstmordattentäter, die mit ihren Taten die Amerikaner zermürbt hatten. Aber das waren Zeiten der Kriege. Wer heute hierzulande in unseren sogenannten "postheroischen" Zeiten mit Kamikazemethoden andere, unbewaffnete Passanten und sich selbst umbringt, der muss äußerst große Probleme mit sich und der Gesellschaft haben. Und damit meine ich nicht, dass man die Täter als akut psychisch krank oder als Monster klassifizieren soll, um es sich einfacher zu machen. Nein, ich glaube, die wissen, was sie da tun. Aber heroisieren darf man sie auch nicht.
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shanti
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Re: Terroristen als Märtyrer ?

Beitrag von shanti »

Progressiver hat geschrieben:(25 Dec 2017, 19:48)
Nein, ich glaube, die wissen, was sie da tun. Aber heroisieren darf man sie auch nicht.
Die Ausstellung zeigt ja offensichtlich sowohl Menschen als Märtyrer, die "für ihre Überzeugung getorben sind", als auch welche, die gleichzeitig dadurch zum Mörder und Massenmörder wurden.
Natürlich darf man diese Mörder nicht als Märtyrer herorisieren.
Aber: darf man nicht? Wie ist es denn mit Claus Schenk Graf von Stauffenberg? Der Im Text erwähnten Jeanne d´Ark?
Hängt es vieleicht doch nur davon ab, ob uns die Überzeugung lieb ist, ob man darf?
Wo verläuft da die Grenze?
Gerade solche Fragen machen ja so eine Ausstellung so spannend.

Aber auch abgesehen von den überzeugten Mördern, wie halten wir es mit denen, die beim Sterben für ihre Überzeugung nicht zum Mörder wurden?
Für seine Überzeugung sterben?
Ist das wirklich ein Ziel, das eine Gesellschaft herorisieren sollte oder handelt es sich nicht hier schon um einen übersteigerten Fanatismus, den wir ablehnen sollten?
Ist es nicht immer besser, zu leben als für irgend was zu sterben?
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Kritikaster
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Re: Terroristen als Märtyrer ?

Beitrag von Kritikaster »

shanti hat geschrieben:(26 Dec 2017, 08:55)

Die Ausstellung zeigt ja offensichtlich sowohl Menschen als Märtyrer, die "für ihre Überzeugung getorben sind", als auch welche, die gleichzeitig dadurch zum Mörder und Massenmörder wurden.
Natürlich darf man diese Mörder nicht als Märtyrer herorisieren.
Aber: darf man nicht? Wie ist es denn mit Claus Schenk Graf von Stauffenberg? Der Im Text erwähnten Jeanne d´Ark?
Hängt es vieleicht doch nur davon ab, ob uns die Überzeugung lieb ist, ob man darf?
Wo verläuft da die Grenze?
Ich denke, aus heutiger Sicht in etwa hier:
https://www.amnesty.de/alle-30-artikel- ... chenrechte
Der am höchsten entwickelte Sinn ist der Unsinn. (Peter E. Schumacher)
Wo der Sinn aufhört, beginnt der Wahnsinn. (Erhard Horst Bellermann)
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shanti
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Re: Terroristen als Märtyrer ?

Beitrag von shanti »

Kritikaster hat geschrieben:(27 Dec 2017, 20:34)

Ich denke, aus heutiger Sicht in etwa hier:
https://www.amnesty.de/alle-30-artikel- ... chenrechte
Das ist mirnicht nur zu billig, es geht auch gar nicht auf meine Frage ein.
Warum gedenken wir denn dann jedes Jahr am 20. Juli im Bendlerblock?
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Kritikaster
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Re: Terroristen als Märtyrer ?

Beitrag von Kritikaster »

shanti hat geschrieben:(28 Dec 2017, 09:14)

Das ist mirnicht nur zu billig, es geht auch gar nicht auf meine Frage ein.
Warum gedenken wir denn dann jedes Jahr am 20. Juli im Bendlerblock?
Das Bestreben, eine diktatorische Staatsführung zu beseitigen, die millionenfachen Tod über die Menschheit gebracht hat, und in der Folge den Krieg zu beenden, sollte eigentlich Grund genug sein, derer zu Gedenken, die dies versuchten und mit ihrem Leben bezahlten.
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Re: Terroristen als Märtyrer ?

Beitrag von zollagent »

shanti hat geschrieben:(28 Dec 2017, 09:14)

Das ist mirnicht nur zu billig, es geht auch gar nicht auf meine Frage ein.
Warum gedenken wir denn dann jedes Jahr am 20. Juli im Bendlerblock?
Da schwingt unausgesprochen die Behauptung mit, die Attentäter des 20. Juli seien "Terroristen"? Sorry, aber solche mehr oder weniger geheimen Grundannahmen sind nicht zustimmungsfähig. Die Attentäter des 20. Juli arbeiteten nicht mit den Mitteln des Terrorismus, nämlich Furcht und Schrecken unter Unbeteiligten zu verbreiten. Sie wollten im Gegenteil einen unrechtmäßigen Zustand, nämlich ein terroristisches Regime, beenden.
Wer an Absurditäten glaubt, wird Abscheulichkeiten begehen. (Voltaire)
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Re: Terroristen als Märtyrer ?

Beitrag von Teeernte »

shanti hat geschrieben:(28 Dec 2017, 09:14)

Das ist mirnicht nur zu billig, es geht auch gar nicht auf meine Frage ein.
Warum gedenken wir denn dann jedes Jahr am 20. Juli im Bendlerblock?
Der hat keine "Unschuldigen" getroffen...

Fehlt ja noch - dass die , die den 20.04. "Feiern" ...auch IHREN Hero öffentlich feiern dürfen...
Obs zu kalt, zu warm, zu trocken oder zu nass ist:.... Es immer der >>menschgemachte<< Klimawandel. :D
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Antonius
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Re: Terroristen als Märtyrer ?

Beitrag von Antonius »

shanti hat geschrieben:(13 Dec 2017, 21:02)

Das Phänomen des Märtyrers bgegnet uns in Form des Selbstmordattentäters ja in den letzten Jahren leider immer wieder.
Für mich war so eine Handlungsweise zunächst tatsächlich unbegreiflich.
Umso notwendiger ist natürlich der Versuch, hier Beweggründe darzustellen um uns unsere Welt "begreifbar", verstehbar, zu machen. Ich bin da für Vergleiche, die nicht vom Traum von Paradiesjungfrauen handeln durchaus dankbar, weil ich mir unter dem Konzept der Paradiesjungfrau nicht wirklich etwas vorstellen kann. Ich kann mit einem Dietrich Bonhoefer eher mitdenken.
Also: ja natürlich, gerechtfertigt.
Allerdings: Bonhoefer, oder wie im Text zur Ausstellung "Jeanne D’Arc", waren das wirklich Märtyrer, oder wurden die nicht einfach ganz unfreiwillig abgeschlachtet?
Selbstmordattentäter sind hochkriminelle Mohammedaner, sie sind keine Märtyrer.
SAPERE AUDE - Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.
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shanti
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Re: Terroristen als Märtyrer ?

Beitrag von shanti »

Entschuldigung, aber ich steige hier aus dem Faden aus.
Ich nahm fälschlicherweise einen Grundkonsens gegenüber islamistischen Massen-und Selbstmördern an und dachte, dass es ganz interessant sein könnte, sich darüber hinaus ein paar Gedanken über unser Märtyrerbild zu machen.
Leider scheind der Feind so nahe zu stehen, und so mächtig zu sein, dass es nicht die Zeit für grundsätzlichere Reflektionen zu sein scheint.
So finde ich die Diskussion etwas langweilig. Tut mir leid.
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Re: Terroristen als Märtyrer ?

Beitrag von Sextus Ironicus »

shanti hat geschrieben:(30 Dec 2017, 22:47)

Entschuldigung, aber ich steige hier aus dem Faden aus.
Ich nahm fälschlicherweise einen Grundkonsens gegenüber islamistischen Massen-und Selbstmördern an und dachte, dass es ganz interessant sein könnte, sich darüber hinaus ein paar Gedanken über unser Märtyrerbild zu machen.
Leider scheind der Feind so nahe zu stehen, und so mächtig zu sein, dass es nicht die Zeit für grundsätzlichere Reflektionen zu sein scheint.
So finde ich die Diskussion etwas langweilig. Tut mir leid.
Schade, aber ich schreibe trotzdem noch etwas dazu auf.

Erstens zum Begriff des Märtyrers. Gemeinhin bezeichnen wir so jemanden, der für seinen Glauben sein Leben ließ, das ihm irgendjemand nahm, der die Macht dazu hatte. Hier würde jeder Selbstmordattentäter ausscheiden, selbst wenn er einen Diktator in die Luft sprengt. Hier ist der Begriff m.E. unangebracht.

Den Schreiberlingen des zitierten Eingnagstextes ist noch etwas entgangen: Zwar wird der Begriff immer subjektiv angewandt, also jemand stirbt für einen Glauben. Nur verbindet sich im Christentum damit auch die Idee, dass jemand damit Zeugnis für den Glauben im Besonderen und gleichzeitig auch für dessen Rechtfertigung im Allgemeinen ablegt. Wenn man nun jemanden wie Atta unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, wäre die Auskunft, so etwas habe nichts mit dem Islam zu tun, hinfällig. Ohne Islam kein Märtyrer.
… habe ich mich sorgsam bemüht, menschliche Tätigkeiten nicht zu verlachen, nicht zu beklagen und auch nicht zu verdammen, sondern zu begreifen. (Spinoza)
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Re: Terroristen als Märtyrer ?

Beitrag von shanti »

Sextus Ironicus hat geschrieben:(30 Dec 2017, 23:10)

Schade, aber ich schreibe trotzdem noch etwas dazu auf.

Erstens zum Begriff des Märtyrers. Gemeinhin bezeichnen wir so jemanden, der für seinen Glauben sein Leben ließ, das ihm irgendjemand nahm, der die Macht dazu hatte. Hier würde jeder Selbstmordattentäter ausscheiden, selbst wenn er einen Diktator in die Luft sprengt. Hier ist der Begriff m.E. unangebracht.

Den Schreiberlingen des zitierten Eingnagstextes ist noch etwas entgangen: Zwar wird der Begriff immer subjektiv angewandt, also jemand stirbt für einen Glauben. Nur verbindet sich im Christentum damit auch die Idee, dass jemand damit Zeugnis für den Glauben im Besonderen und gleichzeitig auch für dessen Rechtfertigung im Allgemeinen ablegt. Wenn man nun jemanden wie Atta unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, wäre die Auskunft, so etwas habe nichts mit dem Islam zu tun, hinfällig. Ohne Islam kein Märtyrer.
Hi, hi, und xofort wird es wieder interessant. Dass ein Selbstmordattentäter da eigentlich ausscheiden muß, ist ein Aspekt, den ichselbst noch nicht recht bedacht hatte. Du hast natürlich recht.
Aber ich muß da nochmal darüber nachdenken.
Wie finden wir den Typen, der sich in Prag auf dem Wenzelsplatz verbrannt hat?
Jan Palach?
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Re: Terroristen als Märtyrer ?

Beitrag von Sextus Ironicus »

shanti hat geschrieben:(30 Dec 2017, 23:22)

Hi, hi, und xofort wird es wieder interessant. Dass ein Selbstmordattentäter da eigentlich ausscheiden muß, ist ein Aspekt, den ichselbst noch nicht recht bedacht hatte. Du hast natürlich recht.
Aber ich muß da nochmal darüber nachdenken.
Wie finden wir den Typen, der sich in Prag auf dem Wenzelsplatz verbrannt hat?
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Ich kenne die Bilder, weiß aber nichts über den Menschen selbst. Ich weiß nur, dass buddhistische Mönche diese Form der Selbstaufopferung als Protest gegen China und die Unterdrückung der tibetischen Kultur begannen. In den Sechzigern fand das häufiger statt, und ob Palach davon wusste und sich das als Vorbild nahm, weiß ich nicht.

Aber unter die Begriffsdefinition fällt er m.E. trotzdem nicht, denn es fehlt auch hier der Aspekt des durch fremde Hand zugefügten Leidens. Aber anders als der Selbstmordattentäter steckt hier ein hoher ethischer Anspruch dahinter, der absolute, ultimative Gewalt nicht gegen den Feind, sondern ausschließlich gegen sich selbst richtet. Als Märtyrertum würde ich es trotzdem nicht werten, denn es ist ein absolut autonomer und selbstbestimmter Akt (die Chinesen hassen das absolut und üben großen Druck auf die Klöster aus, das zu verhindern).
… habe ich mich sorgsam bemüht, menschliche Tätigkeiten nicht zu verlachen, nicht zu beklagen und auch nicht zu verdammen, sondern zu begreifen. (Spinoza)
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Re: Terroristen als Märtyrer ?

Beitrag von Jekyll »

Tom Bombadil hat geschrieben:(02 Dec 2017, 12:09)

Man kann gar nicht so viel fressen wie man kotzen möchte. Und wir bezahlen den Dreck auch noch mit unseren Steuergeldern.
Wahrscheinlich gehört das noch zu Meinungsfreiheit. Muss man wohl oder übel hinnehmen. Irgendwer fühlt sich immer beleidigt, was solls...
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Re: Terroristen als Märtyrer ?

Beitrag von Jekyll »

Ebiker hat geschrieben:(02 Dec 2017, 09:52)

In Berlin scheint man ein Händchen für fehlverstandene Menschen zu haben. Nach der längst überfälligen Ausstellung über Drogendealer als aufopferungsvolle Streetworker findet jetzt im Haus Bethanien die Installation " Märtyrermuseum " statt. Gezeigt werden Menschen die für ihre Überzeugungen gestorben sind wie z.B. Sokrates, Martin Luther King oder Michael Kolbe. Aber auch die Attentäter Mohamed Atta, Ismael Omar Musstafei (Bataclan) und Dzhennet Abdurakhmanova ( Tschetschenien).

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https://askhelmut.com/events/2017-11-30 ... ?locale=de

Aber ist es gerechtfertigt Menschen die im KZ für ihre Überzeugung gestorben sind auf einer Ebene darzustellen mit religiösen Massenmördern?
Nun ja, gerade diese provokative Gegenüberstellung kann ja zu einer differenzierteren, bewussteren Auseinandersetzung mit der Thematik "Märtyrertum" führen. Nicht gerade die verkehrteste Methode, finde ich.
Ist gar eine Radikalisierung bei Besuchern zu befürchten wenn die Beweggründe ihrer Taten haarklein dargestellt werden ?
Das klingt doch etwas zu sehr weit hergeholt. Informationsvielfalt führt eher zu einer Objektivierung als zu einer Radikalisierung. Nur bereits radikalisierte oder sonst wie voreingenommene Menschen würden die dargebotene Informationsvielfalt ausschließlich selektiv wahrnehmen und entsprechend ihrer Gesinnung auswerten. Das aber ist sicher nicht die Intention dieser Ausstellung.
Sie schufen eine Wüste und nannten es...Frieden.
Polibu

Re: Terroristen als Märtyrer ?

Beitrag von Polibu »

Ebiker hat geschrieben:(02 Dec 2017, 09:52)

In Berlin scheint man ein Händchen für fehlverstandene Menschen zu haben. Nach der längst überfälligen Ausstellung über Drogendealer als aufopferungsvolle Streetworker findet jetzt im Haus Bethanien die Installation " Märtyrermuseum " statt. Gezeigt werden Menschen die für ihre Überzeugungen gestorben sind wie z.B. Sokrates, Martin Luther King oder Michael Kolbe. Aber auch die Attentäter Mohamed Atta, Ismael Omar Musstafei (Bataclan) und Dzhennet Abdurakhmanova ( Tschetschenien).

Es gänge darum die Beweggründe für das Handeln dieser Personen darzustellen.



https://askhelmut.com/events/2017-11-30 ... ?locale=de

Aber ist es gerechtfertigt Menschen die im KZ für ihre Überzeugung gestorben sind auf einer Ebene darzustellen mit religiösen Massenmördern? Ist gar eine Radikalisierung bei Besuchern zu befürchten wenn die Beweggründe ihrer Taten haarklein dargestellt werden ?
Dieser Saftladen hat anscheinend keine Ahnung was ein Märtyrer ist. Fehlt noch, dass sie Hitler als Märtyrer bezeichnen. Was ist denn das für eine abnormale Veranstaltung?
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Re: Terroristen als Märtyrer ?

Beitrag von Kritikaster »

Polibu hat geschrieben:(31 Dec 2017, 11:56)

Dieser Saftladen hat anscheinend keine Ahnung was ein Märtyrer ist.
Dann sei doch bitte so gut und leiste einen sachlichen Beitrag zum Thema, indem Du uns erklärst, was einen Märtyrer ausmacht.
Polibu hat geschrieben:Was ist denn das für eine abnormale Veranstaltung?
Darauf hat Jekyll mit seinen vorhergehenden Beiträgen bereits zutreffend "geantwortet". :cool:
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Wo der Sinn aufhört, beginnt der Wahnsinn. (Erhard Horst Bellermann)
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Re: Terroristen als Märtyrer ?

Beitrag von Sextus Ironicus »

Die Bezeichnung des Märtyrers bleibt für Selbstmordattentäter unangemessen. Die Traditionslinien würde ich eher bei Zeloten, Assassinen und Dschihadisten suchen, und auch die Kamikazen wurden schon genannt. Insofern werden auf der Veranstaltung die falschen Leute in die Märtyrerreihe gestellt. Das gilt es eigentlich klipp und klar als unangemessen zurückzuweisen. Ein Selbstmordattentäter ist nicht Objekt fremder Gewalt, sondern selbst Subjekt absoluter Gewalt gegen andere.
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Re: Terroristen als Märtyrer ?

Beitrag von Simon »

Selbstmordattentäter sind wortwörtlich Märtyrer, nicht nur im übertragenen Sinne. Sie bezeichnen sich selbst so und ihre Motivation ist speziell als Märtyrer zu sterben.

Ich denke, das Problem ist, dass du dem Wort einen guten Klang beimisst, den es nicht verdient.
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