frems hat geschrieben:(17 Oct 2017, 22:43)
Ist genau genommen leichter geworden. Deshalb flogen in den letzten Jahren auch einige ältere (mittlerweile digitalisierte) Dissertationen auf, z.B. von Schavan, die keinerlei Schuld eingestehen wollte, sondern meinte, dass die Standards damals halt so niedrig waren und es normal war, teilweise zu plagiieren. Heute jagt man eine -- oftmals obligatorisch abzugebende -- PDF in ein entsprechendes Programm, das Zugriff auf Unmengen von Werken hat und sie in wenigen Sekunden abgleicht. Früher wurde man nur erwischt, wenn der Betreuer/Prüfer sich beim Lesen daran erinnerte, dass er einen (fast) identischen Absatz zufällig irgendwo schon mal gelesen hat. Bei der Menge an Fachartikeln, Abschlussarbeiten usw. im deutschsprachigen Raum war das entsprechend unwahrscheinlich. Heute müsste man schon selbstständig bspw. einen fremdsprachigen Artikel übersetzen und bei den Zitaten bzw. dem Literaturverzeichnis darauf achten, andere Quellen als im "Original" zu finden und zu nennen. Bei dem Aufwand lohnt sich das kaum. Aber wie Du schon sagtest: bei mathelastigen Disziplinen ist das selten bzw. deutlich schwieriger als in anderen Bereichen.
Das Abgleichen von Studentischen Arbeiten, Dissertationen, etc. hatte ich jetzt so gar nicht im Hinterkopf, sondern eher das tatsächliche Abkupfern von Ideen bei wissenschaftlichen Publikationen, ohne eben den entsprechenden Urheber zu zitieren. Da wird es eben schwieriger, überhaupt zu sehen, was es an wissenschaftlicher Forschung überhaupt schon zum Thema gegeben hat.
Beispiel aus meinem Umfeld, erst letzte Woche passiert: Ein Team aus einer amerikanischen Universität hat eine Studie zum Thema Bevölkerungswachstum durchgeführt. Das ganze soll dann in einem recht angesehenen Fachblatt veröffentlicht werden. Peer Reviewing geht ohne Probleme durch, bis ganz kurz vor der Veröffentlichung doch noch jemand beim Editorial Board auf den Trichter kommt, dass eine Studie über dasselbe Thema bereits ein Jahr vorher von einem österreichischen Institut durchgeführt wurde. Streng genommen natürlich kein Plagiat, aber es verdeutlicht einfach, dass es selbst für diejenigen, die über die Veröffentlichung entscheiden sollen, sehr schwer ist, sich auf dem Laufenden zu halten.
Spezielle Pointe: Die österreichische Studie wurde in demselben Fachblatt veröffentlicht. Vermutlich der einzige Grund, weshalb's überhaupt bemerkt wurde.
Oder noch eins, auch keine zwei Monate her: Ein Statitiker hat die Idee, mit einem relativ komplexen Modell, das sonst in dem entsprechenden Fachbereich eher nicht zum Einsatz kommt, eine bestimmte Hypothese zu überprüfen und bekommt dafür dann auch auf der entsprechenden Fachkonferenz eine Auszeichnung. Der Statistiker wechselt daraufhin den Job und der ehemalige Chef des Statistikers präsentiert die Idee des Statistikers (weil er gerade keine eigene hat) auf der nächsten Fachkonferenz als seine eigene, obwohl er überhaupt null Plan davon hat, was da überhaupt gemacht wurde. Hat keiner gemerkt, unter anderem vermutlich auch deshalb, weil das Modell so kompliziert ist, dass sich auf der Konferenz gar niemand findet, der sich überhaupt trauen würde, Fragen dazu zu stellen.
Aber naja, du wirst schon Recht haben, dass es solche Sachen schon immer gab, aber im Allgemeinen gibt es halt auch unter Fachleuten immer weniger Leute, die jegliche relevante Literatur zu einem bestimmten, selbst sehr abgegrenzten Bereich kennen.