Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

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frems
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Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von frems »

Zu den Zielen der Bologna-Reform, die vor zehn Jahren ins Werk gesetzt wurde, gehörte, den Bachelorabschluss zum Regelabschluss zu machen. Dass die deutschen Studenten davon noch weit entfernt sind, zeigt eine aktuelle Analyse des HIS-Instituts für Hochschulforschung. Danach entscheiden sich derzeit drei Viertel der Bachelorabsolventen für ein Masterstudium.
2012: http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance ... 19371.html
Als Europas Bildungsminister 1999 die Bologna-Erklärung unterzeichneten, lautete das politische Ziel: Drei Jahre Bachelorstudium sind die Regel, nur ein Drittel der Absolventen soll den Master machen. Die Realität sieht jedoch anders aus: "75 Prozent der Bachelorabsolventen studieren weiter"
2016: http://www.sueddeutsche.de/karriere/stu ... -1.3295924

Und das, obwohl die deutsche Politik (u.a. aus Kostengründen) nur 33% wollte und zahlreiche Großunternehmen (BMW, Deutsche Bahn, Telekom, Allianz, BASF etc.) schon 2004 ihre "Bachelor welcome"-Kampagne ins Leben riefen, bundesweit an Hochschulen warben und noch heute hinter der Initiative stehen. Auch die Politik öffnete (wenn auch zaghaft) den höheren Dienst für öffentlich Angestellte mit Bachelorabschluss und theoretisch gibt es die Möglichkeit, mit einem Bachelorabschluss zu promovieren, wenn man eine Karriere in der Wissenschaft anstrebt. Trotzdem hängen 75% der Absolventen ein Masterstudium dran, an den Universitäten sogar 80%. Und unklar ist, wie viele Bachelorabsolventen nicht nur eine Studienpause machen und nach einer mehrjährigen Berufstätigkeit wieder zur Uni für ein Masterstudium zurückkehren. Somit kann man das Ziel als "haushoch verfehlt" einstufen, mal unabhängig davon, ob man das Ziel für sinnvoll hält/hielt. Eine "Bachelor-Anpassung" bei Rente (max. drei Jahre Wartezeit, keine Entgeltpunkte), Kindergeld und Familienversicherung schien auch nicht geholfen zu haben, um das Ziel zu erreichen.

Vielerorts versuchten staatliche Hochschulen schon die Zahl zu regulieren, indem sie z.B. festlegten, nur mit einer Abschlussnote 2,5 oder besser dürfte man sich bewerben (http://www.sueddeutsche.de/karriere/bac ... n-1.400673), selbst wenn dann verfügbare Plätze unbelegt bleiben. Davon halten wiederum die Hochschulen des Verbands TU9 nichts und wollen jedem Absolventen einen Masterplatz ermöglichen (http://www.zeit.de/2008/22/C-4-Masterqu ... ettansicht): Der Master ist der Regelabschluss für die Ingenieurwissenschaften/Naturwissenschaften an Technischen Universitäten (http://www.tu9.de/tu9/en/3516.php)

Was glaubt Ihr, was die Gründe sind? Alte Gewohnheiten bei der Studiendauer, Spaß am Studium, Verunsicherung beim Berufseinstieg? Und haltet Ihr die realen Zahlen für erstrebenswert, ob aus Sicht der Wirtschaft, des Steuerzahlers oder der Studenten? Sollten weniger nach dem Abschluss weiterstudieren oder mehr? Einfach die Studenten machen lassen und die 75% sind in Ordnung? Bin gespannt auf Meinungen, Einschätzungen oder auch Erfahrungen, ob von Euch selbst oder Bekannten. (bitte ohne Vollzitat)
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NMA
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von NMA »

Klar, der Bachelor ist ja auch nur ein einführendes Reproduktionsgekasper, das mit einer Universität überhaupt nichts zu tun hat. Darüber haben wir schon vor 10 Jahren disputiert.
Bis ein Bachelorstudent mitbekommt, dass er da gar nicht mehr auf einer Schule ist, ist das "Studium" auch schon vorbei.
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von H2O »

Zumindest in den Ingenieurberufen bedeutet die dem Studium nachfolgende Berufstätigkeit auch eine ganz erhebliche Spezialisierung. Vielleicht kann der Bachelor Grundlagen für diese Weiterbildung vermitteln, aber Teile der Spezialisierung werden doch eher im Hauptstudium (Master) zu erwerben sein. Das braucht eben Zeit... entweder im Studium oder im Beruf. Ich vermute, daß in Forschung und Entwicklung die Personalabteilungen dem frisch gebackenen Master den Vorzug vor dem frisch gebackenen Bachelor geben... Zeit ist Geld...

Aus meiner Sicht ist der Bachelor ein sehr schöner Zwischenabschluß, der durch Arbeitgeber auch als Berufsabschluß anerkannt wird. Vielleicht ist so ein Totalverlust seltener, denn in der guten alten Zeit wurde erst das Diplom als Berufsabschluß anerkannt... in der Regel nach etwa 5 oder 6 Jahren. Erreichte man diesen Abschluß nicht, dann waren viele Mühen vergebens, der Einstieg in einen passenden Beruf kaum möglich.

Ich vermute deshalb, daß die Zweiteilung des Studiums insgesamt doch eine gute Sache war.
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Brainiac
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von Brainiac »

Zufällig habe ich mich gerade vor einigen Stunden auf einer Party mit dem Sohn eines Freundes genau darüber unterhalten.

Der Sohn ist demnächst mit dem Bachelor (Masch.bau) fertig, wird aber den Master machen. Seine Gründe sind:

- Sich selbst beweisen wollen
- Warum sollen die Unternehmen Bachelors einstellen, wenn sie aus zig Masters wählen können? Dass diese etwas älter sind, fällt dabei kaum ins Gewicht. Generell, so das Stimmungsbild unter den Studenten, haben Bachelors deutlich schlechtere Chancen am Arbeitsmarkt.
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von frems »

NMA hat geschrieben:(17 Dec 2016, 21:27)

Klar, der Bachelor ist ja auch nur ein einführendes Reproduktionsgekasper, das mit einer Universität überhaupt nichts zu tun hat. Darüber haben wir schon vor 10 Jahren disputiert.
Bis ein Bachelorstudent mitbekommt, dass er da gar nicht mehr auf einer Schule ist, ist das "Studium" auch schon vorbei.
Ich fürchte, so undifferenziert kann man das nicht sehen, da sich die Studiengänge stark unterscheiden und sich in den letzten zehn Jahren, nachdem die ersten Bachelorjahrgänge fertig waren, viele Hochschulen über ihre Prüfungsordnungen hermachten und sie aufgrund von Evaluationen anpassten. An vielen Hochschulen hat sich hingegen eher wenig geändert. Beispielsweise studiert eine Bekannte von mir an einer FH in Berlin. Dort ging der frühere Diplomstudiengang (gleiches Fach) acht Semester, wovon eins ein Praxissemester für ein Pflichtpraktikum war. Beim Bachelor hat man dies einfach übernommen. Studiendauer, Lehrinhalte, Pflichtveranstaltungen, Prüfungsformen, Dozenten, Wahlfächer... da hat sich quasi nichts geändert. Nur die Buchstaben auf dem Abschlusszeugnis und dass man den prognostizierten Zeitaufwand in ECTS statt SWS angegeben hat (einfach Faktor 1,5, also 6 CP statt 4 SWS). Im Gegensatz zu früher kann man aber noch einen Masterabschluss erhalten, wenn man zwei Semester dranhängt, sprich, nochmal ein Semester Lehrveranstaltungen/Seminare/Exkursionen und ein Semester für die Abschlussarbeit. Da würde ich nicht sagen, dass dieses eine Jahr für den Unterschied "Gekasper" statt hohem "Akademikertum" unterscheidet. An Universitäten, wo der Bachelor in der Regel nach drei und der Master nach zwei Jahren erworben wird, mag das wieder anders aussehen. Aber auch da gibt es inhaltlich erhebliche Unterschiede und die Frage bleibt, was der Absolvent später mal damit anfangen möchte. Genau so könnte man sagen, dass wissenschaftliches Arbeiten erst mit der Promotion beginnt und Diplom/Magister/Master nicht ausreichend sind. In anderen Ländern, ob im angelsächsischen Raum oder Skandinavien, gibt's mit dem "Associate" auch noch einen Abschluss, der unter dem Bachelor angesiedelt ist. Für einige Tätigkeiten, z.B. im Rechnungswesen, reicht das völlig. Für eine Professur nicht.

Aber das war ja nicht die eigentliche Frage, sondern warum Studenten und einige Hochschulen den Master für den Regelabschluss halten, während Politik, Wirtschaft und teilweise öffentlicher Dienst plus Wissenschaft auch andere Wege bevorzugen.
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von frems »

H2O hat geschrieben:(17 Dec 2016, 22:33)

Zumindest in den Ingenieurberufen bedeutet die dem Studium nachfolgende Berufstätigkeit auch eine ganz erhebliche Spezialisierung. Vielleicht kann der Bachelor Grundlagen für diese Weiterbildung vermitteln, aber Teile der Spezialisierung werden doch eher im Hauptstudium (Master) zu erwerben sein. Das braucht eben Zeit... entweder im Studium oder im Beruf. Ich vermute, daß in Forschung und Entwicklung die Personalabteilungen dem frisch gebackenen Master den Vorzug vor dem frisch gebackenen Bachelor geben... Zeit ist Geld...

Aus meiner Sicht ist der Bachelor ein sehr schöner Zwischenabschluß, der durch Arbeitgeber auch als Berufsabschluß anerkannt wird. Vielleicht ist so ein Totalverlust seltener, denn in der guten alten Zeit wurde erst das Diplom als Berufsabschluß anerkannt... in der Regel nach etwa 5 oder 6 Jahren. Erreichte man diesen Abschluß nicht, dann waren viele Mühen vergebens, der Einstieg in einen passenden Beruf kaum möglich.

Ich vermute deshalb, daß die Zweiteilung des Studiums insgesamt doch eine gute Sache war.
Das ist schon richtig, aber einfacher wird es dadurch nicht. Ein Grundstudium dauerte zwei bis vier Semester und das Vordiplom musste man nur bestehen. Ein Bachelorstudium dauert in der Regel sechs bis acht Semester und jede Prüfung muss nicht nur bestanden werden, sondern zählt auch für den weiteren Verlauf. Wer mäßige Noten hat, z.B. weil er nebenbei viel arbeitet und weniger Zeit fürs Studium hat, muss unter Umständen an seiner Hochschule aufhören, weil er mit einer 2,6 oder schlechter nicht mehr für den Master zugelassen wird. Das ist für Kurse, in denen Prüfer aussieben und eine 4,0 schon ein Grund zur Freude ist, da über 50% an dem Fach scheitern, schon ärgerlich. Genaugenommen ist es auch eine Dreiteilung von Bachelor, Master und PhD, während man früher Magister/Diplom und Doktor hatte. Und halt das FH-Diplom, das niedrigere angesiedelt war und z.B. nur für den öffentlichen gehobenen, aber nicht höheren Dienst qualifizierte.
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von frems »

Brainiac hat geschrieben:(18 Dec 2016, 01:55)

Zufällig habe ich mich gerade vor einigen Stunden auf einer Party mit dem Sohn eines Freundes genau darüber unterhalten.

Der Sohn ist demnächst mit dem Bachelor (Masch.bau) fertig, wird aber den Master machen. Seine Gründe sind:

- Sich selbst beweisen wollen
- Warum sollen die Unternehmen Bachelors einstellen, wenn sie aus zig Masters wählen können? Dass diese etwas älter sind, fällt dabei kaum ins Gewicht. Generell, so das Stimmungsbild unter den Studenten, haben Bachelors deutlich schlechtere Chancen am Arbeitsmarkt.
Die Diskussion kenn ich auch. Und es gibt einige Umfragen bzw. Statistiken, wonach man mit dem Bachelorabschluss ein niedrigeres Einstiegsgehalt hat als mit dem Master, was nicht überrascht. Andererseits hat man mit dem Bachelor ein, zwei oder noch mehr Jahre "Vorsprung" und kann in der Zeit im Beruf Gehaltssteigerungen haben, sodass man mehr verdient als ein Master bei seinem Einstieg. Ob es eine "Decke" gibt, wonach man mit dem Master im Schnitt weiterkommt und somit wieder die Bachelor nach einigen Jahren überholt, weiß ich aber nicht. Da gibt's vermutlich noch keine Daten bzw. Langzeituntersuchungen. Wenn da jemand Material und Studien verlinken könnte, wäre das sicherlich für die Diskussion sinnvoll. Da scheint auch wieder das Fach und die angestrebte Tätigkeit entscheidend zu sein für die Frage, ob ein Bachelor genügt, man mit einem Master besser fährt oder lieber promovieren sollte, was ja bei einigen Naturwissenschaften wiederum die Regel ist. Dass alle Akademiker den selben Abschluss und Studiendauer für jede Tätigkeit benötigen, kann man damit aber eher nicht sagen.
Wo reicht der Bachelor?

Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, welche beruflichen Ziele man verfolgt und in welcher Branche man arbeiten möchte. Informatiker finden auch ohne Master problemlos eine Stelle, da es nicht genügend Fachkräfte gibt, sagt Briedis . Wer mit einem Bachelor in Betriebswirtschaftslehre oder Wirtschaftswissenschaften im Vertrieb oder in der Buchhaltung arbeiten möchte, habe ebenfalls gute Chancen.

Auch im Sozialwesen komme man mit dem Bachelor weiter, sagt Briedis - zum Beispiel in der Kinder- und Jugendarbeit oder in der Flüchtlingshilfe.
http://www.morgenpost.de/article2089551 ... llten.html
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von Brainiac »

frems hat geschrieben:(18 Dec 2016, 03:26)

Andererseits hat man mit dem Bachelor ein, zwei oder noch mehr Jahre "Vorsprung" und kann in der Zeit im Beruf Gehaltssteigerungen haben, sodass man mehr verdient als ein Master bei seinem Einstieg.
http://www.morgenpost.de/article2089551 ... llten.html
Laut dieser beiden Quellen scheint der Unterschied beim Einstiegsgehalt bei etwa 10-20% zu liegen, natürlich stark abhängig von Arbeitgeber, Branche etc.

https://www.absolventa.de/karriereguide ... iegsgehalt
http://www.berufsstart.de/einstiegsgehalt/

Holt man das gleich in den ersten 2+x Jahren durch Gehaltserhöhungen wieder auf? Möglich, aber da besteht zumindestens ein erheblicher Unsicherheitsfaktor. Da wirkt es für die Studenten vermutlich sicherer, gleich den Master zu machen.

Für mich wäre ein plausiblerer Grund für den Bachelor, eben 2 Jahre früher richtiges Geld zu verdienen. Dass das offenbar im Durchschnitt wenig genutzt wird, könnte man als Indiz dafür werten, dass es um die soziale Lage der Studenten in Deutschland nicht allzu schlecht bestellt ist.

Ich kann mir aber vorstellen, dass es ggf einfach noch länger dauert, bis der Bachelor allgemein akzeptiert ist, 10-15 Jahre sind für solche Veränderungen keine besonders lange Zeit. Viele Unternehmen sind ja auch Gewohnheitstiere, bei Masters weiß man was man ungefähr kriegt, bei Bachelors weniger. Und die 2 Jahre...Unternehmen meckern gerne mal über das zu hohe Durchschnittsalter von deutschen Absolventen, aber deswegen einen 26jährigen mit einem (gefühlt) geringerwertigen Abschluss einem 28jährigen Master vorzuziehen, wird man dann wohl eher doch nicht.
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von John Galt »

Ich würde heutzutage allen jungen Leuten empfehlen, die Universitäten komplett zu meiden. Es sei denn mal will unbedingt Naturwissenschaften studieren. Der Rest ist Müll.
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von frems »

Brainiac hat geschrieben:(18 Dec 2016, 10:42)
Unternehmen meckern gerne mal über das zu hohe Durchschnittsalter von deutschen Absolventen, aber deswegen einen 26jährigen mit einem (gefühlt) geringerwertigen Abschluss einem 28jährigen Master vorzuziehen, wird man dann wohl eher doch nicht.
Unternehmen meckern immer. Das gehört dazu. Es beschweren sich auch Betriebe, wenn ein 21-jähriger Bachelorabsolvent, der nur Schule und Uni kennt, weniger Lebenserfahrung hat als ein Absolvent Mitte/Ende 20, der z.B. noch Zivildienst leistete, ein Work-and-travel-Jahr absolvierte, länger zur Schule ging und einen höheren Uni-Abschluss erwarb.
Fakt ist, dass das Durchschnittsalter der Hochschulabsolventen im Zuge der Bolognareformen stark gesunken ist. Viele Bachelors haben ihren Abschluss mit Anfang 20 in der Tasche, ein Alter, in dem Studenten in Zeiten des Diploms und Magisters ernsthaft zu studieren anfingen. Viele Firmen beklagen die fehlende Erfahrung und mangelnde persönliche Reife der jungen Berufseinsteiger.
http://www.karriereblog.net/berufsorien ... udium-0473

Teilweise ist der Gehaltsunterschied aber gerade mal 10% und viele Betriebe unterscheiden gar nicht zwischen Bachelor und Master: http://www.sueddeutsche.de/karriere/stu ... .1147678-2

Und 10-20% in den ersten Jahren sind nicht ungewöhnlich, z.B. im IT-Bereich (https://blog.lecturio.de/wp-content/upl ... ruppen.jpg), der Logistik (https://blog.lecturio.de/wp-content/upl ... ruppen.jpg) oder Finanzen (https://blog.lecturio.de/wp-content/upl ... ruppen.jpg).

Interessant fand ich bei den Zahlen aber schon, dass Studenten an Unis häufiger den Master machen als an den FHs, denn für erstere heißt das oft mindestens zwei Jahre extra, während an FHs ein Masterstudiengang häufig nur ein zusätzliches Jahr bedeutet. Da hätte ich schon gedacht, dass man an den FH eher noch den Master "mitnimmt". Andererseits kann's natürlich sein, dass man sich nach vier FH-Jahren bereits "berufsbereit" fühlt und nach drei Jahren an der Uni nicht, weshalb letztere dann doch noch den Master machen. Vielleicht liegt der (nicht so große) Unterschied aber auch nur an den Fächern, da es an FHs überwiegend technische und betriebswirtschaftliche Fächer gibt, während man an Unis auch Geisteswissenschaften, Lehramt, klassische Naturwissenschaften etc. pp. vorfindet.
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von frems »

John Galt hat geschrieben:(18 Dec 2016, 11:05)
Ich würde heutzutage allen jungen Leuten empfehlen, die Universitäten komplett zu meiden. Es sei denn mal will unbedingt Naturwissenschaften studieren. Der Rest ist Müll.
In Deutschland steht man aber extrem auf Zeugnisse. Zudem sind viele Bereiche mittelalterlich organisiert und ohne Wisch kann man den Beruf nicht ausüben, egal wie gut man ist.
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von H2O »

frems hat geschrieben:(18 Dec 2016, 03:18)

Das ist schon richtig, aber einfacher wird es dadurch nicht. Ein Grundstudium dauerte zwei bis vier Semester und das Vordiplom musste man nur bestehen. Ein Bachelorstudium dauert in der Regel sechs bis acht Semester und jede Prüfung muss nicht nur bestanden werden, sondern zählt auch für den weiteren Verlauf. Wer mäßige Noten hat, z.B. weil er nebenbei viel arbeitet und weniger Zeit fürs Studium hat, muss unter Umständen an seiner Hochschule aufhören, weil er mit einer 2,6 oder schlechter nicht mehr für den Master zugelassen wird. Das ist für Kurse, in denen Prüfer aussieben und eine 4,0 schon ein Grund zur Freude ist, da über 50% an dem Fach scheitern, schon ärgerlich. Genaugenommen ist es auch eine Dreiteilung von Bachelor, Master und PhD, während man früher Magister/Diplom und Doktor hatte. Und halt das FH-Diplom, das niedrigere angesiedelt war und z.B. nur für den öffentlichen gehobenen, aber nicht höheren Dienst qualifizierte.
Da möchte ich aus eigener Erfahrung doch etwas richtig stellen: Wenn Studiengänge Mathematik 1-5 und Technische Mechanik 1-4 angesetzt werden, dann kann kaum jemand ein Grundstudium der alten Art nach nur 4 Semestern eben 'mal bestehen. In meinem Studienbuch finde ich 10 Prüfungsfächer, die am Ende eines Vorstudiums mit zwei bestandenen Semesterklausuren je Fach angemeldet und bestanden sein wollen. Da muß ein Student schon außergewöhnlich gut mitgearbeitet haben, um damit unter 6 Semestern "durch" zu sein.

Aus der Erfahrung heraus fand ich den Gedanken "Bachelor" nach 6 Semestern als Berufseinstieg ganz vernünftig. Das bestandene Vordiplom wurde seinerzeit keineswegs als qualifizierter Berufseinstieg anerkannt. Wenn jetzt aber ein Bachelor-Studium auch schon auf 8 Semester aufgeblasen wurde, dann verstehe ich diese Reform überhaupt nicht mehr. Da war das Zwischenergebnis nach 6 Semestern wohl doch zu dünn für einen Berufseinstieg. Irren ist menschlich... sag' ich 'mal: "komplett gescheitert!" Bleibt am Ende die internationale Anerkennung der Abschlüsse. Wenn das auch ein gescheiterter Traum sein sollte, dann war diese Reform eine Sandkistenspielerei für Bildungspolitiker!

Übrigens ist es keine neuzeitliche Erkenntnis, daß Studenten zur Sicherung ihrer Existenz nebenbei arbeiten. Das war vor 50 Jahren nicht anders... Es gibt eine Grauzone, wo Eltern vielleicht unter erheblichen Entbehrungen einem Kind oder auch zwei ein Studium finanzieren können. Wenn das aber zu sehr klemmt, dann war damals der Weg auf den Arbeitsmarkt vorgezeichnet. Einen Rechtsstreit mit den eigenen Eltern auf Unterstützung sehe ich jedenfalls nicht als gangbaren Weg an. Daran hat sich offenbar nicht viel geändert...
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von frems »

H2O hat geschrieben:(18 Dec 2016, 21:26)

Da möchte ich aus eigener Erfahrung doch etwas richtig stellen: Wenn Studiengänge Mathematik 1-5 und Technische Mechanik 1-4 angesetzt werden, dann kann kaum jemand ein Grundstudium der alten Art nach nur 4 Semestern eben 'mal bestehen. In meinem Studienbuch finde ich 10 Prüfungsfächer, die am Ende eines Vorstudiums mit zwei bestandenen Semesterklausuren je Fach angemeldet und bestanden sein wollen. Da muß ein Student schon außergewöhnlich gut mitgearbeitet haben, um damit unter 6 Semestern "durch" zu sein.
Es ging doch um die Regelstudienzeit, nicht um die reale Studiendauer. Die erreichen viele Studenten heute auch nicht. Der Aufwand für einen Bachelorabschluss, ob nun in sechs, sieben oder acht Semestern, ist eben viel höher als jener fürs Vordiplom, das zwei bis vier Semester dauerte und die Endnote völlig egal war, solange man bestanden hat. Daher würde ich die beiden Sachen nicht gleichsetzen, auch wenn es so einfacher bzw. bequemer wäre.
Aus der Erfahrung heraus fand ich den Gedanken "Bachelor" nach 6 Semestern als Berufseinstieg ganz vernünftig. Das bestandene Vordiplom wurde seinerzeit keineswegs als qualifizierter Berufseinstieg anerkannt. Wenn jetzt aber ein Bachelor-Studium auch schon auf 8 Semester aufgeblasen wurde, dann verstehe ich diese Reform überhaupt nicht mehr. Da war das Zwischenergebnis nach 6 Semestern wohl doch zu dünn für einen Berufseinstieg. Irren ist menschlich... sag' ich 'mal: "komplett gescheitert!" Bleibt am Ende die internationale Anerkennung der Abschlüsse. Wenn das auch ein gescheiterter Traum sein sollte, dann war diese Reform eine Sandkistenspielerei für Bildungspolitiker!
Die wurden nicht aufgeblasen. Die Hochschulen entscheiden selbst, wie viele Semester man benötigt. Das war früher nicht anders. Da gab's auch keine "Einheitslänge" für jedes Diplom. Bologna sah das auch von Anfang an vor: der erste Abschluss sollte mind. sechs und max. acht Semester umfassen und der Master dann so aussehen, dass man auf zehn Semester kommt. Daran hat sich auch nichts geändert. Dass viele Studenten dann 13, 14, 15 Semester benötigen, ist ein anderes Thema.
Übrigens ist es keine neuzeitliche Erkenntnis, daß Studenten zur Sicherung ihrer Existenz nebenbei arbeiten. Das war vor 50 Jahren nicht anders... Es gibt eine Grauzone, wo Eltern vielleicht unter erheblichen Entbehrungen einem Kind oder auch zwei ein Studium finanzieren können. Wenn das aber zu sehr klemmt, dann war damals der Weg auf den Arbeitsmarkt vorgezeichnet. Einen Rechtsstreit mit den eigenen Eltern auf Unterstützung sehe ich jedenfalls nicht als gangbaren Weg an. Daran hat sich offenbar nicht viel geändert...
Hat sich auch nicht. Der Staat legte nur ein paar Steine in den Weg, um es zu erschweren, damit die Leute früh die Uni wieder verlassen. Aber das tun sie eben häufig nicht.
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von H2O »

frems hat geschrieben:(18 Dec 2016, 21:45)

Es ging doch um die Regelstudienzeit, nicht um die reale Studiendauer. Die erreichen viele Studenten heute auch nicht. Der Aufwand für einen Bachelorabschluss, ob nun in sechs, sieben oder acht Semestern, ist eben viel höher als jener fürs Vordiplom, das zwei bis vier Semester dauerte und die Endnote völlig egal war, solange man bestanden hat. Daher würde ich die beiden Sachen nicht gleichsetzen, auch wenn es so einfacher bzw. bequemer wäre.


Die wurden nicht aufgeblasen. Die Hochschulen entscheiden selbst, wie viele Semester man benötigt. Das war früher nicht anders. Da gab's auch keine "Einheitslänge" für jedes Diplom. Bologna sah das auch von Anfang an vor: der erste Abschluss sollte mind. sechs und max. acht Semester umfassen und der Master dann so aussehen, dass man auf zehn Semester kommt. Daran hat sich auch nichts geändert. Dass viele Studenten dann 13, 14, 15 Semester benötigen, ist ein anderes Thema.


Hat sich auch nicht. Der Staat legte nur ein paar Steine in den Weg, um es zu erschweren, damit die Leute früh die Uni wieder verlassen. Aber das tun sie eben häufig nicht.
Ich kann Ihnen da nicht widersprechen, weil ich eben nur den älteren Teil des Studienablaufs (Diplom-Ingenieur) abgearbeitet habe... und danach berufsbedingt die Universität nur noch seltenvon innen besichtigt hatte.

Ist denn wenigstens das Studienergebnis Bachelor, Master, PhD mit Blick auf die EU international verwertbar, oder ist auch das ein schöner Traum geblieben?
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von Brainiac »

frems hat geschrieben:(18 Dec 2016, 16:55)

Unternehmen meckern immer. Das gehört dazu. Es beschweren sich auch Betriebe, wenn ein 21-jähriger Bachelorabsolvent, der nur Schule und Uni kennt, weniger Lebenserfahrung hat als ein Absolvent Mitte/Ende 20, der z.B. noch Zivildienst leistete, ein Work-and-travel-Jahr absolvierte, länger zur Schule ging und einen höheren Uni-Abschluss erwarb.


http://www.karriereblog.net/berufsorien ... udium-0473

Teilweise ist der Gehaltsunterschied aber gerade mal 10% und viele Betriebe unterscheiden gar nicht zwischen Bachelor und Master: http://www.sueddeutsche.de/karriere/stu ... .1147678-2

Und 10-20% in den ersten Jahren sind nicht ungewöhnlich, z.B. im IT-Bereich (https://blog.lecturio.de/wp-content/upl ... ruppen.jpg), der Logistik (https://blog.lecturio.de/wp-content/upl ... ruppen.jpg) oder Finanzen (https://blog.lecturio.de/wp-content/upl ... ruppen.jpg).
OK, das ist teilweise mehr, als ich dachte. Habe ja aber auch nicht behauptet, dass es das nicht gäbe. Es ist aber kein Selbstgänger, sondern da ist man von vielen nur teilweise beeinflussbaren Faktoren abhängig, wie allgemeine Personal- und Gehaltspolitik des Unternehmens, Wohlwollen der Vorgesetzten, die last not least die eigene Leistung gut bewerten müssen, etc. Demgegenüber erscheint der "Automatismus" zum vermutlich höheren Einstiegsgehalt via Master vielleicht als der sicherere Weg.

Was ansonsten bzgl. der Gesamtbewertung des Bachelor-Modells vielleicht noch interessant sein könnte, wäre, dass laut der DIHK-Umfrage 2015 die Zufriedenheit mit Bachelors ggü. 2011 deutlich abgenommen hatte (anders als bei Masters).

http://www.dihk.de/ressourcen/downloads ... 3731575017

Was anscheinend (auch) an den unterschiedlichen Erwartungen liegt:
Zu den wichtigsten Kompetenzen, die Unternehmen von Bachelor-Absolventen erwarten, zählen Teamfähigkeit, selbständiges Arbeiten sowie Einsatzbereitschaft und Kommunikationsfähigkeit. Damit stehen vor allem soziale Kompetenzen ganz oben auf der „Wunschliste“ der Firmenvertreter. Von Master-Absolventen hingegen erwarten die Betriebe in erster Linie fachliche und persönliche Kompetenzen, allen voran Analyse- und Entscheidungsfähigkeit.
Finde ich etwas verwunderlich. Die Bachelors sind jünger und haben kürzer studiert, sollen aber teamfähiger und selbständiger sein. Als ob die Unternehmen erwarten, dass das geringere Fachwissen mit höherer Sozialkompetenz kompensiert wird. Woher soll die kommen?

Interessant fand ich bei den Zahlen aber schon, dass Studenten an Unis häufiger den Master machen als an den FHs, denn für erstere heißt das oft mindestens zwei Jahre extra, während an FHs ein Masterstudiengang häufig nur ein zusätzliches Jahr bedeutet. Da hätte ich schon gedacht, dass man an den FH eher noch den Master "mitnimmt". Andererseits kann's natürlich sein, dass man sich nach vier FH-Jahren bereits "berufsbereit" fühlt und nach drei Jahren an der Uni nicht, weshalb letztere dann doch noch den Master machen. Vielleicht liegt der (nicht so große) Unterschied aber auch nur an den Fächern, da es an FHs überwiegend technische und betriebswirtschaftliche Fächer gibt, während man an Unis auch Geisteswissenschaften, Lehramt, klassische Naturwissenschaften etc. pp. vorfindet.
Eine denkbare Erklärung könnte vielleicht auch sein, dass TH-Studenten einen durchschnittlich höheren akademischen Ehrgeiz (incl. dem Wunsch, entsprechende Abschlusstitel auf der Visitenkarte stehen zu haben) mitbringen als FH-Studenten.
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H2O hat geschrieben:(18 Dec 2016, 22:04)

Ich kann Ihnen da nicht widersprechen, weil ich eben nur den älteren Teil des Studienablaufs (Diplom-Ingenieur) abgearbeitet habe... und danach berufsbedingt die Universität nur noch seltenvon innen besichtigt hatte.

Ist denn wenigstens das Studienergebnis Bachelor, Master, PhD mit Blick auf die EU international verwertbar, oder ist auch das ein schöner Traum geblieben?
Ich kenn da nur persönliche Erfahrungen von Bekannten und Verwandten, die z.B. nach einem deutschen Bachelorstudium in einem anderen europäischen Land den Master machten und da keine Probleme hatten. Jedenfalls keine, die sie nicht auch in Deutschland haben könnten. Und das nicht nur in der EU, sondern in allen Staaten des Europäischen Hochschulraums, zu denen bspw. auch Norwegen, Russland und die Schweiz zählen. Die Jobsuche macht es auch international einfacher. Mit "Master", inkl. englischsprachigem Diplomanhang, kann man auch in Kanada, Japan oder Singapur etwas anfangen. Wenn man weltweite Mobilität ablehnt, ist das natürlich ein Alptraum.
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von H2O »

frems hat geschrieben:(18 Dec 2016, 22:35)

Ich kenn da nur persönliche Erfahrungen von Bekannten und Verwandten, die z.B. nach einem deutschen Bachelorstudium in einem anderen europäischen Land den Master machten und da keine Probleme hatten. Jedenfalls keine, die sie nicht auch in Deutschland haben könnten. Und das nicht nur in der EU, sondern in allen Staaten des Europäischen Hochschulraums, zu denen bspw. auch Norwegen, Russland und die Schweiz zählen. Die Jobsuche macht es auch international einfacher. Mit "Master", inkl. englischsprachigem Diplomanhang, kann man auch in Kanada, Japan oder Singapur etwas anfangen. Wenn man weltweite Mobilität ablehnt, ist das natürlich ein Alptraum.
So gesehen müßten Sie dann den Strang aber anders überschreiben: Bologna-Reform hat zu international anerkannten Studienabschlüssen geführt. Das ist natürlich eine erhebliche Verbesserung des alten Zustands... der vielleicht aber auch zur Abwehr deutscher Bewerber genutzt wurde. Deren Arbeitsmarkt hat sich erheblich vergrößert.
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von frems »

Brainiac hat geschrieben:(18 Dec 2016, 22:12)

OK, das ist teilweise mehr, als ich dachte. Habe ja aber auch nicht behauptet, dass es das nicht gäbe. Es ist aber kein Selbstgänger, sondern da ist man von vielen nur teilweise beeinflussbaren Faktoren abhängig, wie allgemeine Personal- und Gehaltspolitik des Unternehmens, Wohlwollen der Vorgesetzten, die last not least die eigene Leistung gut bewerten müssen, etc. Demgegenüber erscheint der "Automatismus" zum vermutlich höheren Einstiegsgehalt via Master vielleicht als der sicherere Weg.
Sicherlich ist es kein Selbstgänger. Wenn eine Einzelperson Pech hat und ihre Firma, wo sie jüngst mit gutem Gehalt anfing, pleite geht und die erstbeste Folgebeschäftigung schlechtere Konditionen bietet, kann man auch später weniger Geld verdienen.
Was ansonsten bzgl. der Gesamtbewertung des Bachelor-Modells vielleicht noch interessant sein könnte, wäre, dass laut der DIHK-Umfrage 2015 die Zufriedenheit mit Bachelors ggü. 2011 deutlich abgenommen hatte (anders als bei Masters).

http://www.dihk.de/ressourcen/downloads ... 3731575017

Was anscheinend (auch) an den unterschiedlichen Erwartungen liegt:


Finde ich etwas verwunderlich. Die Bachelors sind jünger und haben kürzer studiert, sollen aber teamfähiger und selbständiger sein. Als ob die Unternehmen erwarten, dass das geringere Fachwissen mit höherer Sozialkompetenz kompensiert wird. Woher soll die kommen?
Naja, dass Unternehmen gerne eierlegende Wollmilchsäue hätten, denen man nur ihren Arbeitsplatz zeigt und sie gleich alles beherrschen, war wohl schon immer so. Sonderlich aussagekräftig finde ich die Umfrage aber auch nicht, da man nicht weiß, ob sich die selben Unternehmen erneut daran beteiligt haben. Und zwischen einem Großkonzern und Kleinbetrieb würd ich auch differenzieren bzw. die Statistik ggf. gewichten. Ist ja schon ein Unterschied, ob ein Laden seit Jahren hunderte Bachelor bei sich arbeiten hatte und seine Erfahrungen teilt; oder ob ein Laden seinen "ersten" hatte und nur diesen Absolventen für die Bewertung betrachtet.
Eine denkbare Erklärung könnte vielleicht auch sein, dass TH-Studenten einen durchschnittlich höheren akademischen Ehrgeiz (incl. dem Wunsch, entsprechende Abschlusstitel auf der Visitenkarte stehen zu haben) mitbringen als FH-Studenten.
Vermutlich ist es ein Mix aus allen genannten Erklärungen und noch weiteren. Ich könnte mir auch vorstellen, dass man sich an seinen "Vorgängern" orientiert. Wenn das TU-Studium früher in der Regel zehn Semester dauerte und zum Dipl.-Ing. führte, machen es die heutigen Studenten nach und holen sich ihren M.Sc. ab, während FH-Diplom und -Bachelor oft die selbe Studiendauer hatten.
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von frems »

H2O hat geschrieben:(18 Dec 2016, 22:44)

So gesehen müßten Sie dann den Strang aber anders überschreiben: Bologna-Reform hat zu international anerkannten Studienabschlüssen geführt. Das ist natürlich eine erhebliche Verbesserung des alten Zustands... der vielleicht aber auch zur Abwehr deutscher Bewerber genutzt wurde. Deren Arbeitsmarkt hat sich erheblich vergrößert.
Mir ging's eigentlich ja gar nicht darum, den Bachelorabschluss zu bewerten (was pauschal "leider" auch nicht geht), da diese alte Diskussion schon zigtausend mal geführt wurde, sondern primär darum, warum die Politik meint, es reiche aus, wenn nur ein Drittel nach diesem Abschluss noch weitermacht und auch die Wirtschaft fleißig warb und wirbt -- aber die Studenten es offensichtlich anders sehen und einige Hochschulen dies unterstützen, indem sie genügend Masterstudienplätze zur Verfügung stellen.
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von H2O »

frems hat geschrieben:(18 Dec 2016, 22:48)

Mir ging's eigentlich ja gar nicht darum, den Bachelorabschluss zu bewerten (was pauschal "leider" auch nicht geht), da diese alte Diskussion schon zigtausend mal geführt wurde, sondern primär darum, warum die Politik meint, es reiche aus, wenn nur ein Drittel nach diesem Abschluss noch weitermacht und auch die Wirtschaft fleißig warb und wirbt -- aber die Studenten es offensichtlich anders sehen und einige Hochschulen dies unterstützen, indem sie genügend Masterstudienplätze zur Verfügung stellen.
Na, diese Entwicklung kann ich ganz gut verstehen, wenn ich mich an viele Diskussionen am Arbeitsplatz über Ing. grad und Dipl.Ing erinnere. Wenn der höhere Abschluß mit vertretbarem Aufwand zu erreichen ist... was soll da die "amtliche Begrenzung" auf den Bachelor? Dann müßten die Mühen bis zum Master schon so hoch liegen, der Zeitaufwand so groß sein, daß eben die 2/3 sich mit dem Bachelor zufrieden geben.

Wichtig ist doch, daß der Arbeitsmarkt mit spielt. Letztendlich, Wissenschaften hin oder her, entscheidet doch der Arbeitsmarkt darüber, mit welchen Abschlüssen die jungen Leute sich ins Getümmel wagen. Nach 10 Jahren engagierter Arbeit im Beruf sind viele Anfangsunterschiede längst eingeebnet.
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von frems »

H2O hat geschrieben:(18 Dec 2016, 23:12)

Na, diese Entwicklung kann ich ganz gut verstehen, wenn ich mich an viele Diskussionen am Arbeitsplatz über Ing. grad und Dipl.Ing erinnere. Wenn der höhere Abschluß mit vertretbarem Aufwand zu erreichen ist... was soll da die "amtliche Begrenzung" auf den Bachelor? Dann müßten die Mühen bis zum Master schon so hoch liegen, der Zeitaufwand so groß sein, daß eben die 2/3 sich mit dem Bachelor zufrieden geben.

Wichtig ist doch, daß der Arbeitsmarkt mit spielt. Letztendlich, Wissenschaften hin oder her, entscheidet doch der Arbeitsmarkt darüber, mit welchen Abschlüssen die jungen Leute sich ins Getümmel wagen. Nach 10 Jahren engagierter Arbeit im Beruf sind viele Anfangsunterschiede längst eingeebnet.
Stimmt. Wenn ich mich recht entsinne, studierte man an Ingenieurschulen drei Jahre für den Ing., wovon viele später zum Dipl.-Ing. (FH) nachdiplomiert wurden, da aus diesen Schulen viele Fachhochschulen gemacht wurden. Der Abschluss war aber weiterhin unter dem Dipl.-Ing. der Unis und berechtigte bspw. nicht zur Promotion.

Gefährliches Halbwissen: die Begrenzung war ein Kompromiss. Einige Länder wollten komplett feste Zeiträume, da dies einen Hochschulwechsel erleichtert und mehr Transparenz bietet. Andere Länder bevorzugten wiederum mehr Autonomie, da sie der Meinung waren, dass man nicht so pauschal sagen könne, dass Studiendauer X für alle Fächer die optimale Zeit wäre. Also einigte man sich auf 6-8 Semester für den ersten Abschluss und insgesamt 10 bis zum zweiten. Das sind, wie gesagt, nur die Regelzeiten. Wie lange ein Student dann tatsächlich benötigt, steht auf einem anderen Blatt.

Aber ja, man könnte die Ansprüche nochmal drastisch hochsetzen. Ob das irgendwem nützt, würde ich aber bezweifeln.
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von H2O »

frems hat geschrieben:(18 Dec 2016, 23:26)
...
... man könnte die Ansprüche nochmal drastisch hochsetzen. Ob das irgendwem nützt, würde ich aber bezweifeln.
Damit ist niemandem gedient, wenn die heran gebildeten jungen Leute die Erwartungen des Arbeitsmarkts erfüllen. Schlimm wäre die Sache nur, wenn deutsche Personalchefs massenweise Fachleute vom Internationalen Markt "einkauften", weil diese Qualifikationen hier nicht ausgebildet werden. Dann hätten aber etliche Leute in politischer Verantwortung sehr hartnäckig geschlafen!
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von frems »

H2O hat geschrieben:(18 Dec 2016, 23:35)

Damit ist niemandem gedient, wenn die heran gebildeten jungen Leute die Erwartungen des Arbeitsmarkts erfüllen. Schlimm wäre die Sache nur, wenn deutsche Personalchefs massenweise Fachleute vom Internationalen Markt "einkauften", weil diese Qualifikationen hier nicht ausgebildet werden. Dann hätten aber etliche Leute in politischer Verantwortung sehr hartnäckig geschlafen!
Wenn wir die Zahl künstlich verknappen, um das Ziel 33% zu erreichen, wird das jedenfalls nicht zu mehr Masterabsolventen führen. Bei den absoluten Spitzenkräften schaut man hingegen eh global. Und so schlecht scheinen die deutschen Absolventen nicht anzukommen, wenn man auf die Gehälter schaut. In Bayern gab's mal eine Umfrage unter Absolventen:
Mehr als 90 Prozent der Bachelorabsolventen in Betriebswirtschaftslehre, Informatik und den Ingenieurwissenschaften finden demnach nach ihrem Abschluss zügig eine erste Stelle. Dabei verdienen Bachelorabsolventen beim Berufseinstieg fast ebenso viel wie Diplomabsolventen – und Masterabsolventen verdienen zu Beginn sogar teilweise deutlich mehr. [...]

Heubisch räumte aber ein, dass es dennoch "Entwicklungspotenzial" gebe – etwa wenn es darum gehe, wie der Bachelor von den Studenten selbst gesehen werde. "Wir müssen die Wahrnehmung des Bachelor als ersten berufsqualifizierenden Abschluss weiter stärken und Vorurteilen entgegentreten", sagte er.
https://www.welt.de/regionales/muenchen ... anden.html

Bei den Geisteswissenschaften sei es schwieriger, aber das kam nicht erst mit den neuen Abschlüssen.
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von frems »

Nochmal etwas zum Thema:

Liebling der Wirtschaft
Welche Chancen haben Bachelor-Absolventen auf dem Jobmarkt? Unternehmen und Wirtschaftsverbände loben den Abschluss, die Studierenden aber sind misstrauisch.

http://www.zeit.de/wirtschaft/2017-04/b ... ettansicht
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Beitrag von Kael »

Der einzige Grund warum ich mein Master Studium mache ist, weil ich das Wort Bachelor ekelhaft finde
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von frems »

Kael hat geschrieben:(20 Apr 2017, 11:48)

Der einzige Grund warum ich mein Master Studium mache ist, weil ich das Wort Bachelor ekelhaft finde
Danke, den Grund kannte ich noch nicht und habe ihn in den Umfragen auch noch nie gelesen. Da nennen die Studenten normalerweise Gehaltsaussichten, Vertiefung des Faches, Erweiterung der Bildung (teils nicht-konsekutiv), Hochschulwechsel (inkl. Auslandserfahrung), Unsicherheit beim Berufseinstieg usw. als Grund. Wünsche Dir aber viel Erfolg.
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von Merkel_Unser »

frems hat geschrieben:(20 Apr 2017, 20:12)

Danke, den Grund kannte ich noch nicht und habe ihn in den Umfragen auch noch nie gelesen. Da nennen die Studenten normalerweise Gehaltsaussichten, Vertiefung des Faches, Erweiterung der Bildung (teils nicht-konsekutiv), Hochschulwechsel (inkl. Auslandserfahrung), Unsicherheit beim Berufseinstieg usw. als Grund. Wünsche Dir aber viel Erfolg.
Sind m.M.n alles zweitrangige Gründe. Der Hauptgrund ist ganz einfach die Hoffnung, sich mit einem höheren Abschluss der Konkurrenz am Arbeitsmarkt zu entledigen. So kommt es nicht von ungefähr, dass in Biologie oder Physik sich viele schon zur Promovotion genötigt sehen, während man in Ingenieurstudiengängen oder in Informatik durchaus auch mit einem Bachelor als Abschluss zufrieden ist.
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von frems »

Merkel_Unser hat geschrieben:(20 Apr 2017, 20:21)

Sind m.M.n alles zweitrangige Gründe. Der Hauptgrund ist ganz einfach die Hoffnung, sich mit einem höheren Abschluss der Konkurrenz am Arbeitsmarkt zu entledigen. So kommt es nicht von ungefähr, dass in Biologie oder Physik sich viele schon zur Promovotion genötigt sehen, während man in Ingenieurstudiengängen oder in Informatik durchaus auch mit einem Bachelor als Abschluss zufrieden ist.
Na, die Gründe "Unsicherheit beim Berufseinstieg (mit Bachelor)" und Gehaltsaussichten sind doch unmittelbar mit der Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt verbunden. :?: Ein Problem, einen Job zu finden, scheinen die Bachelors ja laut Statistiken nicht zu haben. Frage ist natürlich, was für ein Job das ist. Will man in die Forschung, wird es auch als Ingenieur mit Bachelorabschluss etwas schwierig. Aber das Ziel hat ja nicht jeder.
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von Merkel_Unser »

frems hat geschrieben:(20 Apr 2017, 20:26)

Na, die Gründe "Unsicherheit beim Berufseinstieg (mit Bachelor)" und Gehaltsaussichten sind doch unmittelbar mit der Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt verbunden. :?: Ein Problem, einen Job zu finden, scheinen die Bachelors ja laut Statistiken nicht zu haben. Frage ist natürlich, was für ein Job das ist. Will man in die Forschung, wird es auch als Ingenieur mit Bachelorabschluss etwas schwierig. Aber das Ziel hat ja nicht jeder.
Hab diese Statistik nicht gesehen, aber in manchen Fächern ist es definitiv schwer bis unmöglich einen Job als Bachelor zu bekommen, eben weil die Konkurrenz allesamt höhere Abschlüsse hat, natürlich um sich abzuheben. Dadurch entsteht ja auch der Praktika-, Auslandsjahr, und sonstige Lebenslauf-Optimierungswahn - zumindest in den genannten Bereichen.
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von Kael »

An der FH bekommt man genug Praxis, da man auch mit Firmen direkt zusammen arbeitet. (zumindest da wo ich bin).
Bachelor ist das Ziel, Master ist 'nice to have' - Wenn ich nach dem Bachelor keinen guten Job habe, mach ich meinen Master - Auch um die Bezeichnung "Bachelor" loszuwerden.
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von frems »

Merkel_Unser hat geschrieben:(20 Apr 2017, 20:35)

Hab diese Statistik nicht gesehen, aber in manchen Fächern ist es definitiv schwer bis unmöglich einen Job als Bachelor zu bekommen, eben weil die Konkurrenz allesamt höhere Abschlüsse hat, natürlich um sich abzuheben. Dadurch entsteht ja auch der Praktika-, Auslandsjahr, und sonstige Lebenslauf-Optimierungswahn - zumindest in den genannten Bereichen.
In welchen Fächern soll das denn sein? Ich kenn auch Naturwissenschaftler, die nur einen Bachelorabschluss machten, obwohl eine Mehrheit in ihrem Bereich sogar promoviert. In der Forschung ist niemand gelandet, aber das war auch nicht ihr Ziel. Jobs gefunden haben sie alle, auch wenn es bei einigen mal zwei, drei Monate gedauert hat.
Kael hat geschrieben:An der FH bekommt man genug Praxis, da man auch mit Firmen direkt zusammen arbeitet. (zumindest da wo ich bin).
Bachelor ist das Ziel, Master ist 'nice to have' - Wenn ich nach dem Bachelor keinen guten Job habe, mach ich meinen Master - Auch um die Bezeichnung "Bachelor" loszuwerden.
Also geht's doch vor allem um die berufliche Karriere. Macht's da denn so einen großen Unterschied? Immerhin belassen es an FH deutlich mehr Absolventen beim Bachelor als an Universitäten.
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von Kael »

Ja, weil die Uni im normalfall nicht 'Praxisnah' unterrichtet.
Da wo ich studiere haben wir 2 Unis. Einmal die FH und einmal eine TH.
Die Uniabsolventen haben viiiiel mehr Theorie als wir und in einem direkten Vergleich, bei Praxisnähe, schnitt unsere FH besser ab. Allerdings bei wissenschaftlicher theoretischer Arbeit hat uns die Uni abgehängt.
Es kommt eben ganz drauf an.
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von frems »

Kael hat geschrieben:(21 Apr 2017, 14:46)

Ja, weil die Uni im normalfall nicht 'Praxisnah' unterrichtet.
Da wo ich studiere haben wir 2 Unis. Einmal die FH und einmal eine TH.
Die Uniabsolventen haben viiiiel mehr Theorie als wir und in einem direkten Vergleich, bei Praxisnähe, schnitt unsere FH besser ab. Allerdings bei wissenschaftlicher theoretischer Arbeit hat uns die Uni abgehängt.
Es kommt eben ganz drauf an.
Aachen? Ist zumindest die einzige mir bekannte Uni, die sich noch TH nennt. Alle anderen "TH", die in den letzten Jahren aufgeploppt sind, sind umbenannte FH. Deren Absolventen kommen in der Wirtschaft eigentlich ganz gut unter und steht auch international in Rankings ganz gut: https://i.imgur.com/hVU47eq.png

Hab nur leider nicht gefunden, wie viele Absolventen dort einen M.Sc. dranhängen. Wäre aber mal interessant. Weißt Du da was?
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von frems »

Hab nur leider nicht gefunden, wie viele Absolventen dort einen M.Sc. dranhängen. Wäre aber mal interessant.

Ein halbes Jahr später weiß man nun zumindest, wie viele es an allen Universitäten ist. Und dort ist der Anteil bei Ingenieuren noch höher als (s. Eingangsbeitrag) über alle Fachdisziplinen an Universitäten hinweg (80%).
Die meisten Studenten entscheiden sich für den Master, nur wenige machen nach dem Bachelor eine längere Pause. Das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) hat untersucht, wie viele Studenten spätestens eineinhalb Jahre nach dem Bachelor ein Masterstudium aufgenommen haben. Das Ergebnis: Bei Ingenieuren von der Uni entscheiden sich neun von zehn dafür, unter den Absolventen von Fachhochschulen rund die Hälfte.
http://www.zeit.de/campus/2017/s2/ingen ... -erfahrung
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von imp »

Merkel_Unser hat geschrieben:(20 Apr 2017, 20:35)

Hab diese Statistik nicht gesehen, aber in manchen Fächern ist es definitiv schwer bis unmöglich einen Job als Bachelor zu bekommen, eben weil die Konkurrenz allesamt höhere Abschlüsse hat, natürlich um sich abzuheben. Dadurch entsteht ja auch der Praktika-, Auslandsjahr, und sonstige Lebenslauf-Optimierungswahn - zumindest in den genannten Bereichen.
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von frems »

Sole.survivor@web.de hat geschrieben:(16 Sep 2017, 12:08)

Chemie.
Da war schon früher die Promotion die Regel. 2005:
Ohne Doktortitel geht fast gar nichts bei angehenden Chemikern. "Die Industrie-, vor allem die Großindustrie, erwartet die Promotion", sagt Manfred Heuschmann, Chemiker und Studiendekan an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München. Mehr als 90 Prozent der Chemiker schließen an ihr Diplom darum eine Doktorarbeit an.
http://www.spiegel.de/lebenundlernen/jo ... 38263.html
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von H2O »

frems hat geschrieben:(16 Sep 2017, 15:47)

Da war schon früher die Promotion die Regel. 2005:


http://www.spiegel.de/lebenundlernen/jo ... 38263.html
Das war aber auch schon in den 1960er Jahren nicht grundlegend anders. Studiendauer 18 bis 20 Semester, und danach etliche Promotionssemester als wissenschaftliche Mitarbeiter. Ähnlich bei Physikern und Biologen. Der Doktorgrad gehört dort fast zum Studienabschluß.

Vielleicht eine Überlegung zum Bachelor und Master:

Wenn man ein Master-Studium im MINT-Bereich erst nach einigen Jahren mit einschlägiger Berufserfahrung vorsähe, dann könnte man sehr wahrscheinlich zwei gute Nebenwirkungen erzielen: Der Studierende ist sehr selbständig und arbeitet gezielt auf eine ihn interessierende Fächerauswahl hin, um wissenschaftlich das zu vertiefen, was ihm in der Praxis am reizvollsten erschienen war. Höchstwahrscheinlich käme es so auch zu mehr Promotionen zu spannenden Fragen der Wissenschaften. Diese Akademiker hätten dann auch wieder leichteren Zugang zur Arbeitswelt, weil sie schon Betriebserfahrung haben... womöglich sogar in ihren "alten" Betrieb zurück kehren.

Weiterhin würden Arbeitgeber wohl doch sehr behutsam mit den Bachelors umspringen, damit eingearbeitete Fachkräfte möglichst dem Betrieb erhalten bleiben... und vielleicht sogar auf ein Masterstudium pfeifen.

Der Nachteil ist natürlich, daß der festgelegte Ausbildungsgang dann bis in die Zeit zur Familiengründung hinein ragt. Dadurch dürfte die Zahl von Master-Studierenden schrumpfen.
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von frems »

H2O hat geschrieben:(16 Sep 2017, 15:57)

Das war aber auch schon in den 1960er Jahren nicht grundlegend anders. Studiendauer 18 bis 20 Semester, und danach etliche Promotionssemester als wissenschaftliche Mitarbeiter. Ähnlich bei Physikern und Biologen. Der Doktorgrad gehört dort fast zum Studienabschluß.
Ja. Deshalb ist die Kritik der AfD auch etwas hanebüchen, da es -- wie gesagt -- früher nicht anders war und niemand sagt, man müsse nach dem Bachelor mit dem Studieren aufhören und es nicht bei "sechs oder sieben Semester Physik" bleiben müsse.
"Wir glauben, dass der Bachelor auf dem Arbeitsmarkt als nicht etabliert gilt. Wir können auch feststellen, dass ein Bachelor ungefähr die Zeitdauer einer Berufsausbildung hat. Und wir haben nach wie vor das Problem mit der Verschulung. Ich selber bin nicht betroffen, weil ich Rechtswissenschaften als Staatsexamen studiere. Aber ich merke das im Kontakt mit Freunden, die erzählen: wenn ich sechs oder sieben Semester Physik studiere, dann werde ich mit einem Bachelor in Physik nicht als echter Physiker anerkannt. Und ich glaube, dass man hier mit dem Diplom und Magister etwas aufgegeben hat, das sich einfach bewährt hat. Und darum wäre es wahrscheinlich auch wünschenswert, wenn man dahin wieder zurückkehrt."
http://www.deutschlandfunk.de/bundestag ... _id=395170
Vielleicht eine Überlegung zum Bachelor und Master:

Wenn man ein Master-Studium im MINT-Bereich erst nach einigen Jahren mit einschlägiger Berufserfahrung vorsähe, dann könnte man sehr wahrscheinlich zwei gute Nebenwirkungen erzielen: Der Studierende ist sehr selbständig und arbeitet gezielt auf eine ihn interessierende Fächerauswahl hin, um wissenschaftlich das zu vertiefen, was ihm in der Praxis am reizvollsten erschienen war. Höchstwahrscheinlich käme es so auch zu mehr Promotionen zu spannenden Fragen der Wissenschaften. Diese Akademiker hätten dann auch wieder leichteren Zugang zur Arbeitswelt, weil sie schon Betriebserfahrung haben... womöglich sogar in ihren "alten" Betrieb zurück kehren.

Weiterhin würden Arbeitgeber wohl doch sehr behutsam mit den Bachelors umspringen, damit eingearbeitete Fachkräfte möglichst dem Betrieb erhalten bleiben... und vielleicht sogar auf ein Masterstudium pfeifen.

Der Nachteil ist natürlich, daß der festgelegte Ausbildungsgang dann bis in die Zeit zur Familiengründung hinein ragt. Dadurch dürfte die Zahl von Master-Studierenden schrumpfen.
So ein "gap year" wird auch teilweise beworben, aber für die Masse scheint das nicht attraktiv zu sein, wenn an Universitäten 90% der Studenten nach ihrem Bachelor direkt ins Masterstudium übergehen. Und bei den restlichen 10% wissen wir auch nicht, was sie machen. Vielleicht gehen sie in die Wirtschaft und bleiben dort, vielleicht machen sie eine Weltreise, ein paar längere Praktika oder stellen fest, dass das Fach letztendlich nicht das war, was sie sich erhofften, weshalb sie ein anderes grundständiges Studium anschließen.

Persönlich finde ich schon interessant, dass die Politik Änderungswünsche (aus Kostengründen) hat, aber die Hochschulen und Studenten dem nicht folgen, sondern weitestgehend in bisherigen Mustern (Regelstudienzeit) bleiben. Es war vielleicht nicht alles schlecht.
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von H2O »

frems hat geschrieben:(16 Sep 2017, 17:09)
...

... die Hochschulen und Studenten dem nicht folgen, sondern weitestgehend in bisherigen Mustern (Regelstudienzeit) bleiben. Es war vielleicht nicht alles schlecht.
Davon gehe ich auch aus; aber ich könnte mir schon vorstellen, daß es für einen künftigen Wissenschaftler doch sehr vernünftig wäre, sich als Bachelor in der Berufswelt seiner Disziplin um zu sehen und sich auch zu bewähren. Möglicherweise bleibt dann doch die größere Zahl im Beruf, und nur eine Minderheit mit wissenschaftlichem Ehrgeiz setzt das wissenschaftliche Studium fort. Völlig klar: Ohne diese Voraussetzung macht das wohl nur selten jemand. Da ist Geschwindigkeit keine Hexerei, und je höher der akademische Abschluß, desto besser bei der Gehaltsverhandlung zu Beginn des Arbeitslebens..

Wirklich besser ist aber geworden, daß zumindest staatlicherseits der Bachelor schon einmal als Berufseinstieg zugelassen ist. Wenn die Wirtschaft das nicht so übernimmt, dann hat sie offenbar genügend viele kostengünstige Bewerber mit dem Masterabschluß. Dabei sind junge Leute meist besser in die beruflichen Hierarchie ein zu bauen und durch gezielte Weiterbildung formbar für die Aufgaben in der Arbeitswelt.

Auch halte ich als Diplomierter den Schritt vom alten Diplom zum Master für unerheblich. Vor vielen Jahrzehnten haben wir uns auch bis zum Diplom in die Riemen legen müssen, nicht selten in Nachtschicht und an 365 Tagen im Jahr, um die Studienziele mit guten Ergebnissen zu erreichen. Und das soll jetzt in kürzerer Zeit zu vergleichsweise höher bewerteten Masterabschlüssen führen?
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H2O hat geschrieben:(16 Sep 2017, 18:51)

Davon gehe ich auch aus; aber ich könnte mir schon vorstellen, daß es für einen künftigen Wissenschaftler doch sehr vernünftig wäre, sich als Bachelor in der Berufswelt seiner Disziplin um zu sehen und sich auch zu bewähren. Möglicherweise bleibt dann doch die größere Zahl im Beruf, und nur eine Minderheit mit wissenschaftlichem Ehrgeiz setzt das wissenschaftliche Studium fort. Völlig klar: Ohne diese Voraussetzung macht das wohl nur selten jemand. Da ist Geschwindigkeit keine Hexerei, und je höher der akademische Abschluß, desto besser bei der Gehaltsverhandlung zu Beginn des Arbeitslebens..
Na, das ist doch heute auch völlig normal. In vielen Studiengängen sind Pflichtpraktika die Regel und die Mehrheit der Studenten arbeitet nebenbei in fachnahen Einrichtungen. Ob man dann noch ein Urlaubssemester einlegt oder zwischen zwei Studiengängen eine "Pause" fürs Arbeiten einlegt, nimmt sich doch nicht so viel.
Wirklich besser ist aber geworden, daß zumindest staatlicherseits der Bachelor schon einmal als Berufseinstieg zugelassen ist. Wenn die Wirtschaft das nicht so übernimmt, dann hat sie offenbar genügend viele kostengünstige Bewerber mit dem Masterabschluß. Dabei sind junge Leute meist besser in die beruflichen Hierarchie ein zu bauen und durch gezielte Weiterbildung formbar für die Aufgaben in der Arbeitswelt.
Schaut man sich die Einstiegsgehälter an, ist der Masterabsolvent keineswegs günstiger, sondern eine gute Stange teurer; aber ist ja auch logisch, weil er eine höhere Qualifikation hat, genau wie ein Dr.-Ing. früher schon ein höheres Einstiegsgehalter erwarten konnte als der Dipl.-Ing. Das ist mit B.Sc., M.Sc. und PhD nicht auf einmal anders. Ebenso verdiente ein Uni-Ing. meist mehr als ein FH-Ing., und letzterer wiederum mehr als ein Absolvent einer Ingenieurschule ohne akademischen Grad.

Und schlecht angenommen werden sie ja nicht. Die Bachelorabsoventen kommen in großer Mehrheit problemlos in der Wirtschaft unter, selbst wenn der erste Job vielleicht nicht das ist, was sie sich fürs gesamte Berufsleben erhofft haben. Eher klagen die Betriebe, dass sie gerne Bachelor einstellen würden, aber insb. die talentiertesten Absolventen lieber gleich an der Uni bleiben und noch mind. den Master dranhängen. Wie im vorigen Link steht, tun dies ja 90% der Jungingenieure. Und die Promotion ist im Ingenieurwesen -- anders als in einigen Naturwissenschaften und der Medizin -- eher selten anzutreffen.
Auch halte ich als Diplomierter den Schritt vom alten Diplom zum Master für unerheblich. Vor vielen Jahrzehnten haben wir uns auch bis zum Diplom in die Riemen legen müssen, nicht selten in Nachtschicht und an 365 Tagen im Jahr, um die Studienziele mit guten Ergebnissen zu erreichen. Und das soll jetzt in kürzerer Zeit zu vergleichsweise höher bewerteten Masterabschlüssen führen?
Es hat sich ja nicht so viel geändert wie manch einer glaubt. Oder anders: viele Reformen haben mit dem Bologna-Prozess gar nichts zu tun. Und der Masterabschluss ist doch nicht schneller zu erreichen als das Diplom; eher im Gegenteil. Da sollte man schon einen Blick auf die Regelstudienzeit werfen. Und die liegt bis zum Master bei zehn Semestern. Das galt fürs Diplom als Maximum. Teilweise erhielt man es auch nach acht bis neun Semestern an Universitäten, wenn man mal davon absieht, dass es in der Nachkriegszeit sogar schon mal nach drei Jahren ein Diplom gab. Jeweils in der Regelstudienzeit, versteht sich. In der Praxis haben Studenten im Schnitt schon immer länger gebraucht. Zudem wird der Master ja nicht als höher bewertet als das Uni-Diplom. Beim Qualifizierungsrahmen sind die Abschlüsse auf der selben Stufe, sind jeweils die Eintrittskarte zum Höheren Dienst sowie zur Promotion. Dass Masterabsolventen in der Praxis etwas höhere Einstiegsgehälter in der Privatwirtschaft erzielen, hat andere Gründe und so groß ist der Unterschied nicht.
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von imp »

Die meisten Leute gehen aus einem etablierten Erwerbsleben nicht zurück in ein Vollzeitstudium mit Mini-Einkünften. Wer einmal richtig arbeitet, macht überwiegend noch Qualifikationen, die berufsbegleitend realistisch sind.
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von H2O »

@frems:

Diese Darlegungen sind durchweg nachvollziehbar. Vor allem werden im Ingenieurswesen natürlich die Veränderungen der Arbeitsmittel zu ganz anderen Leistungen führen. Ich war 1967 einer der ersten, wenn nicht der erste, Diplomand auf meinem Gebiet, der Feldberechnungen mit einem Großrechner durchführte. Aber der mathematische Aufwand zuvor war der helle Wahnsinn... da staune ich noch heute. :) Viele Wochen Programmierarbeit und Tests nach der mathematischen Formulierung.

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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von H2O »

Sole.survivor@web.de hat geschrieben:(16 Sep 2017, 20:47)

Die meisten Leute gehen aus einem etablierten Erwerbsleben nicht zurück in ein Vollzeitstudium mit Mini-Einkünften. Wer einmal richtig arbeitet, macht überwiegend noch Qualifikationen, die berufsbegleitend realistisch sind.
Das meinte ich ja auch. In meinem Beruf habe ich die Dinge, die ich dann tatsächlich brauchte, in mühevoller Nachtarbeit erworben. Damals hatte unser Unternehmen noch eine sehr gut sortierte Bibliothek, und da saß ich wie angenagelt, um das zu verstehen, was für meine Aufgaben wichtig war. Diese Dinge waren damals noch nicht "Stand der Technik", aber wenn man etwas Neues erarbeiten wollte, dann mußte man dort hindurch. Dieses Wissen war an deutschen Hochschulen noch nicht in die Lehre übernommen worden.

Und später wurden auch von Fortbildungsvereinen weiterführende Kenntnisse vermittelt, um Schritt zu halten mit der Weiterentwicklung der Wissenschaften.

Was dabei an Kenntnissen wirklich wertvoll war: Gute Kenntnisse der Physik und der Mathematik; darauf konnte man immer wieder neu aufbauen.
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von frems »

H2O hat geschrieben:(17 Sep 2017, 06:55)

@frems:

Diese Darlegungen sind durchweg nachvollziehbar. Vor allem werden im Ingenieurswesen natürlich die Veränderungen der Arbeitsmittel zu ganz anderen Leistungen führen. Ich war 1967 einer der ersten, wenn nicht der erste, Diplomand auf meinem Gebiet, der Feldberechnungen mit einem Großrechner durchführte. Aber der mathematische Aufwand zuvor war der helle Wahnsinn... da staune ich noch heute. :) Viele Wochen Programmierarbeit und Tests nach der mathematischen Formulierung.

Mit etwas Übung in der Handhabung der Rechnung mit finiten Elementen haut das heute ein Student in wenigen Tagen auf einem PC 'raus.
Die Technik entwickelt sich halt weiter und betrifft nicht nur das Hochschulstudium. Man kann sich ja auch mal vorstellen, wie die Fahrzeugtechnik des Pkw in den 60ern aussah und womit Kfz-Mechatroniker heute zu tun haben; sei es die ganze Elektronik im Fahrzeug, der Wasserstoff-, Gas- oder Batterie-Antrieb, die vielen Assistenzsysteme oder die ersten Schritte in Richtung autonomes Fahren. Ein Golf I, Trabi oder eine Ente waren da noch etwas, nunja, rustikaler. ;) Und man kann wohl davon ausgehen, dass es in 50 Jahren mindestens genau so komplexer wird.
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von Janaaaria »

Mehr internationale Vergleichbarkeit, bessere Anrechnung von Studienleistungen weltweit, Anpassung an die globalen Anforderungen – viele Versprechungen wurden mit der Umänderung von Diplom auf Bachelor (+Master?) gemacht. Ob sie sinnvoll sind, muss jeder für sich entscheiden. Aber ich lehne es nach wie vor entschieden ab zu sagen, dass man mit einem Bachelor im Vergleich zu anderen schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt ab. Das stimmt einfach nicht. Ob man seinen Traumjob ergattern kann hängt von weiteren Faktoren wie praktische Erfahrung, Eigeninitiative und Selbstpräsentation ab. Und der grundsätzliche Gedankengang, dass man nur mit einem Studium besser abschneidet stimmt ebenfalls nicht. Schaut euch mal die Stellenanforderungen im Mittelstand z.B. hier mal an und beobachtet mal wie häufig Uniabschlüsse gefordert sind.
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von H2O »

Janaaaria hat geschrieben:(22 Sep 2017, 14:25)

Mehr internationale Vergleichbarkeit, bessere Anrechnung von Studienleistungen weltweit, Anpassung an die globalen Anforderungen – viele Versprechungen wurden mit der Umänderung von Diplom auf Bachelor (+Master?) gemacht. Ob sie sinnvoll sind, muss jeder für sich entscheiden. Aber ich lehne es nach wie vor entschieden ab zu sagen, dass man mit einem Bachelor im Vergleich zu anderen schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt ab. Das stimmt einfach nicht. Ob man seinen Traumjob ergattern kann hängt von weiteren Faktoren wie praktische Erfahrung, Eigeninitiative und Selbstpräsentation ab. Und der grundsätzliche Gedankengang, dass man nur mit einem Studium besser abschneidet stimmt ebenfalls nicht. Schaut euch mal die Stellenanforderungen im Mittelstand z.B. hier mal an und beobachtet mal wie häufig Uniabschlüsse gefordert sind.
  • Ob sie (die Vergleichbarkeit) sinnvoll sind, muss jeder für sich entscheiden.
Hier gibt es aber nicht viel zu entscheiden; in der Vergangenheit haben Staaten die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten von Ausländern nicht anerkannt, so daß es nicht ohne besondere Schwierigkeiten möglich war, sich ganz einfach auf eine ausgeschriebene Stelle zu bewerben. In der EU wird das aber auf mittlere Sicht nichts Besonderes mehr sein, daß Menschen sich über Grenzen hinweg um Arbeitsstellen bewerben werden. Das Sprachproblem bleibt natürlich... aber große Betriebe gehen ja auch zur Firmensprache Englisch über. Das wird vermutlich der Standard.

Die EU muß natürlich darauf achten, daß Bachelor drin ist, wo Bachelor drauf steht, oder eben Master drin ist, wo Master drauf steht. Wenn die EU da schlampt, werden die hehren Vorsätze den Weg so vieler guter Vorsätze gehen.
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von frems »

H2O hat geschrieben:(23 Sep 2017, 09:40)
  • Ob sie (die Vergleichbarkeit) sinnvoll sind, muss jeder für sich entscheiden.
Hier gibt es aber nicht viel zu entscheiden; in der Vergangenheit haben Staaten die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten von Ausländern nicht anerkannt, so daß es nicht ohne besondere Schwierigkeiten möglich war, sich ganz einfach auf eine ausgeschriebene Stelle zu bewerben. In der EU wird das aber auf mittlere Sicht nichts Besonderes mehr sein, daß Menschen sich über Grenzen hinweg um Arbeitsstellen bewerben werden. Das Sprachproblem bleibt natürlich... aber große Betriebe gehen ja auch zur Firmensprache Englisch über. Das wird vermutlich der Standard.

Die EU muß natürlich darauf achten, daß Bachelor drin ist, wo Bachelor drauf steht, oder eben Master drin ist, wo Master drauf steht. Wenn die EU da schlampt, werden die hehren Vorsätze den Weg so vieler guter Vorsätze gehen.
Naja, Moment. Innerhalb der EU ist es tatsächlich schon heute nicht ungewöhnlich, dass man in anderen Ländern arbeitet und seine Abschlüsse anerkennen lässt. Auch ist es nichts besonderes mehr, wenn ein deutscher Abiturient in den Niederlanden ein Bachelorstudium absolviert und damit ein Masterstudium in Finnland aufnimmt. Solche Fälle werden ganz gerne übersehen, wenn man z.B. nach Austauschstudenten Statistiken führt und "beklagt", dass der Anteil nicht ganz so stark stieg wie man es sich ursprünglich erhofft hatte. Das gilt auch für ein älteres Diplom und dafür gibt's den EQR (https://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3% ... ionsrahmen). Der Bologna-Prozess hingegen kam vom Europarat auf Vorschlag der UNESCO (https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%9Cber ... hen_Region), während die Umsetzung bei uns den Ländern bzw. autonomen Hochschulen unterliegt. Sprich, bei uns hat da nicht einmal der Bund viel mitzureden und erst recht nicht Europa.

Das führt natürlich noch im Einzelfall zu Problemen, z.B. bei den Namen der akademischen Graden. So vergeben insb. deutsche Fachhochschulen im Ingenieurwesen den akademischen Grad Bachelor bzw. Master of Engineering, weil B./M.Eng. wohl mehr nach dem alten Dipl.-Ing. (FH) klingt. Die TUs bevorzugen hingegen Bachelor und Master of Science, weil es in den MINT-Fächern international üblich ist. Die Verwirrung entsteht dann, wenn ein solcher Absolvent z.B. im Nachbarland Dänemark arbeiten will, wo es ebenfalls beide Abschlüsse gibt, aber die studierten Ingenieure entsprechend ihr "Sc." führen, während es nur den B.Eng. für "Techniker" (vergleichbar) gibt ohne die Möglichkeit eines Masters, da dies nicht als akademischer Abschluss gilt.

Aber das ist vor allem ein oberflächliches Problem, welches in der Praxis nicht zu Einschränkungen führen sollte. Jeder Absolvent in Europa erhält heute ein englisches diploma supplement (sowie eins in der Landessprache) mit staatlichem Siegel, welches man bei Bewerbungen zum Zeugnis dazulegen kann. Dort steht transparent, wie der Abschluss nach EQR-Standards einzuordnen ist und welche Eingangsvoraussetzungen es für ihn gibt. Ebenso umfasst es eine Erklärung des nationalen bzw. regionalen Bildungssystems von Grundschule bis zur Promotion (z.B. Dauer/Jahre, Notensystem etc.). Das pendelt sich seit einigen Jahren aber auch wieder ein, da die FHs in Deutschland so langsam internationaler werden und sich dem anpassen, was üblich ist. Dort herrschte ja auch der Glaube, der deutsche Dipl.-Ing. (ob mit "(FH)" oder ohne) sei weltweit bekannt. Doch dieser Glaube endete bekanntlich an der deutschen Grenze (Österreich und Schweiz mal ausgenommen) und wurde vor allem von Leuten verbreitet, die nie in einem anderen Land tätig waren. Es sind halt nur Buchstaben auf der Urkunde. Was zählt sind bekanntlich die Inhalte und das Niveau.
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von frems »

Janaaaria hat geschrieben:(22 Sep 2017, 14:25)

Mehr internationale Vergleichbarkeit, bessere Anrechnung von Studienleistungen weltweit, Anpassung an die globalen Anforderungen – viele Versprechungen wurden mit der Umänderung von Diplom auf Bachelor (+Master?) gemacht. Ob sie sinnvoll sind, muss jeder für sich entscheiden. Aber ich lehne es nach wie vor entschieden ab zu sagen, dass man mit einem Bachelor im Vergleich zu anderen schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt ab. Das stimmt einfach nicht. Ob man seinen Traumjob ergattern kann hängt von weiteren Faktoren wie praktische Erfahrung, Eigeninitiative und Selbstpräsentation ab. Und der grundsätzliche Gedankengang, dass man nur mit einem Studium besser abschneidet stimmt ebenfalls nicht. Schaut euch mal die Stellenanforderungen im Mittelstand z.B. hier mal an und beobachtet mal wie häufig Uniabschlüsse gefordert sind.
Naja, die Arbeitslosenquote unter Akademikern liegt in Deutschland bei weniger als 2,5%, was grundsätzlich als Vollbeschäftigung gilt, wenn man die übliche Fluktuation bei Jobwechseln berücksichtigt. Und es sagte ja niemand, dass man nicht ohne Studium auch Erfolg haben könnte. Es geht nur um Wahrscheinlichkeiten. Natürlich kann auch ein Schulabbrecher erfolgreich ein Unternehmen gründen, während ein soziopathischer Akademiker einfach keine Rolle in der Wirtschaft findet und einnimmt. Aber das heißt ja nicht, dass alle Bildungsgänge gleich sind und die entsprechend gleichen Chancen bieten.

Letztendlich ist es auch immer die Frage, was die einzelne Person im Leben erreichen möchte. Wenn ich ein schlichtes Beispiel aus meinem Umfeld bringen darf: ein Bekannter ist Förster, was sein Berufswunsch war. Entsprechend nahm er ein Studium der Forstwirtschaft an einer Fachhochschule auf und wurde später für die Leitung eines Reviers verbeamtet. Mit dem Abschluss landete im gehobenen Dienst und verdient entsprechend weniger als ein Beamter im höheren Dienst. Für letzteres hätte er Forstwissenschaft an einer Uni studieren müssen, was er mit seinem Abitur hätte tun können. Aber solche Leute arbeiten dann am Schreibtisch und überschauen mehrere Reviere statt "vor Ort" zu sein, was der besagte Bekannte nicht wollte. Und so ist er zufrieden, hat einen sicheren Job und gut ist. Will man hingegen in die Forschung oder gar eines Tages einen Lehrstuhl erhalten, ist es nahezu unmöglich, dies ohne Promotion zu erlangen. Da reicht ein Diplom bzw. Master für gewöhnlich nicht und genau so wenig ein Bachelorabschluss; jedenfalls in Deutschland. Auf die angesprochene duale Ausbildung übertragen hieße das auch, dass manch einer "nur" Geselle ist und den Job eben bis zur Rente macht statt auf die Meister- bzw. Technikerschule zu gehen. Ist doch okay. Die wenigsten Leute im Land haben überhaupt einen akademischen Abschluss und davon nur ein kleiner Prozentsatz den höchsten (Dr./PhD). Da muss man nicht jede "Zwischenstufe" gegen andere ausspielen.
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von H2O »

frems hat geschrieben:(23 Sep 2017, 15:15)

Naja, Moment. Innerhalb der EU ist es tatsächlich schon heute nicht ungewöhnlich, dass man in anderen Ländern arbeitet und seine Abschlüsse anerkennen lässt. Auch ist es nichts besonderes mehr, wenn ein deutscher Abiturient in den Niederlanden ein Bachelorstudium absolviert und damit ein Masterstudium in Finnland aufnimmt. Solche Fälle werden ganz gerne übersehen, wenn man z.B. nach Austauschstudenten Statistiken führt und "beklagt", dass der Anteil nicht ganz so stark stieg wie man es sich ursprünglich erhofft hatte. Das gilt auch für ein älteres Diplom und dafür gibt's den EQR (https://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3% ... ionsrahmen). Der Bologna-Prozess hingegen kam vom Europarat auf Vorschlag der UNESCO (https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%9Cber ... hen_Region), während die Umsetzung bei uns den Ländern bzw. autonomen Hochschulen unterliegt. Sprich, bei uns hat da nicht einmal der Bund viel mitzureden und erst recht nicht Europa.

Das führt natürlich noch im Einzelfall zu Problemen, z.B. bei den Namen der akademischen Graden. So vergeben insb. deutsche Fachhochschulen im Ingenieurwesen den akademischen Grad Bachelor bzw. Master of Engineering, weil B./M.Eng. wohl mehr nach dem alten Dipl.-Ing. (FH) klingt. Die TUs bevorzugen hingegen Bachelor und Master of Science, weil es in den MINT-Fächern international üblich ist. Die Verwirrung entsteht dann, wenn ein solcher Absolvent z.B. im Nachbarland Dänemark arbeiten will, wo es ebenfalls beide Abschlüsse gibt, aber die studierten Ingenieure entsprechend ihr "Sc." führen, während es nur den B.Eng. für "Techniker" (vergleichbar) gibt ohne die Möglichkeit eines Masters, da dies nicht als akademischer Abschluss gilt.

Aber das ist vor allem ein oberflächliches Problem, welches in der Praxis nicht zu Einschränkungen führen sollte. Jeder Absolvent in Europa erhält heute ein englisches diploma supplement (sowie eins in der Landessprache) mit staatlichem Siegel, welches man bei Bewerbungen zum Zeugnis dazulegen kann. Dort steht transparent, wie der Abschluss nach EQR-Standards einzuordnen ist und welche Eingangsvoraussetzungen es für ihn gibt. Ebenso umfasst es eine Erklärung des nationalen bzw. regionalen Bildungssystems von Grundschule bis zur Promotion (z.B. Dauer/Jahre, Notensystem etc.). Das pendelt sich seit einigen Jahren aber auch wieder ein, da die FHs in Deutschland so langsam internationaler werden und sich dem anpassen, was üblich ist. Dort herrschte ja auch der Glaube, der deutsche Dipl.-Ing. (ob mit "(FH)" oder ohne) sei weltweit bekannt. Doch dieser Glaube endete bekanntlich an der deutschen Grenze (Österreich und Schweiz mal ausgenommen) und wurde vor allem von Leuten verbreitet, die nie in einem anderen Land tätig waren. Es sind halt nur Buchstaben auf der Urkunde. Was zählt sind bekanntlich die Inhalte und das Niveau.
Meine Bedenken, daß die EU schlampen könnte und die vom Namen her gleichen Abschlüsse eben doch nicht gleichwertig sein könnten, widerlegen Sie mit der nationalen (!) Bescheinigung, daß dem selbstmurmelnd so ist. Besser als nichts ist das natürlich; aber eigentlich sollte die Bescheinigung von einer unbestechlichen übergeordneten Stelle wie der EU kommen und für die EU übergreifend gelten. Das Spiel läuft ja nicht so la-la, sondern da werden Leute für Laufbahnen sortiert und Anfangsgehälter vereinbart.
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Re: Politik-Ziel "Bachelor als Regelabschluss" komplett verfehlt

Beitrag von frems »

H2O hat geschrieben:(23 Sep 2017, 19:06)

Meine Bedenken, daß die EU schlampen könnte und die vom Namen her gleichen Abschlüsse eben doch nicht gleichwertig sein könnten, widerlegen Sie mit der nationalen (!) Bescheinigung, daß dem selbstmurmelnd so ist. Besser als nichts ist das natürlich; aber eigentlich sollte die Bescheinigung von einer unbestechlichen übergeordneten Stelle wie der EU kommen und für die EU übergreifend gelten. Das Spiel läuft ja nicht so la-la, sondern da werden Leute für Laufbahnen sortiert und Anfangsgehälter vereinbart.
Na, dat löppt sick allens t'recht. Anfangsschwierigkeiten sind nie zu vermeiden, wenn man eine größere Reform auf den Weg bringt. Und solche Probleme lassen sich ja korrigieren ohne dass die gesamte Reform in Frage gestellt werden muss.

Und ja, vom Namen her. Was zählt ist aber nicht der Buchstabe auf dem Papier, sondern das Diplom. Und da steht genau, welches Niveau der Abschluss hat und welches nicht. Das war bei uns ja nicht anders, z.B. gab's (oder gibt noch immer?) das Diplom von Berufsakademien. Das hatte den Eindruck, als sei es ein akademischer Grad, aber war "nur" eine staatlich anerkannte Abschlussbezeichnung. Der "Diplom-Betriebswirt (BA)" war somit im Gegensatz zum "Diplom-Betriebswirt (FH)" kein Akademiker, auch wenn beide Absolventen gerne dazu neigen, das Ding mit den Klammern wegzulassen, damit es wie ein Uni-Abschluss erscheint.

Ebenso haben ja einige Hochschulen ihre traditionellen Titel fortgeführt. Wenn man bspw. ein Masterstudium an einer der drei TUs in Österreich absolviert, steht auf der deutschen Diplomfassung "Dipl.-Ing.", in der englischen "M.Sc.". Daran sollte kein Unternehmen in Italien, Schweden, Irland oder Ungarn scheitern. In Belgien gibt's hingegen die Abschlüsse Gradué, Licencié und Ingenieur industriel. Wer weiß aus dem Stehgreif, was die ersten beiden Abschlüsse bedeuten? Klar, manch einer tut's oder kann es sich denken, da man ja auch im deutschsprachigen Raum von postgradualen Studien spricht, wenn jemand für die Aufnahme bereits einen ersten Abschluss (Gradué) benötigt. Wer es nicht weiß, der schaut halt aufs Diplom und sieht: aha, EQR6, Uni-Studium auf Bachelorniveau, Umfang drei Jahre, Voraussetzung Hochschulreife. Ist damit auf der selben Stufe eines FH-Diploms. Licencié wäre dann die nächste Stufe nach mind. zwei weiteren Jahren (respektive insg. fünf) und somit der Master oder das Uni-Diplom. Der ingenieur industriel ist einfach nur der Abschluss für Industrieingenieure, die aus historischen Gründen einen eigenen Grad haben.

Will nun eine deutsche Behörden jemanden für den höheren Dienst einstellen, schaut sie natürlich bei allen Abschlüssen darauf, dass er dies entspricht. Die nicht-deutschen Europäer haben den Vorteil, dass sie somit keine weiteren Bescheinigungen der Gleichwertigkeit samt Übersetzungen benötigen. Sie haben ja ihr Zeugnis und den englischsprachigen Anhang, der in allen Ländern des Europäischen Hochschulraums gleich aussieht. Probleme hat man dann eher mit nicht-europäischen Abschlüssen, so wie es für deutsche Absolventen früher immer eine Lotterie war, wie ihr Abschluss im Ausland anerkannt bzw. eingestuft wird. Bei einem Master aus Polen muss niemand damit rechnen, dass der Abschluss in Frankreich als Bachelor, Berufsschulabschluss oder gar nichts angesehen wird. Ich kenne ja selbst manch Dipl.-Ing., der selbstbewusst dachte, ihm stünden in den USA alle Tore offen. Bei den Bildungsbehörden musste man erstmal lange in Unterlagen wühlen, weil man dachte, das Diplom entspreche einem "diploma" einer Fachschule, was mehr oder weniger einer Berufsausbildung gleicht und nicht einem Hochschulstudium. Mit Glück erhielt er einen Wisch mit Stempel, wonach es ein Master ist, vielleicht aber auch nur ein Bachelor. Und so war's früher innerhalb Europas auch, wenn man von einigen bilateralen Abkommen absieht. Heute nicht mehr.

Der Qualifikationsrahmen hat übrigens auch für alle anderen Bildungswege Vorteile, da es nicht nur um akademische Abschlüsse geht. Da stellt man auch fest, dass bspw. der Hauptschulabschluss auf Stufe 2 (von 8, Promotion), die duale Berufsausbildung 4 und der staatlich geprüfte Techniker auf 6. Also wenn ein Personaler daran scheitert, dann sollte man um den Laden eh einen großen Bogen machen.
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