Wie man weiß herrscht im Iran seit der Islamischen Revolution 1979 die Islamische Republik. Die politische Macht haben Kleriker und politische Aktivisten, welche während der revolutionären Ereignisse 1978-80 Ayatollah Khomeini nahe standen sowie die Revolutionsgarden, welche während der Revolution selber häufig nicht aktiv selbst aktiv waren, allerdings im Iran-Irak-Krieg gekämpft und nach Ende des Krieges in einflussreiche Positionen gekommen waren. Es sind vor allem diese beiden Gruppen, welche im Moment die Macht haben und den Diskurs bestimmen. Dazu rückt mittlerweile eine dritte Generation nach, welche in der islamischen Republik aufgewachsen und sich aus Überzeugung oder als Karrieristen dem herrschenden System angeschlossen haben. Die führenden Köpfe der Reformbewegung und Moderaten rekrutieren sich vor allem aus ersterer und der dritten Gruppe.
Die Herrschaft im Iran legitimiert sich über a) das Velayet-i Faqih, d.h. die Geistlichkeit als Stellvertreter des verborgenen 12ten Imam, welche entsprechend berechtigt sind die politische Macht auszuüben. Das tun sie über klerikale Institutionen im IRI-Regierungssystem, wie den Revolutionsführer, den Wächterrat, den Expertenrat und den Schlichtungsrat, die die gewählten Institutionen (Präsident, Parlament) kontrollieren und sicher gehen sollen, dass auch nichts unislamisches gemacht wird. De facto sichern sie die Herrschaft der herrschenden Elite. b) Iranischen Nationalismus, d.h. vor allem die Unabhängigkeit von ausländischer Einflussnahme, technologische, soziale und ökonomische Entwicklung und die Förderung islamisch-persischer Kultur.
Ein wichtiger Aspekt der Islamischen Republik ist auch der Anspruch die Menschen zu echten islamischen Individuen zu erziehen, d.h. Frömmigkeit, Treue zum Islam, d.h. zum Regime, die Bekämpfung allzu westlicher Einflüsse, welche zu Säkularismus, Unglauben, Sympathie für ausländische Mächte und ihre Kultur führen sollen (d.h. vor allem den Westen, besonders die Engländer und die USA). Das ideale Individuum ist ein frommer, gebildeter, kultivierter Muslim, welcher dem herrschenden System, als dem religiös legitimierten System treu ergeben ist, regelmäßig sein Gebet verrichtet, gegen soziale und politische Ungerechtigkeit opponiert (womit in erster Linie der imperiale Angriff auf die Welt des Islam, d.h. die Existenz von Israel, die Verwestlichung der Kultur, die Präsenz von US-Soldaten und US-Vasallen in der islamischen Welt gemeint sind, man ist da sehr flexibel). Das entspricht den kulturellen Präferenzen der islamisch-konservativen Schicht im Iran, die stark von der 12er schiitischen Kultur geprägt ist. Zu dieser gehören die meisten Vertreter des Regimes, d.h. der Revolutionäre um Khomeini und die Angehörige der Revolutionsgarden und viele die in den staatlichen Institutionen arbeiten. Viele von diesen erhielten durch die Islamische Republik soziale Aufstiegschancen und es ist mittlerweile eine konservative Mittelschicht entstanden aus der viele der nachrückenden Eliten der Islamischen Republik entstammen.
[youtube][/youtube][youtube][/youtube][youtube][/youtube]
Doch es gibt im Iran nicht nur Konservative sondern es entstand Ende des 19ten und in den ersten Jahrzehnten des 20ten Jahrhunderts eine säkulare Kultur, welche durch den Einfluss westlicher, oder heute eher globaler Ideen und der globalen Kultur, und ganz wichtig einen starken iranischen Nationalismus geprägt sind. Auch kulturell sind diese Menschen westlichen Einflüssen gegenüber aufgeschlossen und sie teilen die xenophobe Haltung des Regimes diesbezüglich nicht. Es gibt aber auch durchaus Gemeinsamkeiten mit der Islamischen Republik, wie der Wunsch nach technologischer Entwicklung, sozialer Gerechtigkeit, der Bewahrung nationaler Würde, die Bekämpfung jeglicher ausländischer Einflussnahme, die Pflege persischer Kultur – vor allem Literatur und Sprache, aber auch Geschichte und Architektur. Sie haben sich notgedrungen mit den politischen Verhältnissen und der Kontrolle des öffentlichen Raums durch das herrschende politische System abgefunden und halten sich an die Spielregeln um ein geregeltes Leben führen zu können. Innerhalb der privaten Häuser sieht es natürlich anders aus. Dort wird eine säkulare iranisch-nationalistische Kultur gepflegt, die mit der islamisch-konservativen Kultur der herrschenden Eliten wenig anfangen kann. Und solange sich die säkulare Kultur nicht offen gegen das herrschende Islamische System richtet und sich dieser unterwirft, indem man z.B. ein Bildchen von Khomeini und Khamenei irgendwo aufhängt, wird sie eingeschränkt auch im öffentlichen Raum akzeptiert. So gibt es z.B. in Teheran eine natürlich zensierte aber doch lebendige Kulturszene, Theateraufführungen, Malerei, natürlich Filme, Literatur und Musik gibt es im Übermaß. Es muss sich aber den Moralvorstellungen der Islamischen Republik unterwerfen und darf natürlich nicht großartig politisch sein.
Viele dieser pro-westlichen Mittelschicht sind auch Ausländern überaus aufgeschlossen, um so mit der großen weiten Welt Kontakt aufzunehmen und im Sinne eines alles bestimmenden Iranischen Nationalismus den „wahren Iran“ zu zeigen. Der eben nicht rückständig-islamistisch sondern in weiten Teilen sehr progressiv und aufgeschlossen ist. Siehe auf Facebook: See You in Iran
Auch gibt es ein großes Interesse vieler zumindest für einige Jahre im Westen zu leben und so einmal dieser konservativ-islamischen Kultur zu entfliehen und an einem Ort zu leben an dem eine säkulare Kultur dominant ist. Die Kurse für westliche Fremdsprachen – neben Englisch vor allem Deutsch – sind gut besucht und viele bemühen sich z.B. um ein Studentenvisum.See You in Iran (SYI) encourages traveling to Iran by providing a platform where future and former travelers can connect through experience and information sharing.
Join us by:
1. Asking your non-Iranian and second generation Iranian friends who have visited Iran to post a paragraph about their experience with some pictures.
2. Adding potential visitors who have expressed interest in visiting Iran.
3. Adding potential hosts and travel companions in Iran.
Es ist gerade vor diesem Hintergrund einer autoritären islamistischen Herrschaft, vor der man diese Gegenkultur der säkularen iranischen Mittelschicht verstehen muss und um die es in diesem Strang gehen soll. Wichtig ist zu erkennen, dass die jüngere Generation im Iran der Islamischen Republik aufgewachsen und sehr stark von der dominanten Kultur beeinflusst wurde und es geht darum das Unbehagen und die Entfremdung von dieser auszudrücken. Dabei muss es keineswegs immer mit der politischen Forderung nach einem Umsturz oder ähnlichem einhergehen. Vielmehr greift man sich einzelne Aspekte oder Ereignisse heraus und kritisiert diese.
Ein einschneidendes Erlebnis waren die Proteste nach der Präsidentschaftswahl 2009. Damals hatte die Säkulare Mittelklasse in großer Zahl den Reformer Mir Hossein Mussawi gewählt, allerdings wurde erklärt Machmud Achmadinejad hätte mit großem Vorsprung die Wahlen gewonnen. Eine Allianz aus Politikern der Reformbewegung und Säkularen Aktivisten organisierte Proteste, die allerdings niedergeschlagen wurden. Diese Erlebnisse waren für viele traumatisch, im Wahlkampf aufgekeimte Hoffnungen wurden enttäuscht und es folgte eine Repressionswelle eines Regimes, dass aber einmal mehr daran erinnert wurde, wie schnell es mit der eigenen Herrschaft auch vorbei sein könnte.
Sehr wichtig ist auch die iranische Diaspora vor allem in Amerika, vor allem Los Angeles, und Deutschland, vor allem Hamburg. Nicht jeder davon ist Regimekritiker und Oppositioneller, die überwiegende Mehrheit ist allerdings eher säkular geprägt und daher potentieller Konsument einer säkularen iranisch-nationalistischen Gegen- und Protestkultur.
In diesem Strang soll es um diese gehen, welche das aktuell herrschende System und seine verschiedenen Ausformungen kritisiert. Ebenfalls um Sozialkritik, wie sie die Islamische Republik zumindest so ein wenig zulässt. Das Ausmaß mit der man dabei das Regime kritisiert und möglicherweise einen Umsturz fordert, variiert sehr stark, je nach Hintergrund und emotionalem Zustand der jeweiligen Personen.