JJazzGold hat geschrieben:
Sie sollten nicht vergessen, dass Sie letztendlich "das arme Schwein" sind, welches Dank meiner langen Lebenserwartung lange meine Rente zahlen wird und zusätzlich genötigt ist, für sich und Ihre Familie zusätzliche Absicherungen und Altersvorsorgen monetär zu bewältigen.
Je eher Sie damit anfangen Ihre Qualifikation in ein einträgliches Steuern- und Sozialabgaben Einkommen umzusetzen, desto besser für die leeren Kassen. Bitter - aber wahr.
Naja. Der Punkt ist halt, das eigentlich noch nie jemand nachgewiesen hat, das jüngere Absolventen tatsächlich volkswirtschaftlich positive Auswirkungen haben. Es wird eigentlich einfach nur stillschweigend davon ausgegangen, dass die Verlängerung der Lebensarbeitszeit das nun mit sich bringt.
Ob aber nicht die niedrigeren Einstiegs-Alter auch negative Auswirkungen haben, wurde nie untersucht. Es ist alles andere als bewiesen, dass ein 22-jähriger Bachelor-Absolvent die gleiche Lebenserfahrung, Kreativität, Reife und Qualifikation wie der frühere 26-Jährige Diplomer mitbringt. Denn der hatte im Gegensatz zum Bachelorabsolventen Zeit für ein Auslandssemester, ausgedehnte Reisen und Raum zur Persönlichkeitsentwicklung und kann letztlich wesentlich mehr Lebenserfahrung und damit soft-skills einbringen.
Ich stehe gerade am Ende des Bachelorstudiums und sehe halt auch meine Kommilitonen. Die hatten keine Zeit für Praktika, haben kaum "echte" Auslandserfahrung (wenn man mal vom pseudo-Auslandssemester unter dem Namen "Erasmus" absieht), hatten keine Zeit sich Abseits der Uni nach Tätigkeiten und Erfahrungen umzusehen und sind letztlich reinste Fachidioten, und das noch nichtmal vollständig, weil eben ca 20-30% der relevanten Inhalte erst im Master thematisiert werden.
Mit den diversen Reformen (Schulzeitverkürzung, Wehrdienstreform, BA/MA) errreicht man wahrscheinlich eine längere Lebensarbeitszeit - rein intuitiv würde ich aber stark bezweifeln, dass diese Schritte wirklich die Produktivität der Arbeitnehmer steigern. Zur Bewältigung des demographischen Wandels ist diese aber mindestens genauso wichtig wie die Lebensarbeitszeit.
Und abgesehen von den wirtschaftlichen Aspekten finde ich es hochgradig dubios, dass in Zeiten rasant steigender Lebenserwartung das effektive "jung sein" verkürzt wird, nicht nur relativ sondern eben auch in absoluten Zahlen.
PS: Um das aber zu relativieren: Ich glaube, dass dieser Effekt nicht nur mit den Reformen zusammenhängt. Viel geht auch von den jungen Menschen selber aus, die sich heute einfach einen enormen Leistungsdruck schieben. Theoretisch kann man auch heutzutage noch ein "Bummelstudium" absolvieren und Lebenserfahrung sammeln - die wenigsten tun es. Woran das liegt, ist spekulativ, aber letztlich geht es um diverse Mechanismen, die eben einen gewissen Leistungsdruck erzeugen. Sei es die neu-eingezogene "Prüferitis" in Schulen und Universitäten (Stichwort Zentralabitur, Vergleichstests und auch BA/MA-Reform inkl. der Beschränkung der Masterplätze), sei es die panische Angst vor der Arbeitslosigkeit die aus der Arbeitsmarktsituation und der Stigmatisierung von (lohn)Arbeitslosigkeit hervorgeht. Oder sei es eben nur die "Abstiegsangst" der Mittelschichtskinder, die in Zeiten einer wegbröckelnden Mittelschicht wohl nur natürlich ist.