Nightrain hat geschrieben:Seltsam. Ich hatte das Thema Elektromobilität eigentlich schon immer so verstanden, dass die Eintrittschwelle damit auch erhöht werden soll. Damit meine ich, dass Elektrofahrzeuge durch die teure Batterietechnik (aufgrund der Rohstoffe wird das absehbar auch nicht günstiger, im Gegenteil) und den Verschleiß der Batterien es erschweren sollen billigste Mobilität bereitzustellen. Das erhöht den Druck auf den ÖPNV umzusteigen massiv und reduziert die Anzahl der Fahrzeuge auf den Straßen deutlich. Wenn dadurch die Anzahl der Fahrzeuge um 25% reduziert werden kann, dürfte das die weit größere Umwelteinsparung sein gegenüber der Umstellung Verbrenner zu Elektro.
Oder kurz: Mobilität mit eigenem PKW entwickelt sich wieder hin zu etwas exklusivem für die gehobene Mittelschicht.
Das wären beim derzeitigen Stand 9,3 Millionen weniger PKW.
Unabhängig davon ob teuer oder nicht, wo würde wohl der private Besitz eines Automobils am wenigsten Sinn machen ? Bei der wachsenden Zahl der Menschen die schon heute in Städten (>70%) mit guter Erreichbarkeit von ÖPNV leben ? Oder bei den übrigen, die irgendwo auf dem Land mit verhältnismäßig schlechter Anbindung an ÖPNV ?
Nächste Frage, ist der Besitz eines privaten PKW in Anbetracht der Folgekosten nicht eine recht wenig Sinn machende Angelegenheit, wenn nicht sowieso "zur gehobenen Mittelschicht" gehört und gleichzeitig der Zugang zu ÖPNV gut ist ?
Fahren nicht heute schon die allermeisten jenseits "der gehobenen Mittelschicht" den klassischen PKW aus 2. manchmal auch 3. "Hand" ? Das durchschnittliche Alter der gegenwärtigen PKW-Flotte liegt bei 9,x Jahren (KBA) und erst nach 18 Jahren beendet die Verschrottung das "Leben eines privaten PKW ?
Jährlich werden gegenwärtig lediglich ca. 3,5 Millionen neue PKW in D "umgesetzt". Das sind etwas über 7% des Bestands. Zusätzliche Käufe eingeschlossen. Es wird also einige Jahre dauern, bis der heutige Bestand komplett erneuert sein wird. Inzwischen sind ca. 1,5 % der Bestandsfahrzeuge elektrisch. Mehr davon sind Hybridfahrzeuge.
Inzwischen gibt es ein zwar noch kleines Angebot an "Elektrischen". Die in- und ausländische Autoindustrie nebst recht zahlreichen "Seiteneinsteigern", ist dabei in den nächsten Jahren das Angebot zu erhöhen und wird sicher versuchen allen "Käufersegmenten" ein Angebot zu machen. Da sogenannte "Premiumfahrzeuge" gleichgültig ob nun Verbrenner oder Hybridfahrzeug oder Elektrofahrzeug, auch heute schon hauptsächlich in der "gehobenen Mittelschicht" zu finden sind, wird sich das kaum verändern, wenn tatsächlich in einigen Jahren die "Verbrenner" wegfallen.
Was den Verschleiß von Batterien angeht, zum ersten ist der je nachdem wie die Ladung gestaltet wird nicht wirklich so dramatisch wie das die üblichen "Schwarzseher" kolportieren. Inzwischen (einige PKW-Produzenten bieten die Batterie ausschließlich zur Miete an) entsteht bereits ein Markt für "Second Life-Batterien als flexible Speicher für Erneuerbare Energien". Es könnte jetzt schon interessant sein, eher ein Fahrzeug inklusive Traktionsbatterie zu kaufen.
Die alten Kamellen, die gesamte heutige Flotte würde sich in kurzer Zeit in reine Elektrofahrzeuge verwandeln glauben nur noch all die, welche mit wenig Logik an solche Sachen herangehen. Selbst wenn das wider Erwarten eintreten sollte, kann man abschätzen, unter 10 Jahren, also frühesten 2030 muss man mit einem stark elektrifizierten Markt rechnen. Da Elektroautos wesentlich stärker an die spätere reale Nutzung angepasst beschafft werden, wird es für die "Kurzstrecken" (die Majorität der realen Nutzung) sehr bald auch preiswerte Angebote geben. Wenn das die "üblichen" dt. Hersteller nicht bieten, ich bin sicher, andere können das.
Wer weiß wie komplex ein Verbrennungsmotor nebst aller Teile die nur dort notwendig sind plus der beweglichen, also Verschleiß unterworfenen Teile die in krassem Missverhältnis zu reinen Elektrofahrzeugen stehen, sollte sich vorstellen können, dass sich der Preisunterschied immer stärker zu Gunsten von den sehr einfach gestrickten Elektrofahrzeugen entwickeln wird. Die teuerste Komponente die Traktionsbatterie kann an die tatsächliche Nutzung angepasst werden. Die Mehrzahl solcher Fahrzeuge kommt mit relativ wenig Kapazität klar. Genau da werden die Unterschiede liegen. Die Konstruktion eines modernen Elektrofahrzeugs auf der Basis z.B. "MEB" ist enorm flexibel.
VOLKSWAGEN MEB (Modularen Elektrifizierungsbaukasten)
Elektromotoren dieser Bauart liefern ein quasi "natürliches" konstantes Drehmoment. Etwas was der Verbrenner nicht hat und auch mit erheblichem Aufwand (Turbolader) nur annähernd "abgebildet werden kann. Alles am E-Motor kann von einer entsprechenden Regelung exakt und wiederholbar vorprogrammiert "angeboten" werden. "Vor Ort" ist ein Elektrofahrzeug motorseitig komplett ohne Emissionen. Selbst der Bremsabrieb wird durch Rekuperation verringert - Bewegungsenergie wird dabei gespeichert usw. usf.
Die Auseinandersetzung ob nun elektrisch oder fossil wir längst nur noch ideologisch geführt. Soweit man die hohen Investitionen einschätzen kann, ihat die gesamte in- und ausländische Autoindustrie bereits entschieden. Es ist durchaus in deren Sinn, das der Veränderungsprozess sich noch hinzieht. Die Notwendigen Kapazitäten um die steigende Nachfrage überhaupt befriedigen zu können, werden gerade erst geschaffen.
Wie schon gesagt, selbst wenn ich das Geld für eine Elektrofahrzeug, welches meinen persönlichen Bedürfnissen genügen würde, "zur Hand" hätte, würde ich das gegenwärtig - für die nächsten zwei Jahre - nicht in Betracht ziehen. Mein Diesel mit dem ich so um die 7.000 km zu den mich umgebenden Städten fahre - zwei "hauptsächliche Destinationen" sind je 15 und 35 km entfernt. Der nächste Bahnhof mit Zugang zu ALLEN Städten im Umkreis von 80 km liegt von meinem Wohnort gerade mal 5 km entfernt. Die Fahrzeiten der wenigen Busse kenne ich derzeit überhaupt nicht. Einkäufe : zwei "Hauptmöglichkeiten" - Nr. 1 ca. 5 km und Nr. 2 ca. 12 km
Ob ich mir in zwei Jahren mit dann 76 nochmal einen "Neuen oder Gebrauchten" zulegen werde, weiß ich nicht. Meine Kiste, die noch in einem sehr guten Zustand ist wäre dann etwa im "Durchschnittsalter" des bundesrepublikanischen Bestands. Bei den notwendigen Fahrstrecken sind "nur" 5.000 km/a durchaus eine realistischen Größe. Das schafft mein Fahrzeug noch allemal auch für die nächsten 6 ... 7 Jahre.
Eine Jahreskarte "ab 60" und eine monatliche Taxifahrt zum Großeinkauf (ich hasse das Einkaufen und reduziere das auch jetzt schon auf 1 ... 2 monatliche Einkäufe) lässt sich problemlos mit den dann wegfallenden Kosten für den Unterhalt eines PKW kompensieren. "Ungeplante Sonderfahrten" müssen dann eben anders geplant und ausgeführt werden.
So oder sehr ähnlich dürfte es für einen guten Teil der Bevölkerung ebenfalls aussehen. Eine "gemächliche" Veränderung die sich über Jahre hinziehen wird bietet genügen Zeit sich neu anzupassen. Für diese geradezu panische Stimmung gibt es bei genauem Hinsehen nur wenig Veranlassung. Die einzigen die sich eventuell schneller bewegen müssen sind Pendler. Aber auch die hatten nun schon mehrere Jahre Zeit sich auf Veränderungen vorzubereiten. Sämtliche Probleme die sich jetzt verstärkt zeigen haben wir eine miesen, wenig vorausschauenden Politik auf allen Gebieten des Verkehrs und der Energiebeschaffung zu "verdanken". Daran sind wir allerdings auch zum größten Teil selbst schuld. Es waren schließlich keine "Außerirdischen" die diese Regierungen "herbeigewählt" haben.
"Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen." (aus China)